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Montag, 5. September 2022

Kissigs Aktien Report: LNG - ist der Drops schon gelutscht oder noch eine Spekulation wert?

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 103 vom 26.08.2022

LNG: ist der Drops gelutscht oder noch eine Spekulation wert?

Deutschland und andere Staaten haben ein Energieproblem. Wir sind abhängig vom Erdgas, weil damit ein erheblicher Anteil unserer Wohnungen beheizt wird. Darüber hinaus wird ein Teil des Erdgases auch zur Stromgewinnung eingesetzt, zumeist in Gas- und Dampfkraftwerken, wo die erzeugte Wärme dann für Industrieunternehmen oder auch für Fernwärme eingesetzt wird (also wieder zur Beheizung von Wohnraum).

Bis Ende letzten Jahren kam der Großteil des Erdgases aus Russland und über Pipelines. Die sind teuer in der einmaligen Erstellung, aber im Betrieb dann vergleichsweise günstig. Die Alternative ist der Transport mittels Schiffen – da diese aber nur geringe Mengen von Erdgas fassen können, lohnt sich der Aufwand nur, wenn man das Erdgas zu LNG macht: Liquefied Natural Gas.

LNG entsteht durch das Herunterkühlen des Erdgases auf -161 bis -164 Grad Celsius, wobei es verflüssigt wird und auf ein 600stel seines gasförmigen Volumens schrumpft. Damit wird das Volumenproblem gelöst, während eine dauerhafte Kühlkette sichergestellt werden muss – bis zum Bestimmungsort. Und da man mit LNG selbst wenig anfangen kann, muss es dort in speziellen Aufbereitungsstationen wieder in seine ursprüngliche Form und damit Erdgas zurück verwandelt werden (sog. "Regasifizierung").

Das ganze Verfahren ist energieintensiv, zeitaufwändig und teuer. Deshalb spielte LNG bei uns keine Rolle; es kostete ein Vielfaches des russischen Erdgases. Doch das hat sich mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine und dem Wirtschaftskrieg zwischen Russland und der EU (Wirtschaftssanktionen auf der einen Seite, Energieverknappung auf der anderen Seite) umgekehrt. Die Gaspreise in Europa steigen ungebremst und haben sich in diesem Jahr bereits vervielfacht.

Dafür ist nicht nur der politische Wunsch der Bundesregierung, so schnell und so konsequent wie möglich auf russisches Erdgas zu verzichten, verantwortlich. Putin hat auch mehrfach die Leistung der Pipelines gedrosselt (Deutschland trifft vor allem das Abdrehen von Nordstream 1), so dass unsere Gasspeicher für den nahenden Winter kaum gefüllt waren. Also wird nun seit Wochen auf Deibel komm raus "eingespeichert". Und zwar aus anderen als den russischen Quellen. Deutschland kauft den Weltmarkt leer und treibt damit die Preise massiv in die Höhe.

Und dann kommen uns auch noch die Franzosen in die Quere. Die brauchen nicht viel Gas, denn unsere westlichen Nachbarn setzten auf Stromheizungen und die gewaltigen Strommengen werden zum Großteil in Atomkraftwerken produziert. Bundeswirtschaftsmister Habeck lehnt den Weiterbetrieb der letzten deutschen Atomkraftwerke ab, weil "wir kein Stromproblem haben". Aber das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Denn die französischen AKWs liegen mehrheitlich brach. Sie sind überdurchschnittlich alt und damit besonders störanfällig. Also müssen sie häufiger gewartet werden. Und es sind zusätzlich bei einigen Reaktortypen Probleme aufgetaucht, die behoben werden müssen. Das wirkt sich teilweise auch auf andere AKWs gleichen Typs aus, die aus Sicherheitsgründen dann ebenfalls runtergefahren wurden.

Im Ergebnis produziert Frankreich viel zu wenig Strom und exportiert nun nicht Strom in andere Länder, wie im Normalfall nach Deutschland, sondern kauft am europäischen Strommarkt gigantische Mengen Strom an.

