▶ ÜBERSICHT | THEMENSCHWERPUNKTE

Freitag, 7. Oktober 2016

Blue Cap und der große Wurf - steht eine Neubewertung an?

Die Beteiligungsgesellschaft Blue Cap investiert überwiegend in süddeutsche mittelständische Nischenunternehmen und konzentriert sich dabei auf operativ tätige technologiegetriebene Gesellschaften mit bestehendem profitablem Kerngeschäft, die sich in Umbruch- oder Sondersituationen befinden. Im Klartext investiert man in sanierungsbedürftige oder insolvente Unternehmen, Konzernausgliederungen und in Gesellschaften mit ungelöster Unternehmensnachfolge. Insbesondere bei Sanierungsfällen sieht man noch günstige Einkaufsmöglichkeiten, weil bei operativ erfolgreichen Unternehmen die Preise inzwischen zu oft zu hoch seien. Den dann erforderlichen Mehraufwand, um das Ruder in diesen Betrieben herumreißen zu können, nimmt Blue Cap dabei bewusst in Kauf, liegen hierin ja auch besondere Chancen.

Branchenschwerpunkte setzt Blue Cap bei seinen Übernahmen in den Bereichen Produktionstechnik, Klebstoff und Medizintechnik und die Tochterunternehmen werden eigenständig und unternehmerisch geführt. Das Portfolio enthält die INHECO Industrial Heating and Cooling GmbH (Laborzulieferer), WISAP Medical Technology (Medizintechnik), Planatol Wetzel / Planatol System (Klebstoffe), Biolink (Klebstoffe), Gämmerler (Maschinenbau), SMB David (Maschinenbau), em-tec (Medizintechnik) und Nokra (Spezialmaschinenbau). Neu im Portfolio sind die Gold- und Silberscheideanstalt Carl Schaefer aus Pforzheim sowie das operative Geschäft der Neschen AG samt deren operativ tätigen Filmolux-Tochtergesellschaften.

Dabei wurden die beiden Zukäufe em-tec und Nokra aus Sondersituationen heraus gekauft und bieten einiges an Potenzial, wenn die sich abzeichnende Umstrukturierung nachhaltig Erfolge zeigen sollte. Insbesondere bei em-tec dürften sich die beiden Kooperationen mit Satorius Stedim, die auf die Vermarktung der em-Tec Produkte im Bereich des Biotech-Sektors abzielen und mit Medistim positiv auswirken. Medistim ist ein junges skandinavisches Unternehmen und vermarktet weltweit Herz-Lungen Maschinen und Geräte für die Gefäßchirurgie. Und in den neuen Generationen dieser Geräte werden die Blut-Messsysteme von em-tec integriert.

Anfang diesen Jahres übernahm Blue Cap die Gold- und Silberscheideanstalt Carl Schaefer, die man mit deutlich weniger Umsatz, aber profitabel neu aufstellen will; evtl. auch mit Produkten für den Kapitalmarkt. Vor der Insolvenz bracht es Schäfer schon mal auf rund €400 Mio. Jahresumsatz, für 2016 sind erst einmal Erlöse zwischen €15 Mio. und €20 Mio. angepeilt und eine Bruttomarge von 10%.

