Sonntag, 11. April 2021

Das Erfolgsgeheimnis der Dividendenstrategie liegt nicht in den Dividenden!

"Dividenden sind der neue Zins" ist ein geflügelter Begriff geworden, seitdem die Zinsen um die Nullmarke notieren und Banken und Sparkassen inzwischen sogar von Otto Normalkunde Strafzinsen auf dem Privatgirokonto einfordern. Wenn das Tagesgeld oder das Sparbuch keine Zinsen mehr bringt und Anleihen ebenso wenig, sehen Dividendenrenditen von drei Prozent und mehr entsprechend verlockend aus. Also eine sichere Sache, sollte man meinen. Wirklich?

Kritiker wenden ein, Zinsen seien "sicher". Man erhält sie während der gesamten Laufzeit der Anlage und am Ende auch sein eingesetztes Kapital zurück. Dividenden hingegen würden ja direkt nach der Ausschüttung durch den sogenannten Dividendenabschlag von Kurs abgezogen, so dass Aktionäre hier keinen Vorteil hätten. Im Gegenteil, durch den sofortigen Steuerabzug gehen direkt mehr als 25 Prozent an das Finanzamt.

Bei Anleihen läuft es allerdings auch nicht anders. Kauft man diese, bezahlt man zusätzlich zum Kurs die sog. Stückzinsen. Also den Zinsanteil, der bis zum Kauftag im jeweiligen Jahr bereits angefallen ist. Verkauft man die Anleihe vor dem Zinszahlungstag, erhält man dem entsprechend die aufgelaufenen Stückzinsen gutgeschrieben. Auch hier verändert sich also der Wert der Anlage und es fallen Steuerabzüge an. Des Weiteren handelt es sich bei Aktienanlagen nicht um Fremdkapital, sondern um Eigenkapital, das man dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Man ist daher am Gewinn beteiligt. Und wenn dieser anteilig in Form einer Dividende ausgeschüttet wird, reduziert sich der Aktienkurs entsprechend, weil das Geld ja aus dem Unternehmen fließt und es deshalb weniger wert ist. Allerdings verdient das Unternehmen ja das ganze Jahr über die Gewinne, die am Ende im Jahresabschluss unter dem Strich den Jahresgewinn ausmachen. Der Dividendenabschlag macht den Aktionär also nicht ärmer. Auch deshalb wird er durchschnittlich innerhalb weniger Wochen wieder aufgeholt.

Und dann bleibt noch die Risikobetrachtung. Zinsen sind der Preis für das Risiko, das mit der Anlage über die gesamte Laufzeit einhergeht. Bei Sparbüchern oder Tagesgeldkonten sind Einlagen bis zu bestimmten Obergrenzen durch die Einlagensicherung abgesichert. Das Risiko ist also verhältnismäßig niedriger als bei Anleihen oder Aktien. Bei einer Aktiengesellschaft ist man Miteigentümer und damit als letzter in der Reihe, wenn es bei einer Pleite noch etwas zu verteilen gibt. Als Anleihegläubiger steht man vor den Aktionären in der Schlange, aber die Quoten bei Pleiten sind ebenfalls verschwindend gering und selten über 20 Prozent. Man schaue einfach mal auf die vielen Mittelstandsanleihen, von denen ein Großteil die Anleger um enorme Summen gebracht hat. Chance und Risiko gehen auch bei der Geldanlage immer Hand-in-Hand. Der langfristige Erfolg von Aktien, und insbesondere von Unternehmen mit Dividendenzahlungen, spricht indes ganz klar für Aktien als Anlage. Vor allem, solange das Zinsniveau nicht nachhaltig über vier Prozent ansteigt.

Der Dividendeninvestor

An dieser Stelle kommen wir zu einer besonderen Spezies unter den Aktienanlegern, dem Dividendeninvestor. Bei diesem steht nicht die Aussicht auf Kurssteigerungen im Zentrum seiner Aktienauswahl, sondern das Erzielen von Dividendeneinnahmen. Die Aktien und ihre Kurse sind für ihn dabei nur Mittel zum Zweck. Das klingt zunächst nicht schlüssig, denn hohe Dividendeneinnahmen machen ein nicht reich, wenn gleichzeitig die Aktienkurse in den Keller abstürzen. Trotz dieses Widerspruchs ist die Dividendenstrategie ziemlich erfolgreich und das hat handfeste Gründe. Aber andere, als man denkt.

