Mittwoch, 22. März 2023

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu PNE: Scheitern der Übernahmegespräche setzt Kurs unter Druck

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 2/2023 vom 14.03.2023

Aktienbesprechungen in dieser Ausgabe:
  • PNE
  • Netfonds
  • Datagroup
  • Friedrich Vorwerk
  • Stemmer Imaging
  • FlatexDegiro

PNE: Scheitern der Übernahmegespräche setzt Kurs unter Druck

Der frühere als Plambeck firmierende Windparkprojektierer ritt jahrelang auf einer Erfolgswelle und verwöhnte die Anleger innerhalb von dreieinhalb Jahren mit einem Kursanstieg von 4 auf 24 Euro. Dabei spielte auch die latente Übernahmefantasie eine Rolle, denn 40-Prozent-Aktionär Morgan Stanley Infrastructure Partners gilt schon länger als abgabewillig. Doch MSIP scheint überreizt zu haben, denn die Gespräche wurden kürzlich ergebnislos abgebrochen – der Aktienkurs geriet daraufhin kräftig unter Druck.

Der Name PNE steht für Pure New Energy. Die PNE-Gruppe bietet die gesamte Wertschöpfungskette von Entwicklung, Projektierung, Realisierung, Finanzierung, Betrieb, Vertrieb und Repowering von Windparks an Land im In- und Ausland. Auf See werden Windparks bis zur Baureife entwickelt. PNE zählt hier zu den erfahrensten Akteuren am Markt.

PNE realisiert die Projekte in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und stimmt sich mit Bürgern, Behörden, Politik, Gemeinden und Investoren von den ersten Gutachten

bis hin zum Betrieb der Windparks ab. Nicht nur in Deutschland gibt es steigende Widerstände gegen GreenEnergy-Projekte, weil jeder grünen Strom möchte, aber niemand ein Windrad oder eine Solarfarm in seiner unmittelbaren Umgebung. Die meisten Projekte treffen daher vor Ort auf Widerstand von Bürgern, Initiativen und manchmal auch dem Gemeinderat und müssen daher vor Gericht entschieden werden. Die Initiative der Bundesregierung zum Bürokratieabbau und zur Beschleunigung von Projektierungen kann PNE also nur helfen.

Morgan Stanley Infrastructure Partners

Mitte 2019 bekundete Morgan Stanley Infrastructure Partners Interesse an einer Übernahme von PNE platzierte im Oktober 2019 ein Delistingerwerbsangebot zu 4 Euro je Aktie. Mit einer solchen Offerte, bei der ein Delisting von der Börse angekündigt wird bei gleichzeitigem Angebot, die Aktien zu einem festgelegten Preis zu verkaufen, versucht der Übernehmende, die „zittrigen“ Aktionäre aus dem Unternehmen zu drängen. Bei dem Wort Delisting und der Aussicht darauf, seine Aktien bald nicht mehr über eine Börse handeln zu können, wollen viele Aktionäre einfach nur noch raus aus den Aktien. Und der Kurs sackt erstmal kräftig ab.

Doch MSIPs Plan ging nicht auf. Der Preis von 4 Euro war nicht attraktiv genug und es kauften sich schnell Endspielprofis“ in den Wert ein, so dass MSIP bis heute nur knapp 40 % der Aktien hält. Der Kurs zog bis Ende 2022 auf 24 Euro an und auch jetzt liegt er mit 16 Euro weit über den einstigen Offerte.

PNE baut seit dem Einstieg von MSIP gezielt seinen Eigenbestand an Wind- und inzwischen auch Solarparks aus. Dabei soll rund die Hälfte der Projekte verkauft werden, um Gewinne zu realisieren, während die andere Hälfte in den Eigenbestand übergeht. Hier entfallen dann die einmaligen Verkaufsgewinne, aber der Verkauf der Stromproduktion speist die GuV für die nächsten 20 Jahre. Allerdings ist PNE zuletzt von dieser Aufteilung abgewichen und hat verstärkt Projekte in den Eigenbestand überführt. Angesichts der hohen Strompreise und damit zu erzielenden Gewinne ist das verständlich. Andererseits drückt dieses Vorgehen den Gewinn und lässt die PNE-Aktie im Vergleich mit den Wettbewerbern zusätzlich teuer aussehen.

