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Donnerstag, 6. November 2025

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Steico: Vom Energiewendegewinner zum Sanierungsfall – und zurück?

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 19/2025 vom 28.10.2025

Aktien in dieser Ausgabe: Jenoptik, Sartorius, Steico

Sartorius: Bringt der neue Chef auch die Aktie wieder in die Erfolgsspur?

Die STEICO SE zählt seit Jahren zu den führenden Herstellern ökologischer Bauprodukte. Mit Dämmstoffen und Konstruktionselementen aus Holz leistet das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor – einem der größten Hebel im Kampf gegen den Klimawandel.

Nachhaltige Dämmstoffe als Schlüssel zur Energiewende

Während Neubauten bereits zunehmend energieeffizient errichtet werden, liegt das größte Potenzial im Bestand: Viele Gebäude werden über Jahrzehnte genutzt und lassen sich durch moderne Dämmtechnologien erheblich optimieren. Hier setzt Steico mit seinem Produktportfolio an.

Das 1986 gegründete Unternehmen mit Sitz in Feldkirchen bei München produziert und vertreibt ökologische Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem aus Holz. Die Produktpalette deckt den gesamten Bauprozess ab – von Dach über Wand, Decke, Boden bis zur Fassade.

Steico gliedert sein Geschäft in vier Segmente:
  1. Holzfaser-Dämmstoffe machen rund zwei Drittel des Umsatzes aus und zeichnen sich durch hohe Dämmleistung und Nachhaltigkeit aus.
  2. Konstruktionselemente, darunter Stegträger und Furnierschichtholz, die im modernen Holzbau eingesetzt werden.
  3. Hartfaserplatten dienen als Bau- und Dämmmaterialien.
  4. Sonstige Produkte sind ergänzende ökologische Baustoffe und Abdichtungssysteme.
Zum Kundenkreis gehören Holzbauunternehmen, Baustoffhändler, Fertighaushersteller sowie Architekten.

Zwischen Boom und Einbruch

Nach Jahren rasanter Expansion und steigender Gewinne musste Steico in den letzten Jahren deutliche Rückschläge verkraften. Auf eine Phase nahezu ungebremster Nachfrage folgte ein kräftiger Abschwung, sowohl bei Umsatz als auch beim Aktienkurs, der nach einer Verfünffachung auf über 120 Euro Mitte 2021 anschließend wieder sein Niveau von vor fünf Jahren zurückfiel. Ende 2024 erwies sich kurzfristig sogar die Marke von 20 Euro unterschritten. Seitdem tendiert der Kurs unter teilweise heftigen Schwankungen seitwärts zwischen 20 und 28 Euro, wobei er zuletzt wieder den Rückwärtsgang eingelegt hat.

Belastungsfaktoren in der Bauwirtschaft

Die Ursachen liegen im schwierigen Marktumfeld: Hohe Zinsen, Inflation, Materialengpässe und ein spürbarer Einbruch im Neubausektor führten zu Überkapazitäten und sinkenden Margen. Darüber hinaus ist die Baukonjunktur insgesamt merklich zurückgegangen, so dass auch Sanierungen des Gebäudebestands nicht den erhofften positiven Impuls liefern konnten.

Auf Euphorie folgt Ernüchterung

Wenn es nicht läuft, kommt auch noch Pech dazu. Und so musste Steico seine Jahresprognosen senken aufgrund eines Produktionsausfalls auf einer der Hauptproduktionsanlagen für Holzfaser-Dämmstoffe im Juni 2025. In der Folge kam es zu Erhöhten Lieferzeiten, die entgegen der ursprünglichen Erwartung noch nicht vollständig normalisiert werden konnten. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn auch die vom Management erhoffte Belebung einzelner Märkte im zweiten Halbjahr 2025 fällt weniger dynamisch aus als erwartet.

Auf Basis aktueller Geschäftszahlen erwartet der Steico Konzern für das Gesamtjahr 2025 nun ein Umsatz von rund ein bis drei Prozent oberhalb des Vorjahres (zuvor: drei bis sechs), was auf einen Umsatz von rund 380 Mio. bis 388 Mio. Euro hinausliefe. Da Steico ein umfangreiches Programm zur Effizienzsteigerung durchführt, dessen Effekte sich bereits positiv in der Ergebnisentwicklung niederschlagen, hält man trotz der geringeren Umsatzerwartung an der Ergebnisprognose fest; das untere Ende der Prognosespanne wurde sogar leicht angehoben. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) wird nun in Höhe von rund 30 bis 35 Mio. Euro erwartet (zuvor 29 bis 35 Mio.).

Insgesamt sieht das Management den Aufwärtstrend nicht als gefährdet an und erwartet, dass Steico im Jahr 2026 zu einem stärkeren Wachstum zurückkehren kann. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Prognosen mindestens fragwürdig, nachdem Ähnliches bereits zuvor und wiederholt erklärt wurde. Geliefert wurde dann leider immer weniger als versprochen war.

Durchwachsene Quartalszahlen

Das führt uns direkt zu den wenige Tage später vorgelegten Neunmonatszahlen. Im dritten Quartal habe sich die Baukonjunktur weiter stabilisiert, wenngleich die Dynamik des Aufwärtstrends in einigen Märkten weniger dynamisch ausfalle als erwartet, kommentierte Steico.

Hinzu kam der Produktionsausfall in einer Produktionsanlage, so dass der Umsatz im dritten Quartal mit 92,5 Mio. Euro deutlich unter den Planwerten von 110,3 Mi. Euro durchs Ziel ging. Der kumulierte Konzernumsatz liegt nach neun Monaten liegt mit 291,6 Mio. Euro um 0,8 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums.

