▶ ÜBERSICHT | THEMENSCHWERPUNKTE

Dienstag, 29. März 2022

Kissigs Aktien Report: China-Aktien Xiaomi und JD.com: Zwischen Totalverlust und Jahrhundertchance

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Analysen dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 80 vom 18.03.2022

China-Aktien Xiaomi und JD.com: Zwischen Totalverlust und Jahrhundertchance

China gehört seit Jahrzehnten zu den globalen Wachstumsriesen und dank der Öffnung des Landes für westliche Produkte und Unternehmen ist es für viele Unternehmen aus den USA und Europa der wichtigste Wachstumsmarkt. Und teilweise auch schon der unternehmerische Schwerpunkt, wie zum Beispiel beim Volkswagen-Konzern.

Im Chinesischen besteht das Wort Krise aus zwei Zeichen: Weiji und Jihui, die Chance und Risiko bedeuten. Dies geht nicht auf die kommunistischen Machthaber zurück, sondern erinnert vielmehr an die Weisheiten eines Konfuzius. Das Gegenspiel der Kräfte, die dennoch zusammengehören, Jing und Jang. Jedes Ende bedeutet einen neuen Anfang, jedes Risiko bringt Chancen mit sich.

Und beim Blick auf China gibt es auch immer zwei Seiten. Das Land ist politisch stabil, aber Bürgerrechte nach westlichem Standard werden nicht gewährt. Private wirtschaftliche Betätigung wird gefördert, aber der Staat reguliert überall rein. Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit sind kaum vorhanden. Und dennoch haben die Chinesen viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten als vor 50, 30 oder 20 Jahren.

Dabei ist Chinas Selbstverständnis, dass China der natürliche Nabel der Welt ist, dass China selbstverständlich auserwählt ist, über die Welt zu herrschen. Dass die Mongolen China überrannten und jahrhundertelang regierten – eine Laune der Geschichte. Dass die Europäer, vor allem die Briten, das Land im 19. Jahrhundert mehrfach militärisch in die Knie zwangen und mit einer Handvoll Soldaten und Kaufleute (die man heute eher Opiumschmuggler und Piraten nennen würde) dem Land ihren Willen aufzwingen konnten – eine kurze Phase der Irritation. Und dass die USA und die Sowjetunion 50 Jahre lang die beiden einzigen Supermächte waren – ein historisches Intermezzo ohne Belang.

China sieht sich als globale Macht, als globaler Mittelpunkt. Und der Westen, allen voran die USA, hat Chinas Wiederaufstieg unterstützt. Einerseits als Gegenpol zur Sowjetunion, denn deren zigtausende Kilometer lange gemeinsame Grenze war schon immer für Konflikte und Streitereien gut, und andererseits natürlich, weil sich damit viel Geld verdienen ließ. Wladimir Iljitsch Lenin formulierte es mal so: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen“. Und wie so oft enthält jede Aussage, mag sie sich auch empörend anhören, einen wahren Kern.

Chinas Aufstieg zur Weltmacht ging einher mit dem Abstieg der Sowjetunion und später Russlands. Doch das aufstrebende China wurde damit auch zum größten Rivalen der Weltmacht USA und nicht erst unter Präsident Trump verschärfte sich der Konflikt zunehmend. Es brach ein regelrechter Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China aus. Und unter Präsident Joe Biden hat sich daran nur die Tonart geändert, in der Sache sind die USA weiterhin knallhart.

Lest Sunzi!

Ein Teil dieses Konflikts geht auch um die Hoheit über die Daten. Der chinesische Philosoph und General Sunzi schrieb vor über 2.500 Jahren "Die Kunst des Krieges" und im dreizehnten Kapital geht es um den Einsatz von Spionen, also die Datenbeschaffung. Sunzi schrieb: "Spione sind ein äußerst wichtiges Element des Krieges, denn von ihnen hängt die Fähigkeit der Armee ab, sich zu bewegen".

Sunzis Lehren sind zeitlos. Napoleon hatte ein Exemplar, das ihn auf seinen Feldzügen begleitete und an der Frunse-Akademie, dem sowjetischen Gegenstück zu Westpoint, war „Die Kunst des Krieges“ Pflichtlektüre für jeden angehenden Offizier.

Die Grundideen sind auch heute noch so aktuell und richtig wie vor 2.500 Jahren. Auch wenn heute Informationen über Drohnen, Satelliten und Netzwerke gesammelt und von Computern und Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Die Kontrolle über die Daten ist das Schlüsselelement im Krieg, in der Wirtschaft und auf dem Schlachtfeld.

