▶ ÜBERSICHT | THEMENSCHWERPUNKTE

Dienstag, 28. Februar 2023

Kissigs Aktien Report: The Good, The Bad, The Ugly - Alphabet & Amazon im Zahlenstrudel

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 123 vom 03.02.2023

The Good, The Bad, The Ugly: Alphabet & Amazon im Zahlenstrudel

Die großen Technologiekonzerne scheffeln inzwischen enorme Cashflows und stehen daher sehr solide da, selbst in wirtschaftlich schwachen Zeiten. Andererseits haben 2021 und 2022 gezeigt, dass sie nicht unverwüstlich sind. Sie haben zigtausende von Mitarbeitern neu eingestellt, um die großen Wachstumstrends weiter zu befeuern und ihren Wettbewerbern voraus zu sein: Cloud, Onlinehandel, Logistik.

Doch die Wahrheit des Jahres 2022 war eine andere: Umsatzrückgänge im Einzelhandel und sogar erstmals seit vielen Jahren beim Onlinehandel, Rückgang der Wirtschaftsleistung und damit einhergehend Einbrüche im Advertisingmarkt.

Die Aktienkurse der Big-Techs waren daher auch bis Ende 2022 mächtig unter Druck und verloren teilweise 50 % vom vorherigen Allzeithoch. Seit dem Jahresstart 2023 befinden sich viele Tech-Werte wieder im Rallyemodus und können teilweise bereits Kursverdopplungen von ihren 2022er- Tiefs verbuchen. Auch wenn zu ihren Allzeithochs bisweilen noch Verdrei- oder Verfünffachungen nötig sind. Bei Amazon und Alphabet fallen die Kurszuwächse nicht so stark aus, aber deutlich zweistellig liegen sie auch im Plus. Und nachdem Meta Platforms sehr starke Zahlen für das 4. Quartal vorlegen konnte, stiegen auch die Erwartungen an alle anderen Unternehmen enorm an – obwohl Microsoft gerade erst nicht überzeugen konnte.

Und was haben Amazon und Alphabet da nun vorgelegt? Die Kursreaktion von minus 5 % scheint eine klare Sprache zu sprechen. Aber was weiß der Kurs schon…?

Amazon

Amazons Erlöse legten in im 4. Quartal im Jahresvergleich um 9 % auf 149,2 Mrd. USD zu. Während die Online-Umsätze im Gesamtjahr konstant blieben (220 Mrd. USD nach 222 Mrd. USD in 2021), legte der Gesamtumsatz deutlich von 470 auf 514 Mrd. USD zu und konnte damit erstmals die Marke von 500 Mrd. USD in einem Jahr knacken. In den USA lief es noch ganz gut, der Umsatzrückgang im internationalen Segment offenbart allerdings Schwächen.

Höhere Kosten ließen den Betriebsgewinn von 3,5 auf 2,7 Mrd. USD schrumpfen. Hierfür waren auch die massiven Personalaufstockungen verantwortlich und Amazon hat kürzlich bereits angekündigt, mehr als 18.000 Mitarbeiter zu entlassen. Das wird die Kosten dauerhaft reduzieren, aber im 1. Quartal 2023 natürlich für einen einmaligen Milliardenaufwand für Abfindungen (640 Mio. USD) etc. sorgen.

Das Nettoergebnis des 4. Quartals betrug sogar nur 278 Mio. USD, doch dies lag zuvorderst an einer hohen Abschreibung auf die Beteiligung am kriselnden Elektroautobauer Rivian, an dem Amazon signifikant beteiligt ist.

Einen Dämpfer verursachte die Cloudsparte AWS, die seit Jahren die Wachstums- und Gewinnlokomotive des Amazon-Konzerns ist. Ihr Umsatzwachstum fiel im 4. Quartal auf 20 % zurück. Insgesamt spielte AWS 21,3 Mrd. USD ein; im 3. Quartal lag der Zuwachs noch bei 27 % und auch das war im langfristigen Vergleich bereits ein kräftiger Rückgang gewesen. Das Wachstum halbierte sich damit innerhalb eines Jahres von 40 auf 20%. Das drückt auf die Stimmung, zumal Amazons Finanzvorstand Brian T. Olsavsky für die kommenden Quartale ein weiter sinkendes Cloud-Wachstum in Aussicht stellte.

Fast zwangsläufig kann Amazon mit seinem Ausblick auf das aktuelle Quartal nicht glänzen. Der Umsatz wird zwischen 121 und 126 Mrd. USD erwartet und der Betriebsgewinn zwischen null und vier Mrd. USD.