Dem Dividendeninvestor geht es um einen stetigen Dividendenstrom, also nicht um einmalige hohe Dividendeneinnahmen, sondern eine kontinuierlich sprudelnde Einnahmequelle, die möglichst das ganze Jahr über ein zusätzliches Einkommen generiert. Und da man dafür nicht arbeitet, spricht man von passivem Einkommen. Dividendeninvestoren generieren also ihren eigenen Cashflow.

Der Fokus bei dieser Strategie liegt also darin, Aktien auszuwählen mit attraktiven - und sicheren, am besten steigenden - Dividendenzahlungen und seine Investments so zu streuen, dass sich die einzelnen Dividendenzahlungen zu einem steigen Einkommensstrom ergänzen. Auch aus diesem Grund finden sich in den Depots der Dividendeninvestoren zumeist amerikanische Unternehmen viel stärker gewichtet als deutsche. Denn in den USA ist es üblich, quartalsweise oder sogar monatlich Dividenden anteilig auszuschütten, während es in Deutschland in der Regel nur einmal jährlich eine Dividende gibt.

Die Dividendenstrategie schränkt allerdings auch die Auswahl an möglichen Investments weiter ein, weil zyklische Branchen starken Schwankungen unterliegen und somit auch ihre Dividendenzahlungen. Die Stahlindustrie oder die Chipbranche haben stark schwankende Unternehmenszyklen und daher sind ihre Aktien zur Generierung eines steigen Dividendenstroms nicht wirklich geeignet. Viel eher kommen Konsumgüteraktien infrage, weil deren Produkte in jeder Konjunkturlage gekauft werden. An Windeln, Zahnpasta, aber auch Nahrungsmitteln und Medikamenten spart man nicht, nur weil das Geld knapper wird. An Reisen oder Neuwagen hingegen schon.

Allerdings gilt auch für Dividendeninvestoren das Gesetz von Angebot und Nachfrage und die Zunehmende Beliebtheit der Dividendenstrategie, aber auch die immer zahlreicheren Nachahmer von Value Investoren wie Warren Buffett führen dazu, dass die Kurse dieser sogenannten defensiven Aktien tendenziell höher notieren und sie deshalb nicht gerade als preiswert bezeichnet werden können. Was für Value Investoren zu Problemen führt, für Dividendeninvestoren hingegen nicht unbedingt. Denn diese orientieren sich am Dividendenstrom, nicht so sehr am Kaufpreis für ihre Aktien.

Regelmäßige Sparraten

Nun wissen auch Dividendeninvestoren natürlich, dass sie bei niedrigen Kursen mehr Aktien kaufen können. Und mehr Aktien erzeugen auch einen höheren Dividendenstrom. Hier kommt ein weiterer Faktor ins Spiel, die Sparquote. Denn die meisten Dividendeninvestoren geben Monat für Monat einen Teil ihres Einkommens nicht aus, sondern kaufen stattdessen regelmäßig weitere Dividendenaktien. Das bringt den Vorteil des sogenannten Cost-Average-Effekts, den man auch vom Fondssparen her kennt. Wenn man jeden Monat den gleichen Betrag in einen Fondssparplan einzahlt, verlieren Kursschwankungen einen Teil ihres Schreckens. Denn fallen die Kurse, kauft man für den gleichen Betrag mehr Fondsanteile. Und so ist es auch bei den Dividendeninvestoren und ihrer Sparquote. Sie kaufen ständig weitere Aktien hinzu und erhöhen damit ihr Dividendeneinkommen. Und je höher das passive Einkommen aus Dividenden ansteigt, desto mehr steht auch aus dieser Quelle für weitere Investments zur Verfügung. Im Grunde wird hier der Zinseszinseffekt genutzt, so dass steigendes passives Einkommen weiteres steigendes passives Einkommen generiert.

