Mittwoch, 21. Dezember 2016

Was denkt sich Ernst Russ beim Marenave-Einstieg?

Die Ernst Russ AG, vormals HCI Capital, ist erst seit einiger Zeit wieder erfolgreich am Markt unterwegs. Das frühere Schiffsfonds-Emissionshaus hat Ende 2015 einen Kapitalschnitt und anschließende Kapitalerhöhungen hinter sich und ebenso eine neue Geschäftsausrichtung hin zu einem Asset- und Investmentmanager mit maritimem Schwerpunkt. Ernst Russ betreibt eine Flotte von rund 50 Container-, Tanker- sowie Bulkschiffen, betreut weitere 180 Fondsschiffe und verwaltet als Asset-Manager Objekte u.a. aus den Bereichen Schifffahrt, Immobilien, Erneuerbare Energien und Private Equity. Nachdem man die Reedereien König & Cie und Ernst Russ übernommen hatte, erfolgte wenig später die Übernahme eines ersten Schiffsportfolios von der HSH Nordbank.

Und in diesem Bereich will Ernst Russ weiter mitmischen. Im November startete man ein Joint Venture mit dem norwegischen Finanzdienstleister Pareto, mit dem Restrukturierungsprojekte vorangetrieben werden sollen. So legt Pareto einen Fonds auf, mit dem Bestandsschiffe aus dem Markt aufgekauft werden sollen; ein auf die Eigenkapitalseite fokussiertes Projekt zunächst nicht für den deutschen Markt, sondern vor allem mit Blick auf institutionelle Investoren aus dem Ausland. Dabei wird auch die Ernst Russ AG ins Risiko gehen über Co-Investments.


 Ernst Russ AG (Quelle: finanzen.net) 
Mit einem zweiten Projekt will Ernst Russ einen weiteren großen Schritt machen. Es gäbe eine Zusage eines Private-Equity-Fonds, der $500 Mio. zur Verfügung stellen wird, mit denen Ernst Russ an der Konsolidierung des Marktes aktiv teilnehmen will. Hier sollen vorrangig "Non-performing Loans" )NPL) gekauft werden, also notleidende Kredite, die mit Schiffen besichert sind. Darüber hinaus bestätigte CFO Mahnke, dass sein Unternehmen weitere Übernahmen angehen könnte; man sei bereits in konkreten Gesprächen und zwar mit starken Kapitalpartnern im Rücken.

Und nun scheint man fündig geworden zu sein. Denn Ernst Russ teilte mit, man habe 22,26% der Stimmrechte an der Marenave Schiffahrts AG übernommen, die sich auf Insolvenzkurs befindet und von den sie finanzierenden Banken nur mit Notkrediten und Schonfristen bis Ende Januar über Wasser gehalten wird. Die Marenave-Flotte umfasste zuletzt noch sechs Produktentanker, vier Bulker, zwei Containerschiffe und ein Car Carrier und nach den ersten sechs Monaten lag der Verlust von Marenave bei minus €10,8 Mio., während der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum von €36 Mio. auf €22 Mio. zurückgegangen war.

Ein interessanter Nebenaspekt ist, dass die heutige Enrst Russ-Tochter König & Cie. die Marenave Schiffahrts AG im November 2006 gemeinsam mit der HSH Nordbank an die Börse gebracht hatte. Acht Jahre später trennten sich die Wege von König & Cie. und Marenave, als ein US-Investor einstieg, vom dem Ernst Russ dann Anfang des Jahres die König & Cie. übernahm.

Meine Einschätzung
Die Ernst Russ AG war entstanden, als das Emissionshaus HCI Capital die Ernst Russ Reederei sowie den Wettbewerber König & Cie übernommen und sich schließlich im Juli umbenannt hatte. Die großen Anteilseignern sind die Döhle Gruppe und die HSH Nordbank, eine strauchelnde Landesbank, die neben der Commerzbank über das größte Portfolio an notleidenden Schiffsfinanzierungen verfügt. Ernst Russ hätte hier also den kürzesten Draht, denn die HSH Nordbank muss als Auflagen seitens der EU-Kommission ihre Bestände in diesem Bereich massiv abbauen.

Die beiden neuen Geschäftsfelder zielen in einen Bereich, der seit Jahren großen Verwerfungen ausgesetzt ist und auch vor großen Pleiten nicht Halt macht, wie der siebtgrößten Reederei der Welt, der südkoreanischen Hanjin. Ernst Russ könnte hier, mit finanzstarken Partnern im Rücken, zu einem der großen Profiteure der Branchenbereinigung und Wiederauferstehung werden. Aus dem Pleitekandidaten ist ein hoffnungsvoller Turnaroundwert geworden und die Neuausrichtung verspricht Potenzial, sofern das antizyklische Handeln aufgeht. Bisher gibt es noch keine Erholungstendenzen in der Branche, nach wie vor sinken die Frachtraten aufgrund massiver Überkapazitäten und es laufen noch immer neue Schiffe vom Stapel. Nur risikofreudige Anleger mit langfristigem Anlagehorizont sollten sich Aktien des marktengen Wertes ins Depot legen.

Ernst Russ befindet sich als Turnaround-Spekulation auf meiner Empfehlungsliste und in meinem Depot.

3 Kommentare:

  1. Hallo,
    ich kann mir kaum vorstellen, dass es zu einer Branchenbereinigung kommt.
    Wie im Artikel schon steht "nach wie vor sinken die Frachtraten aufgrund massiver Überkapazitäten und es laufen noch immer neue Schiffe vom Stapel.".
    Auch wenn Firmen wie Hanjin pleite gehen, sie die Schiffe (Überkapazitäten ) noch da.
    Hanjin hatte ca. 140 Schiffe in der Flotte:
    ca. 80 waren gemietet und stehen zu Verfügung
    ca 60 waren eigene Hanjin-Schiffe, davon wurde ein Paar verschrottet aber der Rest (über 90%) wurde von Mitbewerber billig eingekauft und steht wieder zur Verfügung.

    Nur MM.
    VG
    Daniel

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  2. Hallo Michael,

    was denkst du, wie die morgigen Quartalszahlen aussehen werden?

    Grüße

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    1. Ich habe keine Ahnung. Insbesondere der Marenave-Einstieg erschließt sich mir bisher noch nicht und ich erhoffe mir von Ernst Russ hier mal Erläuterungen, was man genau vorhat.

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