Deshalb verlangen immer mehr Staaten von den global agierenden Unternehmen, dass die Daten lokal gespeichert und verwaltet werden. Microsoft war eines der ersten Unternehmen, die solche lokalen Rechenzentren aufbauten, auch in Deutschland. Damit die Daten deutscher Bürger nicht mehr um die Welt geschickt und in den USA oder sonst wo gelagert und auf ihrem Weg von jedem Geheimdienst der Welt und jedem anderen halbwegs fähigen Hacker gefiltert und ausgewertet werden können.

Der Kampf um die Daten führte vor allem zwischen den USA und China zu größten Spannungen. Trump drohte damit, TikTok in den USA zu verbieten. China zwingt seine in den USA tätigen oder an dortigen Börsen gelisteten Unternehmen, US-Behörden keinerlei Zugriff auf Daten zu gewähren. Und die USA arbeiten im Gegenschlag daran, chinesische Unternehmen, die ihnen keinen Zugriff bieten, von den US-Börsen zu verbannen.

Und die Unternehmen? Die sitzen zwischen Baum und Borke und können sich fast nur falsch entscheiden. Kein gutes Klima für sie.

Chinas regulatorischer Crackdown

Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter. In totalitären Systemen wird sie unterdrückt, weil sie auch eine Starke Waffe gegen die Unterdrücker ist. Propaganda ist der Gegenentwurf, also manipulierte Wahrheiten.

China hat lange Zeit den Spagat gewagt zwischen immer mehr Freiheiten für die Bürger und auch deshalb zunehmendem Wohlstand und gleichzeitigem Festhalten an einem totalitären Regime. Die Kommunistische Partei hält die Zügel fest im Griff und ihre Macht wurde zunehmend bedroht. Durch immer selbstbewusstere Bürger, die ihre neuen Freiheiten genossen und nutzen, ebenso ihren zunehmenden Wohlstand. Es gab immer mehr Milliardäre und Unternehmen mit enormer Macht und die KP reagierte. Sie nahm die Unternehmer an die kurze Leine, sie erließ Gesetze und beschnitt die Unternehmen. Die Auswirkungen waren enorm, denn westliche Kapitalgeber zogen immer mehr von ihrem Geld ab und da den Unternehmen ihre Freiheiten und Wachstumsmöglichkeiten beschnitten wurden, sanken ihre Aktienkurse seit Sommer vergangenen Jahres immer weiter. Nach Jahren überdurchschnittlicher Renditen wurden Chinaaktien zu Geldvernichtungsmaschinen.

Und nun auch noch Russland

Im Februar 2022 griff Putins Armee die Ukraine an. Der Westen reagiert mit beispiellosen Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Putins Vertraute und während der Krieg noch andauert kristallisiert sich eine neue Weltordnung heraus, die an den Kalten Krieg erinnert. Zwischen den USA und ihren Verbündeten, vor allem den Europäern und den Russen wird es zu einer neuen Blockbildung kommen. Militärisch und wirtschaftlich.

Putin als Russlands Machthaber hat sich als absolut unzuverlässig erwiesen und alles Vertrauen verspielt. Die westlichen Konzerne kehren dem Land reihenweise den Rücken, die Sanktionen schließen Russland vom Weltfinanzsystem aus und das Land muss nun eigene Wege gehen und dies mit neuen Kooperationspartnern. Die Supermarktregale sind leer, der Rubel fällt ins Bodenlose, die Wirtschaft stürzt zweistellig ab. Schlimm für Russlands Bürger und die betroffenen Unternehmen, aber Russlands Wirtschaft hat global gesehen kaum Gewicht. Wären nicht seine hohen Energiereserven und seine hieraus resultierenden Exporte an Öl, Gas und Kohle, würde Russland kaum eine Rolle spielen.

Und China?

China eiert herum. Nachvollziehbarer Weise. Man freut sich als "lachender Dritter" über die Spannungen zwischen Russland und dem Westen und versucht, aus dieser Lage maximale Vorteile herauszuschlagen. So verurteilt China Russland nicht öffentlich für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hebt sogar mahnend den Finger Richtung Washington. Aber man versucht auch um jeden Preis zu verhindern, dass man in den Krieg hineingezogen wird und damit ins Visier der Sanktionsbazooka der USA gerät.

China will unbedingt billig russisches Öl und Erdgas bekommen; die dazu nötigen Pipelines sind längst in Betrieb. Und man ist auch daran interessiert, sich an russischen Unternehmen und Projekten im Energiesektor finanziell zu beteiligen, bei denen westliche Firmen gerade den Stecker gezogen haben.

