Samstag, 12. August 2023

Kissigs Kunstfehler: Warum ich mich an der Börse öfter mal bremsen muss. Und wie...

Es gibt viele Börsenweisheiten und Bonmots berühmter Investoren und doch stelle ich leider viel zu häufig im Nachhinein fest, dass ich eine ganz entscheidende mal wieder nicht beherzigt habe: cool bleiben. Das ist ärgerlich und nicht selten kostet mich das Geld, weil ich entweder total aufs falsche Pferd gesetzt habe, oder mich mit einem Investment einfach nicht wohl fühle. Und es deshalb verkaufe, mit den entsprechenden Folgen wie Gebühren und Spesen und, im besseren Fall, mit Steuern auf den Gewinn.

Grundsätzlich sollte man langfristig investieren und nicht schnell kaufen und verkaufen. Denn dieses schnelle Hin- und Her ist einer der häufigsten Anfängerfehler und einer, den man sich noch am einfachsten sparen kann. Man muss schlicht bei der Auswahl seiner Investments behutsamer vorgehen, sich selbst ein wenig bremsen. (Viel) mehr braucht es nicht. Eigentlich...

Der Aktienkauf darf keine Belohnung für den Analyseaufwand sein!

Wenn ich eine Aktie analysiert habe, mir also die Geschäftsberichte der letzten Jahre angesehen und die Bewertung überprüft habe, dann steht am Ende der Mühen oft die Kaufentscheidung. Denn naheliegenderweise treffe ich bereits eine Vorauswahl und suche nach Unternehmen, die in einem Geschäftsfeld tätig sind, das ich verstehe und bei denen ein erster Blick auf die Kennzahlen, wie KGV, Cashflow oder Dividendenrendite eine tiefer gehende Analyse lohnenswert erscheinen lassen.
»Hat man eine schlaflose Nacht wegen eines Börsenengagements, soll man es sofort auflösen.«
Natürlich ist es falsch, sich mit dem Kauf einer Aktie für die Mühen des Analysierens dieses Unternehmens zu belohnen. Selbstverständlich sollte man nur dann eine Aktie erwerben, wenn am Ende der Analyse auch objektiv alles für einen Kauf spricht. Und nicht nur ein bisschen oder eben subjektiv, weil man vielleicht schon von vornherein voreingenommen war. Immerhin hat man sich ja eine viel versprechende Aktie ausgesucht und dann viel Zeit und Mühe in die Analyse gesteckt.

Im Grunde treffen wir auch hier wieder auf den von mir so oft erwähnten Ankereffekt, der uns das Leben so schwer macht. Der Anker ist in diesem Fall, dass wir ja nur Aktien analysieren, die wir grundsätzlich als interessant/attraktiv eingestuft haben und damit schon von vornherein eine positive Erwartungshaltung einnehmen. Deshalb besteht die Gefahr, Faktoren positiver zu bewerten, die unsere Ansicht stützen, und solchen, die ihr widersprechen, nicht genügend zu würdigen. Was die Analyse nicht zwangsläufig falsch macht, aber eben doch tendenziös.
Und trotzdem... zu oft entscheide ich mich noch immer subjektiv für ein Investment. Mit der Folge, dass ich mich dann irgendwann nicht mehr richtig wohl damit fühle. Und dann konsequenterweise wieder aussteige. Unter dem Strich, ob es nun ein Gewinn- oder ein Verlustgeschäft war, hätte ich mir sowohl den Ankauf als auch den Verkauf sparen sollen! Gefreut hat sich in jedem Fall mein Broker, der hat zweimal kassiert, ob ich nun Geld mit dem Deal verdient oder verloren habe.

Kaufe Aktien, um Miteigentümer zu werden

Weil ich mir also bezüglich meiner eigenen Entscheidungen nicht wirklich über den Weg trauen kann, habe ich mir angewöhnt, mir am Ende des Analyseprozesses, also quasi direkt vor dem Absenden der Kauforder, noch einmal die entscheidende Frage zu stellen: "Will ich diese Aktie fünf Jahre lang behalten? Will ich fünf Jahre lang Miteigentümer dieses Unternehmens sein, Partner dieser Leute?"
»Ich versuche nie, mit Aktien Geld zu verdienen. Ich kaufe in der Überzeugung, dass die Börse am nächsten Tag auch für fünf Jahre schließen könnte.«
Es klingt profan, aber das ist es nicht. Denn durch das bewusste Beschäftigen mit dieser Frage schaffe ich mir einen Kontrapunkt zu dem Wunsch, endlich meine Überlegungen an der Börse auszuprobieren. Denn hier kommt mein Spielernaturell durch, der Wunsch nach 'Action', nach Aktivität, dieses Gefühl, das einen Spekulanten von einem Investor unterscheidet - und das mir immer wieder mal Stöcke zwischen die Beine wirft.
»Ich würde Spekulation als Handel definieren, der sich sehr auf die Kursausschläge einer Aktie konzentriert, weil man zum Beispiel denkt, dass die Quartalszahlen sehr gut ausfallen werden oder es einen Aktiensplit geben wird oder die Dividende steigt. Aber man schaut sich nicht die Anlage und die dahinterstehende Bilanz selbst an.«
(Warren Buffett)
Ich überlege also, ob die Bewertung und die guten Geschäftsaussichten des Unternehmens ausreichen, dass ich denen für fünf Jahre mein Geld überlassen und mich dann um dieses Investment nicht mehr kümmern würde. Gerade so, wie Buffett es beschreibt: als wenn die Börse fünf Jahre schließen würde. Und dieser Gedanke bringt mich zwangsläufig zu einem Aspekt, der ganz wichtig ist, aber eben auch schwierig zu beurteilen - und der daher zu oft hinten runter fällt: das Management.

