Montag, 24. Februar 2020

Zukunftstrend Wasserstoff: Weshalb ich (noch) nicht in Wasserstoff-Aktien investiere

Wasserstoff ist einer der zur Zeit meist gehypten Zukunftstrends und wenn man die Headlines der Boulevardblätter liest, aber auch die der Börsenmedien, dann gibt es fast nichts anderes mehr. Wasserstoff ist in, Wasserstoff ist hip, Wasserstoff kann alles - und jeden retten. Ist natürlich Blödsinn, aber wie so oft steckt in den marktschreierischen Übertreibungen auch hier ein wahrer Kern. Und der alleine entscheidet darüber, ob es sich für Anleger (jetzt schon) lohnt, in diesen Trend zu investieren.

Wasserstoff kann eine sehr wichtige Energiequelle werden, vielleicht sogar eine bessere als Strom aus regenerativer Erzeugung. Oder eine sinnvolle Ergänzung dazu bzw. Teil der Energiekette. Allerdings gibt es eben auch einige nicht gerade kleiner Hürden auf dem Weg dorthin zu überbücken.

Erst neulich las ich wieder den Anfang einer "Analyse" zum Thema, die mit den Worten begann, Wasserstoff sei die ultimativ saubere Energiequelle und Wasserstoff stehe in unbegrenzter Menge zur Verfügung. Da schüttelt es mich gewaltig, denn wenn man über die entscheidenden Details einfach so hinweggeht, dann sind alle weitere Ausführungen und Schlussfolgerungen genauso ein Mist. Denn Wasserstoff ist überhaupt keiner vorhanden auf unserem Globus, jedenfalls nicht "pur". Das kann man innerhalb einer Sekunde bereits bei Wikipedia erfahren. Vor allem das Suggerieren der Gleichheit von Wasser und Wasserstoff führt natürlich zu aberwitzigen Phantasien.

Ich finde die Entwicklung im Bereich regenerativer Energien sehr spannend. Ich kann allerdings überhaupt nicht abschätzen, was sich dabei durchsetzt, welche Anwendungen erfolgreich sein werden und in welchem Zeitraum. Und selbst wenn sich Wasserstoff am Ende gegen alles andere durchsetzen sollte, dann ist heute noch überhaupt nicht absehbar, welches Unternehmen daran wirklich verdienen wird. Es gab früher auch einmal hunderte (tausende?) Eisenbahngesellschaften; die meisten davon gingen pleite und/oder wurden billig aufgekauft. Später passierte das selbe mit den ganzen Automobilunternehmen. Obwohl sich die Erfindung, die Technik durchgesetzt hat, haben unzählige Menschen mit den beteiligten Unternehmen Geld verloren, nicht nur die Aktionäre, sondern auch (Anleihe-) Gläubiger.


Oder mal ein paar Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: wer kann noch einige Suchmaschinen benennen, die nicht Google sind? Es gab mal eine Vielzahl von denen, die vor 20 Jahren an der Börse viel Geld einsammeln konnten und fast alle vom Markt verschwunden sind. Oder wer kann noch die "erfolgreichen" Internetbuchhändler von vor 20 Jahren benennen? Übrig geblieben ist fast nur Amazon, aber es gab mal eine ganze Menge davon. Es war auf Dauer nicht einträglich, auf Altavista, Lycos, bücher.de, buch.de, bol.de zu setzen als Investor oder auf ricardo.de oder selbst auf Urgestein Yahoo.

Ballard Power (Quelle: wallstreet-online.de)
Zurück zum Wasserstoff: einfach mal den Chart von Ballard Power studieren. Auf 5-Jahressicht sieht man vier Jahre lang Siechtum und dann einen Raketenstart mit Kursvervielfachung in den letzten Wochen. Sieht nach einer entgangen Chance aus, Wasserstoff ist doch hip, da lässt sich bestimmt viel Geld verdienen. Und nun... einfach mal den langfristigen Chart betrachten und da sieht man, dass die Aktie vor 20 Jahren schon einmal einen Hype hinter sich hatte. Ja, Wasserstoff war schon einmal "das ultimative Thema", die "ultimative Alternative" zum Erdöl. Allerdings sieht man auch, dass die Kursrakete von 2019/2020 kaum der Rede wert ist, wenn man sich die irrwitzigen Kursregionen ansieht, wo Ballard Power damals rangierte, nämlich knapp zehnmal so hoch wie heute. Wer damals den Hype gekauft und die Aktien bis heute im Depot hat, der sitzt noch immer auf schlappen 90% an Kursverlusten. Nach mehr als 20 Jahren! Die gerne angeführte Deutsche Telekom als Paradebeispiel für überbordende Kurseuphorie und Kapitalvernichtung ist ein Witz dagegen.

