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Sonntag, 28. Mai 2023

Kissigs Kloogschieterei: Irrlichterndes Schattenboxen um die Schuldenobergrenze - oder Drama Baby!

Es ist nicht (mehr) einfach, an der Börse sein Geld anzulegen. Sicher, es war auch früher nur im Rückspiegel klar und einfach und doch herrschte mehrere Jahre lang ein Goldlöckchen-Szenario aus robuster Wirtschaft, niedriger Inflation und fallenden Zinsen. Ende, aus, vorbei. Ist ja hinlänglich bekannt und kostet die Anleger schon seit rund zwei Jahren Nerven – und oft auch Geld. Und als wären die heftigen Schwankungen der letzten beiden Jahre und die Verwerfungen durch den Ukrainekrieg nicht schon schlimm genug, zünden die Amis gleich den nächsten Baum an: gemeint ist das Gezerre um die Schuldenobergrenze, dieses völlig sinnentleerte Ritual der US-Finanzpolitik.

Sinnentleert nicht etwa, weil Schulden keine Rolle spielen und Haushaltsdefizite unbedenklich wären, sondern weil der Kongress einen Haushalt aufgestellt bzw. den vom Präsidenten aufgestellten beschlossen hat. Und dieser Haushalt hält neben den Einnahmen und Ausgaben auch die Investitionen sowie die neue Verschuldung fest. Der Kongress hat also beschlossen, wie viel Schulden die USA am Jahresende 2023 maximal haben dürfen. Und das könnte und sollte das Ende der Debatte sein. Aber nein, nicht bei den Drama-Queens aus Amerika. Die haben noch ihre Schuldenobergrenze, die nicht etwa an die im Haushalt beschlossene Summe gekoppelt wird, sondern davon völlig losgelöst festgelegt wird. Und da stehen wir nun, wieder einmal...

Der Präsident und seine Demokraten-Fraktion streiten sich mit den Republikanern um die Schuldenobergrenze bzw. darum, aus welchem Etat Gelder gestrichen und wo zusätzliche Summen bereitgestellt werden sollen, damit beide Seiten die Schuldenobergrenze anheben. Es finden also auch unterjährig zusätzliche Haushaltsgespräche statt zu den ohnehin regelmäßig anstehenden und dann gibt es ja auch noch ständig Zwischenwahlen, wo es auch immer wieder ums Geld geht. Im Grunde ist in den USA permanent Wahlkampf und andauernd Haushaltsstreit. Wie dumm…

Erinnern wir uns an Ken Fisher, der regelmäßig darlegt, dass zerstrittene Politiker gut für die Börse sind. Weil dann keine grundlegenden Entscheidungen getroffen werden. Bei Reißen der Schuldenobergrenze droht hingegen der Zahlungsstopp für den Wirtschaftsmotor der Welt. Kaum auszumalen, wenn es nicht zu einer Einigung kommt, das kann sich eigentlich kein US-Politiker leisten. Und der Rest der Welt auch nicht. Also können Anleger eigentlich nur auf einen Sieg der Vernunft setzen, so schwer das auch zu sein scheint. Auch dazu rät Ken Fisher.

Und er könnte Recht behalten. Inzwischen nähern sich die Anzeichen, dass es eine Einigung zwischen Präsident Biden und dem Senatsanführer der Republikaner McCarthy gibt. Die Details sind noch nicht bekannt, aber wen interessieren schon Details - steckt doch hier oftmals genau der Fehlerteufel. Im konkreten Fall könnte er insofern noch dazwischenhauen, weil trotz Fürsprache der Anführer nicht zwangsläufig alle Mitglieder beider Kammern des Kongressen (Senat und Repräsentantenhaus) dem Kompromiss auch zustimmen. Insbesondere die Senatoren sind eher den Interessen des jeweiligen Bundesstaats verhaftet als den Interessen der Partei - oder des Präsidenten.

Wie dem auch sei, am Freitag hat die Börse schon mal voller Vorfreude gefeiert und in der Nächsten Woche dürfte die Erleichterung über die Einigung weiteren Auftrieb geben. Damit hat es sich dann aber auch erstmal wieder, denn die liebgewonnenen Negativthemen (Inflation, Zinsentwicklung, Wirtschaftsschwäche) bleiben uns weiter erhalten und dass einige Börsenindizes Richtung Allzeithoch marschieren, sollte uns nicht täuschen: Es sind eigentlich nur die Big Techs und natürlich die KI-Werte, die die Rallye befeuern. Die meisten anderen Aktien schwächeln, so dass die besseren unter ihnen seitwärts laufen, während viele Aktien sogar weiter an Boden verlieren. Mit anderen Worten: diese Rallye wird bisher nur von einigen wenigen Aktien getragen und hat damit kein solides Fundament. Daher wird es entweder zu einem kräftigen Einbruch kommen, dann wäre dies eine Bullenrallye in einem Bärenmarkt gewesen.

Oder aber der Aufschwung gewinnt an Breite. Angesichts der stark rückläufigen Inflationswerte halte ich dieses Szenario sogar für wahrscheinlicher - und dann befänden wir uns aktuell am Beginn eines neuen Bullenmarkts. Den Ken Fisher ja schon seit einiger am Horizont ausgemacht hat. Und der gute Ken liegt ziemlich oft richtig, vielleicht auch dieses Mal wieder...?!

Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig

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