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Sonntag, 18. Juni 2023

Kissigs Börsentheater: Peter Lynch ist nicht beunruhigt über die Börsenrallye, obwohl die Nachrichtenlage anhaltend düster aussieht

Börsenlegende Peter Lynch hat so ziemlich schon jede Börsenlage selbst miterlebt und angesichts der neuen Rekordmarken an den Börsen bei gleichzeitigem Rückgang der Wirtschaftsleistung kann er die Anleger beruhigen: Er meint: "Jedem wirtschaftlichen Aufschwung seit dem 2. Weltkrieg ging eine Erholung der Aktienmärkte voraus. Und diese Erholungen beginnen oft, wenn die Rahmenbedingungen düster sind."

Diese Situationsbeschreibung passt perfekt zu unserer gegenwärtigen Lage: Die Notenbanken haben wegen der galoppierenden Inflation in nie gesehenem Tempo ihre Zinssätze erhöht und strangulieren damit die Wirtschaft, deren Leistung zunehmend abnimmt. Als Begleiterscheinung ist der seit 15 Jahren boomende Immobilienmarkt ins Straucheln geraten und hat in den letzten 6 Monaten eine kräftige Talfahrt hinter sich gebracht. Währenddessen waren die Börsenkurse bis in den Frühling hinein beinahe zwei Jahre lang gefallen und hatten teilweise sämtliche Kursgewinne seit dem Corona-Tief wieder ausgemerzt.

Und doch haben sich die Börsenkurse gefangen und sich - unter teilweise heftigen Schwankungen - wieder erholt und vereinzelt auf Rekordjagd begeben; besonders um das Thema 'Künstliche Intelligenz' ist ein regelrechter Hype entstanden, nachdem Microsoft mit ChatGPT hier 'den großen Wurf' präsentierte und KI nun mit Siebenmeilenstiefeln im Alltagsleben der meisten Menschen ankommt.

Da die Börsenkurse der Realität 6 bis 12 Monate vorauseilen, passt ihre Entwicklung oft nicht zur aktuellen Schlagzeilenlage - heute nicht und früher auch nicht. So waren im Frühjahr 2009 auf dem Höhepunkt der Globalen Finanzkrise die Nachrichten geprägt von Weltuntergangsszenarien und Hiobsbotschaften – aber die Börsen setzten bereits zur längsten und stärksten Hausse aller Zeiten an. Sie nahmen Fahrt auf und kletterten an der 'Wall of Worries' empor, wenn auch teilweise unter heftigen Schwankungen.

Das klingt irgendwie bekannt, oder? Genau. 'Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich' heißt es. Und so beginnt es…

Disclaimer: Habe Microsoft auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

10 Kommentare:

  1. Bei historischen Vergleichen könnte man aber auch zu 2007/2008 zurückgehen. Vor der Finanzkrise ging es noch mal ordentlich hoch, man dachte, die Probleme seien überwunden. Gibt genauso Experten, die sehen es eher in diese Richtung. Am Ende wissen wir es alle nicht. Mir erscheint der Markt aktuell zu hoch, der Effekt der starken Zinserhöhung wird sich erst bemerkbar machen. Also es wird auch wieder günstigere Kaufmöglichkeiten geben als jetzt....

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    1. 'Der Markt'... ist doch kaum entscheidend für den Börsenerfolg, sondern es ist die Auswahl (und das konsequente Behalten) der richtigen, der besten Akten. Ob die Börse dann mal 10 oder 20 % korrigiert, ist nebensächlich, solange die Unternehmen weiterhin in der Spur bleiben. Peter Lynch hat eine ganze Reihe schlauer Dinge dazu gesagt: "Dies ist einer der Schlüssel zum erfolgreichen Investieren: Konzentriere dich auf die Unternehmen und nicht auf die Aktien. (...) Man vergisst es manchmal leicht, aber eine Aktie ist kein Lottoschein. Sie ist ein Besitzanteil an einem Unternehmen. (...) Niemand kann die Zinssätze, die künftige Richtung der Wirtschaft oder den Aktienmarkt vorhersagen. Ignoriere derartige Prognosen und konzentriere dich darauf, was mit den Unternehmen passiert, in die du investiert hast. (...) Wenn die richtige Aktie gefunden ist, dann ist es nie zu früh und nie zu spät, sie zu kaufen.