Das EBIT für die ersten neun Monate des Jahres belief sich auf 29,1 Mio. Euro und die EBIT-Quote (im Verhältnis zur Gesamtleistung) auf 9,6 Prozent. Damit lag das EBIT signifikant unterhalb der Vorjahresperiode, als noch 47,6 Mio. erzielt wurden, und Steico schiebt dies auf "zu erwartende rückläufiger Ergebnisbeiträge aus Sondereffekten wie der Währungssicherung".

Gleichzeitig würden sich bereits positive Effekte eines umfangreichen Programms zur Effizienzsteigerung in der Ergebnisentwicklung niederschlagen, wodurch die operative Profitabilität im dritten Quartal erneut gesteigert werden konnte, ergänzt das Management.

Zielt Mehrheitseigentümer Kingspan auf ein Delisting?

Im Frühjahr 2024 hatte Gründer und Langzeit-CEO Udo Schramek seinen Rückzug aus der operativen Leitung angekündigt, nachdem er bereits die Mehrheit seines Unternehmens an die britische Kingspan veräußert hatte. Seit Mai 2024 führt Aiveen Kearney, vormals Mitglied des Verwaltungsrats, das Unternehmen. Schramek blieb zunächst als Berater im Verwaltungsrat aktiv, trat jedoch im Januar 2025 endgültig zurück.

Mit dem Rückzug Schrameks begann 2023 ein einschneidender Eigentümerwechsel: Der irische Baustoffkonzern Kingspan übernahm 51 Prozent der Anteile, während 10,1 Prozent bei Schramek verblieben; inzwischen hat Kingspan allerdings auch diese Anteile übernommen und hält seitdem 61,1 Prozent an Steico, während 38,9 Prozent auf den Streubesitz entfallen.

Da die Steico-Aktie im m:access-Segment der Börse München notiert, ist der Verwaltungsaufwand für Kingspan vergleichsweise hoch. Ein Delisting oder sogar ein Squeeze-out der Minderheitsaktionäre erscheint daher mittelfristig möglich, besonders solange der Aktienkurs niedrig bleibt. So ein Szenario ist zuletzt wahrscheinlicher geworden, da eine Reihe von deutschen Mittelständlern von der Börse genommen wurden. Und das zunehmend auch unter Hilfe amerikanischer Finanzinvestoren, die in der historisch niedrigen Bewertung vieler deutscher Aktien eine große Chance wittern.

Für spekulative Anleger könnte ein Übernahmeangebot zwar Chancen bieten, birgt aber zugleich erhebliche Risiken.

Bullcase vs. Bearcase

Steico ist stark positioniert und dürfte signifikant von einer möglichen Belebung der Baukonjunktur profitieren. Das vom Bundestag beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur zielt zwar nicht auf den Wohnungsmarkt ab, könnte aber die Konjunktur insgesamt beleben. Auch wenn die positiven Effekte bisher noch ausgeblieben sind.

Die neue Bundesregierung möchte die zunehmende Wohnungsnot bekämpfen und entsprechende finanzielle Anreize setzen. Auf der Agenda stehen verbesserte Abschreibungs- und Steuerbedingungen, neue und zielgenauere Förderbedingungen und eine bürokratische Entschlackung der ausgeuferten Bauvorschriften.

Da die globale Erwärmung unvermindert fortschreitet, dürfte die Nachfrage nach ökologischen und nachhaltigen Baustoffen weiter steigen und somit erhebliche Wachstumspotenziale bieten. Andererseits ist der Markt stark umkämpft und hat mit Überkapazitäten zu kämpfen, was auch Steico in den letzten Jahren zu spüren bekam. Dass man mit Kingspan einen finanzstarken Konzern im Rücken hat, ist unter diesem Gesichtspunkt durchaus ein Pluspunkt.

Fazit

Quelle: wallstreet-online.de
Steico hat sich vom unbekannten Nischenanbieter zum europäischen Marktführer für ökologische Dämmstoffe entwickelt und bleibt im internationalen Maßstab aber dennoch ein Mittelständler. Man hat mit einer noch schläfrigen Baukonjunktur zu kämpfen, hofft jedoch auf ein spürbares Anziehen spätestens im nächsten Jahr.

Auch dank des laufenden Kostendämpfungsprogramms schlägt man sich ergebnisseitig recht passabel und würde von einer Belebung somit überproportional profitieren. Die Aktie bietet auf dem aktuellen Bewertungsniveau Turnaround-Potenzial – zumindest für risikoorientierte Anleger, die sich auch von den Unsicherheiten einer möglichen Übernahmevolte durch Mehrheitseigner Kingspan entmutigen lassen.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Steico wissen muss

  1. Energetische Sanierung und ökologisches Bauen sind Megatrends. Holz rückt als nachhaltiger Baustoff in den Fokus und könnte zum bevorzugten Baustoff werden.
  2. Steico ist ein europäischer Marktführer bei Holzfaserdämmstoffen und weist eine hohe Fertigungstiefe durch die Eigenproduktion von Vorprodukten, wie Stegträgern, auf.
  3. Überkapazitäten und hohe Lagerbestände bei den Kunden ließen die Nachfrage deutlich sinken und erzeugen erheblichen Kostendruck mit fallenden Umsätzen und Gewinnen.
  4. Ein Anziehen der Baukonjunktur in Deutschland dürfte auch die Geschäfte von Steico und mehr Umsatz und Gewinn auf wieder höhere Börsenbewertungen ermöglichen.
Disclaimer: Habe Steico auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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