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Donnerstag, 10. Juli 2025

Kissigs Aktien Report: Führt der Boom bei Ratenkrediten direkt in die nächste Finanzkrise?

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem 'Aktien Report' von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des 'Aktien Reports' und/oder 'Geld Anlage Reports' erreichen ihre Leser samstags kostenlos und 'druckfrisch' per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 207 vom 02.05.2025

Führt der Boom bei Ratenkrediten direkt in die nächste Finanzkrise?

Immer mehr Menschen nehmen immer mehr Kredite auf, um ihren steigenden Lebensstandard zu finanzieren. Vor allem in den USA kennt das Schuldenmachen anscheinend keine Grenzen mehr, ob es der Staat ist mit seinen Billionen-Defiziten, Unternehmen oder Privathaushalte. In den USA haben Kreditkartenschulden lange Zeit das Bild geprägt, während in Deutschland eher Ratenkredite oder der gute alte Dispo das Finanzierungsmittel der Wahl waren. Doch die Zeiten ändern sich, denn auch in den USA hat der BNPL-Boom in den letzten Jahren richtig Fahrt aufgenommen. Dabei ist Buy now pay later nichts Besonderes, sondern lediglich ein stinknormaler Ratenkredit. Aber für die Amis ist es der neueste heiße Scheiß. Nicht anders ist es zu erklären, dass BNPL-Anbieter zu den am meisten gehypten FinTechs der letzten Jahre gehörten mit teilweise astronomischen Bewertungen.

Im August 2021, also so ziemlich auf dem Höhepunkt der Nach-Corona-Euphorie, übernahm Zahlungsspezialist Block (den Älteren unter uns noch unter seinem früheren Namen Square bekannt) den australischen BNPL-Anbieter Afterpay – für atemberaubende 29 Milliarden Dollar. Bei der Veröffentlichung seiner ersten Finanzergebnisse nach der Übernahme durch Block vermeldete Afterpay einen Nettoverlust von 345 Millionen Dollar für das zweite Halbjahr 2021, der vor allem auf stark gestiegene Abschreibungen auf Kreditausfälle zurückzuführen war.

Nun waren 2022 und 2023 für jedes Unternehmen herausfordernd aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine, der gestörten Lieferketten, der Energiepreisexplosion, der hochschnellenden Inflation und der deutlich anziehenden Zinsniveaus. Insofern sind auch die Kreditausfälle aus dieser Zeit etwas zu relativieren, da sich die Situation in 2023 und 2024 in allen Bereichen beruhigt hat. Bis zum April 2025, als Donald Trump seine Zollkriege gegen Gott und die Welt lostrat und die globale Wirtschaft in ein Chaos stürzte. Und die Folgen spüren wir noch heute – auch in Form eines anhaltend hohen Zinsniveaus in den USA und einer galoppierenden US-Verschuldung, so dass dort die Zinslasten im Haushalt inzwischen die ohnehin exorbitanten Rüstungsausgaben übertreffen. Mit weiter steigender Tendenz.

Donald Trumps Wirtschafts- und Zollpolitik führt zu einem Vertrauensverlust, der auch den Dollar schwächt. Denn immer weniger ausländische Anleger, Investoren und Staaten haben noch Interesse, US-Staatsanleihen zu kaufen. Größter Abnehmer ist inzwischen Warren Buffett mit seiner Investmentholding Berkshire Hathaway, während Japan China als größten Inhaber der US-Staatsschulden abgelöst hat. Aber auch die Japaner verlieren ihr Interesse an diesem zunehmend unsicheren Hafen.
"Kredit ist wie Sauerstoff. Ist er vorhanden, bleibt seine Anwesenheit unbemerkt. Fehlt er, ist das alles, was bemerkt wird. Schon eine kurze Phase ohne Kredit kann ein Unternehmen in die Knie zwingen."
(Warren Buffett)
Das sinkende Interesse führt dazu, dass die USA immer höhere Zinsen bieten müssen, um überhaupt noch Staatsanleihen loszuwerden. Und so stieg der CBOE-Index für die 30-jährigen US-Staatsanleihen Ende Mai auf über 51 Punkte an und damit auf den höchsten Stand seit 2010 – mithin also seit 15 Jahren.

