Donnerstag, 30. Dezember 2021

2021 im Rückspiegel: 'Buy the Dip' war hip, doch 'size matters', mussten wir erkennen. Irgendwie jedenfalls...

Das Jahr 2021 war ein weiteres "Coronajahr" und ich kann muss mich leider wiederholen: "Dieses Seuchenjahr liegt nun (fast) hinter uns, aber wir gehen in ein weiteres, denn Corona ist nicht besiegt. Corona wird uns begleiten, auch wenn es nun Impfstoffe gibt und Aussicht auf Besserung".

So begann ich meinen 2020er Rückblick und obwohl sich die Lage deutlich verändert hat, ist sie im Grunde doch recht ähnlich geblieben. Ein Jahr mit Lockdowns, Impfkampagnen, steigen Infizierten- und Todeszahlen liegt hinter uns und die Hoffnung auf ein schnelles und baldiges "Back to normal" wurde erneut enttäuscht. Weihnachten 2021 verlief für den Einzelhandel sogar noch katastrophaler als 2020. Das liegt nicht allein an Corona, doch die maßgeblichen Einflussfaktoren sind ganz überwiegend ein Resultat der Pandemie. Oder besser gesagt: des Umgangs mit der Pandemie.

Im Jahresverlauf gab es immer wieder Rücksetzer und "buy the Dip" erwies sich als Erfolgsstrategie. Jedenfalls bei Betrachtung der wichtigsten Indizes. Dow Jones, S&P 500 und NASDAQ notieren am Allzeithoch, doch das liegt vor allem an den großen Tech-Giganten, während viele kleinere Werte schlechter abschnitten oder sogar deutliche Verluste einfuhren. 

Ich blicke heute in den Rückspiegel und muss über meine prophetischen anmutenden Fertigkeiten schmunzeln, denn mein Ausblick auf das Jahr 2021 stand unter dem Motto: "2021 wird Corona die Schlagzeilen bestimmen, aber Emotionen und Liquidität die Märkte". Und genau so ist es auch gekommen, allerdings ganz anders...

Blicke ich auf das Jahr zurück, muss ich mich auch mit meinen vor einem Jahr geäußerten Erwartungen auseinandersetzen. Ich fasse hierzu meine Thesen für das Jahr 2021 in aller Kürze zusammen - wer möchte, kann ja meinen kompletten Jahresausblick für 2021 nachlesen.  

Ich meinte, Corona würde auch das Jahr 2021 bestimmen und dass sich die Hoffnung auf eine "Herdenimmunität" wohl nur einstellen werde, wenn eine Impfquote von über 60% erreicht werden könne. Aber auch dann würde Corona weiterhin Teil unseres Lebens bleiben, da das Virus auch dann nicht wieder ganz verschwinde; wir müssten lernen, es in unser Leben zu integrieren, trotz aller Impfstofferfolge. Genauso kam es, allerdings hatte ich nicht den Widerstand der Impfgegner und/oder Querdenker auf dem Schirm und die Unvernunft der Menschen, sich im Sommer problemignorierend in den Urlaubsdomizilien gegenseitig anzustecken.

Ich meinte, wir würden starke Konjunkturerholungen sehen und schrieb: "Ab Mitte des Jahres dürften die besonders betroffenen Branchen Flugverkehr, Reisen, Tourismus, Gastronomie, Events, aber auch Mode und stationärer Einzelhandel spürbar Aufwind bekommen." Genauso kam es. Allerdings ging ich von einer dauerhaften Entspannung der Situation aus und nicht von einem erneuten Einbrechen der Wirtschaftsleistung.

Inflation spielte in meinen Überlegungen nur eine geringe Rolle, da ich sie für nur für ein kurzfristiges Phänomen hielt. Die in 2020 erfolgte Mehrwertsteuersenkung wurde zum Jahresstart 2021 zurückgenommen und die Einführung der teuren Verschmutzungszertifikate verteuerte Energie merklich, während es kleinere Stottereien in den weltweiten Lieferketten gab mit daraus resultierenden kräftigen Preisanstiegen bei Roh- und Baustoffen. Ich ging davon aus, dass sich diese Probleme spätestens zur Jahresmitte weitgehend erledigt haben sollten. Doch damit lag ich voll daneben. Sie haben sich im Jahresverlauf weiter zugespitzt und führen nun wohl zur Zinswende der US-Notenbank - steigende Leitzinsen hatte ich frühestens für 2023 auf dem Schirm. Die Lage hat sich also auch hier grundlegend verändert.