Das Management wird Dein Partner

Buffett legt extrem großen Wert auf das Management, seinen Charakter, seine Fähigkeiten. Nur wenn er überzeugt ist, dass diese Leute ehrlich sind und fähig, nur dann vertraut er ihnen sein Geld an. Und diese Überlegung sollte auch für einen normalen Investor, der langfristig Investieren will, eine ganze entscheidende sein. Glaube ich, dass das Management dieses Unternehmen durch Krisen steuern kann, dass es sich anzupassen versteht, die Herausforderungen angeht und trotzdem bodenständig genug ist, im Sinn des Unternehmens zu handeln, nicht (nur) im eigenen? Möchte ich Geschäftspartner von diesen Leuten sein?
»Good business, good management, good price.«
(Warren Buffett)
Kann ich diese Fragen nicht oder nicht mit "Ja" beantworten, dann sollte ich nicht, nein, dann darf ich nicht in dieses Unternehmen investieren! Obwohl es sich vielleicht finanziell auszahlen würde, das kann durchaus sein. Aber für mich ist es nicht das richtige Investment, denn ich werde mir über kurz oder lang die Frage stellen, ob ich mich damit wohl fühle. Ob ich glaube, dass das Problem X für das Unternehmen eine Gefahr darstellt oder die Entwicklung Y negative Auswirkungen haben könnte. Spätestens an dieser Stelle muss ich die Frage beantworten können, ob das Management gut genug und fähig genug ist, diese neuen Herausforderungen anzugehen, um das Unternehmen durch diese Untiefen zu steuern. Und weil ich diese Frage ja irgendwann ohnehin beantworten muss, stelle ich sie mir jetzt gleich am Anfang. Eigentlich sogar kurz vor dem Anfang, bevor ich die Aktien überhaupt kaufe.

Selbstverständlich kann auch ein fähiges Management Fehlentscheidungen treffen und das Unternehmen in eine Schieflage bringen. Auch das ist ja ein Grund, weshalb man nicht alles nur auf eine Karte setzen sollte. Und weshalb man sich ein solides Unternehmen aussuchen sollte mit einem fähigen Management und einer attraktiven Bewertung.

(Mit-) Eigentümer führen Unternehmen besser als angestellte Manager

Ein nicht zu unterschätzendes Element bei der Auswahl eines guten Managements kann der Eigennutz sein. Wenn also das Management einen größeren Anteil an dem Unternehmen besitzt, dann hat es eine ganz andere Motivation in Bezug auf dessen nachhaltige Entwicklung, als wenn das Management nur auf die Erfüllung des Vorstandsvertrags und die darin genannten Tantieme-Ziele aus ist. Wer Eigentümer der Gesellschaft ist, der verzichtet eher mal auf eine Chance mit zu großen Risiko, und setzt eher auch auf die langfristigen Entwicklungen, anstatt sich auf kurzfristige Erfolge zu fokussieren.

Ein Charlie Munger, ein Warren Buffett oder ein Stephen A. Schwarzman profitieren eben nicht zuvorderst durch ihr Vorstandsgehalt, sondern vor allem durch die Erhöhung des Unternehmenswerts ihres eigenen Unternehmens. Und das sind Geschäftspartner, bei denen man gerne Partner sein möchte. Weil man darauf vertrauen kann, dass sie das Unternehmen auch in den nächsten fünf Jahren pfleglich behandeln und weiter entwickeln werden. Ist dann das Unternehmen zu einem attraktiven Preis zu erwerben, dann schlage ich zu. Und zwar nur (noch) dann! So lautet der Plan...

••• Überarbeite Fassung eines Artikels aus Januar 2015

4 Kommentare:

  1. "Der Kauf darf keine Belohnung für das Analysieren sein"

    Das ist mal eine neue "Börsen"-Weisheit, die ich mir sofort hinter die Ohren schreiben werde. Vielen Dank für diesen Gedanken!