Staatspleiten sind gar nicht so selten, Deutschland hat es mehrfach getroffen, Russland ebenfalls und natürlich Argentinien. Und wie Carl Fürstenberg mal treffend bemerkte, geht natürlich nicht der Staat pleite, sondern dessen Bürger. Denn sie sind die Leidtragenden des Finanzkollaps.

Wir richten nun aber den Blick auf die privaten Schuldner, also Unternehmen und Bürger.

Hypotheken sind kein Problem (mehr)!

Auslöser der Globalen Finanzkrise waren Hypothekenkredite, die auch an Schuldner mit miserabler Bonität ausgegeben worden waren. Und zwar mit variablen Zinssätzen. In der Folge verloren viele Amerikaner ihre Häuser und wurden obdachlos. Aber sie haben die Lehre daraus gezogen, denn während der folgenden Nullzinsphase haben sehr viele Amis ihre Immobilienfinanzierungen zu diesen niedrigen Zinsen und langfristig festgeschrieben. Insofern ist der starke Anstieg der Hypothekenzinsen seit 2022 an den meisten spurlos vorbeigegangen. Das ist auch heute noch so, denn der prozentuale Anteil notleidender Kredite (also solcher, deren Tilgung mehr als 90 Tage überfällig ist), liegt mit 0,86 % historisch niedrig und hat sich auch zuletzt kaum verändert.

Bei Autokrediten sind es bereits wieder 5 % und damit ein ebenso hoher Anteil wie beim langfristigen Hochpunkt 2009. Den stärksten Anstieg verzeichneten Studentenkredite, die von fast Nichts auf 7,75 % hochschnellten – doch dabei ist zu berücksichtigen, dass die Biden-Regierung mehrfach Moratorien beschlossen hatte, mit denen die Rückzahlung ausgesetzt worden war, und des Weiteren viele Studentenkredite anteilig oder ganz gestrichen hat. Seit Donald Trumps Amtsantritt im Februar ist es damit vorbei und die Studentenkredite müssen wieder abbezahlt werden. Doch das können sich viele Menschen nicht leisten. Denn offensichtlich haben die Stundungen und Streichungen nicht dazu geführt, dass die Betroffenen finanzielle Rücklagen gebildet hätten. Stattdessen haben sie die unerwarteten freien Finanzspielräume wohl für andere Ausgaben genutzt. Den mit Abstand höchsten Anteil notleidender Kredite weisen Kreditkartenschulden auf. Ihr Anteil steigt steil an und liegt inzwischen bei 12,3 %, was noch unterhalb des Rekordwerts von rund 13,5 % aus dem Jahr 2011 liegt, aber eben auch signifikant über den 7,5 % von Anfang 2023.
"Achte stets auf die Kreditgeber, nicht auf die Kreditnehmer. Die Kreditnehmer werden immer bereit sein, ein großes Geschäft für sich selbst zu machen. Es liegt an den Kreditgebern, Zurückhaltung zu üben, und wenn sie diese verlieren, ist Vorsicht geboten."
(Michael Burry, bekannt aus "The Big Short")
Die Schuldner kaufen immer mehr auf Pump. Sie machen immer mehr Schulden, weil sie teilweise gar nicht anders können. Kreditkartenschulden liegen in den USA inzwischen bei über 20 % pro Jahr. Für 10.000 Dollar muss man also 2.000 Dollar an Zinsen bezahlen, ohne das auch nur ein Cent in die Tilgung des Kredits geflossen ist. Noch schlimmer ist natürlich, dass sich der Zinseszinseffekt gegen einen stellt, denn Kreditkartenschulden werden monatlich abgerechnet, so dass der monatliche Zinsbetrag auf die bestehenden Schulden aufgeschlagen und ab dann mitverzinst werden muss. Eine finanzielle Todesspirale!