Andererseits sind die USA und die EU für China viel wichtiger als Russland. China ist abhängig von seinen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA und zur EU, ohne die es seinen Bürgern keinen Wohlstand und keine Perspektive bieten kann. Und das sind die (einzigen) Eckpfeiler, die den Machtanspruch der Kommunistischen Partei stützen.

Daher stellt sich China nicht offen auf Russlands Seite. Aber man kehrt den Russen auch nicht völlig den Rücken oder beteiligt sich an den westlichen Sanktionen gegen Russland. Die Gefahr, dass der Westen auch gegen China Sanktionen verhängt und damit in eine wirtschaftliche Eiszeit stößt, ist allgegenwärtig. Und das in einer Zeit, wo neue Coronaausbrüche in China zu erneuten harten Lockdowns führen und die ohnehin leidende Wirtschaft gängeln.

JPMorgan hat aus dieser Gemengelage heraus in einer Studie China als "uninvestierbar" gebrandmarkt. Am 14. März riet man seinen Kunden, China auf Sicht der nächsten 6 bis 12 Monate unbedingt zu meiden. Und man stufte 28 führende chinesische Internetunternehmen massiv ab, darunter Alibaba, Tencent, Pinduoduo, Baozun, Meituan, Netease, Weibo, Dingdong oder JD.com.

Ein Hammer. Denn nur knapp einen Monat zuvor hatte JPMorgan hier noch "clear business opportunities" gesehen. Mieses Timing. In beiden Fällen. Denn nach dem positiven Kommentar ging es mit den Kursen weiter stark abwärts, während es nach dem vernichtenden Kommentar rasant aufwärts ging mit den Kursen chinesischer Aktien. Teilweise um 50 % an einem Tag.

Das lag allerdings nicht an JPMorgans neuerlicher Kehrtwende, sondern an der Kehrtwende von Chinas Regierung.

Ende des regulatorischen Crackdowns?

Medienberichten zufolge will Chinas Regierung die Zügel bei der Regulierung wieder lockerer lassen und den Unternehmen damit wieder mehr Spielraum geben.

Des Weiteren sollen chinesische und amerikanische Behörden an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, damit an US-Börsen notierte chinesische Unternehmen eine neue Perspektive an US-Börsen bekommen.

Beide Faktoren sorgten in den letzten Monaten für große Verunsicherung unter ausländischen Investoren und haben zu massiven Mittelabflüssen aus den Aktien chinesischer Unternehmen geführt. Die Kursverluste haben auch bei chinesischen Aktionären zu großen Vermögenseinbußen geführt und damit den Unmut gegen die Regierung erhöht.

Des Weiteren sieht sich China mit einer Spekulationsblase am Immobilienmarkt konfrontiert, wo auch viel Geld westlicher Gläubiger im Feuer steht. Ausfälle von Zinszahlungen bei Anleihen häufen sich und China kann ohne Rückhalt des globalen Finanzsystems den drohenden Kollaps kaum alleine und aus eigener Kraft abwenden. Alleine die Drohung westlicher Sanktionen gegen China könnte hier zu einer Kernschmelze führen. Insofern ist jedes Entspannungssignal willkommen und kann zu Erholungsrallys führen.

An der grundsätzlichen Problematik ändern sie allerdings nichts. Putins Vernichtungskrieg in der Ukraine geht weiter, China kann und will sich nicht zu sehr von Russland distanzieren und daher schwebt das Sanktionsschwert weiter über China und den chinesischen Unternehmen. Auch hinsichtlich der regulatorischen Eingriffe gibt es bisher nur Lippenbekenntnisse und die konkrete Umsetzung des neuen „Laissez-faire“ bleibt abzuwarten.

Ebenso bestehen die negativen Einflüsse der neuen Coronaausbrüche weiter fort, die Engpässe bei Halbleitern und Chips sowie die Störungen der weltweiten Lieferketten. Alles Faktoren, die auch die chinesischen Unternehmen massiv negativ beeinträchtigen.

Hüte Dich vor Value Traps!

Dem stehen die im Vergleich zu US-Aktien und europäischen Unternehmen erheblich niedrigeren Bewertungen gegenüber. Die bestehen allerdings ja nicht ohne Grund. Ihre Ursachen liegen in den erhöhten Risiken. Und nur wenn man als Anleger bereit ist, diese Risiken in Kauf zu nehmen und zusätzlich davon ausgeht, dass sich die vermeintliche Unterbewertung auch abbaut, nur dann sollte man in diese Aktien investieren.

