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Donnerstag, 21. Dezember 2017

Zalando: Amazon-Rivale oder einfach nur maßlos überschätzt?

Geschäft ist Krieg. Und der Verlierer hat keine Gnade zu erwarten, ihm droht die Insolvenz, der unternehmerische Tod. Das gilt auch auf einem Schlachtfeld, das seit jeher hart umkämpft ist und wo wir alle teilnehmen: dem Einzelhandel. Wir alle sind Konsumenten und seit das erste Geschäft eröffnet hat, buhlen die Läden um unser Interesse, um unser Geld. Und immer wieder gibt es wellenartige neue Entwicklungen, die die bisherig bekannte Einkaufswelt gehörig durcheinander wirbeln. So war es, als Sears den Katalog erfand und die Menschen immer häufiger über Telefon oder Bestellkarte Waren orderten. Und auch die Waltons waren so eine einschneidende alles verändernde Entwicklung. Genauer gesagt ihre Erfindung des Supermarkts, wo man einfach alles kaufen kann und das auch noch sehr günstig, anstatt zu jedem Spezialhändler einzeln zu gehen.

Jede dieser Entwicklungsschübe brachte es mit sich, dass eine Vielzahl der alten Anbieter vom Markt verschwanden, je mehr sich die Einkaufsgewohnheiten der Kunden änderten. Die vielen Tante-Emma-Läden sind längst Geschichte und unsere Einkaufsstraßen gleichen sich immer mehr, werden immer austauschbarer. Weil sich dort fast nur noch die Filialisten großer Ketten halten können, während der klassische Einzelhändler, wie zum Beispiel der individuelle Modeladen, sich nicht mehr behaupten kann und seine Pforten schließen muss.

Und auch jetzt erleben wir wieder einen solchen einschneidenden Entwicklungsschub: den Onlinehandel. Als reiner Online-Buchhändler gestartet, hat sich Amazon inzwischen zum Dominator in der westlichen Einkaufswelt entwickelt und verändert unser Einkaufsverhalten wieder einmal grundlegend. Die Kunden finden immer mehr Gefallen daran, bequem von zuhause online Waren zu ordern, anstatt sich aus dem Haus begeben zu müssen, um in überfüllten Supermärkten und Einkaufsstraßen mit anderen ewig in der Warteschlange an der Kasse zu stehen. Amazon ist der Wegbereiter und der Taktgeber, aber in seinem Fahrwasser segeln weitere Anbieter erfolgreich auf der Onlinewelle. So erfolgreich, dass im Weihnachtsgeschäft 2016 in den USA erstmals mehr Waren online gekauft wurden als im stationären Handel. Eine echte Zäsur. Und Amazon hatte den größten Anteil an den Onlineumsätzen.


In Europa und speziell in Deutschland ist Amazon im Onlinehandel zwar Marktführer, aber nicht gänzlich unangefochten. Auf Platz zwei folgt die Hamburger Otto Gruppe, die auch schon als Katalogversender große Erfolge feierte, und sich nicht geschlagen gibt. Und dann ist da noch Zalando, das einst der Unternehmensschmiede Rocket Internet der Samwer-Brüder entschlüpfte und inzwischen erfolgreich an der Börse gelistet ist. Und man kann es durchaus einen Erfolg nennen, auch wenn der Kurs nach dem IPO kurz strauchelte, denn mittlerweile hat er sich sehr gut entwickelt.

Und Zalando baut sein Geschäft immer weiter aus. Gestartet war man als reiner Modehändler und ein Jahr lang wurde die deutsche Fernsehwelt mit den Spots unter dem Motto „Schrei vor Glück“ geradezu zugepflastert. Doch genau das dürfte den enormen Erfolg gebracht haben, denn damit Zalando etwas erreicht, was viele andere nicht geschafft haben: man hat eine starke Marke platziert, die noch heute zieht. Zalando hat einen breiten Kundenstamm, auf den sich das Unternehmen verlassen kann, der treu immer wieder bei Zalando einkauft. Das unterscheidet Zalando von vielen anderen Online-Shops, die ständig große Summen ins Marketing stecken müssen, um die Kunden zum Wiederkommen zu animieren.

