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Freitag, 20. November 2020

Kissigs Aktien Report: Von Impfstoffhoffnungen und Favoritenwechseln - oder was geht (nicht mehr) bei Danaher und Thermo Fisher?

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: mit einigen Tagen Zeitverzögerung darf ich die Analysen dann auch hier veröffentlichen...

Aktien Report Nr. 22 vom 13.11.2020

Von Impfstoffhoffnungen und Favoritenwechseln

In dieser Woche geht es hoch her an den Weltbörsen. Die Biotechfirma BioNTech und ihr Partner Pfizer haben verkündet, ihr Corona-Impfstoff würde zu 90% vor einer Ansteckung schützen.

Die Börsen spielten daraufhin verrückt: alle Aktien, die irgendwie im Verdacht standen, von der Corona-Pandemie profitiert zu haben oder im Technologiesektor tätig zu sein, wurden aus den Depots geworfen und ihre Kurse prozentual zweistellig ins Minus gedrückt. Im Gegenzug wurde jede ausgebombte Aktie, ob nun Corona gebeutelt oder bereits scheintot, gnadenlos hochgekauft.

Einige Kommentatoren meinten sogar, Value wäre wiederentdeckt worden und Growth sähe endlich seinem verdienten Niedergang entgegen.

Alles Nonsens. Wirklich alles davon!

Zunächst einmal gibt es keinen Impfstoff, sondern „nur“ eine positive Studie und auf deren Basis soll nun die nächste erfolgen. Parallel hierzu möchte BioNTech bei der FDA (eine Schnellzulassung beantragen, damit der Impfstoff möglichst zügig eingesetzt werden kann. Das wird frühestens gegen Ende des Jahres der Fall sein, wahrscheinlich jedoch erst im nächsten Frühjahr.

Und dann müssen die hunderte von Millionen Impfdosen weltweit verteilt und verabreicht werden. Dafür stehen gar nicht die Kapazitäten zur Verfügung, so dass es Monate dauern wird, bis genügend Menschen geimpft werden konnten, damit sich dann die erhoffte Herdenimmunität einstellt.

Doch selbst dann ist Corona nicht besiegt, sondern verliert lediglich seinen größten Schrecken. Die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, sinkt deutlich und die Wahrscheinlichkeit stiegt, bei einer Ansteckung schnell und gut versorgt zu werden, so dass ein schwerer oder gar tödlicher Verlauf eintritt. Corona würde zu einer der vielen Viruserkrankungen, mit denen wir zu leben gelernt haben: HIV, Masern, Grippe.

Unbestritten ist, dass ein wirksamer Impfstoff Lockdowns überflüssig machen wird. Es werden weiter Abstandsregeln und Hygienekonzepte erforderlich sein und Masken, aber wir gewinnen ein Stück weit Normalität zurück. Nicht nur wir Bürger, sondern auch die Unternehmen, die jetzt besonders unter Corona leiden: die Hotels, die Restaurants, die Freizeitparks, die Reiseveranstalter und viele mehr. Es ist verständlich, dass die Hoffnung auf Besserung deren Aktienkurse steigen lässt.

Was nicht nachvollziehbar ist, ist der Ausverkauf bei Technologiewerten und vermeintlichen Corona-Profiteuren. Die schon vor Corona bestehenden Megatrends hin zu Clouddiensten, digitalem Zahlungsverkehr, Onlineshopping, Online-Gaming und regenerativen Energien setzten sich fort. Corona hat hier zusätzlich Rückenwind gegeben und die Entwicklung deutlich beschleunigt, aber es sind keine allein durch Corona befeuerte Kurzzeitphänomene, wie der Nachfragesprung nach Beatmungsgeräten.

Und dann gibt es da eine Branche, die ebenfalls unter die Räder kam, weil ihr vermeintlich Umsätze wegbrechen würden: die Laborausrüster. Die haben profitiert, weil weltweit zig Millionen Corona-Tests durchgeführt wurden und dazu Labore eröffnet oder erweitert werden mussten. Die irrige Annahme ist nun, dass ein Corona-Impfstoff das Testen überflüssig macht und daher niemand mehr in neue Labors und Testequipment investieren wird. Ein fataler Denkfehler…

Denn Corona bleibt uns erhalten. Wer immer Symptome zeigt, muss getestet werden, damit man ihn nötigenfalls schnell behandeln kann. Unbehandelt kann Corona innerhalb kürzester Zeit zum multiplen Organversagen und Langzeitschäden oder dem Tod führen. Das ändert sich nicht, nur weil ein Impfstoff die Wahrscheinlichkeit reduziert, sich mit dem Virus anzustecken.

Corona ist die erste weltweite Pandemie, der wir uns seit einhundert Jahren stellen müssen. Und wir waren nicht vorbereitet, soviel steht mal fest. Es ist kaum vorstellbar, dass die Regierungen dieser Welt wieder zur Tagesordnung übergehen und hoffen, so etwas werde schon nicht wieder passieren. Nein, sie werden das Thema Pandemieschutz nicht aus den Augen lassen und dafür sorgen, dass genügend Ressourcen bereitstehen, wenn die nächste Seuche über uns hereinbricht.

Und das bedeutet, dass die finanziellen Mittel für Labore, medizinische Versorgung und Medikamentenforschung künftig auf einem höheren Niveau fließen werden, als das vor Corona der Fall war. Die (einzige) logische Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist, dass die Laborausrüster auch künftig und wohl dauerhaft Sonderkonjunktur haben werden. Es fließe Geld…

Danaher Corp.

