Mittwoch, 10. November 2021

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Energiekontor: Begünstigt von Rückenwind und Sonnenschein

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 01/2021 vom 22.10.2021

Energiekontor: Begünstigt von Rückenwind und Sonnenschein

Energiekontor projektiert, baut und verkauft Windparks bzw. betreibt sie selbst und ist inzwischen auch bei Solarparks aktiv. Schwerpunkt ist allerdings die Windenergie, während die Solarenergie zunehmend an Gewicht gewinnt. Mit dieser Ausrichtung gehört man ganz sicher zu den großen Profiteuren der Energiewende.

Die großen Öl-Multis wie Shell, BP oder Totalenergies schwören den fossilen Energieträgern ab und setzen künftig überwiegend auf Stromerzeugung aus regenerativen Energien. Dazu benötigen sie entsprechende Wind- und Solarparks und davon gibt es nur ein begrenztes Angebot. Die Flächen sind rar, weil sie in Konkurrenz zu Bürgern und Naturschutz stehen und die Genehmigungsprozesse sind entsprechend langwierig. Zumal beinahe jedes Projekt auch noch jahrelang beklagt wird.

Des einen Freud, des anderen Leid. Während also die Nachfrage enorm steigt, kann das Angebot nicht genauso schnell erhöht werden. Die Folge sind starke Preissteigerungen bei geplanten und fertiggestellten Projekten. Und das spielt Energiekontor gleich mehrfach in die Karten.

Denn von den erstellten Windparks verkauft Energiekontor schon seit Jahren nur rund die Hälfte, die andere Hälfte wandert in das Eigenparkportfolio, das mittelfristig von 280 MW auf 500 MW ausgebaut werden soll. Auf diese Weise werden einerseits hohe Verkaufserlöse und Gewinne erzielt und damit die Eigenkapitalbasis gestärkt, während auf der anderen Seite stetige Cashflows durch die Stromeinspeisungen generiert werden. Entweder durch die Einspeisevergütung, zunehmend aber aufgrund des stark gestiegenen Strompreises durch Power Purchase Agreements (PPA). Dabei wird in einem Vertrag ein die Strommenge und der Preis für eine bestimmte Laufzeit festgeschrieben.

Der dritte Erlösstrom speist sich aus dem Betrieb der Projekte, denn Energiekontor betreibt nicht nur die eigenen Wind- und Solarparks, sondern übernimmt die Betriebsführerschaft oft auch bei Veräußerten Projekten.

Vor- und Nachteile

Da man die Hälfte der Projekte in den Eigenbestand überführt, steigt die eigene Stromerzeugungskapazität immer weiter an. Anderseits wird hierdurch natürlich auch Kapital gebunden und Gewinne "verschenkt".

Die Projekte stehen zu Herstellungskosten in der Bilanz und haben daher über die Jahre Kosten erzeugt. Erst beim Verkauf eines Projekts oder eines fertigen Wind- oder Solarparks fährt Energiekontor den Verkaufspreis ein und damit auch die Gewinnmarge. In diesem Moment werden also alle bis dahin aufgelaufenen Kosten vergütet und der Erfolg wird sichtbar.

Bei den Eigenbestandsprojekten entfällt dieser Verkaufsgewinn und die Gewinne werden über die Nutzungsdauer von 20 Jahren und die dabei erzielten Stromverkäufe eingespielt. Das ist kein unbedeutender Unterschied, denn in GuV und Bilanz "fehlen" die Einmalgewinne natürlich, was die aktuelle Bewertung der Aktie wiederum höher erscheinen lässt, als sie eigentlich ist.

Mitte letzten Jahres wurde dem Markt dies dann aber schlagartig klar, als RWE von Nordex ein 2,7 Gigawatt schweres Portfolio erworben hat zu einem bis dahin unvorstellbaren Preis. Auf einmal registrierte die Börse, welcher Wert in der Projektpipeline der Wind- und Solarparkentwickler steckt und es erfolgte eine kräftige Aufwertung mit entsprechenden starken Kurssteigerungen. Alleine Energiekontor verfügt über eine Projektpipeline (ohne USA) von 6.000 MW, nachdem es Ende 2019 noch 4.900 MW waren.

Auch die Aktie von Energiekontor hat von der Entwicklung enorm profitiert. Seit Anfang 2021 konsolidiert der Aktienkurs und könnte nun vor einem neuen Ausbruch stehen. Denn die Preise für GreenTech-Projekte legen weiter zu, die Nachfrage steigt ebenso weiter an, weil immer mehr Unternehmen selbst ihren "CO2-Fußabdruck" verringern wollen. Gleichzeitig schrauben die Staaten weltweit ihre Klimaziele höher und setzen immer größere Fördertöpfe auf. Die neue Bundesregierung in Deutschland dürfte unter Beteiligung der Grünen auch noch einmal aufs Tempo drücken.

