Samstag, 19. November 2022

Benjamin Graham wertet Dividenden als Qualitätsmerkmal. Natürlich...

In Zeiten niedriger Zinsen für Spareinlagen und Anleihen gehen Anlegern die Alternativen aus. Immer hört man den Rat, auf dividendenstarke Aktien zu setzen, um so attraktive Renditen zu erzielen. "Dividenden sind der neue Zins" ist gar zu einem geflügelten Werbespruch geworden. Richtig so!?

Benjamin Graham erkannte eine langfristige und zuverlässige Dividendenzahlung sogar als ein besonderes Qualitätsmerkmal für die Auswahl von geeigneten Aktieninvestitionen.
»Einer der überzeugendsten Tests hoher Qualität von Firmen ist eine ununterbrochene Historie von Dividenden, die sehr viele Jahre zurückreicht.«
Doch die Dividendenrendite alleine ist kein Qualitätsmerkmal; auch hier kommt es darauf an, genauer hinzusehen und sich die richtigen Gedanken zu machen, bevor man investiert. Denn hohe Dividendenrenditen können auch unschöne und ggf. teure Begleiterscheinungen haben...

Aktienkurse schwanken

Aktien sind bekanntlich Unternehmensanteile und diese kann man über die Börse handeln. Daher entsteht der Eindruck, der Wert des Unternehmens würde sich täglich ändern. Aber das tut er selbstverständlich nicht! Lediglich der Preis, den man für einen Anteil am Unternehmen bezahlen muss und damit der Preis des gesamten Unternehmens verändert sich mit jeder neuen Kursfeststellung. Für mittel- und langfristig orientierte Anleger sind die Kursschwankungen also kein Hinderungsgrund, sich Aktien zuzulegen.

Darüber hinaus darf man auch nicht übersehen, dass die Dividenden am Tag der Ausschüttung vom Aktienkurs abgezogen werden. Das ist der sog. Dividendenabschlag. Denn das Unternehmen zahlt ja die Gelder an seine Aktionäre aus und für das Unternehmen stellt dies einen Wertverzehr dar. Den Rest des Jahres - bzw. Quartals bei amerikanischen Unternehmen, die zumeist Quartalsdividenden zahlen - wird die nächste Dividende in Form von Unternehmensgewinnen dann wieder im Kurs "angesammelt".

Auch Dividenden schwanken

Die absolute Höhe der Dividende ist weit weniger interessant, als ihr Verhältnis zum jeweiligen Aktienkurs. Denn hieraus ergibt sich die auf das Jahr berechnete Dividendenrendite. Und die kann man dann mit dem Jahreszinssatz für Spareinlagen oder Bundesanleihen vergleichen. Je höher die Dividendenrendite, desto attraktiver ist die betreffende Aktie.

Allerdings ist die Höhe der Dividende nicht in Stein gemeißelt, sondern wird von der Hauptversammlung beschlossen. Wachstumswerte, die auf das Kapital angewiesen sind, schütten zumeist weniger bis gar nichts aus und Unternehmen, die deutlich höhere Zahlungen vornehmen, sind oftmals gesetzte Unternehmen mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell, das wenig zusätzliche Investitionen verlangt.

Des Weiteren sollte man unbedingt auf die Ausschüttungsquote achten, also überprüfen, wie viel der zur Verfügung stehenden Mittel als Dividende ausgekehrt werden. Im Regelfall sollte dies nicht mehr als die Hälfte sein. Während in Deutschland häufig auf den Jahresüberschuss bzw. das Ergebnis je Aktie geschaut wird, findet in den angelsächsischen Ländern hauptsächlich der freie Cashflow Anwendung. Zu Recht, wie ich meine. Denn der Jahresüberschuss beinhaltet u.a. auch Abschreibungen, während der freie Cashflow der Liquiditätszufluss aus dem operativen Geschäft ist, bereinigt um die Investitionstätigkeit. Letztlich also das Geld, das am Ende für die Aktionäre wirklich zur Verfügung steht.

Substanzverzehr als Warnsignal

Schüttet ein Unternehmen nun als Dividende mehr aus, als es verdient hat (also der freie Cashflow hergibt), zehrt es von seiner Substanz - es löst Rücklagen auf. Und dies kann ein ernsthaftes Warnsignal sein! Denn sollte dies mehrmals vorkommen, verliert das Unternehmen an Wert und der Aktienkurs wird sich dieser negativen Entwicklung nicht dauerhaft entziehen können und deutlich fallen. Man kann sich das vorstellen wie ein Motor, der ständig Öl verliert, ohne dass frisches nachgefüllt wird. Was kein normaler Mensch tun würde, weil er damit den Motor schädigt und ein großes Problem verursacht.