 Blue Cap AG (Quelle: finanzen.net) 
Verhaltene Halbjahreszahlen verschleiern (noch) das Potenzial
Blue Cap hat im ersten Halbjahr 2016 den Konzernumsatz gegenüber dem Vorjahr um 7,2% gesteigert bei Umsatzerlöse von €42,9 Mio. und somit €2,9 Mio. mehr als im Vorjahreszeitraum (€40,0 Mio.). Das Konzernergebnis vor Steuern konnte von €1,5 Mio. auf €1,9 Mio. erhöht werden, das EBITDA betrug im ersten Halbjahr 2016 €3,5 Mio. (€3,0. Mio.), das EBIT €2,4 Mio. (€1,8 Mio.). Die Ergebnissteigerung im ersten Halbjahr 2016 konnte erzielt werden, da eine Reihe von Reorganisationsmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen wurde und sich die Profitabilität in den Beteiligungsgesellschaften, insbesondere in den Sparten Klebstofftechnik und Medizintechnik, verbessert hat. Die Erhöhung der Ertragskraft ist gelungen, obwohl Restrukturierungsaufwendungen bei der jüngst erworbenen Beteiligung Carl Schaefer und Entwicklungsaufwendungen bei der WISAP GmbH angefallen sind. Bei einer Bilanzsumme von €66,0 Mio. (€63,7 Mio.) beläuft sich das Eigenkapital auf €21,0 Mio. (€19,8 Mio.) und hat damit einen Anteil von 31,9% am Gesamtkapital. Die Investitionen betrugen im ersten Halbjahr 2016 €3,7 Mio. und Blue Cap verfügt zum 30. Juni 2016 über Liquiditätsreserven in Höhe von insgesamt €17,3 Mio, auch Dank der Aufnahme eines Schuldscheindarlehens. "Damit sind wir auch für weitere Akquisitionen gut vorbereitet", meint CEO Schubert. Hier sei man in Gesprächen, aber es sei nichts Konkretes in Aussicht.

Neschen-Deal ist der nächste Wachstumstreiber
Besonderer Clou ist aber die Übernahme der Vermögensgegenstände der Neschen AG sowie deren operativ tätigen Filmolux-Tochtergesellschaften aus der Insolvenz heraus.

In einem Interview mit Börsen Radio Network gab Blue Cap-CEO Hannspeter Schubert einige Einblick in den Deal und die Beweggründe, beim Folienbeschichter Neschen zuzuschlagen. Danach lief es bei Neschen operativ rund, die Insolvenz entstand aus einer Überschuldungssituation, weil ein im Zuge der Finanzkrise von einer regionalen Bank an einen Finanzinvestor weiterverkaufter Kredit fällig gestellt wurde. Was daran lag, dass der Finanzinvestor eigentlich Neschen komplett übernehmen wollte, was die HV aber nicht absegnete. Daraufhin forderte der Finanzinvestor sein Geld zurück, was die Neschen AG nicht begleichen konnte.

„Mit der Akquisition von Neschen ist es uns gelungen, den Klebstoffbereich in unserer Gruppe weiter auszubauen. Neben den positiven Effekten zu unseren bestehenden Unternehmen können wir uns damit in neuen und wachstumsrelevanten Geschäftsfeldern der Klebstoffverarbeitung platzieren“, sagte CEO-Schubert. Dabei dürfte helfen, dass die Neschen bereits seit mehreren Jahren mit den beiden Blue Cap-Töchtern Planatol und Biolink zusammenarbeitet und man sich daher bestens kennt.

Bei Vorlage der Halbjahreszahlen bestätigte Schubert die Planungen, wonach im Jahr 2016 ein Umsatz der Gruppe von €100 Mio. erreicht werden soll - ohne Einbeziehung der Neschen-Akquisition. Die kommt dann noch on Top und wird in 2017 weitere rund €50 Mio. zum Umsatz beisteuern.

Optisch hohe Verschuldung vs. hohe stille Reserven
Das Geschäftsmodell von Blue Cap ist nicht ganz risikolos, aber wenn die Neupositionierung der günstig erworbenen Töchter gelingt, winken hohe Gewinne, denn Blue Cap bilanziert, wie Bavaria Industries auch, strikt nach HGB. Und das bedeutet, dass die neu erworbenen Unternehmen zumeist mit ihrem geringen Anschaffungspreis in den Büchern stehen und sich bei ihrer unternehmerischen Gesundung so hohe stille Reserven in der Blue Cap-Bilanz aufbauen. Dabei ist auch zu beachten, dass Blue Cap jeweils den Grundbesitz und die Immobilien seiner Tochtergesellschaften mit erwirbt. So stehen der ggü. der Börsenkapitalisierung von €32,5 Mio. optisch hohen Verschuldung von rund €35 Mio. eigene Immobilien gegenüber, die Blue Cap auf einen aktuellen Marktwert von €30 Mio. bis €35 Mio. beziffert. In der Bilanz dürften diese mit etwa €20 Mio. ausgewiesen werden; vor den beiden letzten Zukäufen waren es noch gut €17 Mio. Der Verschuldungsgrad ist also kein Grund für schlaflose Nächte.