Dem steht die Realität gegenüber, denn die ganzen erforderlichen neuen Wind- und Solarparks können nicht über Nacht entstehen. Auch wenn zusätzliche Flächen ausgewiesen werden, neue Stromtrassen errichtet und Genehmigungsprozesses beschleunigt werden, stehen neue Projekte erst ganz am Anfang. Der Bestand wird also wertvoller und die Preise für Projekte in Planung und Fertigstellung legen weiter zu.

Steigende Preise, steigende Kurse

Im Jahr 2020 verbuchte Energiekontor einen Konzernumsatz von 146,6 Millionen Euro und damit deutlich mehr als die in 2019 erzielten 63,7 Millionen. Allerdings war ein Projekt über den Jahreswechsel gerutscht, so dass dessen zahlen in 2019 fehlten und dann in 2020 aufschlugen. Die Gesamtleistung wurde 2020 von 96,4 auf 165,1 Millionen gesteigert, das EBITDA stieg von 38,9 auf 65,4 Millionen und das Jahresergebnis schoss von 0,2 Millionen auf 20,4 Millionen hoch.

2021 lief stark an und es konnten eine Reihe von Ausschreibungen der BundesNetzAgentur für neue Projekte gewonnen werden, sowohl im Wind- als auch im Solarbereich. Die eher schwache Wind- und Solarausbeute in der ersten Jahreshälfte 2021 hat das Ergebnis von Energiekontor etwas gedrückt. Nun liegen aber eher stürmische Wochen hinter uns, so dass sich das Ergebnis aufs Gesamtjahr verbessern sollte. Die größte Auswirkung wird ohnehin der Verkauf von Projekten haben, die oft erst kurz vor dem Jahreswechsel stattfinden.

Als Mittelfristziele bis 2023 peilt Energiekontor ein nachhaltiges Konzern-EBT von 55 bis 60 Millionen Euro an, wobei etwa 30 Millionen aus Projektierung und Verkauf stammen sollen und zwischen 25 und 30 Millionen aus der eigenen Stromerzeugung und der Betriebsführung. Für Energiekontor stellt das EBT das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit dar.

Insbesondere der Bereich eigene Stromerzeugung dürfte kräftig zulegen. Nach dem windschwachen Jahresauftakt sorgen die aktuell hohen Strompreise für glänzende Augen. Denn viele der PPAs werden auf Sicht von einem Jahr geschlossen und bei der anstehenden Verlängerung ab Januar 2022 dürften hier starke Preisaufschläge zu erwarten sein. Darüber hinaus wird Strom aus fossilen Energiequellen mit immer höheren CO2-Agbaben belastet, so dass grüner Strom zunehmende Wettbewerbsvorteile einfährt. Und die werden sicherlich nicht vollständig an die Abnehmer weitergegeben, sondern füllen auch die Taschen der Stromerzeuger.

Von Gründern und Aktienrückkäufen

Die beiden Gründer von Energiekontor Bodo Wilkens und Günter Lammers halten etwas mehr als 50% der Aktien. Da Energiekontor schon seit Jahren kontinuierlich eigene Aktien zurückkauf, sinkt die Zahl der ausstehenden Aktien und der Anteil der Mehrheitsaktionäre steigt entsprechend. Alle paar Jahre verkaufen die beiden dann wieder ein paar Anteile, behalten aber immer die Mehrheit.

Nachdem im Sektor Übernahmen groß in Mode sind, könnte dies auch auf Energiekontor zukommen. Sofern ein Käufer sich mit einem oder beiden Gründern einig werden würde. Bisher gibt es dafür keine Anzeichen, aber die beiden steuern inzwischen auf ihren Lebensabend zu und könnten daher irgendwann in Versuchung geraten, sich diesen vergolden zu lassen. Da wäre dann aber wohl ein enormer Aufschlag zu zahlen.

Sonnige Aussichten

Die steigenden Strompreise spielen Energiekontor in die Karten. Nicht nur hinsichtlich der Attraktivität der zu verkaufenden Projekte, sondern auch beim Eigenbestand. Hier wird die staatlich garantierte EEG-Einspeisevergütung mehr und mehr zur Mindesteinnahme, da der Verkauf über PPAs oder die Börse deutlich höhere Erträge einfährt. Das macht auch Altanlagen, die aus der früher viel höheren EEG-Vergütung herausfallen, attraktiver und erfordert nicht unbedingt sofort ein Repowering.

Das größte Risiko bleiben staatliche Eingriffe. Als zu hoch empfundene Einspeisevergütungen könnten gekappt werden, wie es Spanien vor Jahren mal versuchte, sogar rückwirkend. Oder Regierung versuchen, den Strompreisanstieg zu deckeln.

