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Montag, 19. April 2021

Kissigs Aktien Report: Alphabet und Facebook: So anders und doch so gleich?

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tagen später darf ich die Analysen dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 38 vom 09.04.2021

Alphabet und Facebook: So anders und doch so gleich?

Nach der Rallye ist vor der Rallye, so kann man es wohl beschreiben. Die Mitte Februar einsetzende Korrektur bei den Wachstumswerten führte zu einer Sektorrotation und das Geld der Anleger floh aus Technologiewerten rein in Zykliker und bisherige Corona-Loser. DAX und DOW ließen TecDAX und NASDAQ deutlich hinter sich.

Nun sind sie zurück, die Technologiewerte, viele steigen wieder deutlich an und manche markieren bereits neue Allzeithochs. Auf der anderen Seite gibt es keine neue Rotation, denn die Value Titel fallen nicht deutlich zurück. Es fließt also wieder mehr Geld in den Markt und das sind vermutlich nicht nur die Dollars der Amerikaner, die sie dank des zweiten Stimulusschecks zur Verfügung hatten. Es ist eher die Erkenntnis, dass die anziehende Inflation und die höheren Anleihezinsen keine wirkliche Bedrohung für unseren noch jungen neuen Börsenaufschwung darstellen.

Von der neuen alten Liebe der Anleger profitieren aber nicht nur die jungen Wilden, die SPACs und die IPOs, sondern auch die Technologiegiganten, die FAANGs. Während Amazon (A1), Apple (A2) und Netflix (N) seit sechs bis neun Monaten auf hohem Niveau konsolidieren, haben Alphabet (G für Google) und Facebook (F) neue Allzeithochs erklommen. Und Microsoft auch, aber das M spielt hier und heute keine Rolle.

Wir schauen uns die beiden Flügelstürmer unserer Offensivtruppe an, das F und das G. Beide sind sehr unterschiedlich, aber sie haben doch auch viele Gemeinsamkeiten. Und sie sind Wettbewerber. In etwa so, wie Robbery, also Arjen Robben und Franck Ribéry, als sie im Angriff des FC Bayern als Traumduo aufspielten.

Alphabet vs. Facebook: Akt 1

Beide Aktien markierten jüngst neue Höchststände und haben ihre Anleger auf lange Sicht und auch in den letzten fünf Jahren überdurchschnittlich gut entlohnt. Beide weisen hohe und steigende Cashflows auf, beide zahlen keine Dividende und während sich die Alphabet-Aktie seit 2016 auf 2.250 Dollar verdreifacht hat, stieg die Facebook-Aktie im gleichen Zeitraum um etwa den gleichen Faktor auf 310 Dollar an.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass beide Unternehmen sich zunehmenden Angriffen der Kartell- und Justizbehörden ausgesetzt sehen und in den USA schon mehrfach zu Anhörungen im Senat vorgeladen waren. Während Google einst "don’t be evil" als Gründungs-DNA auszeichnete, gab es bei Facebook solche moralischen Bedenken nie. Das Unternehmen war von Anfang an auf Erfolg, Wachstum und Profit ausgerichtet. Bei Alphabet, wie der Google-Konzern seit einigen Jahren heißt, kam das erst später und verdrängte die einstige Philosophie.

Alphabet wird vorgeworfen, seine Dominanz bei der Onlinesuche auszunutzen und gezielt eigene Angebote höher und besser zu platzieren als die von externen Kunden. Obwohl diese für die hohe Platzierung bezahlen. Des Weiteren werden Suchergebnisse manipuliert und mit Verlagen gibt es seit Jahren Streit darüber, ob man diesen für Teaser Geld zahlen muss/soll, mit denen dann auf deren Artikel verlinkt wird.

Bei Facebook sind ständig mehr als zwei Milliarden Menschen aktiv, verteilt auf das Soziale Netzwerk Facebook, Instagram, und die beiden Messenger WhatsApp und Facebook Messenger. Facebook wird vorgeworfen, mit seinen Übernahmen von WhatsApp und Instagram gezielt die aussichtsreichsten Wettbewerber aus dem Markt gekauft zu haben, um seine Marktposition zu zementieren. Und dass man beim Datenschutz geschummelt hat, weil eine der Voraussetzungen für die Genehmigung des WhatsApp-Kaufs war, dass die Daten von WhatsApp und Facebook für immer getrennt bleiben müssten. Inzwischen hat Facebook sie zusammengeführt (welch Überraschung) und nutzt sie, um mit ihnen noch mehr Geld zu verdienen.