Und wir reden hier vom maximalen Risiko, einem Totalverlust.

"Ein Schnäppchen, das ein Schnäppchen bleibt, ist kein Schnäppchen."
(Martin Whitman)

Andererseits gibt es keine absoluten Gewissheiten. Benjamin Graham sagte einmal, im Grunde seien Kapitalanlage und Risiko Synonyme. Es gibt eben keine Rendite ohne Risiken.

"Investieren ist ein Spiel der Wahrscheinlichkeiten, nicht der Gewissheiten."
(Ken Fisher)

Bevor man also Aktieninvestments in China ernsthaft in Erwägung zieht, muss man sich über die Risiken völlig klar werden. Man muss wissen, was man tut. Man muss Chancen und Risiken gegeneinander abwägen. Und hält man am Ende dieser Überlegungen die Risiken für vertretbar, dann muss man natürlich noch die richtigen Aktien herauspicken, denn nicht jede abgestürzte Chinaaktie ist auch eine gute Investmentchance, nur weil ihr Kurs früher mal deutlich höher stand.

Daher schauen wir uns jetzt mal zwei Chinaaktien näher an und schauen, wie die sich so die letzte Zeit geschlagen haben.
 

Xiaomi

Xiaomi ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Die Xiaomi Corporation wurde im April 2010 gegründet und ist ein Smartphone-Hersteller, der sich auf günstige High-End-Smartphones und die Entwicklung von MIUI konzentriert, dem stark angepassten eigenen Betriebssystem, das auf Android basiert. Der Kern des Unternehmens besteht aus Smartphones, IoT, der MIUI-Android-Firmware und Miliao, einer Live-Streaming-, Chat- und Broadcasting-App. Mitgründer, Hauptinvestor und CEO ist Lei Jun.

Innerhalb von nur 11 Jahren hat es Xiamoi geschafft, aus dem Nichts zum Weltmarktführer bei Smartphones zu werden, jedenfalls was die verkauften Stückzahlen angeht. Allerdings verdient man mit den Endgeräten im unteren und mittleren Preissegment vergleichsweise wenig Geld. Xiaomis Strategie ist daher, sein eigenes Ökosystem aufzubauen, um dann hier die Umsätze und Gewinne zu erzielen. Apple und Google (Android) machen es mit ihren App-Stores vor.

Smartphones sind Xiaomis Aushängeschild und machen zwei Drittel der Umsätze aus. Das Unternehmen hat aber noch viel mehr zu bieten. So werden auch smarte Geräte wie Saugroboter, Wasserkocher, Lampen, Luftbefeuchter, Tablets, Router, Fernseher, Bluetooth Speaker oder Smartwatches hergestellt.

Die Wachstumsraten bei den verkauften Endgeräten sind hoch, die Margen niedrig. Dahinter steckt allerdings ein Plan, bei dem es im Kern um die eigene Plattform AIoT (Artificial Intelligence of Things) geht. Hierbei handelt es sich um eine Technologieplattform, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz verschiedene Geräte miteinander interagieren lassen kann. Die technischen Lifestyle-Produkte und IoT-Geräte von Xiaomi stellten zuletzt etwas mehr als 23 % der Umsätze. Je mehr Geräte auf der AIoT-Plattform vernetzt sind, desto wertvoller wird die Plattform. Inzwischen sind dies bald 400 Mio. Geräte, Tendenz stark steigend. Dabei steigt auch die Anzahl der Nutzer, die mehr als fünf Geräte mit Xiaomis AIoT-Plattform vernetzt haben, auf nun über 40 %.

Das dritte Geschäftsfeld sind Internetservices, die jedoch mit weniger als 10 % Umsatzanteil noch geringe Bedeutung haben. Hier stottert der Erfolgsmotor aber ein wenig, denn die Xiaomi-Smartphone-User außerhalb Chinas greifen viel öfter auf den Google-Store zurück als auf den von Xiaomi. Damit verdient letztlich Google an den App-Verkäufen und nicht Xiaomi. Dem entsprechend niedriger sind die Erlöse aus dem App-Store.

Inzwischen feiert Xiaomi nicht mehr nur in China große Erfolge, sondern seine Geräte sind weltweit gefragt. Auch in Deutschland. Darüber hinaus expandiert das Unternehmen in weitere Branchen und erschließt sich neue Anwendungsgebiete. Besondere Aufmerksamkeit erhielt Xiaomi mit der Ankündigung, eigene Elektroautos bauen zu wollen. Bereits ab 2024 sollen 300.000 Stück pro Jahr vom Band laufen.