Und die Amis lieben ihre Kreditkartenschulden. Auch deshalb feiern FinTechs, die Kreditkartenschulden durch Ratenkredite ablösen und den Schuldnern dabei bis zu 5 % niedrigere Zinssätze bieten, enorme Erfolge. LendingClub ist nur eines dieser Unternehmen. Es hat eine Banklizenz und nimmt einen Teil der Kredite in die eigene Bilanz. Der Rest wird entweder an renditehungrige Banken weiterverkauft, so dass neues Kapital für neue Kredite zur Verfügung steht, oder es werden nachrangige Kreditanteile zu Zertifikaten gebündelt und an Finanzinvestoren verkauft. Diese Finanzinvestoren haben den strategischen Vorteil, dass sie keine Banken sind und daher nicht so stark reguliert sind wie Banken. Alle Kredite, die außerhalb des Bankensektors vergeben werden, werden als "Private Credit" bezeichnet und es ist der am schnellsten wachsende Finanzbereich mit jährlichen Zuwachsraten von über 20 %.

Bei "Private Credit" tummeln sich die Branchengrößen Ares Management, Apollo Global Management, Blackstone und KKR und fahren enorme Profite ein. Doch Zinsen sind letztlich die Prämie für das Risiko und diese wachsen auch für die agilen und erfahrenen Alternativen Asset Manager.

In einer Studie hat die University of Bath die Ausfallraten bei Risikokrediten untersucht und diese als möglichen Auslöser für eine neue Finanzkrise ausgemacht. Denn die Ausfallraten bei Kreditnehmern mit höheren Schulden oder schlechter Bonität sind auf dem höchsten Stand seit vier Jahren. Deshalb würden viele Kreditnehmer auf Notverkäufe zurückgreifen (müssen), um eine Insolvenz zu vermeiden, wodurch sich das Risiko für die Kreditgeber reduziere. Andererseits wird das verschuldete Unternehmen hierdurch geschwächt und kann weitere Kredite noch schlechter bedienen und/oder zurückzahlen.

Die Verlagerung von Banken hin zur Kreditvergabe durch Nicht-Banken, kann sich zu einem Problem auswachsen. Insbesondere das starke Wachstum der CLO-Emissionen lässt die Alarmsirenen schrillen. Collateralized Loan Obligations sind verbriefte Unternehmenskredite; hier werden also verschiedene Kredite gebündelt und an Interessenten verkauft. In Deutschland ist dies als Pfandbrief seit mehr als 150 Jahren ein übliches Verfahren, in den USA kamen CLOs vor allem vor der Globalen Finanzkrise groß in Mode. Und waren einer ihrer Mitauslöser. Denn während bei Einzelkrediten der Schuldner noch relativ einfach zu bewerten ist und auf seine Zahlungsfähigkeit abgeklopft werden kann, fällt dies bei einem gebündelten Korb mit hundert oder mehr Schuldnern deutlich schwerer. Im Grunde ist es ohne erheblichen Aufwand gar nicht möglich, auch nicht für Ratingagenturen. Das führt dazu, dass die Risiken systematisch unterschätzt und die Bonität der CLOs zu hoch eingestuft werden. Solange die Zinsen bedient werden, ist das kein Problem. Aber wenn immer mehr Ausfälle zu verzeichnen sind, ob nun wegen steigender Zinssätze oder wegen einer Rezession, gerät das ganze Kartenhaus ins Wanken. So geschehen 2008, als hierdurch eine Kaskade an Kreditausfällen ausgelöst wurden, da auch die finanzierenden Banken bald nicht mehr genügend Kapital hatten, um die wachsenden Kreditausfälle und die daraus resultierenden Abschreibungen zu verkraften.

"Zum Glück" waren die Banken gegen Kreditausfälle versichert; sie nutzten CDSs (Credit Default Swaps). Dummerweise fast alle beim damals größten Versicherungsunternehmen der Welt, der AIG, und als nun alle Banken gleichzeitig auf ihre CDSs zugreifen wollten, kollabierte auch die AIG. Und später Weltkonzerne mit großer Finanzsparte, wie zum Beispiel General Electric.
"Je länger ich im Investmentgeschäft tätig bin, desto stärker beeindruckt mich die Macht des Kreditzyklus. Es genügt eine kleine Schwankung in der Wirtschaft, um eine große Schwankung in der Kreditverfügbarkeit hervorzurufen, mit großen Auswirkungen auf die Vermögenspreise und wiederum auf die Wirtschaft selbst."
(Howard Stanley Marks, 2001)
Zur Beruhigung sei gesagt, dass die Globale Finanzkrise kein Alltagsereignis war, sondern ein Jahrhundertereignis, das eigentlich nur mit der Weltwirtschaftskrise 1929-32 gleichzusetzen ist. Das bedeutet aber nicht, dass eine solche Finanzkrise nicht auch in kürzeren Abständen auftreten kann. Es kommt eben darauf an, die Risiken im Blick zu behalten!