Alphabet vs. Facebook: Akt 2

Beide Unternehmen verdienen mit ihrem Kerngeschäft viel Geld und nutzen dieses Geld, um in andere Bereiche zu investieren und expandieren. Alphabet weist diese Frühphaseninvestments als "Other Bets" aus und darunter fallen einige interessante Projekte.

Zu diesen sonstigen Aktivitäten gehören zum Beispiel Waymo, das wohl führende Unternehmen im Bereich des autonomen Fahrens oder "Deep Mind" (künstliche Intelligenz) und CapitalG (Wachstumskapital). Access ist die Alphabet-Tochter von Google Fiber, die über Glasfaserkabel Hochgeschwindigkeits-Breitbandzugang zu neuen Städten bietet. Access bietet Google Fiber inzwischen in zwölf Ballungsräumen in den USA an und seinen drahtlosen Webpass-Dienst in weiteren acht US-Metropolen. Nest stellt eine Reihe von Smart-Home-Geräten her, mit denen das Haus zu einer vernetzten Einheit werden soll. Nest bietet Thermostate an, Video-Türklingeln, Outdoor-Überwachungskameras (Nest Cam IQ) und Alarmsysteme. Verily entwickelt Tools zum Sammeln und Organisieren von Gesundheitsdaten, um diese für ein ganzheitlicheres Pflege-Management-System zu nutzen.

Der rote Faden, der alle diese unterschiedlichen Aktivitäten miteinander verbindet, sind die Daten. Genauer gesagt die Datenströme und das Vernetzen der Daten miteinander, um hieraus neue Erkenntnisse zu gewinnen, mit denen man den Kunden dann mehr Lebensqualität bieten kann.

Ein weiterer roter Faden dieser "Other Bets" ist, zum Leidwesen der Aktionäre, dass sie alle unprofitabel sind und Milliardenbeträge verbrennen. Ab und zu geht das sogar Alphabet zu weit und man stellt einzelne Services ein. Wie Loom, mit dem man entlegene Gegenden der Welt via Satelliten und Drohnen mit schnellem Internet versorgen wollte. Als man erkannte, dass hiermit niemals Geld zu verdienen sein würde, wurde das Projekt kürzlich beerdigt.

Auch Facebook sucht sich ständig neue Spielwiesen. Ob es die neue Dating-Funktion für Facebook ist, oder WhatsApp Pay für P2P-Bezahlungen oder direkte Kaufabwicklung bei Instagram, so dass man die Seite/App nicht mehr verlassen muss, um das Produkt zu erwerben, oder Augmented Reality, sie alle drehen sich stets um das Kerngeschäft und das Soziale Netzwerk Facebook. Sie ergänzen das Kerngeschäft und erweitern es um neue Fähigkeiten und Funktionen. Im Gegensatz zu Alphabet, bei denen die „Other Bets“ eher wie eigenständige Satelliten ins All geschossen zu sein scheinen.

Alphabet vs. Facebook: Akt 3

Das Geld verdienen beide Unternehmen mit Werbung. Dabei läuft es bei Google über die Suchmaschine, während es bei Facebook über das Advertising auf seinen Websites und Apps geht. Hier kommen die neuen Funktionen hinzu, die gegebenenfalls kostenpflichtig sind oder werden.

Bei beiden Unternehmen zahlt der Nutzer also nicht direkt, sondern indirekt mit seinen Daten. Diese Daten ermöglichen es beiden Unternehmen, ihren Werbetreibenden bessere Werbemöglichkeiten anzubieten. Weil sowohl Google als auch Facebook genau wissen, welche Vorlieben ein bestimmter Nutzer hat, können Wertbetreibende ihre Werbung auch zielgenau auf die Nutzer konzentrieren, bei denen diese Werbung und damit ihre Produkte oder Dienstleistungen gut ankommen.

Während Google und Facebook sich den Werbemarkt bisher teilen, mit Vorteilen für Google bei Browsersuchen und Facebook über mobile Angebote, schiebt sich seit einigen Jahren ein dritter Player an die beiden heran und gewinnt zunehmend Marktanteile: Amazon. So ist Amazons Marktanteil im US-Advertising-Markt in 2020 um ein Viertel auf nun 10,3 Prozent angewachsen und eMarketer geht davon aus, dass es bis 2023 12,8 Prozent sein werden. Und in seiner Sparte „Other“, zu der das Advertising-Business zählt, setzte Amazon in 2020 bereits mehr als 21 Milliarden Dollar um, eine Steigerung gegenüber 2019 um 47 Prozent.