Mein Fazit

Wasserstoff ist eine spannende Technologie; sie dürfte sich (mit) durchsetzen und eine Reihe von sinnvollen Einsatzmöglichkeiten finden. Was die beteiligten Unternehmen angeht und deren Kurse, ist die aktuelle Euphorie aus meiner Sicht eine riesige Blase, aus der 95% abgelassen werden wird. Gier frisst Hirn, aber die Realität findet irgendwann trotzdem wieder statt. Viele, vielleicht die meisten der Wasserstoff-Unternehmen, werden nicht (lange) überleben. Einige wenige werden sich durchsetzen und dann auch die heutigen Kursregionen und sogar noch höhere rechtfertigen. In fünf oder zehn Jahren oder noch später.

Für mich ist der Wasserstoff-Sektor kein Investmentspielfeld, sondern ein Zock, ein Gamble. Was nicht heißt, dass man dort kein Geld verdienen kann. Doch das speilt sich zwischen "Silly Money" und "Venture Capital" ab, das ist nichts für Langfristanleger, nicht jetzt, nicht bei diesem "Reifegrad" der Technik.

7 Kommentare:

  1. Sehr gute Zusammenfassung des Hypes, es gibt nichts hinzuzufügen. Siehe auch die Kursverläufe der so genannten Highflyer am heutigen Tag...

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  2. Hallo Michael,
    im Grunde wissen wir, dass Deine Beschreibung richtig ist und ich sehe es auch genau so. Trotzdem lässt mich ein Punkt nicht los, nämlich der mit dem Unternehmen, dass sich durchsetzt. Interessant ist für mich, wer kann ein Tankstellennetz aufbauen, wer kann kompakte mobile Elekrolyseure bereitstellen, wer hat bereits langfristige Verträge mit der Autoindustrie und schon Fahrzeuge am Start, wer rüstet Schiffe um und wer hat überhaupt die finanziellen Mittel zum Ausbau seiner Kapazitäten? Bei meiner Abwägung der Risiken würde ich mich am Ende für NEL entscheiden, weil die Firma bereits seit fast 100 Jahren besteht und Verträge in USA, GB, Korea und Japan unterhält. Darunter auch Schwergewichte wie Toyota und Huyundai. Auch die Umrüstung der Londoner Stadtbusse läuft über NEL, ebenso eine Taxiflotte in Brüssel. In Kalifornien besteht ein Joint Venture mit Nikola Trucks und die Dinger laufen schon seit geraumer Zeit. Die Explosion einer Tankstelle in Oslo hatte ursächlich mit H2 nichts zu tun. Meine eigentliche Überlegung geht aber in eine ganz andere Richtung. In Norwegen wurde der Kurs für die Ölindustrie in der Verfassung neu abgesteckt und auch der Staatsfonds muss seine Beteiligungen an Öl und Gas verringern. Die ehemalige STATOIL hat sich schon mal einen anderen Namen zugelegt, nämlich EQUINOR und möchte in Zukunft einen grünen Anstrich auflegen. Wenn also ein norwegisches Traditionsunternehmen mit erkennbarem Know How in einer aufstrebenden Branche wie NEL finanziell in Schieflage gerät, wird sich gerade in Norwegen eine Lösung finden, dieses Unternehmen weiterführen zu können. Der faire Wert für NEL wurde von der DNB (Den Norske Bank) auf 5 NOK berechnet, also umgerechnet irgendwas bei 0,50 EUR. Sollte es in nächster Zeit zu einem drastischen Rücksetzer kommen, könnte ich mir einen Einstieg vorstellen, nach der Devise, einfach mal 10.000 Stück kaufen und liegen lassen. Deine Meinung dazu würde mich sehr interessieren, danke.
    Gruß
    Konrad

