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Donnerstag, 20. Oktober 2022

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Muehlhan: Umbruch oder Abbruch?

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 14/2022 vom 04.10.2022

Muehlhan: Umbruch oder Abbruch?

Im letzten Jahr noch war die Muehlhan AG ist ein Spezialist für Oberflächenschutz und industrielle Dienstleistungen im Bereich Windkraft, Öl und Gas, Schifffahrt und Bauwesen. Dann trennte sich Muehlhan gleich von zwei Geschäftsbereichen, um sich künftig stärker auf die zukunftsträchtigen Bereiche zu fokussieren und die Margen zu verbessern. Doch nun folgte ein Paukenschlag, denn das Unternehmen hat den größten Teil seines operativen Geschäfts ebenfalls verkauft und für die Aktionäre stellen sich gleich mehrere wichtige Fragen.

Muehlhan war bisher einer der führenden Anbieter von Spezialdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Korrosionsschutz von Oberflächen, insbesondere für Schiffe, Infrastruktureinrichtungen wie Brücken, Bohrinseln und Windgeneratoren.

Korrosionsschutz

Die Geschäftsfelder von Muehlhan sind nicht sexy, aber wichtig. Korrosion zerstört mit der Zeit selbst den besten Stahl und bedarf ständiger Pflege. Bekanntestes Beispiel ist wohl die Golden Gate Bridge in San Francisco, die gerade auch durch ihren markanten roten Farbanstrich so berühmt ist. Und dieser Korrosionsschutz muss ständig erneuert werden, so alle sieben Jahre, da das Wahrzeichen der Bay Area ansonsten relativ schnell von Wind und Wetter zerfressen würde.

Die Golden Gate Bridge ist aber nur eines von zigtausenden von Bauwerken, die regelmäßiger Pflege bedürfen. In den letzten Jahren mehren sich Meldungen über marode Brücken in Deutschland; mehr als die Hälfte ist davon betroffen. Bei vielen stehen Ausbesserungsarbeiten an und nicht wenige müssen komplett ersetzt werden. Das ist sehr teuer und regelmäßiger Korrosionsschutz vergleichsweise günstig. Wenn man ihn konsequent und von Anfang an betreibt. Die Beschichtung wird zunächst auf neu gebaute Objekte aufgebracht und in regelmäßigen Wartungsintervallen erneuert, die zwischen fünf und zehn Jahren liegen.

Breites Leistungsspektrum

Brücken sind allerdings nicht die einzigen Bauwerke, die ohne eine regelmäßige Erneuerung des Korrosionsschutzes nicht lange halten. Das gleiche gilt für Öl- und Gas-Pipelines, für Ölplattformen in der Nordsee und auch für Windkraftanlagen, sowohl an Land aber vor allem auf dem Meer. Und in allen Bereichen war Muehlhan mit seinen knapp 2.800 Angestellten aktiv.

Neben dem Korrosionsschutz hat das Unternehmen sein Leistungsspektrum in der Vergangenheit erweitert. Es umfasste den passiven Brandschutz, Gerüstbau, Schweißen, Isolierung und industrielle Reinigung. Die Bedeutung des früher dominierenden, aber immer noch wichtigen Bereichs Schiffsneubau/ Reparatur nahm hingegen im Laufe der Jahre ab. Als Folge der Diversifizierung leisteten die Bereiche Industrie und Energie zuletzt den höchsten Umsatzbeitrag.

Regional konzentrierte sich Muehlhan auf Europa, den Nahen Osten und die USA, wobei Europa mit rund 85 % den Löwenanteil ausmachte. Dabei wurden 35 % der Umsätze im Bereich Industrie erzielt, Renewables steuerten 25 % bei und der Rest verteilte sich mit jeweils 20 % auf Schiff sowie Öl & Gas.

Neuaufstellung

Doch das meiste davon ist nun Geschichte, denn das Unternehmen hat den größten Teil seines operativen Geschäfts verkauft.

Muehlhan fungiert als Holding mit diversen Tochtergesellschaften, in denen das aktive Geschäft durchgeführt wird. In den letzten Jahren hatten einige Branchen schwer zu kämpfen, wie die Schifffahrtsbranche und auch der Öl- und Gassektor. Angesichts der momentan explodierenden Energiepreise vergisst man schnell, dass jahrelang die Preise niedrig waren, vor allem wegen des Überangebots der noch jungen aggressiven Frackinganbieter aus den USA. In der Folge gab es öfter Projektverschiebungen und erhöhten Preisdruck bei den Dienstleistern.