Höhere Gewinnprognose für 2022

Mitte Februar hat PNE vorläufige Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 vorgelegt und seine Gewinnprognose kräftig angehoben. Bisher sollte das operative Ergebnis (EBITDA) zwischen 20 und 30 Mio. Euro liegen, doch der Vorstand geht nun von Werten zwischen 34 und 36 Mio. Euro aus. Hintergrund ist eine Kombination der positiven Ergebnisse in den Segmenten Services und Projektentwicklung, sowie der guten Ergebnisse aus dem Segment Stromerzeugung.

An der Börse sorgte die frohe Botschaft allerdings nur kurzzeitig für positive Impulse; inzwischen hat der Aktienkurs wieder gen Süden gedreht. Die gescheiterten Übernahmegespräche belasten den Kurs ebenso wie die weiter anhaltende Ungewissheit hinsichtlich der politisch verordneten Zufallsgewinnsteuer, die den gesamten Sektor lähmt. Endgültige Zahlen will PNE Ende März vorlegen.

Positive Analystenkommentare

Die Analysten von Warburg bleiben bei ihrem Kursziel von 26,20 und der Einstufung "Buy", während First Berlin die Einstufung von Hinzufügen auf Kaufen erhöht mit Kursziel 26,00 Euro. Beide Werte liegen deutlich oberhalb des aktuellen Kursniveaus und spiegeln nicht nur die starke operative Performance wider, sondern auch die weiterhin bestehende Übernahmefantasie.

Aktionärsstruktur

Ein Blick auf die Anteilsgrößen der wichtigsten Akteure ist in dieser Lage angebracht. Morgan Stanley Infrastructure Partners hält 39,80 % der Aktien, Active Ownership 11,99 %, ENKRAFT, 5,03 %, Samson Rock Capital LLP 3,13 % und die GS&P Kapitalanlagegesellschaft S.A. 3,02 %.

Dabei sind das nur die gemeldeten Aktienpakete, die bei Über- oder Unterschreiten der Meldeschwellen abzugeben sind. Unterhalb von 3 % und dann wieder 5 % und 10 % müssen Änderungen nicht gemeldet werden. Es sei denn, man ist bestimmender Großaktionär wie MSIP. Der rechnerische Streubesitzanteil von 37 % dürfte de facto also deutlich geringer sein und reduziert die Möglichkeit, Aktien zuzukaufen, ohne damit den Aktienkurs in die Höhe zu treiben.

Kommt die Übernahme doch noch?

MSIP hatte ausschließlich mit Interessenten für die Übernahme seines Komplettanteils verhandelt, was wiederum eine Übernahmeofferte für die übrigen Aktionäre ausgelöst hätte. Eine weitere Option ist, die annähernd 40 % an mehrere interessierte Investoren abzugeben. Gegebenenfalls könnte es auch zu einem Zusammenschluss mit einem Wettbewerber kommen.

Frei nach Winston Churchill könnte man formulieren, die Übernahmegespräch sind nicht am Ende, sondern allenfalls am Ende des Anfangs.

Bullcase vs. Bearcase

PNE profitiert vom Megatrend GreenEnergy und den weltweiten und zunehmenden Bemühungen, die Klimaziele zu erreichen und die Energieversorgung Welt zu dekarbonisieren.

Aktuell sind deutlich steigende Preise für Windenergieanlagen festzustellen. Ursache sind insbesondere die hohen Transportkosten und gestiegenen Kosten für Stahl und andere Rohstoffe. Ebenso steigen die Zinsen. Bei laufenden Projekten und Projekten, die kurzfristig umgesetzt werden, hat PNE die Preise und Zinsen abgesichert, bei neuen Projekten wird man jedoch mehr investieren müssen als bisher. Auch die Inflation, die sich weiterhin auf hohem Niveau bewegt, ist ein Thema. Das kann sich auf die Renditeerwartung der Investoren bei Projektverkäufen auswirken.