Xiaomi ist profitabel und kann sich auch neue Abenteuer leisten. Dabei ist man auch als Frühphaseninvestor aktiv und hat bereits mehr als 350 junge Unternehmen mit Kapital versorgt. Man erhofft sich hieraus eine mittel- und langfristige Stärkung des eigenen Ökosystems bzw. der AIoT-Plattform.

Der Aktienkurs hat diese Erfolgsgeschichte nachgezeichnet. Jedenfalls bis vor einem Jahr. Da nahm der regulatorische Crackdown in China Fahrt auf und zusätzlich wurde weltweit viel (zu) heiße Luft aus dem Segment der Wachstumsaktien gelassen. Vom Höchstkurs bei €3,5 ging es bis auf €1,4 hinunter, bevor dann in den letzten Tagen eine (erste?) Erleichterungsrallye einsetzte. Der Kurssprung von €1,4 auf €1,7 war kräftig, aber angesichts des vorherigen Kursverlusts nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Eine Chance? Xiaomi überzeugt durch ein bewährtes Geschäftsmodell mit Zukunftspotential. Nicht nur im Smartphone-Bereich gehört man zu den Weltmarktführern und steht für günstige und qualitativ hochwertige Produkte. Auch das "Internet der Dinge" erschließt man sich erfolgreich über das eigene Ökosystem und die AIoT-Plattform. Das Xiaomi-Ökosystem wächst und macht die eigene Plattform wertvoller für Kunden und Entwickler. Die Profitabilität ist ausbaufähig.

Das Risiko liegt in möglichen Sanktionen. Nicht unbedingt nur wegen Chinas Nähe zu Russland, sondern aufgrund von Datenschutz- und Sicherheitsbedenken. Der ebenfalls chinesische Huawei-Konzern geriet hier vor einigen Jahren unter Verdacht seitens der Trump-Administration und wurde de facto von den USA und ihren Verbündeten aufgrund von Sicherheitsbedenken von der Beteiligung am Aufbau "kritischer" Sicherheitsnetze ausgeschlossen. Das Unternehmen überlebte nur mit Mühe und Not. Handfeste Beweise für die Behauptungen der USA wurden nicht vorgelegt, jedenfalls nicht öffentlich. Daher schwingt hier immer der Hintergedanke von Willkür mit – und die könnte eben auch andere chinesische Unternehmen treffen.
 

JD.com

Anders aufgestellt ist JD.com. Das Unternehmen ist Chinas größter Online-Händler und der größte Einzelhändler insgesamt sowie gemessen am Umsatz das größte Internetunternehmen des Landes.

JD steht für Jing Dong, die die gleichnamige und zweitgrößte Handelsplattform Chinas betreibt. Auch JD.com spürte den regulatorischen Druck und ging alternative Wege. Das Unternehmen hat eine Reihe von Sparten und Töchtern separat an die Börse gebracht, wie seine Gesundheitssparte für rund 3,5 Mrd USD. Weitere 3,2 Mrd. USD erzielte man mit dem IPO der Logistiksparte JD Logistics an der Börse in Hong Kong.

Seine Geschäftsbereiche Cloud und Künstliche Intelligenz im Wert von 2,4 Mrd. USD hat JD.com an seine eigene Fintech-Einheit JD Digits verkauft und hierbei seine Beteiligung an JD Digits auf rund 42 % erhöht.

JD.com wird gern als Amazon Chinas bezeichnet, weil das Unternehmen nicht nur die führende Handelsplattform betreibt, sondern massiv in viele Dienstleistungen im Hintergrund investiert. Die Profitabilität steht dabei nicht ganz oben auf der Agenda. Damit ist JD.com in vielen Bereichen der Herausforderer der Giganten Alibaba und Tencent und litt dem entsprechend weniger unter den regulatorischen Eingriffen der chinesischen Behörden.

Indirekt getroffen wurde man aber dennoch, denn Tencent hielt vormals knapp 17 % an JD.com und wurde behördenseitig zum weitgehenden Verkauf seiner Anteile gedrängt. Nach dem Verkauf an andere JD-Aktionäre hält Tencent nun nur noch 2,3 % der Anteile, während Walmart aufstockte und jetzt der größte JD-Anteilseigner ist. Ein weiterer großer Aktionär ist Chase Coleman, dessen Hedgefonds Tiger Global Management gut 4 % hält.

