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Samstag, 25. August 2018

Weshalb gerade Aurelius-Aktionäre keine Angst vor einer Short-Attacke haben müssen

Der Münchner Finanzinvestor Aurelius war im Frühjahr 2017 Opfer einer Short-Attacke geworden und seitdem wird von Anlegern mit Argusaugen jede noch so kleine Bewegung bei den Short-Positionen beobachtet. Einerseits ist das nachvollziehbar, denn der Schock über den damaligen Kurseinbruch mit fast einer Kurshalbierung sitzt weiterhin tief und hat bei vielen Anlegern Narben hinterlassen. Finanzielle vor allem. So auch bei mir - denn ich habe mich in der damaligen Situation nicht gerade mit Ruhm bekleckert und zum falschen Zeitpunkt meine Position aus- und abgebaut, so dass ich unterm Strich einiges Geld dabei verloren habe. Obwohl der Aktienkurs sich einige Monate später fast vollständig von der Short-Attacke erholt hatte. Wer diese Phase einfach ausgesessen und nichts getan hat, ist ziemlich gut dabei gefahren. Mein falscher Aktionismus war hingegen wenig erfolgreich - und ein weiterer Beleg für Benjamin Grahams weise Mahnung, dass der größte Feind des erfolgreichen Anlegers wohl er selbst sei.

Nun denn, die Short-Attacke ist fast anderthalb Jahre her und Aurelius hatte zwischenzeitlich sogar neue Höchstkurse erklommen - inzwischen hat die hohe Dividendenausschüttung und ein nachfolgender Kursrücksetzer die Aktie wieder deutlich billiger gemacht. Gerade dieser Kursrückgang und das Ausbauen der Short-Positionen lassen bei einigen die Angst vor einer neuen Short-Attacke aufkommen. Dabei sind Aurelius-Aktionäre wohl die letzten, die sich davor fürchten müssten...


Leerverkäufe sind nicht schlimm
Zunächst einmal muss man das Leerverkaufen von Aktien und Short-Attacken unterscheiden. Leerverkäufer setzen auf fallende Kurse. Sie meinen, dass eine Aktie heute zu hoch bewertet ist und dass der Kurs fallen wird. Daher leihen sie sich heute diese Aktien, um sie sofort an der Börse zu verkaufen. Haben sie Recht und der Kurs bricht ein, können sie die zuvor (leer)verkauften Aktien  günstiger zurückkaufen und zurückgeben. So streichen sie einen Gewinn ein, der nur um die Leihgebühr geschmälert wird. Soweit nichts Verwerfliches - alternativ hätte man auch auf entsprechende Puts setzen können.

Short-Attacken hingegen schon
Bei einer Short-Attacke folgt allerdings auf die Leerverkäufe noch ein zweiter Schritt. Während der "normale" Leerverkäufe einfach abwartet, bis der Markt ihm zustimmt und der Kurs fällt, führt der Short-Seller bei einer Short-Attacke diesen Kursabsturz vorsätzlich herbei. Und zwar, in dem er wahre oder unwahre Anwürfe gegen das Unternehmen öffentlich verbreitet und dabei zumeist die Wertlosigkeit der Aktien des Short-Opfers behauptet. Oft ist von Bilanzmanipulationen, Täuschungen, gefakten Umsätze oder ähnlichem die Rede.

Da diese Attacken quasi aus dem nichts kommen und teilweise monatelang vorbereitet worden sind, stehen sie zunächst unwidersprochen da und lösen oft Panik bei den Aktionären aus. Die verkaufen unlimiert ihre Aktien und der Kurs stürzt ins Bodenlose. Das Unternehmen ist total in der Defensive und natürlich nicht in der Lage, umgehend die Vorwürfe zu entkräften. Und daher verstärkt sich der Eindruck, die Angreifer lägen richtig und an den Vorwürfen wäre wohl schon etwas Wahres dran.