Danaher ist in den Bereichen Gesundheit und Umwelt aktiv und führt aktuell 25 Tochterunternehmen. Im Sektor Life Sciences geht es um die Entwicklung von Geräten und Verfahren für die medizinische Forschung und Anwendung, z.B. Mikroskope und Spektrometer. In der Sparte Diagnose werden Krankenhäuser und Ärzte mit Geräten und Software ausgestattet, um Diagnosen stellen zu können. Die Sparte Environmental & Applied Solutions beschäftigt sich mit Umwelttechnik. Hier geht es um das Reinigen von Wasser und umweltfreundliche Verpackungen.

Die Grundlage von Danahers jahrzehntelangen Erfolg ist das sogenannte Danaher-Business-System, hinter dem sich ein permanentes Effizienzprogramm verbirgt. Dem müssen sich alle übernommenen Firmen unterziehen, aber in regelmäßigen Abständen auch immer wieder die Bestandsfirmen. Dabei werden alle Konzepte, Arbeitsabläufe und Handgriff überprüft und ggf. verbessert. Manager zugekaufter Unternehmen werden auf eine mehrwöchige Rundreise durch die Danaher-Welt geschickt, damit sie die Effizienzdoktrin des Hauses verinnerlichen. So werden Wachstum, Margen und Geldfluss kontinuierlich gesteigert.

Wachstum im operativen Geschäft ist nur ein Teil des Geschäftsmodells, weitere Firmenübernahmen sind das zweite Standbein von Danaher. Zuletzt wurde für 21,4 Milliarden Dollar die Biopharmasparte von General Electric übernommen, die nun als "Cytiva" den Danaher-Konzern bereichert. Es war die bisher größte Übernahme der Firmengeschichte.

Danahers Business wird von Corona kaum beeinträchtigt, während bei Cytiva noch große Potenziale schlummern, die durch das Danaher Business System zu heben sind. Der Danaher-Kurs markierte dem entsprechend immer wieder neuen Allzeithochs und da die Geschäfte vor, während und nach Corona hervorragend laufen, wird der Kurs „einfach nur folgen“.

Thermo Fisher Scientific

Thermo Fisher ist ein bedeutender Dienstleister für die wissenschaftliche Forschung und bietet innovative Lösungen für jede Phase wissenschaftlichen Arbeitens im Gesundheitssektor; es bezeichnet sich selbst als "der weltweit größte Lieferant für wissenschaftliche Anwendungen".

Das Unternehmen entstand im November 2006 mit der Übernahme der Fisher Scientific International Inc. durch die Thermo Electron Corp. und dessen Subunternehmen ThermoQuest. Die 1956 gegründete Thermo Electron war auch durch eine Reihe von Übernahmen erfolgreicher Analytikfirmen erfolgreich gewachsen, deren Aktivitäten dann unter dem Dach von Thermo Fisher Scientific zusammengefasst wurden.

Thermo Fisher machte im letzten Geschäftsjahr 25 Milliarden Dollar Umsatz, der sich auf die Segmente Analytical Instruments, Life Sciences Solutions, Specialty Diagnostics und Laboratory Products and Services verteilt. Weltweit werden rund 75.000 Mitarbeiter beschäftigt und zu Thermo Fishers Marken zählen einige der renommiertesten Namen in der Wissenschaft, wie Thermo Scientific, Applied Biosystems, Invitrogen, Fisher Scientific und Unity Lab Services.

Insofern hätte Qiagen hervorragend ins Portfolio gepasst, doch hier war Thermo Fisher etwas zu knauserig und konnte nicht genügend Aktionäre von seinem Übernahmeangebot überzeugen, so dass die Übernahme letztlich platzte. Qiagen hat seitdem stark von Corona profitiert und dürfte weiter Begehrlichkeiten größerer Konzerne aus diesem Sektor wecken. Möglicherweise auch noch einmal seitens Thermo Fisher…

Das Unternehmen fährt eine zweigleisige Strategie und wächst sowohl organisch als auch durch gezielte Übernahmen. Dennoch weist man eine solide Eigenkapitalquote aus und hat sich nicht zu viel Fremdkapital auf die Schultern geladen. In Krisenzeiten immer eine gute Basis, um weitere Chancen wahrnehmen zu können und nicht selbst mit dem Rücken zur Wand zu stehen.

Die Gewinne werden seit Jahren gesteigert, auch wenn die Margen noch Optimierungspotenzial versprechen. Vielleicht sollte man sich dies bezüglich am Danaher-Business-System orientieren, um innerhalb der Gruppe mehr Synergien zu heben und die Tochterunternehmen auf höhere Effizienz zu trimmen.

Mein Fazit

Sowohl Danaher als auch Thermo Fisher sind solide finanziert mit robusten Bilanzen. Seit Jahren wachsen ihre Umsätze und Gewinne, womit die Steigerungen des Aktienkurses unterfüttert werden. Beide Unternehmen gelten zu beinahe jeder Marktphase als teuer und man kann bei beiden lediglich bestätigen, dass Qualität ihren Preis hat. Vor Corona, während Corona und auch künftig werden beide gute Geschäfte machen und sich den neuen Herausforderungen konsequent stellen.

Es war bisher nie verkehrt, diese Aktien im Depot zu haben und sie einfach liegen zu lassen. Und „wenn uns nicht der Himmel auf den Kopf fällt“, wie ein berühmter Zeichentrick-Gallier immer zu sagen pflegte, dann dürfte sich hieran auch nichts ändern. Früher hätte man diese Aktien als Witwen- und Waisenpapiere bezeichnet, heute als Quality Investments. Klingt beides langweilig, spielt aber auf Dauer Extrarenditen ein…

Disclaimer: Habe Danaher und Thermo Fisher auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wikifolio.

1 Kommentar:

  1. Und nicht zu vergessen, im guten alten Europa gibt es Eurofins.

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