Alphabet

Der Umsatz von Alphabet ist im 4. Quartal um 1 % gewachsen; währungsbereinigt wären es immerhin 7 % gewesen. Wenig für ein Wachstumsunternehmen, zumal es im 4. Quartal 2021 noch 32 % waren. Aber Alphabet macht nun mal rund 90 % seines Umsatzes mit Werbeeinnahmen und die schwächeln gerade auf allen Ebenen, denn die wirtschaftliche Abflachung wirkt sich überall aus. Ob beim Suchmaschinengeschäft oder bei YouTube. Hier belief sich das Minus im 3. Quartal auf 2 % und im 4. Quartal waren es nun 8 % weniger als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Alarmierend.

Die Cloudsparte kam besser über die Runden. Auch hier schrumpfte das Wachstum aber es blieben 32 % Zuwachs nach 38 % im Vorquartal übrig. Doch der entscheidende Wermutstropfen bleibt: die Sparte schreibt Verluste, anders als die großen Wettbewerber AWS und Azure (Microsoft). Google Cloud versenkte im 4. Quartal weitere 480 Mio. USD, aber… zumindest lag das deutlich unter den noch pessimistischeren Erwartungen.

Vordergründig hängt Alphabet an der wirtschaftlichen Entwicklung, weil seine Werbeerlöse hieran geknüpft sind. Doch in letzter Zeit rückt eine ernsthafte Herausforderung ins Blickfeld: Künstliche Intelligenz.

Beim Thema KI ist Alphabet durchaus vorne mit dabei und CEO Sandar Pichai hat angekündigt, künftig die Ergebnisse der KI-Einheit DeepMind gesondert auszuweisen. Bisher wurde diese unter den sogenannten "Other Bets" geführt. Zudem soll in den kommenden Wochen und Monaten die eigene KI LaMDA auf Google verfügbar gemacht werden.

Beides sicherlich längst fällige Schritte, aber eben auch kein wirkungsvolles Mittel gegen das wahre Problem: OpenAI.

OpenAI ist ein frei zugängliches KI-Tool. Microsoft hat sich gerade einen großen Teil davon gekrallt und trainiert bereits seit Jahren diese Künstliche Intelligenz, um sie in seine Office- und Cloudprodukte zu integrieren. In den letzten Wochen war überall der Chatbot ChatGPT in aller Munde, weil er so treffsichere Antworten auf so viele Fragen gibt. ChatGPT basiert auf OpenAI und könnte zum Google-Killer werden.

Echt. Es geht um die Nutzererfahrung. Warum sollte man Wörter in eine Suchmaske tippen, um Seiten-Links angezeigt zu bekommen, auf denen sich vielleicht (!) die Antwort findet, wenn man doch mit einem Bot reden kann, der die Antwort gibt – und den man, wie bei einem normalen Gespräch, um weitere Informationen bitten kann, ohne eine neue Suche starten zu müssen?

Also warum? Mir fällt kein Grund ein.

Und genau das ist das Google-Dilemma. In 20 Jahren hat Google das Suchmaschinengeschäft zu seiner Domäne gemacht und sich zum absoluten Dominator. Der Burggraben war schier unangreifbar. Bis jetzt.

Google hat um die 85 % Marktanteil, stärkster Herausforderer ist Bing (von Microsoft) mit um die 7 %. Wenn Microsoft nun Bing und ChatGPT miteinander verbindet und bei Suchanfragen eine viel bessere Nutzererfahrung generiert, wird Bing schnell Marktanteile gewinnen und Google entsprechend verlieren. Da Google bzw. Alphabet selbst an KI arbeiten, könnten sie relativ schnell kontern und einen ähnlichen Such-Bot anbieten. Wo lauert also die Gefahr?

Microsoft erzielt weniger als 10 % seiner Umsätze mit Bing, Alphabet erzielt rund 90 % seiner Umsätze und Gewinne aus dem Suchmaschinenbusiness. Microsoft kann es sich leisten, diese Umsätze zu verlieren, zumal seine sonstigen Produkte aufgewertet würden. Wenn Google künftig keine Ergebnislinks mehr auswirft, die von Kunden bezahlt werden (abhängig von der Platzierung auf der Seite), und wenn künftig um die Google-Ergebnisse herum keine Werbung mehr platziert wird, weil ein Bot das Antworten übernimmt, verdurstet Google die Cashcow.

Es geht also nicht um die Frage, ob Google eine ähnlich gute KI aus dem Hut zaubern kann wie OpenAI, sondern (nur) darum, ob Google hieraus ein Geschäftsmodell generieren kann, mit dem es die drohenden massiven Einbrüche bei Google Search kompensieren kann. Die beliebteste Suchmaschine zu bleiben, aber nicht mehr damit zu verdienen, dürfte weder für Alphabet noch seine Aktionäre eine verheißungsvolle Zukunft sein.