Aurelius und die (vormals) offenen Flanken
So war es auch bei Aurelius: das Unternehmen konnte zwar die meisten Vorwürfe entkräften und vor allem die Behauptung, die Töchter seien nichts wert, durch unmittelbare folgende Rekordverkaufssummen entkräften, aber etwas blieb doch hängen und ein paar Ungereimtheiten blieben doch übrig (wie der Anteilsbesitz von Dr. Markus). Doch das hat auch seine guten Seiten...

 Aurelius (Quelle: wallstreet-online.de
Die damaligen Anwürfe können kaum als Basis für eine neue Short-Attacke herhalten. Man kennt "das Problem", dass Dr. Markus sich nicht zur Höhe seines Aktienbestands äußert. Und eigentlich ist das auch kein wirkliches Problem, es ist nur unbefriedigend hier keine Klarheit zu haben. Relevant für das operative Geschäft ist diese Information nicht.

Und dann ist da noch die aggressive(re) Bilanzierungspraxis. Ja, ist so, ist bekannt, macht Aurelius seit seiner Gründung 2006 so. Hat Vor- und Nachteile, ist aber zulässig und bilanztechnisch korrekt. Aurelius preist bei der NAV-Betrachtung die erwarteten Sanierungserfolge frühzeitig aus und muss dann "liefern". Gelingt die Sanierung nicht oder nicht wie erwartet, muss wieder abgewertet werden. Des Weiteren vereinnahmt Aurelius sog. Bargain Purchases und weist diese als Gewinne des laufenden Jahres aus - sie speisen auch einen Teil der Dividende. Auch das kann man anders machen, konservativer, zurückhaltender, weniger aggressiv. Aber wem das nicht gefällt, der braucht ja keine Aktien von Aurelius zu kaufen. Soll er doch bei Bavaria oder Blue Cap investieren, die strikt nach HGB bilanzieren (und so stille Reserven in der Bilanz aufbauen, während es bei Aurelius alles andere als still ist).

Und nun?
Wie stellt sich die Situation heute dar? Was würde passieren, wenn jemand eine neue Short-Attacke startet? Nun, sollte eine erneute Short-Attacke kommen mit den gleichen Vorwürfen, dann wird der Kurs in die Knie gehen. Einfach weil Anleger erstmal panisch und ohne Verstand reagieren, wenn von einer Short-Attacke die Rede ist. Aber der Kurs wird sich schnell wieder erholen (vielleicht sogar im Tagesverlauf), weil das alles kalter Kaffee ist.

"Interessant" im Sinne von erfolgversprechend wäre eine Short-Attacke nur dann, wenn sie wirklich neue und substanzielle Vorwürfe erheben und frische Probleme aufwerfen würde. Das könnte den Kurs auch nachhaltig in den Keller bomben.

Aber... glaubt jemand ernsthaft, da wäre was zu finden? Nachdem Gotham sich so viel Mühe gemacht hat, um jede erdenkliche Schwachstelle aufzuspüren? Und nichts Großartiges gefunden hat, das einer genaueren Überprüfung standgehalten hätte? Aurelius steht nun vielleicht mit blütenreiner Weste dar, aber Altweiß ist schon nahe dran. Und weit weg von Grau oder gar Abgrundtiefschwarz.

Mein Fazit
Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das in letzter Zeit so seziert wurde wie Aurelius. Und genau deshalb, weil eben eine Short-Attacke bereits erfolgt und in sich zusammen gebrochen ist, kann man als Anleger kaum sicherer sein vor einer Short-Attacke als bei Aurelius. Der Möchtergern-Joker aus Gotham City hatte seine Chance. Und hat wohl seinen Reibach gemacht, im Gegensatz zu seinen Trittbrettfahrerkollegen, die ihm nachfolgten; die dürften eher Verluste eingefahren haben. Eine zweite Chance wird es kaum geben. Da bin ich (mir) sicher. Und alle anderen wohl auch...

Zu den weiteren Aussichten von Aurelius hatte ich mich kürzlich hier geäußert: "Aurelius: Sell on good news, buy on better news?"

