Samstag, 2. Juli 2022

Kissigs Performance-Update: So liefen die Börsen und meine Wikifolios im Juni

Der Juni sorgte für deutliche Kursverluste und führte dazu, dass der S&P 500 das schlechtes Halbjahresergebnis seit 50 Jahren zu verzeichnen hat. Der anhaltende Inflationsdruck und die sich stark verschärfende Lage an den Energiemärkten, vor allem in Europa, ließen die Hoffnung auf eine Wirtschaftserholung schwinden und die Sorge vor noch stärkeren Zinsmanövern der Notenbanken (Fed und EZB) samt der dadurch drohenden Rezession schickten die Laune der Börsianer auf Talfahrt. Und nicht nur ihre. Das Verbrauchervertrauen in den USA markiert historische Tiefststände und liegt inzwischen sogar unterhalb der Spitzenabsturzwerte aus 2008 und 2020, als die Finanzkrise bzw. die Coronakrise ihren Höhepunkt hatten. Dabei gibt es mehr offene Stellen in den USA als jemals zuvor und die Arbeitslosenquote ist niedriger als vor dem Coronaausbruch.

In dieser Gemengelage war mit Aktien kein Stich zu machen, aber auch Immobilien schwächeln, Kryptowährungen kollabieren und Anleihen liefern eine grottenschlechte Rendite ab - alles vor Inflation. Die entwertet den Restbestand noch zusätzlich.

Ende Mai hatte ich noch auf die unsinnige Regel "Sell in may" hingewiesen und nun kann man sagen: Hochmut kommt vor dem Fall. Anders ausgedrückt: nur weil eine Börsenregel keine Gültigkeit mehr hat, bedeutet das nicht, dass die Börsenkurse sich nicht doch ab und zu entsprechend verhalten.

Ich bin ja meistens voll investiert und so haben die fallenden Kurse mein Depot und die von mir betreuten Wikis entsprechend hart getroffen. Da in Deutschland eine Gasmangellage droht mit unabsehbaren und möglicherweise katastrophalen Folgen, habe ich die potenziell am stärksten betroffenen Nebenwerte im Wiki verkauft und Positionen reduziert. Die Cashquote liegt daher bei rund 25 %. Das wird aber kein Dauerzustand; tritt die Gasmangellage ein und die Kurse stürzen ab, werde ich die Cashquote zum Nachkauf nutzen. Entspannt sich hingegen die Lage und ich kann sicher sein, dass der "Gasschock" für die deutsche Industrie ausbleibt, werde ich das Geld ebenfalls wieder investieren. Wann dieser Zeitpunkt eintritt, ist heute nicht zu sagen. Klar ist, dass Gazprom die aktuell bereits auf 40 % Leistung reduzierte Pipeline Nordstream 1 vom 11. bis 21. Juli komplett abschalten wird wegen "routinemäßiger Wartungsarbeiten". Entscheidend wird sein, was danach passiert, ob Deutschland dann wieder russisches Gas erreicht - und in welcher Menge. Es steht uns also ein heißer Sommer bevor, so oder so...

Momentan herrscht maximale Unsicherheit über die künftige Börsenentwicklung; es gibt so viele einzelne Einflussfaktoren, die alle für sich und auch gemeinsam das Zeug haben, die Börsen maßgeblich in die eine oder andere Richtung zu treiben, so dass man kaum prognostizieren kann, welcher wohl der entscheidende sein wird. 

»Unsicherheit ist ein Freund langfristig denkender Anleger.«
(Warren Buffett)

Warren Buffett nutzt die Unsicherheit und geht auf Shoppingtour. Alleine im 1. Quartal hatte "das Orakel von Omaha" mehr als 50 Mrd. USD für Aktienkäufe ausgeben und seinen Cashberg als "nur" noch 100 Mrd. USD reduziert. Und seitdem hat er weitere Käufe publik gemacht, vor allem von Occidental Petroleum, wo er inzwischen mit 16 % Anteil größter Aktionär ist. Darüber hinaus hält er noch Vorzugsaktien, nachdem er im April 2019 10 Mrd. USD in Form von 100.000 Vorzugsaktien mit einem Liquidationswert von 100.000 USD pro Aktie gekauft hatte. Diese Aktien spielen ihm eine Dividende von 8 % aufs Konto und die Transaktion war mit Optionsscheinen verbunden, die zum Kauf von 83,86 Mio. Aktien zu 59,62 USD ermächtigen. Zusammen mit seinen direkt gehaltenen Aktien läge sein Anteil bei Ausübung der Optionsscheine also bereits bei deutlich über 25 %.

