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Sonntag, 12. Juni 2022

An der Börse kriegt man nichts geschenkt. Auch Gratisaktien nicht!

Aktiensplits sind bei Anlegern beliebt: Apple hat es getan, Amazon ebenso und es folgen nun Alphabet, Shopify und Tesla. Wenn Unternehmen ihre Aktien splitten, hat dies real allerdings keine Auswirkungen auf den Wert des Unternehmens; dieser verteilt sich nur auf mehr Anteile und dem entsprechend ist jeder dieser Anteile weniger wert. Dennoch kommt die Ausgabe von Berichtigungsaktien (auch Gratisaktien genannt) bei Unternehmen als auch bei Anlegern meistens gut an. Vor allem in den USA. Aber auch zunehmend in Deutschland, wo sich manche Kritiker (ungern) an den Hype am Neuen Markt erinnern, als den damals rasanten Kursanstiegen sehr schnell Aktiensplits folgten, um die Aktien optisch wieder "billiger" zu machen. Und viele Anleger dachten, dass eine Aktie, die zuvor von 20 auf 100 DM gestiegen und nach dem Split wieder für 20 DM zu bekommen war, erneut auf 100 DM steigen würde. Oder gar müsste. Eine geradezu wundersame Geldvermehrung also, wie bei einem Schneeballsystem. Dabei sind Aktiensplits weder Zaubermittel noch Teufelszeug...

Auswirkungen eines Aktiensplits

Ein Aktiensplit bringt einige nicht unwesentliche Änderungen mit sich. Zunächst ist er technisch eine Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft aus Gesellschaftsmitteln.

In der Bilanz erfasst das Eigenkapital einer Aktiengesellschaft die Differenz zwischen Vermögen und Schulden und teilt sich wie folgt auf:
  1. Gezeichnetes Kapital
  2. Rücklagen (Kapital- und Gewinnrücklagen)
  3. Gewinnvortrag/ Verlustvortrag und Jahresüberschuss/ Jahresfehlbetrag
Bei einem Aktiensplit werden Rücklagen in Grundkapital (Gezeichnetes Kapital) umgewandelt, wodurch dem Unternehmen nicht mehr Geld zur Verfügung steht. Allerdings verändert sich die Qualität des Eigenkapitals...

Das Gezeichnete Kapital ist das haftende Eigenkapital, das als Sicherheit für die Gläubiger dient, falls das Unternehmen insolvent gehen sollte. Ein Zugriff auf das Gezeichnete Kapital ist nicht ohne Weiteres möglich; eine Veränderung erfordert einen Beschluss der Hauptversammlung und muss ins Handelsregister eingetragen werden.

Dem gegenüber kann man die Rücklagen auch als "variables Eigenkapital" bezeichnen, denn es kann sich von Jahr zu Jahr ändern. Zu den Rücklagen gehören die aus Sonderzahlungen der Anteilseigner stammenden Kapitalrücklagen sowie die aus zurückbehaltenen Gewinnen gebildeten Gewinnrücklagen. Neben diese offenen Rücklagen, die aus der Bilanz klar ersichtlich sind, kann es noch sog. stille Reserven geben, die z.B. aus unterschiedlichen Bewertungsansätzen herrühren können. Etwa bei Grundstücken, Immobilien oder Wertpapieren, die (nach HGB) in der Bilanz zu Anschaffungswerten oder Niederstwerten angesetzt sind, deren Verkehrswert aber über diesem Bilanzansatz liegt. Die Rücklagen stehen prinzipiell für Ausschüttungen an die Aktionäre zur Verfügung und können durch Beschluss der Hauptversammlung herabgesetzt werden. Änderungen an den Rücklagen erfordern keine Eintragung im Handelsregister.

Der Aktiensplit bzw. die Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln macht also aus variablem Eigenkapital haftendes Eigenkapital und erhöht damit das Sicherheitspolster für Gläubiger. Aus Sicht der Aktionäre ist jedoch nicht die Veränderung der Qualität des Eigenkapitals entscheidend, sondern ein anderer Aspekt reizvoller: denn durch den Aktiensplit erhöht sich die Anzahl an Aktien am Markt und dadurch in der Regel die Handelbarkeit. Und aufgrund des niedrigeren Börsenkurses und der höheren Stückzahlen erhöht sich nicht selten sogar der Gesamtumsatz der Aktien an der Börse.