1929 wurden die falschen Lehren gezogen und die Notenbanken erhöhten die Zinsen und reduzierten die Kreditversorgung. Das war ein Brandbeschleuniger für den globalen Finanz- und Wirtschaftskollaps. 2008/09 wurde der gegenteilige Weg gewählt und die Zinsen massiv gesenkt, während die Kreditschleusen maximal geöffnet wurden. Gleichzeitig wurden die Banken an die kurze Leine genommen und eine Reihe regulatorischer Beschränkungen eingeführt, um erneute Finanzexzesse zu verhindern.

Doch zwei Entwicklungen mahnen zur Vorsicht: (1.) Die Finanzinvestoren und alternativen Kreditgeber unterliegen nicht den strengen Bankenregularien. Und (2.) löst die Trump-Regierung gerade die Daumenschrauben für die Banken, so dass die Wahrscheinlichkeit von Kreditexzessen steigt.

Mein Fazit

Die Kreditrisiken steigen, sowohl bei Staaten als auch bei Unternehmen und Bürgern. Die Kreditgeber müssen dafür zwangsweise eine Risikovorsorge betreiben und die ist in normalen Zeiten auch auskömmlich. Aber von Zeit zu Zeit laufen die Dinge aus dem Ruder und dann schnellen die Kreditausfälle in die Höhe und die Abschreibungen können auch eigentlich solide Unternehmen in Schieflage bringen.
"Ich bin sicher, dass der Börsenkrach von 1929 noch einmal passieren wird. Alles, was man für einen neuen Zusammenbruch braucht, ist, dass die Erinnerung an diesen Wahnsinn schwächer wird."
(John Kenneth Galbraith)
Es ist keine Frage, ob so etwas wieder passiert, sondern nur wann. Die Erinnerung an die Globale Finanzkrise ist noch wach, aber nach 20 Jahren verblasst sie zunehmend. Gründe zur Besorgnis sind gegeben, für Panik hingegen nicht.
"Beim erfolgreichen Investieren geht es um Risikokontrolle, nicht um Risikovermeidung."
(Benjamin Graham)
Als Anleger sollten wir die Entwicklung im Blick behalten und darauf achten, wie Unternehmens- und Staatslenker mit dem Thema Verschuldung umgehen. Dabei sollten wir uns nicht auf die Makroebene konzentrieren, denn diese unterliegt so vielen Variablen, dass alle Schlüsse zwangsläufig eher blindes Raten als fundierte Prognosen sind. Aber auf der Mikroebene, also in den Unternehmen, da können wir aktiv werden. Und das sollten wir auch. Der Verschuldungsgrad eines Unternehmens gehört zu den Standardkennziffern und wie sich dieser entwickelt ist ein guter Gradmesser für die Robustheit eines Unternehmens. Vorübergehende Ausreißer sollte man dabei auf ihre Ursache hin prüfen – eine Firmenübernahme oder ein Spartenverkauf wirken sich auch auf die Verschuldung aus, sie sind aber Einmaleffekte und können nicht einfach linear in die Zukunft fortgeschrieben werden. Aber sie haben auch Einfluss auf das operative Geschäft, denn durch sie erhöhen oder reduzieren sich Personalbestand, Umsatz, Cashflow und ggf. der Gewinn. Hierauf sollte man achten und dies in seine Bewertung des Unternehmens mit einbeziehen. Und damit in seine Aktienkauf- oder verkauf-Entscheidung. Für die man im Idealfall selbst keinen Kredit in Anspruch nimmt…

"Wenn du schlau bist, musst du keinen Kredithebel für deine Investments nutzen und wenn du dumm bist, solltest du keinen nutzen."
(Warren Buffett)

Möge die Rendite mit euch sein!
Euer Börsenbarde
Michael C. Kissig

Disclaimer: Habe Ares, Apollo, Berkshire, Blackstone, KKR, LendningClub auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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