Dieser Strom fehlt nun andernorts und muss produziert werden. In Deutschland - festhalten - laufen daher die Gaskraftwerke bis zum Anschlag und produzieren Strom. Wir sparen also kein Gas, sondern wir verbrauchen auf Höchstniveau. Um Strom (für Frankreich) zu produzieren. Und das, während wir fast kein Gas mehr aus Russland bekommen, sondern es teuer auf dem Weltmarkt kaufen. Tagesaktuell zu den ohnehin extrem teuren Spotmarktpreisen!

Habecks Aussage, wir hätten kein Stromproblem und bräuchten deshalb die AKWs nicht, ist daher eine Falschaussage. Sie stimmt nur auf den ersten Metern, aber im größeren Kontext entpuppt sie sich als dogmatisch-politisch motivierte Totschlagsargumentation. Nachvollziehbar, weil ein grüner Minister und Vizebundeskanzler kaum pro Atomstrom eintreten kann. Aber dann soll Habeck auch das Rückgrat haben und den Deutschen reinen Wein einschenken: die aktuellen Extrempreise für Gas und Strom sind überwiegend politisch motiviert und hausgemacht.

Trotzdem sind sie ja Realität und die Wirtschaft und die Bürger müssen damit irgendwie klarkommen.

Und die aktuelle Lage ändert auch nichts daran, dass wir langfristig weniger fossile Brennstoffe verteuern müssen, um die Klimaziele auch nur halbwegs erreichen zu können, und dass wir uns von russischen Energiequellen trennen müssen.

Dummerweise ist Russland nicht nur bei Erdgas und Erdöl einer der weltgrößten Produzenten, sondern auch bei Kohle und Uran. Alternativen sind daher nicht ohne größeren Aufwand und Kosten zu bekommen, jedenfalls nicht in den Mengen, die wir benötigen.

LNG als Alternative

Das bringt uns zurück zum LNG. Das ist keine Alternative in dem Sinn, dass es russisches Erdgas vollständig ersetzen könnte. Rein mengenmäßig schon mal nicht. Aber es ist ein Teil der möglichen Lösung. Denn während wir den Gasverbrauch deutlich senken wollen, muss ja immer noch „anderes“ Gas als das russische in unsere Speicher und Pipelines strömen.

Kanada produziert gehörige Mengen an LNG, allerdings ganz überwiegend an seiner Westküste und damit für den asiatischen Markt. Katar ist ein weiterer großer Produzent mit einem großen Vorkommen; auf diese neue Verbindung setzt die Bundesregierung. Doch damit ersetzen wir einen "lupenreinen" Demokraten, wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mal Putin bezeichnet hat, durch ein anderes totalitäres Regime, mit dem wir bzgl. der umfangreichen Menschenrechtsverletzungen über Kreuz liegen. Und auch die Exportnationen aus dem westlichen Afrika gehören zu den nicht unbedingt stabilen und konfliktfreien Regionen des Kontinents.

Also liegt unsere Hoffnung – mal wieder – auf den USA. Dort wird von der Frackingindustrie viel Erdgas aus dem Schiefergestein gepresst und über Pipelines und auf Zügen an die Ostküste gebracht, wo es das größte US-Terminal für den LNG-Export gibt, über das rund 80 % der Exporte abgewickelt werden. Wenn es nicht, wie zurzeit, wegen eines Feuers nur mit eingeschränkter Kapazität arbeiten kann.

Aber die Lieferanten sind wieder nur die eine Seite der Medaille. Denn das LNG muss dann ja auch irgendwo angelandet und umgewandelt werden. Hierzu gibt es größere Kapazitäten auf der iberischen Halbinsel und in den Niederlanden. Und die sind natürlich längst vollständig ausgelastet und können kaum/keine zusätzliche Nachfrage aus Deutschland bedienen.

Deutschland selbst hat keine LNG-Terminals. Vier sind inzwischen in Planung und/oder Bau, aber als Sofortlösung kommen vor allem schwimmende Terminals in Betracht. Und auf die wird nun erstmal gesetzt. Wenngleich die Hinterlandanbindung, also Pipelines, ebenfalls noch gebaut oder fertiggestellt werden müssen.

Vom LNG-Boom profitieren?!