Doch Mode war gestern, Zalando hat längst begriffen, dass es zu mehr werden muss, wenn es eine Chance gegen Amazon haben will - und nicht den Weg einer buecher.de oder buch.de gehen möchte, die in ihrer kleinen Nische ein Schattendasein fristen und kaum noch wahrgenommen werden.

 Zalando (Quelle: wallstreet-online.de
Zalando entwickelt sich also weiter und das gelingt am besten, wenn man sich am Dominator orientiert. Und so kupfert man gnadenlos das Erfolgsmodell bei Amazon ab und versucht, sich in dessen Spuren zu entwickeln. Die Parallelen sind daher offensichtlich. So hat Zalando damit begonnen, immer mehr eigene Marken ins Sortiment aufzunehmen, da hier die Margen höher sind als wenn man lediglich die Produkte von anderen verkauft. Man tritt hier also gegen die eigenen Businesskunden an, denen man die Onlineplattform als Handelsbasis zur Verfügung stellt. Und das funktioniert ausgezeichnet.

Daneben bietet man nun Stil- und Einkaufsberatung an und gräbt so Unternehmen wie Outfittery.de das Wasser ab. Ziel ist, den Kunden mehr zu bieten, als reines Einkaufen mittels ein paar Klicks. Man möchte etwas Besonderes präsentieren, sich von der Konkurrenz abheben, um nicht nur über den Preis mit diesen konkurrieren zu müssen. Und so versucht man es Amazon nachzumachen und Kunden über Abonnements an sich zu binden. Denn wer eine einmalige Gebührenpauschale zahlt, versucht diese durch mehr Käufe auch auszunutzen, ähnlich der bekannten All-you-can-eat-Angebote. Und nachdem Amazon mit der Übernahmen der Whole Foods-Läden ein breites Bein in den stationären Handel gesetzt hat, experimentiert auch Zalando mit stationären Läden und weitet gleichzeitig das Sortiment aus, das über die Verkaufsplattform angeboten wird. Während Amazon hier gerade auf den Markt für nicht verschreibungspflichtige Medikamente vordringt, setzt Zalando zunächst im Bereich von Kosmetik- und Drogerieprodukten an – die Amazon auch schon im Angebot hat.

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David gegen Goliath?
Nun, den Ausgang der Geschichte kennen wir. Allerdings hat David nicht einfach die Taktik von Goliath kopiert, sonst wäre er kolossal gescheitert und wir hätten wohl nie von ihm erfahren. Nein, David setzte auf seine eigenen Stärken, auf seine geringere Größe, seine Wendigkeit, seine Schnelligkeit. Und besiegte damit den viel stärkeren, aber behäbigen Riesen Goliath.

Zalando kopiert die Amazon-Erfolgsmethode und ist hierbei natürlich klar im Nachteil. Denn Amazon hat viel größere Reserven, ist Zalando viele Jahre in der Entwicklung voraus. So steckt Amazon seit Jahren seinen gewaltigen Cashflow in den Ausbau seiner Logistik, baut riesige Lager und Verteilzentren, kauft sich eine eigene Flugzeugflotte zusammen und bietet über seinen Cloud-Service AWS ein Rundum-Sorglos-Paket für Einzelhändler an. Hieraus hat sich auch die Finanzsparte von Amazon entwickelt, denn Amazon stellt seinen Geschäftspartnern Finanzierungen zur Verfügung und das fast risikolos. Amazon kennt nicht nur ihre zahlungs- und Warenströme, sondern kann ggf. auch schnellstens deren Waren konfiszieren bei Zahlungsverzug. Kreditausfälle sind daher eher die Ausnahme und für Amazon ein lukratives Zusatzgeschäft.

Und dann ist da noch Alexa. Die Sprachassistentin von Amazon, die vor allem eine sprachbasierte Einkaufshilfe darstellt. In der gerade beendeten Cyber Monday-Woche hat Amazon Millionen seiner Echos verkauft und die weiteren meistgekauften Produkte waren die Firesticks und die Kindle-Reader. An denen Amzon nichts verdient, die aber die Kunden in das Amazon-Mikrokosmos lotsen und zu treuen Stammkunden machen.