Disclaimer
Aurelius befindet sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

8 Kommentare:

  1. Schon klar, wenn man solche Aktionäre hat, braucht man keinen Batman mehr ...

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  2. Komisch nur dass seit Tagen schon wieder ein Shortseller seine Positionen aufstockt...

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    1. Warum? Kann doch jeder der Meinung sein, dass Aktien - auch die von Aurelius - auf dem aktuellen Kursniveau überbewertet sind. Diese Meinung ist doch legitim. Aber muss man sich deshalb als Anleger (der auf steigende Kurse setzt aufgrund des aktuellen Bewertungsniveaus) davon kirre machen lassen? Ich glaube kaum...

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  3. Danke für die (erneut) sachlich nüchterne Einschätzung der Situation. Es sind leider zu viele Leute mit zittrigen Händen in der Aktie, für deren Risikoneigung Aurelius eigentlich nichts ist. Und Gier (bzw. Angst) schlägt bekanntlich Hirn. Deswegen gehe ich weiterhin von einer anhaltend hohen Volatilität aus - und das solange es keine "big News" gibt. Und die werden angesichts der Pipeline etwas dauern, da die Knaller raus sind und der Rest erst einmal solide Aufbauarbeit braucht und die dauert bekanntlich. Ich bleibe bei Aurelius drin und freue mich über günstige Kurse zum nachlegen.

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  4. Klingt sehr plausibel. Short-Attacken leben vom Überraschungseffekt, vom "da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht, könnte da was dran sein?" Und der ist bei Aurelius vorbei. Ein Risiko weniger, sehr schön.

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  5. Aurelius ist leider zu einem Selbstbedienungsladen für das Management verkommen, was mich an einer Fortsetzung des bisherigen Wachstums stark zweifeln läßt:

    - mit der Stimmenmehrheit des Managements wurden Familienangehörige in den Aufsichtsrat gewählt.
    - anschließend wurden größere Aktienpakete des Managements sowie des Aufsichtsrates veräußert - wohin ??
    - über den Verbleib dieser sowie der verbliebenen Aktienanteile des Managements ist weder auf der HV noch auf Telefonkonferenzen eine Aussage zu erhalten
    - auf der letzten HV waren nur noch knapp 40% des stimmberechtigten Kapitals vertreten bzw. gemeldet
    - der Vorstand läßt sich seine Tätigkeit mit 2stelligen Millionenbeträgen honorieren

    Sicherlich hat Aurelius bisher einen guten Job gemacht und die Aktionäre mit einer großzügigen Dividende bedacht. Ich denke, daß dies auch weiterhin so sein wird. Ich habe aber den Eindruck, daß eine Ausweitung des Geschäfts nicht angestrebt wird, weil es die Intimität der Führungsclique stören würde. Herr Dr. Markus hat mehrfach auf der HV erwähnt, daß Aurelius einen Jahresumsatz von 5 Mrd anstrebt, dieses Ziel ist jetzt ziemlich erreicht. Schließlich will ein mittleres 2-stelliges Millioneneinkommen pro Jahr gut angelegt werden, was in erheblichen Maße persönliche Energie binden dürfte.

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    1. Ich bewerte diese Vorgänge bei Aurelius deutlich weniger negativ als Du.

      - Aurelius ist eine KGaA SE - es gibt also keinen Aufsichtsrat mehr, sondern einen Verwaltungsrat, der sich aber nicht mehr rein nach den Stimmrechten auf einer HV besetzen lässt - mal locker formuliert. Das wird gemacht, um den Gründern den Einfluss zu sichern, auch wenn sie selbst die Aktienmehrheit abgeben sollten.