Vor anderthalb Jahren hatte Muelhan den Verkauf seines Öl- und Gasgeschäfts in der Nordsee angekündigt. Konkret ging es um Tätigkeiten wie Oberflächenschutz, Brandschutz, Isolierung oder auch Gerüstbau für Kunden aus der Öl- und Gasindustrie. Hier fehlte Muehlhan schlichtweg die nötige Größe, um nachhaltig erfolgreich zu sein.

Im November 2021 konnte Muehlhan sämtliche Geschäftsanteile an der MDK Energy A/S (Dänemark) und der Muehlhan Industrial Services Ltd. (Großbritannien) an die Altrad Gruppe vereinbaren.

Im August 2021 hatte Muehlhan bereits den Verkauf der 100-prozentigen Tochter Gerüstbau Muehlhan GmbH an die zum US-Konzern BrandSafway gehörende Brand Energy & Infrastructure Services mit Sitz in Ratingen bekannt. Der Kaufpreis lag auf schuldenfreier Basis bei 28 Mio Euro.

Der Gerüstbau war ein relativ beständiges, wenn auch margenschwächeres Geschäftsfeld. Zu den Adressaten gehören der klassische Hochbau oder Sondergerüste wie etwa für den Tribünenbau oder für Werbeschilder. Darüber hinaus war der Bereich Gerüstbau aber auch eng mit den Geschäftsfeldern Öl & Gas verbunden und insofern war der Verkauf der Sparte, zumindest auf den zweiten Blick nicht völlig überraschend.

Verkauf

Am 24. September teilte Muehlhan nun mit, man habe eine endgültige Vereinbarung über den Verkauf ihrer operativen Gesellschaften in Europa und den USA an One Equity Partners, eine mittelständische Private-Equity-Gesellschaft, unterzeichnet. Der Verkauf umfasst die Muehlhan Gesellschaften in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Zypern/Griechenland, Polen, Rumänien, Bulgarien, Norwegen, den Niederlanden und den USA einschließlich ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften und Niederlassungen. Insgesamt erwirtschafteten diese Gesellschaften im Jahr 2021 mit rund 1.700 Mitarbeitern einen Umsatz von 191 Mio. Euro.

Es wurde ein Festkaufpreis in Höhe von insgesamt 58,9 Mio. Euro vereinbart, der bis zum Vollzug der Transaktion mit 12.000 Euro pro Kalendertag verzinst wird. Bei einem Vollzug am 31. Dezember 2022 entspräche der Kaufpreis durchgerechnet einem Wert pro Aktie von 3,26 Euro.

Zusätzlich wird der Käufer einen Kaufpreis für erworbene Gesellschafterdarlehen der Gesellschaft in Höhe des Nominalbetrags der Gesellschafterdarlehen zum Vollzugstag zahlen, was einen Betrag von etwa 8 Mio. Euro entspricht.

Der Vollzug der Transaktion wird spätestens im ersten Quartal des Jahres 2023 erwartet. Muehlhan wird zu diesem Zweck zeitnah eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Vorstand und Aufsichtsrat beabsichtigen, den nach Rückführung von Finanzverbindlichkeiten verbleibenden Teil des der Gesellschaft zugeflossenen Kaufpreises, sobald und soweit gesetzlich zulässig, an die Aktionäre auszuschütten.

Mit diesem Exit hat Muehlhan de facto sein Kern- und Zukunftsgeschäft der Oberflächenbeschichtung verkauft. Es verbleiben zwar die Tochtergesellschaften in Russland, Indien, Kanada, auf den Bahamas und im Mittleren Osten verbleiben bei Muehlhan, aber das sind eher Randaktivitäten, die wohl für OEP nicht attraktiv genug waren. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Muehlhan an diesen Aktivitäten bzw. Töchtern festhalten wird.

Halbjahreszahlen

Bei den Halbjahreszahlen spielte der im September erfolgte Verkauf Kernaktivitäten noch keine Rolle; sie sind voll enthalten. Doch bereits hier war der Vergleich mit dem Vorjahrszeitraum nur eingeschränkt möglich, da dort noch die im 2. Halbjahr 2021 veräußerte Gesellschaft Gerüstbau Muehlhan GmbH und die ebenfalls veräußerten Öl- und Gasaktivitäten in der Nordsee enthalten waren. Beim Vergleich mit den um die Veräußerungen bereinigten Ergebnissen des 1. Halbjahres 2021 mit den aktuellen Halbjahresergebnissen sind die Umsatzerlöse um 19,8 Mio. und das EBIT um 2,9 Mio. Euro gestiegen.