Bei Aktien mit relativ niedrigen Aktienkursen erschließt sich die Sinnhaftigkeit nicht auf den ersten Blick, aber wenn man sich mal die die A-Aktien von Warren Buffetts Investmentholding Berkshire Hathaway Inc. ansieht, die momentan bei rund 450.000 USD (in Worten: vierhundertfünfzigtausend Dollar) gehandelt wird, erkennt man schon, dass hohe Kurse viele Anleger abschrecken oder gar ausschließen können. Wobei die seit den 1960er Jahren niemals gesplittete Aktie von Berkshire Hathaway natürlich ein Extrembeispiel ist und nur das Prinzip verdeutlichen soll. Man kann sie auch als günstigere B-Aktie erwerben (eine A-Aktie kann in 1.500 B-Aktien eingetauscht werden, wobei jede B-Aktie nur ein Zehntausendstel Stimmrecht hat; ein Rücktausch ist nicht möglich). Die B-Aktie notiert aktuell bei 275 USD.

Gratisaktien sind kein Geschenk, aber ein Goodie

Gratisaktien sind also kein Geschenk und erhöhen nicht den Wert des Unternehmens. Sie stellen lediglich eine Maßnahme zur Kurspflege dar und sollen positive Auswirkungen auf die Handelbarkeit und Interesse seitens der Anleger mit sich bringen. Dabei sollten Anleger allerdings berücksichtigen, dass die bisherigen Angaben zu Kennzahlen, die sich auf den Kurs beziehen, wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis, zunächst von den Analysten an den neuen Kurs angepasst werden müssen. Und das Ergebnis je Aktie (EPS) sinkt natürlich im gleichen Verhältnis, wie es mehr Aktien gibt. Der absolute Unternehmensgewinn ändert sich durch die Kapitalmaßnahme jedoch nicht.

Im Fall von Amazon und Alphabet kommt noch eine Besonderheit hinzu, wie auch schon bei Apple bei seinem vorletzten Aktiensplit im Jahr 2014: es winkt die Aufnahme in den Dow Jones-Index. Da dieser kursgewichtet ist geht es bei der Gewichtung seiner Einzelwerte nicht um die Marktkapitalisierung des Unternehmens, sondern um deren Aktienkurs, ist ein zu hoher - oder zu niedriger - Aktienkurs ein Hinderungsgrund für eine Aufnahme. Als Apple im August 2020 seine Aktien zuletzt splittete im Verhältnis 1:4, war die Apple-Aktie mit einem Kurs von über 400 USD die am höchsten gewichtete Aktie im Dow Jones. Nach dem Split fiel ihr Kurs auf gut 100 USD und ihre Gewichtung im Index rutschte von 10 % auf 2,7 % ab - Platz 18 statt der Pole Position. Dank der überdurchschnittlichen Kursentwicklung hat sich Apple inzwischen mit 137 USD allerdings schon wieder auf Rang 15 hochgearbeitet und stellt 3,3 % am Dow Jones Index.

"Reverse Split"? Auch das noch!

Natürlich gibt es auch das Gegenteil zu einem Aktiensplit; ein sog. "Reverse Split" liegt vor, wenn Unternehmen Aktien zusammenlegen. Bei einem Verhältnis 5 zu 1 werden so aus zuvor 100 Aktien 20. Durch die verringerte Zahl an Aktien erhöht sich der Wert jeder einzelnen verbliebenen Aktie, so dass auch ihr Kurs entsprechend höher notiert. Rechnerisch würde der Kurs also im genannten Beispiel von zuvor 0,50 auf 2,50 EUR steigen.

Insbesondere bei sog. Penny-Stocks, also Aktien mit Kursnotierungen unterhalb von 1 EUR, ist diese Maßnahme bisweilen geradezu überlebensnotwendig, wenn nämlich eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden soll. Dazu darf der Ausgabepreis nicht unterhalb von 1 EUR liegen und will das Unternehmen nun über die Börse eine öffentliche Kapitalerhöhung durchführen, muss der Kurs zunächst über diese Marke gehievt werden.

1 Kommentar:

  1. Hallo,
    bei Alphabet muss man auch berücksichtigen, dass sie den Split als "special stock dividend" machen. Da kann dann die Abgeltungssteuer fällig werden, weil das Finanzamt es als einen Gewinn ansieht. Dann muss man bei dem 1:20 Split plötzlich auf 80% eine Abgeltungssteuer zahlen, obwohl man nichts erhalten hat. In Deutschland kann so ein Split also auch böse Überraschungen und viele Diskussionen mit dem Finanzamt bereithalten.

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