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  2. MichaelAUX12.08.23, 09:59

    Interessanter Ansatz Michael,ich kann mich selbst in einigen Passagen wiedererkennen. Es gibt vermutlich viele Anleger/Investoren unter uns die ähnlich verfahren. Man springt auf einen Trend an,einer markanten Schlagzeile,lässt sich fangen von einem der mittlerweile unzähligen Youtuber oder sonstigen Leuten die auf einmal die noch nie dagewesene Kursrakete entdeckt haben wollen. In aller Regel ist es viel heiße Luft um nichts wobei ich betonen möchte dass es unter den Youtubern doch einige gibt die seriös auftreten und eben nicht marktschreierisch.

    Ich halte es mittlerweile auch so dass ich mit den Werten die im Depot sind "alt werden" möchte,es gibt keinen Titel den ich sofort hergeben würde oder möchte. Aktuell sind es 11 Einzeltitel und 3 Fonds die jeweils einen speziellen Markt abdecken. Zu den Einzelaktien nur soviel - es sind 7 Länder mit 10 Branchen vertreten und davon garantiert einige die völlig unter dem Radar der breiten Masse laufen. Mit 61 hoffe ich noch auf mindestens 10-15 Jahre Anlagehorizont um dann mit Mitte 70 die Früchte meiner Anlageentscheidungen ernten und auch genießen zu können.

    Mehr Einzeltitel kommen nicht infrage weil man dann im Prinzip gleich in einen breit aufgestellten Fonds investieren kann. Ein Wert ist etwas spekulativ und der wäre eventuell bei entsprechendem Kursverlauf ein Kandidat zur Gewinnmitnahme. Für mich passt das so und ich fühle mich mit dem Depotinhalt ausgesprochen wohl - auch wenn Montag die Börse für 5 Jahre schließen sollte frei nach W.Buffet. ;-)

    In diesem Sinne......beste Grüße aus Augsburg.

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    1. Hallo MichaelAUX,
      Das klingt wirklich interessant. Würde mich, und bestimmt andere auch, freuen von Deiner Liste etwas zu lernen. Möchtest du vielleicht einige Werte hier auflisten?
      Beste Grüße Holger

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  3. Hallo Holger,

    deinem Wunsch entsprechend mache ich hier mal meine Liste auf:
    Allianz und BMW sind die deutsche Abteilung
    Dino Polska und PKN Orlen stehen für Polen
    BAE Systems Großbritannien
    BKW Schweiz
    LVMH Frankreich
    Stryker,S&P Global,D.R. Horton und Cadence Design Systems stehen für die USA.

    Die deutschen Titel sind mein Ankerinvestment bezüglich Dividenden.
    BAE deckt den Bereich Verteidigung ab mit einem sehr umfangreichen Produktportfolio. Und die Dividendenzahlungen sind ein angenehmer Nebeneffekt.
    Die beiden polnischen Werte sind zum einen der größte Lebensmitteleinzelhändler des Landes und Orlen ein hochinteressanter Vertreter aus dem Bereich Energie.
    BKW ist ein regionaler Energieversorger mit dem Kanton Bern als Ankeraktionär.
    Zu LVMH muss man nicht viel sagen,die decken den Bereich Luxus perfekt ab.
    Zu den US-Werten - S&P mit großem Burggraben,Horton ist der größte Bauunternehmer im Bereich Einfamilienhaus,Cadence ist mein "Rennpferd" aus dem Techbereich und Stryker ist meine "Herzensangelegenheit" und die Aktie die wenn ich alles bis auf einen Titel hergeben müsste als Letztes übrig bliebe.
    Dazu im Fondsbereich:
    Xtrackers World Materials für den Bereich Rohstoffe
    Xtrackers MSCI World Health Care für den Bereich Medizin
    Ishares MSCI ACWI für den globalen Bereich.

    In Beobachtung habe ich noch 2 US Werte - einmal Deere (Landwirtschaft ist ein Steckenpferd von mir) und Reliance Steel&Aluminium,einer der größten Metallhändler in den Staaten.

    Mit diesem Mix fühle ich mich ausgesprochen und ja,es gäbe unendlich viele andere Optionen aber das was jeder hat ist nicht so meins und die "üblichen Verdächtigen" sind im Weltfonds sowieso schon drin. Zu Polen hab ich eine besondere Verbindung und weiß von daher wen ich mir da ins Depot geholt habe. Das wird bestimmt nicht das "Traumdepot" darstellen aber für MICH passt es und aktuell bin ich mit knapp 11% im Plus dieses Jahr.

    Spekulieren,shorten und zocken ist nicht meins und Krypto schon gar nicht aber das kann ja jeder halten wie er will. Ich bleibe da bei Buffet das man in nichts investieren sollte was man nicht versteht und da ich alle Bereiche der Einzeltitel entweder selbst nutze und/oder einen Bezug dazu habe passt das perfekt.

    In diesem Sinne - beste Grüße retour
    Michael ;-)

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