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Dienstag, 3. September 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Drägerwerk: Profitabilität geht jetzt vor Wachstum

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 16/2024 vom 30.08.2024

▶ In dieser Ausgabe: Drägerwerk, INDUS Holding, Clearvise, Atoss, Fraport, Nordex, Aixtron, Douglas


Drägerwerk: Profitabilität geht jetzt vor Wachstum

Drägerwerk wurde bereits 1889 von Johann Heinrich Dräger gegründet und hat seinen Hauptsitz in Lübeck. Der Aktienkurs des Medizintechnikspezialisten hat sich auf Sicht von fünf Jahren kaum verändert, doch zwischenzeitlich gab es eine wahre Achterbahnfahrt. Im Zuge der Corona-Pandemie waren Beatmungsgeräte stark gefragt und der Kurs verdoppelte sich annähernd auf fast 100 Euro, doch konnte er dieses Niveau nicht halten. Im Spätherbst 2021 folgte innerhalb von sechs Monaten ein brutaler Absturz von 70 auf nur noch 40 Euro und von dort arbeitet sich die Aktie seitdem Stück für Stück wieder voran. Die Erholung soll auch von eine strategischen Neuausrichtung untermauert werden, denn neuerdings richtet sich der Fokus auf Profitabilität und nicht auf Wachstum um jeden Preis. Das bietet neue Chancen.

Die heutige Drägerwerk AG & Co. KGaA hat sich auf die Herstellung von Medizin- und Sicherheitstechnologie spezialisiert. So stellt man unter anderem medizinische Geräte und Systeme her, die für Diagnose und Überwachung in Krankenhäusern, Kliniken und anderen Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden, wie Beatmungsgeräte, Anästhesiegeräte und Patientenüberwachungssysteme. Zudem bietet das Unternehmen Ausrüstung für die Notfallmedizin an, einschließlich tragbarer Beatmungsgeräte, Defibrillatoren und weiterer lebensrettender Geräte. Zusätzlich entwickelt und produziert man Atemschutzgeräte, Schutzanzüge, Helme und andere persönliche Schutzausrüstungen für verschiedene Industriezweige, in denen besondere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich sind.

Die Geschicke werden von der Drägerwerk Verwaltungs-AG bestimmt. Deren Vorstandschef ist Stefan Dräger, der das Unternehmen in der fünften Generation innerhalb der Familie Dräger führt. Weltweit beschäftigt Drägerwerk heute mehr als 16.000 Mitarbeiter und ist in über 190 Ländern vertreten.

Aktionärsstruktur und Dividende

Das gezeichnete Kapital ist in Stamm- und Vorzugsaktien unterteilt. Die Stammaktien sind gemäß Definition der Deutsche Börse AG zu 71,62 % der Familie Dräger zuzurechnen. Dabei werden 68,67 % von der Dr. Heinrich Dräger GmbH gehalten, weitere 2,95 % von Mitgliedern der Familie Dräger. Die restlichen 28,38 % der Stammaktien befinden sich in Streubesitz (Freefloat), während der Freefloat der stimmrechtslosen Vorzugsaktien bei 100 % liegt.

Drägerwerk ist also in jedem Belang ein inhabergeführtes Familienunternehmen und in diesen spielt die Ausschüttungspolitik üblicherweise eine signifikante Rolle. Für das Geschäftsjahr 2023 wurde ein im Vergleich Vorjahr deutlich höhere Dividende in Höhe von 1,74 Euro je Stammaktie (2022: 0,13) und 1,80 Euro je Vorzugsaktie (2022: 0,19) ausgeschüttet. Auf dem zuvor niedrigen Niveau hatte Dividende seit mehreren Jahren gelegen und die deutliche Anhebung signalisiert eine nachhaltige Rückkehr in die Gewinnzone.

Verhaltener Jahresauftakt

Danach hatte es im Frühjahr noch nicht unbedingt ausgesehen, denn Drägerwerk verbuchte im 1. Quartal einem Umsatzrückgang von 3,3 % auf rund 736 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) war mit 15 Mio. Euro nur noch etwa halb so hoch wie vor einem Jahr und der Gewinn ging im Jahresvergleich sogar um satte 56 % auf 7,5 Mio. Euro zurück.

Unternehmenschef Stefan Dräger versuchte sich dennoch in Optimismus: "Obwohl das erste Quartal bei uns traditionell das schwächste im Geschäftsjahr ist, haben wir ein positives Ergebnis erzielt. Daher sind wir zuversichtlich, unsere Jahresprognose zu erreichen“. Und dieses sieht für das laufende Jahr einen währungsbereinigten Umsatzanstieg um 1,0 bis 5,0 % vor und eine von 2,0 auf 2,5 bis 5,5 % erhöhte Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern.

Der Aktienkurs zeigte sich anschließend monatelang unentschlossen, da die Zahlen deutlich unterhalb des Vorjahreswerts lagen, andererseits die Prognose durchaus verheißungsvoll erschien. Doch nach mehrfachen Prognoseverfehlungen in den Vorjahren blieb die Börse skeptisch. Erstmal.

Solides erstes Halbjahr

Doch Stefan Drägers positive Einschätzungen wurden durch die Halbjahreszahlen untermauert. Der Umsatz war mit 1,52 Mrd. Euro zwar weiterhin unter Vorjahresniveau, aber nur noch um 0,8 % und währungsbereinigt waren es sogar nur 0,3 % Minus. Im Vorjahreszeitraum hatte Drägerwerk noch von starken Nachholeffekten im Zuge der spürbar verbesserten Lieferfähigkeit und von einem Nachfrageschub nach Beatmungsgeräten in China profitiert. Erfreulich präsentierte sich auch der Auftragseingang, der im 1. Halbjahr 2024 um acht Mio. auf rund 1,6 Mrd. Euro gesteigert wurde. Gründe hierfür waren insbesondere das deutliche Wachstum in der Region Amerika und die positive Entwicklung in Deutschland.