Muehlhan hat von Januar bis Juni 2022 Umsatzerlöse in Höhe von 121,5 Mio. Euro (Vorjahr: 143,5 Mio.) erzielt und weist ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) in Höhe von 4,2 Mio. Euro aus (Vorjahr: 3,9 Mio.). Die EBIT-Marge verbesserte sich entsprechend von 2,7 % auf 3,4 %. Das Halbjahres-Konzernergebnis nach Steuern erhöhte sich auf 2,4 Mio. Euro (Vorjahr: 2,0 Mio.).

Der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit betrug -1,7 Mio. Euro gegenüber +4,7 Mio. im Vergleichszeitraum. Der deutliche Rückgang resultiert aus dem starken Wachstum des Windkraftsektors, in dem längere Zahlungsziele vorherrschen, sowie einem saisonalen Forderungsaufbau aufgrund der umsatzstarken Sommermonate. Zudem fehlt der Cashflow-Beitrag der veräußerten Gesellschaften.

Die Umsatzerlöse in der Sparte Renewables konnten leicht um 1,6 Mio. auf 46,6 Mio. Euro gesteigert werden, während das EBIT von 4,8 Mio. auf 2,0 Mio. Euro zurückging.

Im Bereich Schiff sanken die Umsatzerlöse erneut leicht von 29,2 Mio. auf 28,4 Mio. Euro und das EBIT sank projektbedingt überproportional um 1,0 Mio. auf 1,4 Mio. Euro.

Im Hochbau-/Infrastrukturgeschäft konnten die Umsatzsteigerungen insbesondere in den USA den Effekt aus dem Verkauf der Gerüstbau Muehlhan GmbH im 2. Halbjahr des Vorjahres nicht vollständig kompensieren. Die Umsatzerlöse reduzierten sich um 4,0 Mio. auf 30,4 Mio. Euro; dabei war das EBIT auch aufgrund der Umwandlung von staatlichen Unterstützungszahlungen in den USA in einen Zuschuss mit 1,2 Mio. Euro positiv (Vorjahr: -0,4 Mio.).

Im Geschäftsfeld Öl & Gas wurden nach der Veräußerung der Öl- und Gasaktivitäten in der Nordsee mit 15,8 Mio. nur noch etwa halb so viele Umsatzerlöse erzielt wie im Vorjahr (34,8 Mio.). Die verbleibenden Gesellschaften in diesem Geschäftsbereich konnten die Umsatzerlöse im Vergleich zum Vorjahr steigern, so dass das EBIT um 0,2 Mio. auf 1,7 Mio. zulegte.

Im Segment Marine & Construction stiegen die Umsatzerlöse um 3,2 Mio. auf 73,5 Mio. Euro und das EBIT legte von 2,7 Mio. auf 4,1 Mio. Euro deutlich zu. Der Verlust von Umsatzerlösen und EBIT als Ergebnis des Verkaufs der Gerüstbau Muehlhan GmbH konnte demnach durch andere Gesellschaften kompensiert werden.

Das Segment Energy hat aufgrund des Verkaufs des Geschäfts in der Nordsee deutlich geringere Umsatzerlöse und Ergebnisse erzielt; die Umsatzerlöse sanken von 75,5 Mio. auf 47,9 Mio. Euro und das EBIT halbierte sich im Vergleich zum Vorjahr von 5,4 Mio. auf 2,5 Mio. Euro.

An den Prognosen für 2022 hielt das Management bei Bekanntgabe der Halbjahreszahlen fest und zeigte sich auch über die Earn-out-Komponenten aus dem Verkauf des Öl- und Gasgeschäfts in der Nordsee im Jahr 2021 erfreut, die in 2022 mit rund 6 Mio. Euro zu Buche schlagen werden.

Alles Schnee von gestern

Doch durch den überraschenden Verkauf der Kernaktivitäten sind nun alle Wetten ungültig und es stellt sich die Frage nach dem Fortbestand des Unternehmens.

