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Sonntag, 11. Mai 2025

Kissigs Kloogschieterei: Bye bye, Warren, mach's gut. Und weiter...

Am letzten Wochenende fand in Omaha wieder das "Woodstock der Kapitalisten" statt, auch als Hauptversammlung von Berkshire Hathaway bekannt. Und die endete mit einem echten Knaller: Warren Buffett hat alle überrascht und seinen Rückzug verkündet. Er wird zum Jahresende als CEO von Berkshire ausscheiden und Greg Abel wird ihm nachfolgen.

Der 94-jährige Buffett hat den perfekten Zeitpunkt gewählt, denn vor 60 Jahren übernahm er das damals strauchelnde Textilunternehmen und schuf daraus eines der wertvollsten Unternehmen der Welt – mit großer Unterstützung seines langjährigen Partners Charlie Munger, den Buffett vor einem Jahr und kurz nach dessen Tod als den "Architekten von Berkshire" ehrte.
Heute steht der Name Berkshire Hathaway für schier unaufhaltsamen Börsenerfolg, doch das war anfangs nicht einmal ansatzweise abzusehen. Berkshire Hathaway war 1955 aus der Fusion der beiden Textilfirmen Berkshire Fine Spinning und Hathaway Manufacturing entstanden. Doch die Fusion zweier strauchelnder Riesen brachte nicht den erhofften Befreiungsschlag im Kampf gegen die asiatische Billigkonkurrenz und so setzte sich der Niedergang fort. Damals folgte Buffett noch der reinen Lehre seines Lehrers und Mentors Benjamin Graham und setzte darauf, Aktien möglichst billig und mit großer Sicherheitsmarge kaufen zu können. Und so kaufte er ab 1962 immer wieder und immer mehr Aktien von Berkshire Hathaway, während das Textilunternehmen eine Fabrik nach der anderen schließen und Personal entlassen musste. 2010 bekannte Buffett in einem CNBC-Interview, Berkshire sei "die dümmste Aktie, die ich je gekauft habe". Es sei ein 200-Milliarden-Dollar-Fehler gewesen - und doch war es ein Meilenstein auf seinem Weg zum wohl besten Investor aller Zeiten...

Buffett kaufte bei fallenden Kursen immer mehr Berkshire-Aktien und besaß schließlich rund ein Drittel an dem Unternehmen. Mit dem Gewinn aus diesem Investment wollte er anschließend in das Versicherungsgeschäft investieren und eine Compounding Machine aufbauen, wie es ihm Benjamin Graham vorgemacht hatte. Denn der stete "Float" aus Versicherungsprämien wirkt für die Versicherung wie ein langfristiger zinsloser Kredit, der in Unternehmen investiert werden kann und so mit der Zeit einen gewaltigen Gewinnhebel erzeugt - den Zinseszinseffekt.
Doch kein Plan überlebt den ersten Kontakt mit dem Feind und so berappelte sich die US-Textilindustrie entgegen Buffetts Erwartungen nicht. Und als er seine Fehleinschätzung erkannte, entschied er sich zum Verkauf. 1964 machte ihm der damalige Berkshire-Geschäftsführer Seabury Stanton das mündliche Angebot, Buffetts Anteile für 11 1⁄2 Dollar je Aktie zurückzukaufen. Buffett willigte ein und erhielt einige Wochen später das Angebot in schriftlicher Form - allerdings anstelle des vereinbarten Preises für lediglich 11 3⁄8 Dollar. Und dieses 1⁄8 eines Dollars machte den Unterschied!

Buffett agiert emotional - und falsch!

Buffett gab später an, dass ihn der Bruch des Versprechens wütend gemacht habe. Er folgte stets dem römischen Rechtsgrundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten) und eine mündliche Vereinbarung war für ihn genauso bindend wie ein schriftlicher Vertrag.
"Ich mache gern mit Leuten Geschäfte, wo ein einseitiger Vertrag funktioniert. Wenn es 50 Seiten braucht, um mich zu schützen, frage ich mich immer, ob ich nicht 51 bräuchte."
(Warren Buffett)
Und so agierte der verärgerte Warren Buffett emotional, was er sonst bei seinen Geschäften tunlichst zu vermeiden sucht: anstatt sein Aktienpaket zu verkaufen, entschied er sich dafür, Berkshire Hathaway zu übernehmen und Stanton zu entlassen.