Etwas Vergleichbares kann Zalando nicht vorweisen, kein Alexa und keine hoch profitable Cloud-Sparte, die den Handelsbereich subventionieren könnte, wenn nötig. Und auch beim Aufbau der Logistikzentren ist man noch vergleichsweise am Anfang. Aber man geht den richtigen Weg und opfert die Quartalsgewinne den nötigen Investitionen. Was Anleger zuletzt verschnupft aufnahmen, hatte man doch die Hoffnung, Zalando würde künftig einfach nur noch Gewinne schreiben und diese sukzessive steigern. Und das wäre durchaus ein gangbarer Weg. Jedenfalls eine Zeit lang. Doch Zalando will nicht bereits in jungen Jahren zum aussterbenden Dinosaurier werden und hat erkannt, dass man gegen Amazon nur bestehen kann, wenn man sich stetig selbst wandelt und verbessert - und dafür das nötige Geld in die Hand nimmt.

Ein Schuss Übernahmephantasie
Nun sollte man sich nicht darauf versteifen, nur Amazon als Risiko und Chance zu sehen. Denn Zalando kann neben Amazon wachsen, der Verdrängungswettbewerb wird vor allem zulasten des stationären Einzelhandels stattfinden. Hier hat Zalando mit seinen mehr als 21 Millionen Kunden und seinem starken Markennamen eine hervorragende Ausgangsposition. Und strategisch bietet Zalando für Anleger noch einen Aspekt, den Amazon nicht zu bieten hat: Übernahmephantasie. Denn jenseits von Europa bahnt sich die viel größere Schlacht an, wenn der asiatische Dominator Alibaba auf den amerikanischen Platzhirschen Amazon trifft. Bisher erobern beide ihre jeweiligen Stammmärkte und sichern sich immer größere Marktanteile. Das angrenzende Umland wird ebenfalls noch „einvernehmlich“ beackert. Spätestens aber wenn sich die beiden Giganten in den USA und Asien direkt miteinander anlegen, wird es auch in Europa zum Showdown kommen. Amazon ist hier selbst schon aktiv und Zalando als einer der wenigen direkten Konkurrenten kaum ein Übernahmeziel, das die Kartellbehörden durchgehen lassen würden. Für Alibaba hingegen wäre Zalando eine echte Perle und die wohl viel bessere Alternative, als in Europa alles selbst vor Grund auf aufzubauen.

Dieses Übernahmeszenario wird nicht sofort relevant, aber auf Sicht von fünf Jahren könnte es durchaus Realität werden. Bis dahin wird Zalando weiter wachsen, weiter investieren und auch zwischenzeitlich immer mal wieder schöne Gewinne abwerfen. Für Anleger bleibt der Wert durchaus interessant. Vielleicht nicht als Alternative zu Amazon, aber als Ergänzung fürs Depot auf jeden Fall.

3 Kommentare:

  1. Hallo Michael,
    Amazon stand in der Spitze ja bei rund 1000 EURO. Wie ist Deine Einschätzung - kommt es in nächster Zeit zu einem Aktiensplit?
    Danke für Deine Meinung...

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    1. Ich glaube nicht, dass Jeff Bezos da großen Wert drauf legt. Und ein Kurs von 1.000 Euro halte ich auch nicht für sooo hoch, dass man zwangsläufig einschreiten müsste. Allerdings wird das Ganze unter einem anderen Aspekt interessant: der Dow Jones Index wird ja recht merkwürdig zusammengesetzt bzw. die Gewichtung der Werte zueinander eher unorthodox vorgenommen. Ein Aktiensplit mit einer deutlichen Verringerung des Aktienkurses könnte für Amazon eine große Chance bieten, in den Dow Jones aufgenommen zu werden. Apple hat es vor wenigen Jahren vorgemacht. Doch auch hier gilt, dass ich eher nicht glaube, dass Jeff Bezos auf eine Dow-Mitgliedschaft Amazons gesteigerten Wert legt. Von daher würde ich jetzt nicht davon ausgehen, dass ein Split bei Amazon in nächster Zeit angedacht ist.

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  2. Sehr schöner Artikel mit vielen Hintergrundinfos und eigenen Gedanken. Diese Art von Analysen hat mir auch schon bei BB Biotech sehr gut gefallen.

    Weiter so!

    Lieben Gruß,

    Torsten

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