Übergangsweise hingegen kann ein Rückgriff auf die Rücklagen zum Zweck der Dividendenzahlung aber dennoch positiv gesehen werden, wenn zum Beispiel einmalig schwache Jahresergebnisse geglättet werden sollen und so Dividendenkontinuität zu gewährleisten. Wie zum Beispiel bei Rückversicherungsunternehmen, die Jahre mit hohen Schadensquoten so ausgleichen mit Mitteln, die sie in Jahren mit höheren Prämieneinnahmen aufgrund geringer Schadensereignisse auf die Seite gelegt hatten.

Hohe Dividendenrenditen sind nicht immer ein positives Signal

Dividendenrenditen werden ermittelt, indem man die Dividende ins Verhältnis zum Aktienkurs setzt. So kann man verschiedene Unternehmen miteinander vergleichen. Diese darf man aber nicht isoliert betrachten; da die Dividendenrendite ja die Komponente Aktienkurs enthält, muss man diesen zunächst hinterfragen. Denn eine hohe Dividendenrendite kann aus einer hohen Dividende resultieren, einem niedrigen Aktienkurs oder einer Kombination aus beiden. Zahlt ein Unternehmen 1 Euro Dividende je Aktie, macht dies bei einem Aktienkurs von 50 Euro eine Dividendenrendite von 2 % aus. Stürzt der Kurs nun dramatisch ab, z.B. aufgrund einer Gewinnwarnung des Unternehmens, und notiert nur noch bei 20 Euro, läge die Dividendenrendite schlagartig bei 5 %. Das klingt viel attraktiver, ist es aber in diesem Fall nicht!

Denn vermeldet das Unternehmen eine Gewinnwarnung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es auch eine geringere Dividende für dieses Geschäftsjahr geben wird. Wenn überhaupt noch eine gezahlt werden kann. Die überall angegebene Dividendenhöhe bezieht sich auf die Zukunft und ist eine Prognose. Die Analysten nehmen ihre Einschätzungen allerdings nicht immer unverzüglich vor, sondern bisweilen mit einigem zeitlichen Abstand, so dass die Angaben auf Börsenseiten oder in Anlegermagazinen durchaus veraltet sein können. Und während dann die Dividendenrendite optisch hoch und verlockend aussieht, kann sich dies nach der nächsten Anpassung der Prognosen dann schlagartig ändern. Eine hohe Dividendenrendite sollte also niemals alleiniges Anlagekriterium sein.

Auf Dividendenstars setzen

Niemand ist davor gefeit, dass Unternehmen Dividenden senken oder aussetzen. Man kann aber die Wahrscheinlichkeit erhöhen, stetige Dividenden zu erhalten - indem man auf Dividendenaristokraten setzt. Hierzu gehören nach den Kriterien von Standard & Poors Unternehmen, die in den vorausgegangenen 25 Jahren in Folge ihre Ausschüttungen beibehalten oder erhöht haben. Gelingt dies sogar über 50 Jahre hinweg, steigen sie in den elitären Kreis der Dividendenkönige auf.

Doch Dividendenausschüttungen sind nicht alles. Grundsätzlich geht es darum, nur die Unternehmen auszuwählen, bei denen auch künftig eine konstante oder sogar steigende Dividende zu erwarten ist und die durch unternehmerische Erfolge erwirtschaftet wurde. Man sollte auf ein ordentliches Dividendenwachstum achten und eine nicht zu hohe Ausschüttungsquote, denn dies bietet Spielraum für steigende Dividenden in der Zukunft.

Auch auf die Bewertung achten

Wenn man bei der Auswahl der richtigen Unternehmen nun noch auf die günstig bewerteten setzt, also auf ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und/oder ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), winken zusätzlich noch Kursgewinne während der Anlagezeit, die die Gesamtrendite des Investments noch steigern können. Denn Studien belegen, dass Aktien mit Dividendenausschüttungen langfristig deutlich höhere Kurssteigerungen verzeichnen, als solche ohne Dividendenausschüttungen; Buffetts Berkshire Hathaway oder Wachstumswerte wie Amazon einmal ausgenommen.

Am Ende kommt noch einmal Benjamin Graham zu Wort, der uns einen weiteren, ganz entscheidenden Aspekt für die langfristig erfolgreiche Aktienanlage mit auf den Weg gab:
»Ein Investment liegt immer dann vor, wenn nach einer gründlichen Analyse in erster Linie Sicherheit und erst im Anschluss daran eine zufriedenstellende Rendite steht.«
(Benjamin Graham)
Sicherheit und Rendite sind die Kehrseiten derselben Medaille, das dürfen Anleger niemals aus den Augen verlieren!

Disclaimer: Habe Amazon, Berkshire Hathaway auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.


Meine Lese-Tipps
▶ "Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse" von Benjamin Graham und David Dodd
▶ "Die Graham-Methode. Benjamin Grahams Value-Investing Schritt für Schritt" von Janet Lowe
▶ "Intelligent investieren" von Benjamin Graham


••• Überarbeite Fassung eines Artikels aus Mai 2017.

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