Gesagt, getan. Eine große Genugtuung für Buffett und eine echt lausige Entscheidung. Er versuchte alles, um das Unternehmen zu retten, aber es es war ein Tod auf Raten. Auch unter Buffetts Regie musste Berkshire weiter Textilfabriken schließen bzw. verkaufen und Personal entlassen. 1970 übernahm Buffett dann zusätzlich auch den CEO-Posten von Berkshire und machte der Not eine Tugend, indem er seine Aktienpakete an diversen Unternehmen in Berkshire einbrachte und dessen sinkenden operativen Cashflow zum Kauf weiterer Unternehmensbeteiligungen nutzte - auch zur Übernahme von kleineren Versicherungsgesellschaften, wie es ja sein ursprünglicher Plan gewesen war. Darunter auch den Autodirektversicherer GEICO, den Buffett bereits aus seiner Zeit in Benjamin Grahams Investmentfirma kannte, als dieser GEICO mehrheitlich übernahm und zu seinem erfolgreichsten Investment aller Zeiten machte. Später verkauften Graham und Buffett ihre Anteile mit riesigem Gewinn und einige Jahre später geriet GEICO in Schieflage, weil man sich außerhalb seines Kerngeschäfts "verdiworsifizierte". Und so bekam Buffett seine zweite Chance...

GEICO macht den (ersten) Unterschied

1970 beteiligte er sich an der Rettung von GEICO und besaß 1976 bereits gut ein Drittel an dem Unternehmen. Die Rettungsmission, vor allem die Rückkehr zu seinem Kerngeschäftsmodell, war ein voller Erfolg und GEICO erzeugte bald wieder enorme Überschüsse. Die steckte es in Dividenden und vor allem Aktienrückkäufe, wodurch sich Buffetts Anteil (bzw. der von Berkshire) immer weiter erhöhte. 1995 waren es dann 55 % und er beschloss, auch den Rest zu übernehmen. Seitdem gehört GEICO zu Berkshires nicht-börsennotierten Unternehmensbeteiligungen und fließt vollkonsolidiert in dessen Gewinn- und Verlustrechnung ein.

Munger wird zum Game-Changer - für Buffett und Berkshire

Doch einen Schritt zurück: in den 1970er Jahren transformierte Buffett das Textilunternehmen Berkshire in seine persönliche Vermögensverwaltung und in eine Beteiligungsgesellschaft. 1978 konnte er dann seinen Freund Charlie Munger überzeugen, seine diversen Aktienpakete an Berkshire abzugeben und dort nicht nur als Miteigentümer einzusteigen, sondern auch als Co-CEO.

Buffett und Munger kannten sich da bereits knapp 20 Jahre, denn als Munger in den 1950er Jahren eine Reihe von Schicksalsschlägen verkraften musste, führte ihn die Beerdigung seines Vaters zurück in seine Heimatstadt Omaha, wo ein Freund ihn drängte, einen interessanten jungen Mann kennenzulernen und beide trafen sich dann zum Essen. Sie verstanden sich auf Anhieb und entdeckten den verwandten Geist im anderen. Buffett war es dann auch, der Munger davon überzeugte, seinen Anwaltsberuf an den Nagel zu hängen und sich fortan vollständig auf das Investieren zu konzentrieren. Von 1962 bis 1975 leitete Munger die Investmentpartnerschaft Wheeler, Munger & Co, deren Ergebnisse außergewöhnlich waren: sie erzielte eine jährliche Rendite von 19,8 % (vor Gebühren), während der Dow Jones Industrial Average in diesem Zeitraum lediglich 5 % gutmachte.

Charlie Munger wurde stets als Buffetts kongenialer Sparringspartner bei Berkshire Hathaway wahrgenommen, aber er war noch viel mehr. Munger liebte das Lesen und verbrachte täglich viele Stunden damit. Er beschränkte sich nicht alleine auf Finanz- und Wirtschaftsthemen, sondern las einfach alles querbeet. Er sortierte die vielen Informationen in Denkmodellen ("Mental Methods") und empfahl jedem diesen Weg. Von Spezialisten hatte er keine hohe Meinung, weil er sie für beschränkt hielt.
"Denke über den Tellerrand hinaus. Hast du nur einen Hammer, sieht jedes Problem mehr oder weniger wie ein Nagel aus."
(Charlie Munger)
Sicherlich kam ihm seine schnelle Auffassungsgabe zugute und seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte treffsicher auf den Punkt zu bringen. Sowohl Munger als auch Buffett gründeten ihre frühen Investmenterfolge auf Benjamin Grahams Lehren. Dessen berühmter "Zigarrenstummelansatz" hatte sich bewährt und beide agierten mit einer hohen Sicherheitsmarge. Doch die Lehren Philip A. Fishers brachten Munger auf eine andere Spur: er setzte frühzeitig auf qualitativ hochwertige Unternehmen und wandte sich von den vermeintlichen Superschnäppchen ab. Interessanterweise waren Fisher und Buffetts Vater langjährige Freunde gewesen, doch es war Munger der den enormen Mehrwert in Fishers Investmentansatz erkannte, nicht Buffett. 