Während Warren Buffett also ganz aufgeregt und fleißig Aktien kauft, vermutlich auch wieder eigene Berkshire Hathaway-Aktien, die zuletzt ebenfalls Federn lassen mussten, dürfte die große Mehrzahl der Anleger unter den abgestürzten Aktienkursen leiden. Mit geht es ähnlich. Und mir hilft dann immer der Blick zurück: mein Vermögensstand Ende Juni 2022 ist wieder auf die Größenordnung geschrumpft, den es Ende April 2021 hatte. Ein herber Einbruch. In diesem Jahr summiert sich das Minus bisher auf 15,5 %. Und doch... ich versuche mich an meine Gefühlslage aus dem April letzten Jahres zu erinnern. Und ich kann sagen, dass ich mich damals sehr gut gefühlt habe und keinesfalls arm oder mir finanzielle Sorgen um meine Zukunft gemacht hätte. Tja, weshalb sollte ich mir diese also heute machen? Nur weil mein Vermögen in der Zwischenzeit schon einmal einen deutlich höheren Buchwert hatte? Oder anders ausgedrückt: nur weil "Mr. Market" vor einem halben Jahr viel höhere Preise ausgerufen hat als er es heute tut, muss ich mich deshalb ärmer fühlen oder weniger gut "situiert"? Nein, muss ich nicht. Ich habe mein Investmentdepot so aufgestellt, dass es den Sturm meistern können sollte. "Meine" Unternehmen werden mit den Herausforderungen zurechtkommen. Das ist eigentlich alles, was zählt. Ob die Kurse erstmal noch weiter fallen, oder ob sie bereits den Tiefstpunkt erreicht haben und ob ich dann die richtigen und besten Werte im Depot habe, das sind sekundäre Fragen. Und um die kümmere ich mich, wenn nötig, wenn die Zeit dazu reif ist...

Die Börsenentwicklung

Im vergangenen Monat litten europäische und vor allem deutsche Aktien besonders stark wegen der drohenden Energiekrise in der EU. Hedgefonds-Star Ray Dalio wettet mit inzwischen mit mehr als 10 Mrd. USD gegen ausgesuchte Aktien aus dem Euro Stoxx 50 und dabei vor allem gegen deutsche Werte wie BASF Bayer oder Allianz. In den USA haben die technologielastigen Indizes NASDAQ und S&P 500 stärker gelitten als der Dow, in Deutschland hielt sich der TecDAX vergleichsweise am besten, während der Nebenwerteindex SDAX am kräftigsten unter die Räder kam.

• Dow Jones: -5,16 % (YTD: -13,21 % // 1 Jahr: -8,14 %)
S&P 500: -8,72 % (YTD: -20,36 % // 1 Jahr: -11,56 %)
NASDAQ: -7,76 % (YTD: -28,32 % // 1 Jahr: -19,73 %)
DAX: -9,29 % (YTD: -17,42 % // 1 Jahr: -16,39 %)
MDAX: -9,40 % (YTD: -23,26 % // 1 Jahr: -21,41 %)
SDAX: -11,10 % (YTD: -25,82 % // 1 Jahr: -24,49 %)
TecDAX: -8,17 % (YTD: -25,53 % // 1 Jahr: -19,03 %)

Entwicklung meiner Wikifolios

Soweit mein kurzer Monatsrückblick. Jetzt kommen wir zur Entwicklung meiner drei Wikis:

Kissigs Nebenwerte Championszum Wiki

Investiertes Kapital: 2.296.300,- EUR
122,57 (30.04.22: 138,87)

Rendite seit Start am 19.08.20: +22,6 %
Rendite 1 Monat: -11,6 %
Rendite in 2022: -17,7% (YTD)
Rendite in 2021: +17,3 %
Rendite in 2020: +27,0 % (ab 19.08.)