      - Das Management hat große Aktienpakete verkauft. Ich gehe davon aus (Annahme!), dass diese im Ausland im Familienkreis umplatziert worden sind. Und zwar aus (erbschafts-)steuerlichen Gründen. Deshalb tauchen diese Anteile auch bei HVs nicht mehr als Stimmrechte auf, weil dann die Personenidentität ja offengelegt werden müsste. Oder aber bei Stimmrechtsvertretungen neue Fragen aufwerfen würden. Zur Sicherung der Mehrheit im Sinne der ehemaligen direkten Mehrheitseigentümer sind diese Stimmrechte auch nicht nötig.

      Man kann dieses Konstrukt kritisieren und man muss es auch nicht gut finden. Oder man nimmt es hin, weil man es aus Sicht der handelnden Personen vielleicht sogar ein Stück weit nachvollziehen kann.

      - Dass der Vorstand so hoch entlohnt wurde, ist auch Ergebnis der Gewinnbeteiligung. Im letzten Jahr fiel ein Rekordgewinn an und daher bekam auch der Vorstand eine Rekordentlohnung. Muss man nun nicht als Dauerbezahlung einstufen. Auf der anderen Seite empfinde ich eine hohe Gewinn abhängige Entlohnung überhaupt nicht schlimm, wenn der Wert/Gewinn für die Aktionäre entsprechend gesteigert wurde und die Entlohnung nicht gegen die Aktionärsinteressen verstößt (also kurzfristige Gewinnmaximierung zum eigenen Nutzen des Managements, während das Unternehmen mittelfristig darunter leidet).

      - Was den Umsatz angeht, steht und fällt der mit einer einzigen Beteiligung: Home Office Europe. Als HOE gekauft wurde mit 2 Mrd. Euro Umsatz, schoss dieser in die Höhe. Wird HOE wieder verkauft, dann bricht der Umsatz ein. HOE wird keine Dauerbeteiligung, sondern Aurelius will nach einiger Zeit damit richtig viel Geld verdienen. Und dieses Geld (so wie das schon jetzt vorhandene) wird sukzessive investiert in neue Übernahmeobjekte. HOE war vond er Größe sicherlich ein Ausreißer, diese Größenordnung ist (noch) nicht der Normalfall für Aurelius. Und daher sollte man sich auch nicht zu sehr darauf fokussieren. Die übliche Beteiligungsgröße gemessen am Umsatz ist bei Aurelius noch deutlich kleiner.

      Ich will hier nichts schönreden: wem das nicht gefällt, muss ja keine Aktien von Aurelius kaufen/halten. Ich habe für mich eine plausible Erklärung für die von Dir genannten Aspekte und sie sind Teil meiner persönlichen Chance-Risiko-Betrachtung bei meinem Aurelius-Investment. Und diese ergibt nach wie vor höhere Chancen als Risiken. Andere mögen das anders bewerten.

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    2. Hallo Michael,

      vielen Dank für Deine Stellungnahme, die ich im wesentlichen teile. Meine Ausführungen sollten keine Kritik darstellen sondern einfach meine Beobachtungen und Gedanken zeigen. Die Vorgänge und Veränderungen sind menschlich nachvollziehbar und wohl auch nicht illegal (?). Deine Ansicht zum Verkauf der Aktienpakete teile ich. Die Höhe der Vorstandsgehälter wurden allerdings bereits in den Jahren vor 2017 auf den HVs 'vorsichtig kritisiert'. Es geht mir auch weniger um die Höhe der Beträge sondern vielmehr um die Frage wie ein Mensch reagiert, wenn er jeden Monat eine Mio oder mehr auf sein Konto bekommt.

      Aurelius war irgendwann mein größtes Aktienpaket und ich habe bis dieses Jahr jede HV besucht. Jetzt bin ich ganz raus und beobachte. Das Management wurde letztes und dieses Jahr von einem Aktionärsvertreter sehr hart attakiert, zum Teil mit Erfolg. Schön war das für die Herren nicht und es kann gut sein, daß es zur weiteren Abschottung beiträgt.

      Mag sein, daß Dein Optimismus siegt, es wäre schön. Dann wäre auch ich wieder dabei.

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