Diese Fragestellung scheint neu zu sein für Alphabet, aber vermutlich ist sie es gar nicht. Alphabet arbeitet seit vielen Jahren an KI-Systemen und -Anwendungen. Bereits vor 6 Jahren hatte sich Alphabet zur AI-First-Company erklärt. Der Grund, weshalb man noch keine KI-Anwendungen an den Markt gebracht hat, könnte wirklich das Problem der Kannibalisierung der Haupteinnahmequelle Google Search sein. Tja, jetzt müssen Antworten her…

Mein Fazit

Der starke Kurseinbruch von Big-Tech lässt die Aktien wieder billiger aussehen. Doch haben sie auch geringere Wachstumsraten, niedrigere Gewinne und Kostendruck vor der Brust. Die bisherige Jahresanfangsrallye ist von makroökonomischen Hoffnungen getrieben und spiegelt sich noch nicht in den Quartalsergebnissen der Unternehmen wider. Es bleibt abzuwarten, wann und wie stark die Unternehmen die Kurve kriegen, denn dies wird die Antriebsenergie für den Turnaround sein – ohne wird das nichts.

Disclaimer: Habe Alphabet, Amazon, Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot.

5 Kommentare:

  1. Hallo Michael,
    stimme allem zu - bis auf folgendem Part.
    Ich habe mich intensiv mit der Recherche über ChatGPT auseinandergesetzt. Das führt oft zu Antworten die toll aussehen aber fehlerhaft sind d.h. für die Recherche eigentlich unbrauchbar, das Bearbeiten von Texten klappt aber super. Daher sehe ich das Geschäftsmodell von Alphabet nicht wirklich massiv gefährdet. Für Microsoft wird die KI Textverarbeitung die Office Produkte trotzdem nochmal auf ein ganz neues Niveau heben.
    Viele Grüße
    Oliver

    AntwortenLöschen
  2. Konstantin01.03.23, 00:28

    Das sehe ich auch so, wie Oliver. Ich konnte ChatGPT zu Fehlermeldungen oder Widersprüchen führen.

    AntwortenLöschen
  3. Daniel Deutsch01.03.23, 08:29

    Ich habe den Bot auf verschiedenen Gebieten getestet, es kamen bei Fakten immer (!) falsche Antworten. Es taugt eher weniger für Hausaufgaben oder Dissertationen, außer für Politiker vielleicht. Zudem ist das Ding nicht politisch neutral, sondern die bolschewoke Position der Fa. OpenAI wird vertreten. Überwacht übrigens von Afrikanern mit einem Stundenlohn von 1,50€/Stunde. Man kann aber prima Mails in anderen Sprachen verfassen lassen und sogar die Einhaltung entsprechender Höflichkeitsformen zur Bedingung machen.

    AntwortenLöschen
  4. Hallo, es hat sich doch mittlerweile nach der anfänglichen gewaltigen Euphorie herausgestellt, dass ChatGPT keinerlei Edge vor Alphabets Bard hat. Das eine Ding macht genauso Mumpitz wie das andere. Letztlich war‘s mE anfänglich ein ziemlich geschickter PR-Coup von OpenAI/Microsoft im Konkurrenzverhältnis zu Google. Va um Bing wieder ein wenig ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Aber letztlich hatte Alphabet doch vollkommen recht mit seiner zögerlichen Position bzgl. eines Going Public. Die Dinger laufen noch längst nicht rund und es dürfte noch ein sehr weiter Weg vor diesen Chatbots liegen, bis diese wirklich sinnvoll und ungefährlich einen Mehrwert schaffen können. Von den Kosten pro Suchanfrage jetzt mal ganz zu schweigen. Meine bescheidene Laien-Meinung. Grüße in die Runde!

    AntwortenLöschen
  5. Sehe es ähnlich wie die Kommentare oben zu ChatGP und Google. Deine Annahme im Artikel ist nicht falsch, warum noch auf Google -Links klicken und nach antworten suchen. Abgesehen von der Fehlerquote hat man aber doch mit Wikipedia schon längst ein tool, dass viele Antworten gibt - ohne Werbung. Auch Alexa oder eben Google geben in ihrer Sprachsoftware Antworten (meist auch Wikipedia). Daher hätte man mEn schon mit dem Aufkommen von Wikipedia Googles Burggraben bei der Suche schrumpfen sehen können. Letztlich braucht es nicht nur antworten, sie müssen auch nachvollziehbar bzw korrrekt sein und man möchte seriöse Quellen. Selbst Wikipedia ist wissenschaftlich gesehen nicht seriös.... Das müsste ChatGP dann auch erst mal hinbekommen - also seriöse Quellen nachvollziehbar (!) nutzen. Ansonsten ist es für mich ein etwas bessere bedienendes Wikipedia. Abgesehen natürlich von den Texthilfen etc. Das wiederum kann MSFT gut in das Office-Paket einbauen - Googles Werbegeschäft beeinflusst das aber mEn erst mal weniger.

    AntwortenLöschen