Allerdings sollte man sich von dem Mythos verabschieden, der Cost-Average-Effekt bringe Kostenvorteile mit sich und/oder ermögliche niedrigere Einstiegskurse. Das ist Tinneff, Bullshit, Volksverblödung. Den Quatsch haben sich die Drückerkolonnen der Investmentfondsverkäufer in den 1980er Jahren ausgedacht, um ihre Produkte an den Mann (oder die Frau) bringen zu können. Aber einen - entscheidenden - Vorteil bietet das regelmäßige Investieren doch: man legt überhaupt Geld an!
»Die beste Zeit für die Geldanlage ist dann, wenn man Geld hat. Die Geschichte deutet nämlich darauf hin, dass nicht der Zeitpunkt zählt, sondern die Zeit.«
(Sir John Templeton)
Indem man monatlich freies Geld in Aktien investiert, erhöht man sukzessive seinen Aktienbestand und natürlich auch seinen Dividendenstrom. Aktien bringen inflationsbereinigt zwischen 7 und 9 Prozent Rendite pro Jahr. Und hierbei sind bereits alle Crashs und Kursrücksetzer mit eingerechnet. Crashs, bei denen man mit seiner Sparrate dann auch zu äußerst günstigen Kursen viel mehr Aktien kauft!

Durch die regelmäßigen Aktienkäufe verpulvert man das Geld nicht für etwas anderes, was die meisten Menschen ansonsten unweigerlich tun. Und es ist auch sinnvoll, nicht auf einen großen Betrag zu sparen, den man dann einmalig investieren kann. Denn einerseits hat man das Risiko des Markettimings, weil man nicht davor gefeit ist, unmittelbar vor einem Kurseinbruch zu kaufen und so weniger Aktien für sein Geld zu bekommen, als zu einem günstigeren Zeitpunkt. Und auf der anderen Seite schlummert das angesparte Geld ertsmal zu Magerzinsen auf dem Konto vor sich hin, während es beim monatlichen Rateninvestieren sofort Rendite erwirtschaftet. Für den Vermögensaufbau, gerade am Anfang, ein weiterer entscheidender Vorteil!

Buy & Hold wirkt. Wirklich!

Hinzu gesellt sich noch die Tatsache, dass Dividendeninvestoren eher selten(er) ihre Depotpositionen verändern – abgesehen von den regelmäßigen Zukäufen. Sie starren nicht so sehr auf die Börsenkursschwankungen, wie es der normale Aktienanleger tut und sie versuchen viel seltener, Kursschwankungen zu ihrem Vorteil zu nutzen. Was, wie alle Untersuchungen und Erfahrungen zeigen, nur selten gelingt. Im Grunde praktizieren Dividendeninvestoren einen klassischen Buy-and-Hold-Investmentansatz. Kaufen, liegenlassen, Gewinne zählen. Und zwar solange, wie das Unternehmen nicht in Schieflage gerät oder sich grundlegende Dinge zum Negativen hin entwickeln.

Oft steuern Dividendeninvestoren ihre Nachkäufe über die Dividendenrendite. Wenn diese außergewöhnlich hoch ist, greifen sie zu. Das kann von Vorteil sein. Denn dies impliziert, dass entweder die Dividende gerade deutlich angehoben wurde, oder - in den meisten Fällen - der Aktienkurs gerade eingebrochen ist. Antizyklisches Kaufen verspricht die höchsten Renditen! Allerdings sollte man auch hier immer zuerst auf das Risiko schauen und nicht zuvorderst auf die Rendite. Also erstmal in Erfahrung bringen, weshalb der Kurs so eingebrochen ist. Und wenn es handfeste Gründe dafür gibt, wie eine anstehende Pleite oder ähnliches, dann lieber eine andere Aktie für den Kauf aussuchen. Denn auch Dividenden können gekürzt oder ganz gestrichen werden, weil sie ja "nur" Teil des Unternehmensgewinns sind. Und für eine nachhaltige, nicht Substanz verzehrende, Dividendenpolitik muss das Unternehmen erstmal Gewinne machen...

Die Dividendenstrategie funktioniert - aber anders!