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    1. Die für mich entscheidende frage ist, weshalb ich so früh in eine relativ unsichere Sache investieren sollte. Ich kann doch auch abwarten, bis sich der/die Sieger klarer abzeichnen und ich dann in ein Unternehmen investieren mit solider Bilanz, steigen Umsätzen und Cashflows und ggf. bereits Gewinnen. Klar, dann nehme ich die ersten paar hundert Prozent nicht mit, aber wer auf den Chart von SAP, Apple, Alphabet, Amazon, MasterCard usw. schaut, der erkennt, dass er reichlich Zeit hatte, auf den Siegeszug aufzuspringen. Auch wenn man dann nicht sagen kann, man habe 10.000 Prozent mit MasterCard erzielt. Na und? 500% oder 1.200% sind doch auch granate! Und da die meisten eh nicht bei ihrem kleinen Erstinvest verharren, sondern in späteren Jahren zu viel höheren Kursen aufstocken, spielt der erste Erfolg dann in absoluten Zahlen auch viel weniger eine Rolle.

      Und die Hoffnung, dass zur Not irgendwer das Unternehmen schon aufkaufen wird, auf die würde ich niemals setzen. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Käufer auch nicht blöd sind. Weshalb sollten die das ganze Unternehmen kaufen, samt Schulden etc., wenn sie ggf. auch einfach die Aktiva herauskaufen können? Bei Euromicron wird das gerade ja wieder vorgemacht und die Aktionäre sind die Dummen, weil die Gläubiger in der Insolvenz das Sagen haben (zusammen mit dem Insolvenzverwalter), aber eben nicht mehr die Aktionäre.

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    2. Hallo nochmal,
      wie oben erwähnt, teile ich Deine Meinung. Es ist nur manchmal verlockend, auf das vermeintlich richtige Pferd zu setzen. Aber Du hast schon recht, es ist ein unnötiges Risiko und im Grunde auch Zockerei. Danke für Deine Ausführungen, es tut gut, einen Gedankenaustausch zu pflegen, gerade in turbulenten Zeiten. Gruß Konrad

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  3. Ich habe vor 1 Monat ITM Power für 1,22€ gekauft und vor 1 Woche verkauft.
    Insgesamt für 3 Wochen behalten und ein Gewinn von 6000€ erzielt.
    Vor 2 Monaten Plug Power und auch vor 1 Woche verkauft und 8500€ Gewinn erzielt.

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  4. Kurz zur Info:

    Die Wasserstoff-Technik dient NUR zur Speicherung der Energie, quasi als Alternative zur Batterie. Nicht, dass man da was falsch versteht. Die heutige Technik ist so weit, dass z.b. erneuerbare Energie in Wasserstofftanks gespeichert werden kann, und dann eben Auto und/oder Haus versorgen könnte.

    Natürlich kann man auch Wasserstoff verbrennen um eben Energie freizusetzen, ähnlich wie bei Benzin bzw eher Diesel, aber die Speicherung ist das interessantere am Wasserstoff.

    Also, ich will damit sagen:

    Wasserstoff ist keine Alternative zu eneuerbaren Energien oder sowas. Es ist nur eine Alternative möglich zum Speichern von Energie.

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  5. Lieber Michael,

    manchmal finde ich Deine Argumentation nicht ganz stringent. Erst vor kurzem hast Du selbst von einem spekulativen Kauf berichtet:

    http://www.intelligent-investieren.net/2020/02/adaptive-biotechnologies-meine.html

    Warum da so frühzeitig mit hohem Risiko einsteigen, bei einem Unternehmen, das noch gar nicht lange an der Börse ist? Da sehe ich manche Wasserstoffwerte als weniger risikoreich an. Natürlich weiß man nie, welches Unternehmen sich durchsetzt. Aber im Wasserstoffbereich existieren manche Unternehmen eben doch schon länger, haben dementsprechend Know How und Netzwerk aufgebaut und nun kommt noch dazu, dass bestimmte Staaten, selbst die EU und auch Unternehmen wie Bosch gezielt auf Wasserstoff und bestimmt Partner setzen.

    Viele Grüße
    Andreas

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