Work-from-Home bleibe im Trend und die Anbieter von Büroflächen würden sich anpassen müssen. Mit der Einschätzung lag ich wiederum goldrichtig. Ebenso damit, dass Cyberattacken zunehmen würden und daher die Anbieter entsprechender Softwarelösungen gefragt sein/bleiben würden.

Hinsichtlich des Booms bei und hin zu grünen Energien konnte ich ebenfalls punkten. Auch wenn ich nicht von einer Bundesregierung ohne CDU-Beteiligung ausgegangen bin, war das Wiederhochpoppen von Fridays for Future und der Klimaproblematik doch absehbar. Ich hatte mich entsprechend positioniert bei GreenTechs (Energiekontor, ABO Wind, PNE). Und doch... die Preisexplosion für Gas, Öl und Strom so heftig anziehen würden, wie in der zweiten Jahreshälfte geschehen, das war in keinster Weise abzusehen. An den Folgen werden wir noch erheblich zu knabbern haben. Sowohl was die Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne bei den Grundversorgern angeht, vor allem für 2022 dürfte das ganz schwierig werden, aber natürlich auch im Hinblick auf die enormen Mehrkosten für die Bürger (Heizkosten) und die Unternehmen. Energieintensive Branchen, wie Stahl oder Metallverarbeitung werden wohl stark in Mitleidenschaft gezogen werden, weil sie die Kostenexplosion wohl kaum in voller Höhe an ihre Kunden weitergeben können werden. Aber dieses Thema behalte ich mir für meinen anstehenden Jahresausblick vor...

Viele Marktbeobachter meinten, 2021 würde BigTech unter die Räder kommen. Der Ansicht war ich nicht; im Gegenteil. Und ich lag richtig, auch wenn es zum Jahresstart vor allem die kleineren Wachstumswerte waren, die auf immer neue Allzeithochs stürmten. Die Stimmung kippte dann allmählich und viele der heißesten Wetten implodieren kursmäßig, je realer die Zinswende und das Ende der ultrabilligen Notenbankgeldes wurden. Das 2020er Börsensternchen Cathie Wood gehört mit ihren ARK-Fonds nicht umsonst zu den größten Losern des Jahres 2021. Meine Empfehlung war, auf Growth at a reasonable Price  (GARP) zu setzen, bevorzugt auf Burggrabenwerte. Die haben letztlich auch in 2021 mit am besten abgeschnitten.

Im zweiten Quartal habe ich dann noch die sich bietenden großen Chancen bei den Alternativen Asset Managern genutzt und meinen Bestand bei KKR deutlich ausgebaut. Und bei Apollo Global Management bin ich erstmals eingestiegen. Beide Werte sind zum Ende des Jahres meinen am höchsten gewichteten Depotwerte; dank der Zukäufe, aber auch wegen der sehr erfreulichen Kurszuwächse.

Des Weiteren hatte ich erklärt, weiterhin aussichtsreiche deutsche Nebenwerte zu favorisieren. Und das hat sich ebenso ausgezahlt, auch wenn unterjährig einige Favoriten wechselten. So kamen die Online-Coronagewinner in der zweiten Jahreshälfte kräftig unter Druck und ich habe hier meine Gewichtungen deutlich reduziert, um in GreenTech, FinTech, InsurTech zu investieren. 

Zwischenfazit

Ich lag mit vielen Annahmen für 2021 ziemlich richtig, wie auch schon im Jahr 2020. Und das zahlte sich aus. 2021 hat für mich zum dritten Mal im Folge mit einem Zuwachs von über 30% bei meinen Net Worth eine doppelt so hohe Rendite eingespielt, wie ich mir als langfristigen Zuwachs vorgenommen habe. Getreu der Lehre von der Rückkehr zum Mittelwert müssten also bald deutlich magerere Jahre folgen.

Andererseits gehe ich euch ja gerne mit meinen Warnungen vor dem Ankereffekt auf die nerven und muss daher einschränken: meine langfristige Zielrendite von 15% pro Jahr ist nicht empirisch belegt, sondern mein persönlicher Anker. Insofern wäre es ziemlich dümmlich von mir, ihn in eine Formel einzubauen und daraus irgendwelche Erwartungen abzuleiten.

Doch wenn ich mir die langfristige Durchschnittsrendite von Aktien ansehe, dann sind diese 7% bis 9% noch weniger dazu geeignet, auf viele weitere Jahre mit Renditen von über 30% zu hoffen. Aber, um ehrlich zu sein, mache ich mir hierüber eigentlich unterjährig kaum Gedanken. Ich setze auf Stock Picking ausgesuchter Werte und versuche, eine möglichst hohe Rendite einzufahren. Ob die nun über oder unter dem Durchschnitt irgendeiner Vergleichsrendite liegt, spielt für mich eigentlich kaum eine Rolle.

