Mittwoch, 15. September 2021

Legendäre Investoren: Benjamin Graham, "Dekan der Wall Street" sowie Lehrer und Mentor von Starinvestor Warren Buffett

Benjamin Graham (* 9. Mai 1894 in London als Benjamin Grossbaum; † 21. September 1976) war ein einflussreicher US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und legendärer Investor. Er gilt als Urvater der fundamentalen Wertpapieranalyse, der Basis für das Value Investing.

Zwischen 1928 und 1957 lehrte Graham an der Columbia University, wo auch Warren Buffett zu seinen Schülern gehörte. 1934 veröffentlichte Graham gemeinsam mit David Dodd das Buch "Die Geheimnisse der Wertpapier Analyse" (orig.: "Security Analysis"), welches noch heute als Bibel für Value-Investoren gilt. 1949 erschien die Erstausgabe von "Intelligent investieren" (orig.: "The Intelligent Investor"), einer etwas populärwissenschaftlicheren Version von "Security Analysis".

Graham, der auch "Dekan der Wall Street" genannt wurde, vertrat die Lehre, dass eine Aktie nur deutlich unterhalb ihres fundamentalen Wertes gekauft werden sollte. Um den Wert einer Aktie bestimmen zu können, setzte Graham auf die fundamentale Wertpapieranalyse und auf die Verwendung von Bewertungskennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), Gewinnwachstum, Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) oder Dividendenrendite. Nach dem Bestimmen des fairen Wertes sollte nach Graham hiervon eine Sicherheitsmarge (Margin of Safety) von 40% bis 50% abgezogen werden, um den maximalen Einstiegspreis zu ermitteln. Derartig unterbewertete Unternehmen kaufte Graham und wartete geduldig darauf, dass der Markt die Unterbewertung irgendwann erkennen und durch Kurssteigerungen beheben würde.
In "The Intelligent Investor" definierte Graham für den privaten Investor die 7 Value-Investment-Kriterien.

Kriterium 1: ausreichend hoher Umsatz
Unternehmen mit einer bestimmten Mindestgröße versprechen ein höheres Maß an Sicherheit. Daher legte Graham den Mindestumsatz für Industrieunternehmen auf $100 Mio. fest, was heute etwa $1 Mrd. entspräche.

Kriterium 2: niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
Günstig ist in Grahams Augen, wenn das KGV nicht über 15 liegt, als  nicht oberhalb des Fünfzehnfachen des Jahresgewinns.

Kriterium 3: niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV)
Wichtig ist für Graham das Verhältnis zwischen Vermögen und Kurs und dieses KBV sollte nach seiner Meinung nicht über 1,5 liegen.

Kriterium 4: stabile Gewinne
Unter stabilen Gewinnen versteht "der Dekan der Wall Street", dass das Unternehmen in den letzten 10 Jahren einen Überschuss erzielt hat, also in keinem Jahr einen Verlust ausweisen musste.

Kriterium 5: Gewinnwachstum
Zusätzlich soll sich der Gewinn je Aktie in den vergangenen 10 Jahren mindestens um ein Drittel erhöht haben. Die "neumodische Sitte" vieler Unternehmen, starken Gebrauch von Aktienrückkäufen zu machen und so den Gewinn je Aktie künstlich in die Höhe zu treiben, hat dieses einst harte Kriterium doch etwas aufgeweicht.

Kriterium 6: regelmäßige Dividendenausschüttungen
Regelmäßige Gewinnausschüttungen deutet auf eine nachhaltige Finanzkraft hin und Graham fordert an dieser Stelle eine stabile oder steigende Ausschüttung in den letzten 10 Jahren.