JD.com beschränkt sich schon längst nicht mehr auf den chinesischen Heimatmarkt, sondern expandiert auch international. Unter dem Markennamen "Ochama" eröffnete man in den Niederlanden kürzlich die ersten beiden Roboter-Stores. Das neue Shop-Konzept verbindet die Onlinebestellungen der Kunden direkt mit der vollautomatisierten Bearbeitung durch Roboter. Die Kunden können die bestellte Ware entweder in den Läden abholen oder sie wird von dort aus nach Hause geliefert.

Die starke Expansion in neue Märkte und die Ausweitung der Angebotspalette verschlingt große Mengen an Investitionsmitteln. Auch darin folgt JD.com Amazon. Doch das Unternehmen erzielt ebenfalls stark wachsende Cashflows und konnte daher in den letzten Jahren seinen Verschuldungsgrad von 56,5 % auf 7,8 % senken.

Der Aktienkurs der A-Aktie hat sich zwischen November und Mitte März von €40 auf €20 glatt halbiert. Die Erleichterungsrallye katapultierte ihn von dort aus um mehr als 45 % auf €29 hoch. Auf Jahressicht notiert die Aktie damit noch immer deutlich zweistellig im Minus. (Gleiches gilt für die ADRs mit Haupthandelsplatz NASDAQ, die aber bei rund dem doppelten Kurs notieren, weil darin zwei Aktien zusammengefasst sind und in Deutschland liquider gehandelt werden. Der nachfolgende Chart bezieht sich auf die ADRs in US-Dollar). Dabei sind die Wachstumsraten und die Perspektiven überzeugend.


Mein Fazit

Sowohl Xiaomi als auch JD.com sind stark wachsende und aussichtsreiche Unternehmen. Sie haben ihren Schwerpunkt in China und expandieren zunehmend international. Sie machen sich damit auch weniger abhängig von China und weniger anfällig für die dortigen regulatorischen Eingriffe. Aber sie bleiben chinesische Unternehmen unter starkem Einfluss der chinesischen Regierung. Das ist und bleibt die Achillesferse bei beiden Aktien.

Betrachtet man die Auswirkung der westlichen Sanktionen gegen Russland, hat vor allem der Ausschluss Russlands, seiner Zentralbank, aber auch seiner Unternehmen aus dem globalen (US- und Dollar-dominierten) Finanzsystem verheerende Auswirkungen. Russland hat keinen Zugriff mehr auf Devisen und die beidseitigen Kapitalverkehrskontrollen unterbinden den Austausch von Geld über Landesgrenzen hinweg. Tochterunternehmen russischer Firmen im westlichen Ausland sind damit auf sich alleingestellt und viele innerhalb kürzester Zeit finanziell am Ende.

Sollte sich China in die prekäre Lage bringen und unter die Sanktionskeule der USA sowie der EU, Großbritanniens und Japans geraten, wären die Auswirkungen vermutlich ähnlich katastrophal.

Dieses Risiko ist gewaltig. Die Bedeutung von Chinas Wirtschafts- und Handelsvolumen ist viel größer als die Russlands und seine Verflechtungen mit den westlichen Ländern viel größer. Sanktionen gegen China würden damit auch im Westen gewaltigen Schaden anrichten, anders als dies im Falle Russlands ist. Dennoch ist China viel stärker vom Westen und den USA abhängig als umkehrt. Daher ist dieses Sanktionsszenario unwahrscheinlicher aber eben auch nicht unmöglich.

Es bleibt also eine Frage des Glaubens und der Risikoaffinität, ob man sich auf ein solches finanzielles Chinaabenteuer einlassen will. Wenn man dazu bereit ist, dann gehören JD.com und Xiaomi sicherlich zu den aussichtsreicheren Unternehmen.

1 Kommentar:

  1. Im klassischen World/EM 70/30 Portfolio hat man in den 30%EM ca. 40% China. Das wären dann 12% Risiko aufs Depot gesehen. Ich glaube die 12% sind dann das kleinere Problem, dann ist am Ende alles futsch. Wenn ich als Aktionär das Gefühl bekomme beliebig enteignet werden kann (z. B. durch Handelsverbote wie bei russischen Aktien), werde ich doch misstrauisch und vergrabe lieber Gold und Schrotflinten statt "you will own nothing" Klaus in die Hände zu Spielen ;-)

    Der Vertrauensbruch würde die 12% Drawdown weit überschreiten.

    AntwortenLöschen