Im Segment Sicherheitstechnik stieg der Auftragseingang währungsbereinigt um 4,1 % auf 704,3 Mio. Euro. Dabei verzeichneten fast alle Produktkategorien eine höhere Nachfrage. Größter Wachstumstreiber war unsere Arbeitsschutzausrüstung. Insbesondere auch wegen der guten Auftragslage verbuchte das Segment einen währungsbereinigten Umsatzanstieg um 8,8 % auf 674,2 Mio. Euro.

Im Segment Medizintechnik sank der Auftragseingang währungsbereinigt um 1,5 % auf 900,1 Mio. Euro. Dies ist insbesondere auf die deutlich geringere Nachfrage nach Beatmungsgeräten zurückzuführen, die im Vorjahreszeitraum noch durch einen außerordentlichen Nachfrageschub aus China gestützt worden war. Positiv wirkte sich vor allem das signifikant gestiegene Ordervolumen für Geräte aus den Bereichen Anästhesie, Thermoregulation und Patientenmonitoring aus. Der Segmentumsatz ging allerdings währungsbereinigt um 6,5 % auf 846,3 Mio. Euro zurück, vor allem wegen des vorjährigen positiven China-Effekts sowie Nachholeffekten im Zuge der spürbar verbesserten Lieferfähigkeit, die inzwischen abgeebbt sind.

Stefan Dräger kommentierte: "Unsere Geschäfte haben sich im ersten Halbjahr 2024 insgesamt solide entwickelt. Die Nachfrage nach unserer Technik für das Leben war ungebrochen und der Umsatz lag trotz der herausfordernden Vergleichswerte annähernd auf Vorjahresniveau. Ergebnisseitig haben wir uns weiter verbessert. So konnten wir den Ergebnisrückstand aus dem ersten Quartal im zweiten Quartal aufholen."

Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) stieg von 47,7 auf 55,8 Mio. Euro und die EBIT-Marge erhöhte sich entsprechend von 3,1 auf 3,7 %. Dabei profitierte das Ergebnis auch von Einmaleffekten, denn im 1. Halbjahr 2024 wurde das Brandmeldeanlagengeschäft in den Niederlanden verkauft. Im Geschäftsjahr 2023 hatte dessen Umsatz bei rund 20 Mio. Euro gelegen, jedoch gab es nur wenige Synergien mit Drägers Kerngeschäft, so dass man sich für die Trennung entschied. Darüber hinaus wurde ein nicht benötigtes Grundstück in den USA verkauft. Insgesamt trugen die Einmaleffekte rund 20 Mio. Euro zum EBIT von 55,8 Mio. Euro bei.

Die Bruttomarge stieg infolge des erhöhten Umsatzanteils und der verbesserten Bruttomarge der Sicherheitstechnik von 44,0 auf 44,8 %. Das Ergebnis nach Steuern belief sich auf 34,1 Mio. Euro nach zuvor 28,6 Mio.

Bullcase vs. Bearcase

Quelle: wallstreet-online.de
Die Zeichen stehen bei Drägerwerk auf Veränderung. Für die Aktionäre sind das positive Nachrichten, nachdem in den Vorjahren die oft zu optimistischen Prognosen einkassiert werden mussten. Im Earnings Call zu den Ergebnissen hat das Management nun erstmals klargemacht, dass es gegebenenfalls auch zulasten von Umsatzwachstum eine deutlich bessere Ertragslage anstrebt. Zudem wurden klare Maßnahmen mitgeteilt, wie man die bereinigte EBIT-Profitabilität jedes Jahr um 1 % vom Umsatz verbessern möchte. Als Benchmark für die Ergebnisse peilt man langfristig erfolgreiche Wettbewerber wie Siemens oder Phillips im Medizintechnik- und Honeywell und 3M im Sicherheitsbereich an, die zumeist zweistellige EBIT-Margen aufweisen im Gegensatz zu Drägers 3,7 %.

Die Börse begleitet die Neuausrichtung bisher noch skeptisch. Da jedoch im Segment Sicherheitstechnik bereits sehr gutes Geld verdient wird und ein Großteil des Medizintechnikgeschäfts aus wiederkehrenden Service- und Ersatzteilumsätzen resultiert, dürften weitere Ertragsverbesserungen durchaus realistisch sein.

Das seit 20 Jahren aktive Management priorisiert erstmals eindeutig Gewinn vor Umsatz und bei anhaltendem Erfolg und einem insgesamt wiedererstarkenden Medizintechnikmarkt könnte Drägerwerk zu einer aussichtsreichen Turnaround-Spekulation entwickeln. Anleger benötigen aber einen langen Atem und sollten ausreichend Geduld mit sich bringen und nicht zu schnelle Fortschritte erwarten.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Drägerwerk wissen muss

  1. Drägerwerk ist ein gut positionierter Mittelständler mit dem Fokus auf Medizin- und Sicherheitstechnik.
  2. Die Gründerfamilie hält 69 % der Stammaktien und Stefan Dräger führt das Unternehmen in fünfter Generation.
  3. Das seit 20 Jahren tätige Management priorisiert künftig Profitabilität vor Umsatzwachstum und stärkt damit den Shareholder Value-Gedanken.
  4. Die Börse begegnet der neuen Strategie noch mit Skepsis, doch der eingeleitete Turnaround bietet im Erfolgsfall erhebliche Chancen für das Unternehmen und die Aktie.
Disclaimer: Habe Drägerwerk weder auf meiner Beobachtungsliste noch im Depot/Wiki.

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