Qualität schlägt Preis!

Dieser bekannte später freimütig, Munger habe die Vorteile des Quality Investings sofort verstanden, während er, Buffett, viel langsamer dahintergekommen sei. Im Grunde geht es darum, Unternehmen mit Preissetzungsmacht zu kaufen, mit einem ökonomischen Burggraben und möglichst nicht allzu viel für sie auszugeben. Diese Unternehmen sind über viele Jahre hinweg erfolgreich und steigern Umsatz, Margen und Gewinn und überstehen auch konjunkturelle Abschwünge und Krisen.

Buffett brauchte einige Zeit, um seine Investition wieder hereinzuholen, viel länger, als es gedauert hätte, wenn er bei seiner ursprünglichen Idee geblieben wäre, in das Versicherungsgeschäft zu investieren. Und damit wurde aus dem siechenden Textilunternehmen Berkshire die wohl erfolgreichste Compounding Machine aller Zeiten! Seit 1964 legte der S&P 500 Index um 39.054 % zu, aber der Kurs von Berkshire wuchs um 5.502.284 %. Richtig gelesen, es sind 5,5 Millionen Prozent! Und so markierte die Berkshire-Aktie kürzlich ein neues Rekordhoch bei knapp 815.000 Dollar.

Who the f... is Abel?

Nach 60 Jahren gibt Buffett nun seine CEO-Position auf und künftig wird Greg Abel das Tagesgeschäft leiten - was er heute auch schon weitgehend (aber inoffiziell) tut. Buffett bleibt als Berater an Bord und als Chairman of the Board. Dennoch ist es ein Einschnitt und es stellt sich die Frage nach der Zukunft des Unternehmens.

Abel und seine Partner bauten CalEnergy von einem kleinen Geothermie-Unternehmen mit 500 Mitarbeitern zu einem internationalen Konzern mit 23.000 Mitarbeitern auf. Von 1992 bis 2008 war er in leitender Funktion tätig, danach übernahm er die Position des CEO. CalEnergy wurde 1999 in MidAmerican Energy umgewandelt und schließlich 2014 in die Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway Energy (BHE) eingegliedert.

2018 stieg Abel zum stellvertretenden Vorsitzenden des versicherungsfremden Geschäftsbereichs von Berkshire Hathaway auf und 2021 ernannte ihn Buffett zu seinem designierten Nachfolger an der Spitze des Unternehmens. Es war also schon länger klar, dass Abel Buffett beerbt. Doch im Grunde hat niemand wirklich geglaubt, dass dieser Zeitpunkt jemals wirklich kommen würde. Und trotz der langen Vorbereitungszeit ist ist die Verunsicherung groß, denn Buffetts (und Mungers) Fußstapfen sind kaum zu füllen. Doch diese Erwartungshaltung an Greg Abel zu richten, ist nicht nur unfair ihm gegenüber, sondern auch unsinnig. Auch Tim Cook konnte nie dem legendären Apple-Gründer Steve Jobs das Wasser reichen und doch machte er nach dessen Tod Apple zum wertvollsten Konzern der Welt. Er war dabei so erfolgreich, dass selbst Technikverabscheuer Warren Buffett 2015 in großem Stil bei Apple einstieg und diese Aktienposition zur mit Abstand größten von Berkshire Hathaway machte. Und zu dem Investment, mit dem Berkshire seine größten Profite einfuhr.

Greg Abel ist ein erfolgreicher Unternehmer und Manager, er versteht sich auf das Investieren, auf Kapitalallokation. Aber er ist kein Warren Buffett, er ist weder so charismatisch noch hat er die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte als leicht verdauliche Bonmots lässig auf den Punkt zu bringen. Das war ist in dieser Form Buffetts und Mungers Superheldenkraft. Ihr enormer Schatz an Weisheiten und Einsichten ist zeitlos und bleibt uns erhalten. Und in Buffetts Fall versiegt die Quelle auch (noch) nicht, denn der gute Warren bleibt uns auch in Zukunft erhalten – und das hoffentlich noch sehr lange. Nur eben nicht als CEO von Berkshire, aber zumindest als Chairman und als das "Orakel von Omaha", auf das die Welt hört und selbst Präsidenten - naja nicht jeder Präsident...

Alles Gute für euer Geld!
Michael C. Kissig

Disclaimer: Habe Apple, Berkshire auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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