Eine Möglichkeit, vom LNG-Boom zu profitieren, wird seit Monaten an der Börse gespielt. Es geht dabei um das französische Unternehmen Gaztransport & Technigaz SA (GTT) mit Sitz in Saint-Rémy-lès-Chevreuse. Das Unternehmen ist ein Ingenieurunternehmen, das sich auf Membransysteme für den Transport und die Lagerung von Flüssiggas weltweit spezialisiert hat. Dazu hat man zahlreiche Lösungen für die Flüssiggasindustrie entwickelt und patentiert, vor allem im Bereich Flüssigerdgas. Und da das Unternehmen der einzige Anbieter von maritimen Containment-Tanks für LNG ist, sind seine Dienste seit Monaten und zunehmend gefragt. Doch der Flaschenhals liegt in den Produktionskapazitäten, die GTT nicht einfach über Nacht erweitern kann und die natürlich voll ausgelastet sind. Die Aktie der GTT Group ist aus naheliegenden Gründen die bevorzugte Wahl derjenigen, die den LNG-Hype spielen möchten.

Weniger bekannt und auch viel kleiner ist das US-Unternehmen Golar LNG. Golar ist eine Mischung aus Schifffahrts- und Infrastruktur-Unternehmen im LNG-Segment. Das Unternehmen hat drei unterschiedliche Arten von Schiffen im Einsatz: mit den sog. FLNG-Schiffen wird Erdgas in Flüssigerdgas umgewandelt, dieses LNG dann mit LNG-Tankern über den Ozean transportiert und anschließend mit sog. FSRU-Schiffen regasifiziert.

Golar wurde allerdings von einer großen Schuldenlast gequält und wollte auch seine Strukturen vereinfachen. Deshalb hat man Geschäftsteile verkauft und/oder ausgelagert. Golar LNG selbst konzentriert sich künftig stärker auf die weniger zyklischen FLNG-Schiffe, denn diese "schwimmenden Verflüssigungsanlagen" generieren überwiegend wiederkehrende Erlöse auf Basis mehrjähriger Verträge. Die Regasifizierungsschiffe, Tanker und das Downstream-Geschäft wurden bereits weitgehend verkauft, so dass Golar LNG nur noch einen LNG-Tanker im eigenen Bestand hat, während das letzte Regasifizierungsschiff Golar Tundra Anfang Juni an das italienische Gasunternehmen Snam verkauft wurde.

Ganz verabschiedet hat sich Golar LNG aber nicht aus den anderen Segmenten. Denn man hatte Ende 2021 die "Cool Company Ltd." gegründet, an der man langfristig rund ein Drittel der Anteile halten wird. Und diese Gesellschaft hat acht LNG-Tanker von Golar LNG erworben. Dieses Manöver ermöglichte es Golar LNG, sein Schifffahrtsgeschäft abzutrennen, seine Unternehmensstruktur zu vereinfachen und seine Schuldenlast zu senken, während es gleichzeitig ein bedeutendes Engagement im LNG-Tankergeschäft beibehält.

Die LNG-Verflüssigungsschiffe sind die schnellere Option für Staaten wie Deutschland, die nicht die Zeit haben, um auf den langwierigen Bau von Anlagen an Land zu warten. Entsprechend hoch sind Nachfrage und Preise.

Golar LNG hat mit der FLNG Hilli derzeit nur eine schwimmende Verflüssigungsanlage in Betrieb, die pro Jahr mehr als 225 Mio. USD Umsatz generiert, wovon der Großteil als EBITDA hängen bleibt. Nicht nur wegen der explodierten Nachfrage baut Golar LNG eine zweite schwimmende Verflüssigungsanlage, FLNG Gimi. Diese soll im Jahr 2023 in Betrieb genommen werden und sie wurde bereits von BP unter Vertrag genommen – für 20 Jahre. Nach Aussage von Golar LNG sollen die beiden Verflüssigungsanlagen bis 2026 zu einer Vervierfachung des Umsatzes bei Verflüssigungsanlagen führen.

Wenig verwunderlich ist, dass bereits eine dritte Verflüssigungsanlage in Planung ist; der hierfür nötige langfristige Abnehmer dürfte angesichts der aktuellen Lage sicher nicht schwer zu finden sein.

Starke Aktie, starke Zahlen

Der Aktienkurs hat sich seit dem Jahresanfang glatt verdoppelt. Und die Halbjahreszahlen rechtfertigen den Kursanstieg ausdrücklich.