Kriterium 7: gesunde Balance zwischen Vermögen und Schulden
Eine solide Finanzlage ist für Graham das A und O und so fordert er, dass der Wert des gegenwärtigen Vermögens mindestens doppelt so hoch ist, wie der Wert der Schulden. Darüber hinaus sollen die langfristigen Schulden das aktuelle Nettovermögen nicht übersteigen.
(Benjamin Graham)
Alle Kriterien bzw. Kennzahlen haben für sich betrachtet ihre Stärken und Schwächen. Die Ermittlung des Gewinns liegt in der Hand des Vorstands und kann von ihm maßgeblich beeinflusst werden, ebenso der Wert des Unternehmens, wenn hier z.B. hohe immaterielle Vermögenswerte, wie Firmen- oder Markenwerte enthalten sind. Daher setzte Benjamin Graham auf eine Kombination verschiedener Bewertungskriterien, um so die Spreu vom Weizen zu trennen. Auf diese Weise fallen krisenanfällige Unternehmen schnell raus aus der Betrachtung und es bleiben die beständigen und soliden Unternehmen übrig. Wer sich an diesen Kriterien orientiert, sollte daher auf der sicheren Seite sein und zugleich in Werte investieren, die auch einiges an Chancen zu bieten haben. Wenn er nun noch die nach Graham oberste Tugend des Investors an den Tag legt, nämlich Geduld, kann auf lange Sicht an der Börse eigentlich nichts mehr schief gehen...

Benjamin Grahams Börsenweisheiten

  • Auf kurze Sicht ist der Markt ein Stimmungsbarometer, aber langfristig gesehen ist der Markt eine Waage.
  • Befriedigende Anlageergebnisse zu erzielen ist leichter, als die meisten Menschen denken. Überragende Erfolge zu erzielen ist schwieriger, als es aussieht.
  • Beim erfolgreichen Investieren geht um Risikokontrolle, nicht um Risikovermeidung.
  • Beim Investieren geht es nicht darum, andere in ihrem Spiel zu schlagen. Es geht darum, sich selbst im eigenen Spiel zu kontrollieren.
  • Bevor Sie investieren, müssen Sie sicher sein, dass Sie die Wahrscheinlichkeit, Recht zu haben, realistisch eingeschätzt haben, und wie Sie auf die Konsequenzen reagieren werden, wenn dies nicht der Fall ist.
  • Das Risiko liegt nicht in unseren Aktien, sondern in uns selbst.
  • Das Wesen des Investierens ist das Management von Risiken, nicht das Management von Erträgen.
  • Der intelligente Investor ist ein Realist, der an Optimisten verkauft und von Pessimisten kauft. 
  • Der Investor ist wahrscheinlich sein eigener schlimmster Feind.
  • Der Unternehmensgewinn ist die hauptsächliche Triebkraft der Aktienkurse.
  • Der Zweck der Sicherheitsmarge ist, Prognosen weitgehend überflüssig zu machen.
  • Die besten Werte findet man häufig in Aktien, die einst heiß waren und sich seitdem abgekühlt haben.
  • Die größten Verluste eines Investors entstehen, wenn man Aktien von geringer Qualität in einer Zeit mit hervorragenden Geschäftsbedingungen kauft.
  • Die größten Verluste entstehen durch den Kauf von Titeln geringer Qualität zu einem vermeintlich günstigen Preis.
  • Die Tatsache, dass die meisten Profis bei der Aktienauswahl ziemlich schlecht sind, bedeutet nicht zwangsläufig, dass Amateure es besser können.
  • Ein Einzelinvestor sollte konsequent als Investor agieren und nicht als Spekulant.
  • Ein großartiges Unternehmen ist kein großartiges Investment, wenn du zu viel für die Aktien bezahlt hast.
  • Ein Investment liegt immer dann vor, wenn nach einer gründlichen Analyse in erster Linie Sicherheit und erst im Anschluss daran eine zufriedenstellende Rendite steht.
  • Ein Unternehmen sollte doppelt so viel Vermögen wie Schulden haben.
  • Eine Aktie ist die Eigentümerschaft an einem echten Unternehmen mit einem zugrunde liegenden Wert, der nicht vom Aktienpreis abhängt.
  • Einer der überzeugendsten Tests hoher Qualität von Firmen ist eine ununterbrochene Historie von Dividenden, die sehr viele Jahre zurückreicht.
  • Entweder versteht man Value Investing in fünf Minuten, oder man versteht es nie.
  • Es gibt keine sicheren und einfachen Wege zum Reichtum, nicht an der Wall Street und auch nicht anderswo.
  • Es ist absurd zu glauben, dass die breite Öffentlichkeit jemals aus Marktprognosen Geld machen kann.
  • Geduld ist die oberste Tugend des Investors.
  • Gleichermaßen wird Mut in der Welt der Wertpapiere zur höchsten Tugend, aber erst nach angemessenem Wissen und einem erwiesenen Urteilsvermögen.
  • Im Kern sind Unsicherheit und Kapitalanlage Synonyme.
  • Investoren schaffen Geld für sich, Spekulanten schaffen Geld für ihre Broker.
  • Kaufe eine Aktie, als würdest Du das ganze Unternehmen kaufen. Strebe nicht nach dem schnellen Dollar. Suche nach Unternehmen, deren Aktien du ein ganzes Leben lang halten kannst.
  • Kaufe niemals eine Aktie, nur weil sie gerade gestiegen oder gefallen ist.
  • Man hat weder Recht noch Unrecht, weil andere derselben Meinung sind. Man hat Recht, weil die Fakten stimmen und die Überlegungen folgerichtig sind.
  • Marktbewegungen sind für den Investor nur insofern von praktischer Bedeutung, als sie entweder niedrige Kurse verursachen, zu denen man kaufen kann, oder hohe Kurse, bei denen man Kaufzurückhaltung übt und gut beraten ist zu verkaufen.
  • Menschen, die ihre Emotionen nicht kontrollieren können, sind von Gewinnen an der Börse ausgeschlossen.
  • Mit zunehmendem Alter weiß ich immer weniger, was der Markt tun wird, aber immer mehr, was Investoren tun sollten.
  • Um ein intelligenter Investor zu sein, müssen Sie sicherstellen, dass Sie nie den größten Teil Ihres Geldes verlieren oder gar einen Totalverlust erleiden.
  • Um ein Investor zu sein, muss man an eine bessere Zukunft glauben.
  • Während Enthusiasmus überall für großartige Leistungen essentiell ist, führt er an der Wall Street fast unweigerlich ins Desaster.
  • Wenn die Verluste minimiert werden, erzeugen durchschnittliche Gewinne überdurchschnittliche Ergebnisse.
  • Wenn du Aktien kaufst, wähle sie aus wie deine Lebensmittel und nicht wie dein Parfüm.