Ich bin kein Dividendeninvestor, ich bin und bleibe Value Investor. Und ich kaufe am liebsten Qualitätswerte und halte diese langfristig, um an ihren Erfolgen teilzuhaben. Buy-and-Hold eben. Ich setze aber durchaus auch auf Dividenden und versuche, den Zinseszinseffekt für mich zu nutzen. Und alle diese Faktoren beinhaltet auch die Dividendenstrategie. Hinzu kommt noch der Ansatz, monatlich Teile des Einkommens beiseitezulegen und in weitere Aktienkäufe zu investieren, womit bei konsequenter Umsetzung die Börsenschwankungen geglättet werden.

Die Dividendenstrategie vereint also gleich mehrere Faktoren in sich, die Experten wie Warren Buffett oder Charlie Munger als grundlegende Erfolgsgaranten für einen langfristigen Erfolg an der Börse benennen. Und das ist der Grund, weshalb sie so erfolgreich funktioniert. Man muss sich keine Gedanken darüber machen, ob Dividendenausschüttungen eher positiv oder negativ einzuschätzen sind; die Dividendenstrategie diszipliniert ihre Anwender in den entscheidenden Punkten und macht sie so zu besseren, erfolgreicheren Anlegern. Und dabei ist sie so simpel, dass sie auch Privatanleger ohne große Börsenexpertise schnell verstehen und umsetzen können. Und so schließt sich der Kreis und wir landen wieder bei Warren Buffett, der Anlegern rät: "Keep it simple". Also dann mal einfach los…

••• Überarbeite Fassung eines Artikels aus Juli 2017

6 Kommentare:

  1. Gibt es auch einen Mittelweg aus Value-Quality-Dividend ? Ich brauche noch eine Bezeichnung für mich, der sich nicht recht entscheiden kann für eine Strategie. Ich mag Qualitätsaktien, bin aber häufig nicht bereit ihren teuren Preis zu bezahlen. Ein dickes Kaufargument ist dabei immer eine nachhaltig steigende Dividende.
    Und natürlich stimmt es, Dividendeninvestoren sind klassische buy and hold-Anleger, (auch) deshalb funktioniert ihre Strategie.

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  2. Hallo Herr Kissig, die Dividendenstrategie sehr schön erklärt. Eigentlich wie immer ein Thema oder Analyse in gewohnter Qualität behandelt. Danke dafür. P.S. Beschäftige mich gerade mit dem Zertifikat Ihrer Nebenwerte auf Wikifolio.

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  3. Ich lege auf Dividenden grossen Wert, und ich habe 2020 durchaus einige Einbrueche erlebt. Die Pandemie hat ja viele Dividendenwerte gehoerig durchgeruettelt. Da musst man durch, und viele Aktien haben sich mittlerweile auch wieder erholt.
    Ich versuche, etwa 80% meiner Positionen in Dividendenwerten anzulegen, wobei ich denke, dass man da auch Wachstumschancen nicht vernachlaessigen sollte. Du hast schon recht, Michael: man muss Aktien guenstig erwischen und dabei Value-Aktien von Value Traps unterscheiden.
    Die Sache mit dem Buy and Hold funktioniert bei grossen Standartwerten m.E. besser als bei (vielen) Small Caps, wenn die Bewertung allerdings zu ueppig wird, halte ich es fuer angebracht, zu reduzierem oder zu verkaufen.

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  4. Ich würde wahnsinnig gerne über Aktiensparpläne investieren, leider gibt es für mich als Österreicher keinen Broker der dies steuereinfach anbietet.

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    1. Um welches steuerliche Problem bei Aktiensparplänen geht es denn konkret, dass Broker sich für Österreicher hier sperren? Vielleicht weiß dann ja einer der Blogleser Rat bzw. kennt einen Broker, über den dies dennoch möglich wäre?

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    2. Ich habe mich etwas falsch ausgedrückt. Es gibt 1 steuereinfachen Broker in Österreich der Aktiensparpläne anbietet, jedoch nur für ca. 15 US Aktien und davon wären für mich auch nur 3-5 interessant. Mir geht es darum, dass alle Daten richtig beim Finanzamt ankommen (=steuereinfach) und das ist über Deutsche Broker leider nicht möglich. Ich müsste sämtliche Transaktionen genauestens dokumentieren und das über Jahre. Es ist ein sehr komplexes Thema was den Rahmen hier sprengen würde. Ist ja nicht so, dass ich nicht investiere, über Sparpläne wäre es mir einfach lieber.

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