Golar LNG Limited meldete für das 2. Quartal einen Nettogewinn von 230,0 Mio. USD bei einem bereinigten EBITDA von 101,0 Mio. USD. Der Nettogewinn lag mit 0,29 USD je Aktie deutlich über den Analystenerwartungen.

Die FSRU Golar Tundra wurde für 350,0 Mio. USD an Snam verkauft und der Verkauf des Dampfturbinen-LNG-Frachters Golar Arctic als umgebautes FSRU für weitere 269,0 Mio. USD.

Nach Abschluss des Verkaufs der verbliebenen TFDE-Tanker sowie der Schifffahrts- und FSRU-Managementorganisation von Golar an die Cool Company Ltd. sank Golar LNGs Verschuldung von 1,7 Mrd. USD im 1. Quartal 2022 auf 1,0 Mrd. USD im 2. Quartal 2022.

Für das 1. Halbjahr stieg der Nettogewinn um 16 % gegenüber dem Vorjahreswert auf 575,2 Mio. USD. Die Wall Street prognostiziert für das Gesamtjahr einen Gewinn von 0,52 USD je Aktie und einen Gesamtumsatz von 324 Mio. USD, was den ersten Ganzjahresgewinn des Unternehmens seit dem Geschäftsjahr 2013 bedeuten würde.

Mein Fazit

LNG ist gefragt und das dürfte noch länger so bleiben. Zwar wird sich das "Einspeichern um jeden Preis" in Deutschland und anderen EU-Staaten bald entschleunigen, weil die Gasspeicher dann weitgehend gefüllt sind, aber damit kommt Deutschland in einem harten Winter mal gerade einen Monat weit. Es wird also auch in der kalten Jahreszeit viel Gas benötigt, das möglichst nicht aus Russland kommen soll.

Russland kann sein Erdgas aber nicht einfach woanders hin verkaufen, denn seine wichtigsten Pipelines führen alle nach Westeuropa. LNG-Kapazitäten hat das Land kaum, Pipelines nach Süden zu wenige. Insofern bleibt Russland auf einem erheblichen Teil seines Erdgases sitzen, während andere Länder, die bisher auf LNG setzten oder angewiesen waren, vor einer Versorgungsknappheit stehen, wie Pakistan. Denn die Europäer kaufen ihnen das LNG zu jedem Preis weg. Und viele LNG-Transportschiffe wurden in den vergangenen Monaten, trotz vertraglicher Bindung, ebenfalls nach Europa umgeleitet.

Die Nachfrage steigt und der Kapazitätsaufbau erscheint dem entsprechend lukrativ. Zumal er von langfristigen Verträgen begleitet wird. Doch wie schnell sich im Energiemarkt die Rahmenbedingungen ändern können, hat sich im 1. Halbjahr 2022 gezeigt. Die momentan überspannte und angeheizte Lage führt auch zu Fehlentwicklungen, so dass Anleger sie bei ihren Entscheidungen nicht einfach als Status Quo in die Zukunft fortschreiben sollten. Ein gesundes Maß an Zurückhaltung und Skepsis sollte man einem Boommarkt immer entgegenbringen, damit man nicht zu den letzten Investoren gehört, die nur die Kursgewinne der anderen bezahlen.

Disclaimer: Habe keine der genannten Aktien auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

4 Kommentare:

  1. Hallo Michael, toller Artikel, ich habe hier eine alternative aus den USA, Energy Transfer. Hier die letzte Präsentation. https://energytransfer.com/wp-content/uploads/2022/08/ET-August-2022-Investor-Presentation_Final_v2.pdf
    Liebe Grüße M.

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  2. Hallo zusammen, warum nicht gleich direkt in die Cool Company investieren statt in Golar?

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  3. Es gibt bestimmt eine ganze Reihe von interessante Unternehmen im LNG-Bereich, die habe ich nicht alle auf dem Schirm und/oder abgecheckt, sondern mich vor allem auf Golar LNG fokussiert wegen der interessanten Neupositionierung.

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  4. habe Woodside Energy in Australien gestern gekauft - Vertrag mit Uniper 2023-2039 geschlossen für LNG Belieferung

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