Meine Lese-Tipps
▶ "Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse" von Benjamin Graham und David Dodd
▶ "Die Graham-Methode. Benjamin Grahams Value-Investing Schritt für Schritt" von Janet Lowe
▶ "Intelligent investieren" von Benjamin Graham

3 Kommentare:

  1. Danke für diese Vorstellung. Mich lässt sie zumindest an einer Stelle rätselnd zurück. Wann gilt es aus Unternehmen auszusteigen? Gerade wenn es darum geht, dass ich das "ganze" Unternehmen kaufe. Die reine Überbewertung kann es dann ja nicht sein, weil das business Modell dann vielleicht ja noch gut ist. Oder dann irgendwann gar nicht mehr verkaufen und nur die Dividenden kassieren?

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    1. Richtig, Unternehmen kauft der Investor grundsätzlich "für immer".

      Es sei denn er braucht irgendwann das Geld oder es ändert sich fundamental etwas im Unternehmen/der Branche.

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    2. "Wie lange sollten Sie eine Aktie halten? So lange, wie die guten Dinge, die Sie auf das Unternehmen aufmerksam gemacht haben, immer noch da sind."
      (Philip Caret)

      Es geht nicht um den Aktienkurs, es geht um das Unternehmen. Die Höhe das Aktienkurses kommt erst dann ins Spiel, wenn er sich durch fundamentale Daten/ Entwicklung überhaupt nicht mehr rechtfertigen lässt. Das ist, wie es Chuck Akre ausdrückte, The Art of not selling.

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