Muehlhan bezifferte den Cashzufluss aus der Transaktion auf 3,26 Euro je Aktie, doch es ist unklar, ob und in welcher Höhe Darlehen aus dem Konzern mit übergehen. Des Weiteren hat Muehlhan zum Halbjahr rund 80 Mio. Euro an offenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ausgewiesen und etwa 30 Mio. Euro in diesem Bereich selbst noch zu bedienen. Bisher ist völlig unklar, in welchen Dimensionen diese anteilig vom Verkauf mit erfasst sind, was allerdings erheblichen Einfluss auf die Bewertung des verblieben Konzerns hat.

Bullcase vs. Bearcase

Mehr als die Hälfte der Anteile liegen in den Händen der Gründerfamilie Greverath. Die Zustimmung der Hauptversammlung zum Verkauf dürfte daher nur Formsache sein. Ebenso ist die Aussage von Vorstand und Aufsichtsrat zu werten, „den nach Rückführung von Finanzverbindlichkeiten verbleibenden Teil des der Gesellschaft zugeflossenen Kaufpreises, sobald und soweit gesetzlich zulässig, an die Aktionäre auszuschütten“.

Das zieht Spekulationen, dass mit dem Geld neue Geschäftsfelder angesteuert werden könnten, von vornherein den Stecker und macht Muelhan zu einer Gesellschaft in Abwicklung. Es geht nicht mehr um die Zukunftsfähigkeit der verbliebenen Geschäftsbereiche, sondern nur noch um deren Wert durch Einbringen der ausstehenden Forderungen und gegebenenfalls einen möglichen Verkaufserlös. Im schlechtesten Fall könnten die verbliebenen Töchter abgewickelt werden müssen, was mit einer aus heutiger Sicht unabschätzbaren finanziellen Belastung einhergehen würde.

Muehlhan beziffert den Verkaufspreis auf 59 Mio. Euro zuzüglich etwa 4 Mio. Euro Zinseinnahmen bis zum Closing des Deals. Hinzu gesellen sich die Earn-out-Erträge aus dem Ölverkauf von 6 Mio. Euro, Einnahmen aus dem Verkauf einer Immobilie von 1,5 Mio. Euro und ein Cashbestand von 12 Mio. Euro per 30. Juni. Macht 82,5 Mio. Euro auf der Habenseite.

Unklarheiten bestehen in Bezug auf die verbliebenen Finanzverbindlichkeiten, die Pensionslasten, den Wert und Cashflowbeitrag der verbliebenen Tochtergesellschaften, Gesellschafterdarlehen, Leasingverbindlichkeiten.

Der Aktienkurs schoss nach der Verkaufsmitteilung von 2,60 auf 3,10 Euro hoch, doch dann bröckelte er schnell wieder ab. Inzwischen hat er seine sämtlichen „Freundengewinne“ wieder abgegeben. Das ist zum einen der allgemeinen schlechten Börsenverfassung zuzuschreiben, andererseits aber auch der Unsicherheit über den Wert des Unternehmens und seine Zukunft.

Bei Muelhan handelt es sich ab sofort um eine Sondersituation und nicht mehr um ein operativ tätiges Unternehmen. Wer sich hier engagiert, sollte sich der Chancen und Risiken bewusst sein, die damit einhergehen. Das Risiko liegt in der Intransparenz hinsichtlich der Bewertung und der Zukunftsaussichten. Die Chance liegt darin, dass die Gründerfamilie ganz offensichtlich Kasse machen möchte und wohl kaum ein Interesse an der Aktienmehrheit haben dürfte. Das könnte Spezialisten auf den Plan rufen. So hatte ActiveOwnership vor einigen Jahren bei der exceet Group das Zepter übernommen und hat seitdem die restlichen Unternehmensaktivitäten verkauft und die Erlöse hieraus immer wieder in Form von hohen Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet. Das könnte die Blaupause für die mittelfristige Zukunft der Muehlhan AG sein.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Muehlhan wissen muss

  1. Muehlhan verkauft sein Kernaktivitäten und behält zunächst lediglich einen eher unverkäuflichen Rest.
  2. Der Verkauf spült ordentlich Geld in die Kasse und soll zur Ausschüttung von Dividenden genutzt werden.
  3. Die Gründerfamilie hält mehr als 50 % der Aktien und scheint kein Interesse am Fortbestand des Unternehmens mehr zu haben und lieber Kasse machen zu wollen.
  4. Die nicht bezifferbaren Verbindlichkeiten bergen Risiken und Chancen und der mögliche Einstieg eines Spezialisten für Sondersituationen böte eine interessante Perspektive.

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