Auf der anderen Seite gibt es auch kompensierende Faktoren: Steigende Stromtarife und effizientere Anlagen steigern die Ergebnisse des Eigenportfolios und kompensieren somit teilweise die gestiegenen Preise. PNE schließt zunehmend PPAs ab und liefert so vertraglich abgesichert Strom an seine Abnehmer anstatt ihn über die Börse zu verkaufen. Nachdem der Strompreis bereits seit vielen Monaten so hoch ist, ist auch die Bereitschaft der Abnehmer gestiegen, sich die vergleichsweise hohen Strompreise länger zu sichern. Auch und vor allem aus Mangel an Alternativen. Für PNE ist das eine sehr komfortable und lukrative Position mit entsprechend positiven Auswirkungen auf das Ergebnis. Daher will man noch stärker den Eigenbestand aufstocken als bisher schon. Gegenwind verspürt PNE, wie die gesamte Branche, durch die Übergewinnsteuer, wobei noch immer nicht klar ist, in welcher Höhe PNE am Ende wirklich betroffen sein wird. Im Grunde wird dies für jede Anlage im Eigenbestand separat ermittelt.

Schwachpunkt bei der PNE-Aktie bleibt die vergleichsweise hohe Bewertung, trotz der jüngsten Kursrücksetzers. Diese resultiert vor allem daraus, dass PNE die errichteten Projekte in den Eigenbestand überführt und damit die potenziellen Verkaufsgewinne „vernichtet“. Diese fließen dann über die Abschreibungsdauer stückweise in die GuV, wodurch die aktuellen Gewinne eher schwachbrüstig aussehen.

Das sollte aber nicht als alleiniger Grund herhalten, von einem Engagement bei PNE abzusehen. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist positiv und die Aktie eine attraktive Depotbeimischung. Aufgrund der nachhaltig positiven Aussichten und insbesondere auch wegen der Hahnenkämpfe im Aktionariat, die sich zum Vorteil der übrigen Aktionäre auswirken sollten.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über PNE wissen muss

  1. Seit mehr als 25 Jahren ein führender Windparkprojektierer in Deutschland mit Fokus auf On- und Offshore-Projekte.
  2. Ziel ist, rund die Hälfte der Projekte zu verkaufen und den Rest in den Eigenbestand zu übernehmen. Dieser soll bis Ende 2023 auf 500 MW anwachsen.
  3. Die hohen Strompreise befeuern die Einnahmen aus dem Eigenbestand und erhöhen neben den starken Zuflüssen in den GreenEnergy-Sektor den Substanzwert von PNE.
  4. Großaktionär MSIP würde seinen 40-Prozentanteil an PNE gerne verkaufen; erste Gespräche sind allerdings gescheitert, was den Kurs merklich belastet hat.
Disclaimer: Habe PNE auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

2 Kommentare:

  1. Hallo Michael,
    wie du dich vielleicht erinnerst hatte ich dich ja mal angemailt, als PNE bei mir fast ein "ten baggar" war (gekauft bei 2,4 Euro; damals lag der Kurs bei 21,50 Euro). Wegen des enorm hohen KGV's hatte ich dich angemailt. du gabst mir dann de Hinweis, die Hälfte zu verkaufen (Du hattest es auch gemacht.). Hatte dann bei einem Limit von 22,00 Euro die Hälfte auch verkauft - bevor es dann wieder Richtung Süden ging.
    Vielen, vielen lieben Dank ! Hatte sehr selten bisher Aktien am höchsten Kurs Punkt verkauft.
    Diesmal hatte ich echt Glück gehabt. Werde die andere Hälfte erst mal halten - bin ja sehr stark schon im Plus.
    liebe Grüße, Reginald

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    1. Moin Reginald,
      ich hatte damals ja die Hälfte der PNE-Position glattgestellt wegen der extrem hohen Bewertung und die andere Hälfte wegen der Übernahmespekulation behalten. Wie sich das weiter entwickelt, bleibt abzuwarten. Die jüngsten Erwartungen seitens ONE für 2023 sind ja eher verhalten. Aber die politischen Rahmenbedingungen (in Deutschland) sind ja auch weiterhin eher mies für den ganzen EE-Sektor, da hat sich der grüne Umweltminister Habeck als totaler Lowperformer erwiesen. Glaube nicht, dass irgendjemand das in dieser Form erwartet hat. Und ich habe wenig Hoffnung, dass er noch die Kurve kriegt. Dazu offenbart er (und sein Ministerium) leider viel zu viel Unsachverstand.

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