Mein Nebenwerte Wiki hat deutlich nachgegeben im letzten Monat und damit einmal bestätigt, dass sich Abwärtsphasen Nebenwerte tendenziell schlechter schlagen. Da sliegt daran, dass Investoren lieber die bekannteren und vermeintlich sichereren Aktien im Depot behalten, wenn sie Kasse machen (müssen). Des Weiteren setzen panikartige Verkäufe Nebenwerten stärker zu, weil die Aktien ohnehin weniger häufig gehandelt werden und ein stärker Abgabedruck auf nur schwache Nachfrage stößt und damit den Kurs deutlicher fallen lässt. Bei einer Trendumkehr läuft es dann in die andere Richtung genauso: schon mit etwas mehr Nachfrage wird der Kurs schnell signifikant in die Höhe getrieben. Aber das ist Schnee von morgen...

Ich habe wegen des Drohszenarios Gasmangellage eine Cashquote von 25 % aufgebaut. Dabei habe ich vor allem besonders exponierte Werte verkauft oder reduziert.

Mutares stürzte in den letzten Tagen besonders heftig ab, nachdem eine Tochter ihren Börsengang verschieben musste und Mutares auch die Ausgabe einer neuen Anleihe wegen der schlechten Marktbedingungen aussetzte.

Kissigs Quality Investmentszum Wiki

Investiertes Kapital: 772.900,- EUR
90,62 (30.04.22: 98,75)

Rendite seit Start am 13.08.20: -9,4 %
Rendite 1 Monat: -5,8 %
Rendite in 2022: -32,1 % (YTD)
Rendite in 2021: +24,0 %
Rendite in 2020: +7,0 % (ab 13.08.)

Bei den Quality Investments habe ich die Tech-Gewichtung weiter reduziert und diese defensivere Ausrichtung hat sich ausgezahlt - jedenfalls relativ, denn das Wiki ist weniger stark gefallen als die Wikis anderer Wiki-Betreiber, die ich verfolge. Aber diese relative Stärke ist nur ein schwacher Trost, denn es verbleibt dennoch unterm Strich ein weiterer heftiger Verlust.

Kissigs Turnaround-Spekulationen ▶ zum Wiki

Investiertes Kapital: 89.000,- EUR
62,00 (30.04.22: 71,81)

Rendite seit Start am 12.10.21: -38,0 %
Rendite 1 Monat: -12,6 %
Rendite in 2022: -31,6 % (YTD)
Rendite in 2021: -9,4 % (ab 12.10.)

Bei meinen Turnaround Spekulationen gab es die schlechteste Entwicklung. Schon wieder. Es ist keine gute Zeit für Unternehmen, die schon zuvor angeschlagen waren und von denen der Markt nun annimmt, sie würden mit den zusätzlichen Herausforderungen am schlechtesten zurecht kommen. Es ist ein langer Atem nötig bei Turnaround-Spekulationen, aber die fortgesetzten Kursverluste zehren schon an den Nerven. Ich muss gestehen, dass ich mit einem solchen Einbruch nicht gerechnet habe.

Ende, aus, vorbei...

Es war ein weiterer herausfordernder Monat und ich bedanke mich bei den Anlegern, die mir mit ihren Investments ihr Vertrauen aussprechen und in die drei Wikis zusammen fast 3,2 Mio. EUR investiert haben. Das ist mehr als ein Zehntel weniger als vor einem Monat und leider der negativen Performance aller drei Wikis geschuldet - bei allen dreien prangt zuvorderst das Label "Treue Anleger" und das belastet mich inzwischen doch schon etwas, denn ich habe momentan das Gefühl, dass ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde. Sicher, die Börse und fast alle Werte stürzen ab, aber ich bin - vielleicht in ziemlicher Selbstüberschätzung - davon ausgegangen, dass ich auch in solchen Phasen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen würde. Davon ist nicht wirklich was spüren und ich muss mir eingestehen, dass mich auch von der jahrelangen liquiditätsgetriebenen Haussestimmung habe einlullen lassen und die "Zeitenwende" zu spät und zu wenig antizipiert habe.