Energiekontor hat eine stetig wachsende Pipeline an aussichtsreichen Projekten und eine große Expertise in vielen Ländern. Die aktuellen Entwicklungen spielen Energiekontor in die Karten und das dürfte dem Unternehmen und auch dem Aktienkurs weiter Auftrieb geben.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Energiekontor wissen muss

  1. Es drängt viel Geld in den GreenTech-Sektor. Die Nachfrage steigt durch Investoren und Energieunternehmen auf der Suche nach zukunftsfähigen Geschäftsmodellen, während die Staaten immer neue Förderprogramme auflegen, um das Angebot entsprechend zu stimulieren.
  2. Energiekontor behält die Hälfte der fertiggestellten Projekte im eigenen Bestand. Durch den Verkauf fließt kurzfristig Geld für neue Projekte und es werden Gewinne erzielt, der Eigenbestand erzeugt in zunehmendem Maße Strom, wodurch man selbst zum Energieunternehmen wird.
  3. Störungen in der Lieferkette und steigende Materialpreise bei Anlagenbauern (Nordex, Siemens Gamesa, Vestas) können auch zu Kostensteigerungen und Verzögerungen bei Projektierern wie Energiekontor führen mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf und die GuV/Bilanz.
  4. Durch die steigenden Preise für Projekte und die hochschnellenden Strompreise wird auch die Projektpipeline immer wertvoller, wodurch sich stille Reserven in der Bilanz aufbauen mit entsprechendem Aufwertungspotenzial.
Disclaimer: Habe Energiekontor auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

3 Kommentare:

  1. Herzlichen Dank für die sehr sorgfältige und hilfreiche Analyse.
    Mit besten Grüßen, Ernest

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  2. Lieber Michael Kissig, vielen Dank für diesen Beitrag. Ich habe eine Frage. Hast du dir einmal die Clearvise AG näher angeschaut. Die "Bürgerwind-Aktie" ehemals ABO Invest ist aus meiner Sicht spannend. Sie betreibt Wind- und seit neuestem auch ein PV-Anlagen Portfolio. Die Assets haben aber noch nicht so stark aufgewertet wie bei PNE oder Energiekontor. Die Gesellschaft ist viel kleiner und tendenziell auch ein Übernahmekandidat. Hast du eine Einschätzung dazu? Viele Grüße, Joachim

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    1. Ich bin ein großer Fan von Energiekontor, ABO Wind, PNE, weil sie beides sind: Projektierer und Bestandshalter.

      Clearvise, 7C Solarparken, Encavis u.ä. hingegen sind ja reine Bestandshalter, das finde ich von der Ausrichtung her nicht so spannend.

      Momentan profitieren die Bestandshalter alle von den stark gestiegenen Strompreisen und hoffen, dass sie ihre EEG-Verträge möglichst bald in die aktuell viel attraktiveren PPAs umwandeln können.

      Die Projektierer profitieren von der enorm steigenden Nachfrage nach (fertigen) Wind- und Solarparks. Das treibt die Preise stark an - und die Bestandshalter müssen diese höheren Preise bezahlen, wenn sie ihren Bestand erweitern wollen. Ist insofern ein zweischneidiges Schwert. Und die Preise werden weiter steigen, da die Anlagenbauer (wie Nordex, Siemens Gamesa, Vestas) zunehmend über Probleme klagen aufgrund der gestiegenen Materialpreise und der Störungen der Lieferkette. Das wiederum betrifft auch die Projektierer, weil ihre Projekte ggf. erst später fertig werden und sogar die Kosten höher sein könnten als geplant. Doch diese Verzögerungen/Preiserhöhungen werden ja 1:1 auf die Käufer abgewälzt, also auch wieder die Bestandshalter, die ihren Bestand erweitern möchten.

      Bei EKT, PNE, ABO Wind geht ja ein erheblicher Teil der fertiggestellten Projekte in den Eigenbestand, da wirken sich die erhöhten Kosten (und die Verzögerungen) natürlich auch negativ aus: entgangene Verkaufserlöse und -gewinne (die werden statt Einmaleffekten auf die gesamte Lebensdauer über die Bilanzjahre verteilt).

      Und damit komme ich wieder zum Anfang meiner Aussagen: ich bevorzuge die "Branchenzwitter" und hier ziehe ich EKT und ABO Wind klar vor. PNE könnte nämlich durch die hohe Zahl an Parks, die in den Eigenbestand überführt werden (und der daraus resultierenden fehlenden Gewinne, aber vor allem Liquidität) auf Kapitalbedarf zusteuern, also eine Kapitalerhöhung. Das kommt selten gut an und belastet den Kurs für einige Zeit zusätzlich. Daher ist PNE unter den dreien, wenngleich ich sie mal als 2021 Sektorjahresfavoriten benannt hatte, momentan nicht meinen erste und auch nicht meine zweite Wahl für den Jahresendspurt und 2022.

      P.S.: Die latente Übernahmefantasie besteht bei jedem Unternehmen des Sektors, da Finanzinvestoren, strategische Käufer/Investoren, aber auch die Öl-Multis mit viel Geld in den Sektor drängen.

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