      Und dass viele Experten, vermeintliche wie wirkliche, vor den Gefahren der Börse in dieser Situation warnen, ist auch nicht ungewöhnlich. Auch im März 2009 gab es viele Mahner, die noch von einem Weltuntergang schwadronierten, als die Börsen längst zum Höhenflug angesetzt haben. In meinen 35 Jahren an der Börse hat mich stets Weltuntergangsprophet Marc Faber begleitet - der warnt ja mehrmals im Jahr vor der 'finalen Katastrophe' und liegt in 90 % der Fälle daneben. Ab und zu rauschen die Börsenkurse dann wirklich mal ab und er fühlt sich in seiner dauerpessimistischen Sicht bestätigt - aber das hält eben immer nur ein, zwei Jahre an, solange die Kurse unter Wasser sind. Marc Faber gehört daher in den Nonsens-Filter...

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    2. Für mich ist die Frage interessant, wann sich die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen in der Realwirtschaft spürbar niederschlagen. Vor einigen Jahren war die Rede von Zombie-Unternehmen. Diese müssten auslaufende Kredite derzeit mit deutlich höher verzinsten ersetzen, was doch eigentlich zu einer steigenden Anzahl an Insolvenzen führen müsste. Bei gesunden Unternehmen müsste bei steigenden Finanzierungskosten die Marge kleiner werden. Beide Effekte sollten sich in irgendeiner Form doch auch in den großen Indizes niederschlagen, oder?
      Könnte es sein, dass viele Unternehmen "finanztechnische Tricks" anwenden, um den Zeitraum der relativ hohen Zinsen auszusitzen? Denn laut Zinsstrukturkurve sollen die Zinsen im kommenden Jahr angeblich schon wieder fallen ...

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    3. Die Notenbanken handeln immer zu spät. Immer! Erst warten sie zu lange, bevor sie mit den Zinsanhebungen beginnen (und/oder dem Verändern der Liquiditätsversorgung der Banken und damit der Unternehmen und Verbraucher) und dann erhöhen sie die Zinssätze immer noch, wenn die Wirkung längst eingesetzt hat. Damit heizen sie den Zyklus jeweils noch an, in beide Richtungen.

      Die Auswirkungen der Zinsanhebungen sind ja bereits seit Wochen und Monaten überall zu merken: die Preise steigen nicht mehr und sinken vielerorts, die Inflationsrate befindet sich deutlich auf dem Rückzug, die Immobilienpreise sind deutlich gefallen, die Stimmung der Verbraucher ist auf Negativrekordwert, die Konsumenten schwenken um von Markenprodukten zu Billigangeboten, die Banken sind deutlich restriktiver in der Kreditvergabe und der Arbeitsmarkt zeigt Schwächen.

      Was die Insolvenzen angeht, so wurde hier ja staatlich manipuliert. Zuerst gab es die durch die Notenbanken befeuerte Liquiditätsschwemme und dem entsprechend Nullzinsen und am Ende sogar Negativzinsen, so dass jedes Unternehmen, auch die siechenden, immer wieder frisches Geld bekam, und dann wurde wegen Corona die Insolvenzanmeldepflicht ausgesetzt. Das ist nun beides vorbei - und die Insolvenzahlen legen ja auch bereits deutlich zu.

      Was Du beschreibst, dass sich die höheren Kosten für Geld in den Unternehmensergebnissen widerspiegeln müssten, findet bereits seit anderthalb Jahren statt. Die Margen und die Ergebnisse sinken doch. Und dass sich dies in den Aktienkursen niederschlagen sollte, hat ebenfalls bereits stattgefunden. Die Börsen sind doch seit anderthalb Jahre lang gefallen. Das haben wir beides hinter uns! Die Börsen nehmen die Entwicklung 12 bis 18 Monate voraus. Man muss sich also vorstellen, wie die Welt in 12 bis 18 Monaten aussieht und das in seinem Depot abbilden. Nicht das Heute! Das ist schon lange bekannt und in den Kursen eingepreist worden.

      Also... wird die Wirtschaft und die Unternehmen in einem oder anderthalb Jahren besser dastehen als heute? Dann sollte man Aktien im Depot haben, möglichst viele. Und zwar von den Unternehmen, die in 12 oder 18 Monaten am besten dastehen werden. Weil sie dann (und bis dahin) die besten Geschäfte machen. Nicht das Heute kaufen, das ist fast immer die Loser-Strategie.

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  2. Hallo Michael,

    Deine Meinung teile ich vool und ganz - aber insoweit, als es sich um Daueranleger (B&H) handelt. Wenn man traden will, ist es unabdingbar, mit einenm (realistischen) Stop-Loss-Ansatz zu arbeiten. Beide Ansätze sind - mit getrennten Unterdepots - auch sehr gut kombinierbar, wobei B&H natürlich den deutlich größeren Anteil stellen muss. Entscheidend ist nur, dass man sich von vorn herein klar macht, in welche der beiden Anlagegruppen das konkrete Investment fallen soll. Das ist häufig sachwieriger als man denkt - insebesondere bei Turn-Around-Investments. Ein Unterassen dieser Abgrenzung führt aber mit Sicherheit ins Desaster.