Meine durchschnittliche jährliche Zielrendite ist 15 % und die wird in diesem Jahr kaum noch zu erreichen sein. In den letzten acht Jahren habe ich sechs Jahre mit Renditen zwischen 22 % und 37 % angeschlossen, während 2018 knapp 10 % Verlust einspielte. Und 2022 toppt dies mit bisher -15,5 %. Würde sich der Trend fortsetzen, dass jedes vierte Jahr ein Einbruch stattfindet, während die drei anderen jeweils satte Gewinne einspielen, bliebe alles mehr als im Plan. Denn dann läge die durchschnittliche Rendite weiterhin deutlich über 15 % p.a. Nur... die drei guten Jahre müssen auch erstmal gemeistert werden. Und angesichts der stattfindenden Zeitenwende mit Rückschritten bei der Globalisierung, neuer Blockbildung samt Rüstungswettrennen und einer Energiewende im Schnellvorlauf, um dem Klimawandel und der Energiemangelversorgung in Europa Herr zu werden, sowie der Wiederkehr von Inflation und Zinsen dürfte es wohl weniger "low hanging fruits" geben als in früheren Jahren, als die Notenbanken die Liquiditätsschleusen maximal geöffnet hatten. "Dieser Weg wird kein leichter sein", sang Xavier Naidoo. Aber es ist der Weg...

Also nochmal: Danke für eure Treue und euer Vertrauen!

Disclaimer: Habe die genannten Werte auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wikifolio.

4 Kommentare:

  1. Hallo Michael, danke für Dein Update, sehr interessant. Was die Inflation angeht, so macht sie mir gerade auch etwas Sorgen: Was hältst Du davon, Euro in Schweizer Franken umzutauschen, um sie kurzfristig (so fuer den Zeitraum eines Jahres) for der Inflation etwas zu schuetzen?
    Ich habe auch auf einen Schweizer Anleihen-ETF geschaut, iShares Swiss Dom Govt Bd 3-7 ETF (CH) CSBGC7, doch ist der in diesem Jahr auch ziemlich gefallen, und da ich das Geld im naechsten Jahr zur Verfuegung brauche, will ich lieber kein Risiko eingehen. Also, Schweizer Franken als Inflationsschutz?

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    1. Moin Lukas,
      mit Währungsspekulationen habe ich keine Erfahrungen; ich weiß nur, dass die vermeintlich sicheren Sachen oftmals schief gehen. Die polnische Commerzbank-Tochter mBank und frühere Cashcow des Konzerns leidet schon seitlängerer zeit unter missglückten Währungsgeschäften mit dem Schweizer Franken - was den eigentlich angedachten Verkauf der Tochter immer wieder verhindert.

      Ich denke, der beste Inflationsschutz sind Aktien von Unternehmen mit Preissetzungsmacht. Die können bei steigenden Einkaufspreisen ihre eigene Preise anheben, ohne Kunden zu verlieren. Costco, Microsoft gehören für mich in diese Kategorie.

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  2. Vielen Dank für Deine Einschätzung, Michael. Ich habe auch noch nie mit Waehrungen spekuliert, nur sehe ich die Euro-Inflation, und ich muss einfach, so für etwa ein Jahr, einen doch -für mich - beträchtlichen Geldbetrag auf die Seite legen. Daher dachte ich an Schweizer Franken. Mal sehen...

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  3. Wer so offen über seine Fehler und Schwächen berichtet, hat m.E. etwas Zuspruch verdient! Ich finde du hast auch vieles richtig gemacht, z.B. nicht auf überteuerte Highflyer gesetzt [außer Hypoport ;-)], im Nebenwerte-wiki mit 25% auf Erneuerbare Energien, auf kapitalkräftige Beteiligungsunternehmen etc. Der Absturz war bei vielen anderen viel schlimmer! insofern bist du eigentlich glimpflich davongekommen, und dass man NACHHER lieber VORHER einiges anders gemacht hätte, liegt in der Natur der Börsen-Sache.
    Zur Gaskrise: da werden wir sicherlich noch länger am seidenen Faden hängen, ABER: an dem Tag, an dem wieder das erste russische Gas durch Nordstream 1 fließt, möchte man lieber nicht uninvestiert sein. DAX mindestens +5% würde ich sagen. Meine Weissagung: zwischen 21.7. und 25.7. wird das passieren. Nicht volle Menge, aber zumindest ein bisschen.

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