Weitere Effekte

In 2021 gab es einige Entwicklungen, die ich im Vorausblick gar nicht so richtig auf dem Schirm hatte. So wie den Meme-Hype, als sich Privatanleger im Onlineforen zusammenrotteten und gezielt von Shortsellern geshortete Aktien in die Höhe kauften, um die Shortseller "zu grillen". Was auch in mehreren Fällen gelungen ist und sogar große Hedge Fonds in die Knie zwang.

Nun habe ich für Shortseller wenig Sympathien, aber dass sich Anleger verabreden, um Aktienkurse zu manipulieren, gefällt mir gar nicht. Aus meiner Sicht ist das ein klarer Verstoß gegen die Börsenregeln und auch gegen die Marktmissbrauchsverordnung. Daher müssten sie auch entsprechend von den Börsenaufsichts- und Strafverfolgungsbehörden verfolgt und zur sanktioniert werden. Das betrifft auch daran beteiligte Promis, wie Elon Musk, der mit seinen Tweets auf Twitter maßgeblich Kurse beeinflusst. Von Aktien, zuletzt aber vor allem von Kryptowährungen.

Letztlich hat der Meme-Hype kräftig nachgelassen und es zeigte sich auch bei diesem Schneeballsystem wieder einmal, dass die Initiatoren die fetten gewinne einstreichen, während die letzten, die auf den Zug aufspringen, die Dummen sind. 

Ein weiterer Hype, bei dem Gier über Hirn siegte, war der SPAC-Hype. Diese Special Purpose Acquisition Companies sammelten viel Geld von Anlegern ein, um anschließend mit einem Unternehmen zu fusionieren bzw. eines zu übernehmen. So sollte diesen ein kostengünstiger und schneller Börsengang ermöglicht werden. Die SPACs sind börsennotiert, auch wenn sie anfangs nur aus Geld und allenfalls eine halbwegs konkrete Vorstellung über dessen Verwendung bestehen.

Die ersten SPAC-Deals verliefen noch ganz passabel, aber inzwischen kann man nur eine sehr ernüchternde Bilanz ziehen: die SPAC-Anleger haben nur in wenigen Fällen Geld mit ihrem "Investment" verdient, die meisten SPACs und/oder "börsennotierte Neuunternehmen" liegen deutlich im roten Bereich. Und es ist eher zweifelhaft, ob dieser SPAC-Hype noch einmal eine zweite Luft bekommt. Er dürfte eher auf der schier endlosen Liste der One-Hit-Wonder verenden.

Fazit

Ich lag mit meinen Annahmen für 2021 recht gut und habe mein Depot recht passabel auf die neu eintretenden Entwicklungen eingestellt. Was mich nicht davor bewahrte, mehrmals deutliche Einbrüche erleben zu müssen. Dabei bestätigte sich leider meine schon früher erlangte Erkenntnis, dass ich Trendwechsel oft erst (zu) spät erkenne. So habe ich sehr erfreuliche Kurszuwächse mit meinem US-Fintech-Investments eingefahren, aber seit Mitte November hiervon auch viel wieder hergeben müssen. 

Die Schlussfolgerung daraus ist, immer noch, dass ich mich auf langfristige Investments konzentrieren muss, die nicht nur in einer Wirtschafts- und Konjunkturlage funktionieren, sondern Geschäftsmodelle haben, die sich anpassen lassen und wo das Management im Idealfall bereits beweisen hat, dass es dies beherrscht. Auch diese Einsicht führt mich zwangsläufig zu Alternativen Asset Managern. Aber das ist eine andere Geschichte - die ich im Jahresausblick auf 2022, aber besonders in meinem anstehenden Investor Update per 31.12.2021 erzählen werde.

So, zum Abschluss wünsche ich euch einen guten Rutsch ins nächste Jahr. Stoßt darauf an, dass wir dieses zweite Seuchenjahr hinter uns lassen und dass 2022 für uns alle wieder "normaler" wird. Nicht nur, was die Börsen angeht.

P.S.: Danke, dass ihr den Artikel bis hierhin durchgehalten habt... ツ

Disclaimer: Habe ABO Wind, Apollo Global Management, Energiekontor, KKR, PNE auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

1 Kommentar:

  1. "P.S.: Danke, dass ihr den Artikel bis hierhin durchgehalten habt... ツ"

    War (mir) wie immer ein Vergnügen, von Dir zu lesen. Dir auch einen guten Rutsch in neue Jahr. Ich freue mich schon auf viele weitere nützliche und gleichsam unterhaltsame Artikel auf Deinem Blog.

    Viele Grüße nach Hamburg

    Jan

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