Da Amazon vor allem im Bereich Produktsuchen auf seiner Handelsplattform Umsätze generiert, trifft es damit besonders Google, während Facebook sich hier weniger besorgt zeigen muss. Doch Alphabet steht zunehmend unter Druck, denn eines der Kartellverfahren richtet sich gegen seinen Deal mit Apple. Google ist als Standardsuche auf allen iOS-Geräten eingestellt und dafür bezahlt Google an Apple jedes Jahr um die 10 Milliarden Dollar. Allerdings stammt auch inzwischen der größte Teil der mobilen Suchanfragen bei Google von iPhones, iPads und MacBooks, so dass ein Untersagen dieser Kooperation Alphabet ins Mark treffen würde.

Mein Fazit

Alphabet und Facebook sind Erfolgsgeschichten, als Unternehmen und als Aktienwerte. Trotz aller Rückschläge wachsen sie langfristig weiter und auch ihre Aktienkurse steigen weiter an. Bei Alphabet auch getrieben durch den Rückkauf eigener Aktien.

Beide Unternehmen sehen sich scharfem Gegenwind ausgesetzt, weil ihre Dominanz Wettbewerb verhindert und zunehmend als Gefahr wahrgenommen wird. Die Kartellverfahren gegen die beiden sind langwierig und der Ausgang ist offen. In der Zwischenzeit müssen beide immer mal wieder hohe Geldstrafen bezahlen, die auch schon in den Milliardenbereich gingen. Darüber hinaus betreiben vor allem die EU-Staaten eine gezielte Besteuerung der großen Technologiekonzerne, weil diese sich ihrer Pflicht zur Steuerzahlung durch geschicktes Verschieben ihrer Umsätze und Gewinne in Steueroasen entziehen. Das wird – zu Recht – als Wettbewerbsverzerrung wahrgenommen, denn der regionale Wettbewerb hat diese Steuergestaltungs- und -vermeidungsmöglichkeiten natürlich nicht.

Diese möglichen Stolpersteine sollte man zumindest im Hinterkopf haben, wenn man die beiden Unternehmen mit den anderen Technologiegiganten vergleicht und über ihre vergleichsweise günstige Bewertung stolpert. Diese ist nicht nur eine Chance, sondern auch das Ergebnis eines etwas erhöhten eigepreisten Risikos. Ein latentes Risiko, das sich nicht einfach so auflösen wird. Aber eines, das man durchaus in Kauf nehmen kann angesichts der ansonsten durchweg positiven Aussichten und der soliden Cashpositionen und Cashflows.

Disclaimer: Habe Alphabet, Amazon, Facebook, Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

5 Kommentare:

  1. Frank Rottweiler19.04.21, 12:13

    Hallo Herr Kissig, wie von Ihnen gewohnt eine sehr fundierte Analyse. Eine Frage abseits der großen Technologiewerte. Was halten Sie von Synlab und dem anstehenden IPO?

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    1. Laborausrüster halte ich per se für ein spannendes und wachstumsstarkes Geschäftsfeld. Habe ja mit Danaher, Termo Fisher und Qiagen mehrere Werte auf meiner Beobachtungsliste. Bei IPOs bin ich aber immer erstmal zurückhaltend, die Unternehmen sind oftmals aufgebübscht, um einen möglichst guten IPO-Preis zu erzielen. Ich schaue mir daher gerne erstmal ein paar Quartale nach dem IPO an, ob die auch halten, was sie versprochen haben...

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  2. Wieder mal ein interessanter Artikel. Mein Eindruck war, dass Alphabet zuletzt kaum von der Tech-Korrektur betroffen war; die Aktie hat seit Jahresanfang ja fast 30 Prozent zugelegt.
    Ein kleiner Hinweis: Die Zwischenüberschriften sollen doch wohl "Alphabet vs. Facebook" heißen.
    Viele Grüße
    Lorenz Redicker

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  3. Sollte es in den Vergleichen nicht Alphabet vs. Facebook (Statt Google) heißen? ;-)
    Grüße
    Tom

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    1. Oh ja, danke für den Hinweis. Da hat Freud wieder zugeschlagen...

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