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    1. Moinsen,
      ich bin ja bekanntermaßen kein Freund der Aktientradings und ich halte auch nicht viel von Stopp-Loss-Orders. Wie übrigens auch Peter Lynch, der meinte: "Es ist ganz einfach unsinnig, sich auf Stopp-Orders als Absicherung gegen Kursverfälle zu verlassen, ebenso wie auf künstlich gesetzte Kursziele in Aufwärtsphasen". Und wie es der Zufall so will, habe ich dazu mal einen ausführlichen Artikel verfasst, der meine Meinung darlegt (hier guckste). Dabei ist mir natürlich klar, dass Lynch - und ich - die Börsenwelt durch die Brille des Nicht-Traders betrachten und daher in dieser Sache vielleicht nicht ganz objektiv sind... ツ

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  3. Und welche Aktien kaufen wir jetzt. Das ist doch die Frage.

    Was der Markt macht, ist sehr wohl interessant. Sonst würden ETF nicht so gut performen und quasi alle Anleger würden den ETF locker mit einzelnen Aktien schlagen.
    Schließlich muss man ja nur die zukünftigen Stars finden...

    Es bleibt unverändert herausfordernd, die richtigen Aktien zu picken.

    Peter Lynch ist genial. Trotz aller seiner bekannten Weisheiten, bekommt man ihn nicht kopiert. Obwohl es doch überall steht, wie er es macht.

    LG
    Martin

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    1. Moin Martin,
      welche Aktien man 'jetzt' kaufen sollte, hat Stanley Druckenmiller mal sehr treffend auf den Punkt gebracht: "Denke nie in der Gegenwart, das ist ein guter Weg, um Geld zu verlieren. Wenn man Aktien kauft, die beliebt sind und derzeit hohe Gewinne abwerfen, wird man tendenziell Geld verlieren, wenn sich die Dinge ändern, weil alle anderen sie auch gekauft haben." Daher: "Investiere niemals, niemals in die Gegenwart! Es spielt keine Rolle was ein Unternehmen verdient oder was es verdient hat. Stell dir die Situation in 18 Monaten vor, denn was immer dann sein wird, dort wird der Kurs sein, nicht da, wo er heute ist. Du musst in die Zukunft schauen, denn wenn du in die Gegenwart investierst, kommst du unter die Räder".

      Also, man muss sich die Situation vorstellen, wie sie wohl in 18 Monaten aussehen wird und welche Unternehmen dann - und bis dahin - gute Geschäfte machen werden. Und möglichst diejenigen davon kaufen, die in den letzten Wochen noch keine fantastilliarden Prozent Kurszuwachs zu verzeichnen hatten.

      Ich habe die letzten Wochen ja meine entsprechenden Überlegungen mehrfach hier im Blog dargelegt, zuletzt unter 'Kissigs Kloogschieterei: Nach Schuldenstreit und 'Kleiner Finanzkrise' - War’s das jetzt?'. Und ich habe mich auch entsprechend im Depot positioniert, wie mein Investor-Update zeigen wird, das ich Anfang Juli für das 2. Quartal veröffentliche.

      Neben Alternativen Asset Managern könnten die MedTech-Unternehmen eine weitere interessante Branche sein; die performen aktuell nicht gerade gut und das Ende der Corona-Zusatzumsätze sorgt für trübe Stimmung (und schwache Zuwachsraten aufgrund entsprechend überhöhter Vergleichszahlen aus den Vorjahren). Und Energieaktien könnten auch bald wieder bessere Zeiten erleben....

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  4. Dankeschön für deine Einschätzung Michael.
    Bin ganz bei dir.
    Viele, gerade in Deutschland, warten immer noch auf den Crash...Nur war der eben schon und der nächste Bullenmarkt wartet...

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    1. Ja, dieses Warten auf den Crash... wir haben einen Crash (in Raten) hinter uns, weil die Börse über 18 Monate hinweg die ganzen negativen Entwicklungen, die uns in den letzten Monaten und bis heute treffen, vorweggenommen und eingepreist hat. Nun dreht die Börse, weil die Aussichten am Horizont besser werden, aber das will keiner wahrhaben, weil wir noch unter der fetten Regenwolke stehen und ordentlich nass werden...

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