Erste Dividendenzahlung schon für 2016?
Des Weiteren nährt Hannspeter Schubert Spekulationen, wonach Blue Cap bereits für das Geschäftsjahr 2016 eine erste Dividende ausschütten könnte, also nach der Hauptversammlung im Jahr 2017. Damit könnte Blue Cap auch für eine andere Zielgruppe als Investment interessant werden, nämlich die "Einkommensinvestoren", die auf regelmäßige Einkommensströme aus Dividenden aus sind. Aber vordringlich sollte weiterhin sein, die liquiden Mittel der Gesellschaft für für lukrative Zukäufe und die operative Gesundung der Tochterunternehmen aufzuwenden.

Meine Einschätzung
Ich habe das Unternehmen auf meine Empfehlungsliste genommen, als ich Ende letzten Jahres erstmals in Blue Cap investierte, und ich habe im Sommer in den weiteren Kursverfall Richtung €5 meine Position weiter aufgestockt. Seit der ersten Ankündigung des Neschen-Deals habe ich Blue Cap dann zu einer der größten Positionen in meinem Depot ausgebaut, weil ich glaube, dass die Substanz der Beteiligungen bisher noch gar nicht richtig wahrgenommen wird und sich diese in den nächsten Geschäftsberichten deutlich abzeichnen dürfte.

»Geduld ist die oberste Tugend des Investors.«
(Benjamin Graham)

Die Aktie stellt auf ihrem Weg zu zweistelligen Kursen für geduldige und risikobewusste Anleger eine interessante Investitionsmöglichkeit dar; allerdings ist die Aktie recht markteng, trotz eines Streubesitzanteils von rund 55%. Bei überschaubaren Risiken winken großen Chancen - wenn man die nötige Zeit mitbringt, sich die Dinge entwickeln zu lassen.

3 Kommentare:

  1. Hallo Michael,
    Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht.
    Aufbauend auf Deinen Bericht will hier noch kurz anführen
    - dass Blue Cap mit seiner Marktkapitalisierung von gut 30 Mio. gerade mal ein Kurs Umsatz Verhältnis von 0,2 bezogen auf den erwarteten Umsatz von 2017 ausweist.
    - und dass alleine die theoretisch anzusetzenden Firmenwerte der em-tec und Biolink für einen Wert von 15€ je Aktie stehen.
    Ich sehe das Risiko dadurch eingeschränkt dass Blue Cap gut diversifiziert ist. Der Klebstoffbereich ist ein relativ konservatives Geschäft und die Medizintechnik ist weitgehend konjunkturunabhängig.
    Aber es wird wahrscheinlich nicht das letzte Mal gewesen sein dass Du über Blue Cap berichtest ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Marco Börnsen22.10.16, 15:48

    Hallo Michael, ich bin erst durch Deinen Bericht auf die Blue Cap aufmerksam geworden und habe sie mir mal genauer angesehen. Und was ich sehe, gefällt mir. Ich glaube auch, dass die Bilanz erhebliche stille Reserven bietet und dass diese sich nicht auf Dauer verstecken lassen werden. Da sollten bald mehr Anleger drüber stolpern und das dürfte den Kurs über die 10 Euro Marke bringen und in die Richtung des Buchwerts.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Bei Blue Cap ist die Kapitalmarktkommunikation nicht gerade üppig, deshalb gerät die Aktie schnell wieder aus de Fokus der Öffentlichkeit. Was allerdings nichts an ihrem fairen Wert ändert, der entwickelt sich ja aufgrund des operativen Geschäfts und der klugen Einkaufspolitik des Vorstands und Großaktionärs. Wenn der Neschen-Deal formal durch ist, werden die Analysten vermutlich ihre Schätzungen anpassen - und dann wird so manchem aufgehen, was Blue Cap für eine Perle ist. Die 10-Euro-Marke ist dann nur der erste Schritt...

      Löschen