Vor drei Jahren habe ich mich
bereits einmal mit Turnaround-Spekulationen beschäftigt und anhand einiger interessanter Werte das Prinzip dargelegt. Und grundsätzlich bleibt es immer das selbe "Spiel", abgestürzte Aktien von schlingernden Unternehmen möglichst am Tiefstpunkt einzusammeln, um dann von ihrer operativen Gesundung zu profitieren.
"Turnarounds seldom turn."
Dabei gibt es allerdings einiges zu beachten. Da ist zunächst das enorme Risiko, dass das Unternehmen den angepeilten Turnaround nicht schafft und am Ende in die Insolvenz schlittert. Wie Praktiker oder Schlecker. Dann steht man als Aktionär vor dem Totalverlust und daher sind
Turnaround-Spekulationen eben keine
Buy & Hold-Investments, die man kauft und liegen lässt, sondern sie bedürfen erhöhter und regelmäßiger Aufmerksamkeit. Und dann ziehen sich Turnarounds meistens lange hin, so dass man als Anleger eine seeeeehr langen Atem braucht und auch zunächst weitere Kursverluste in Kauf nehmen muss. Und man muss unterscheiden lernen zwischen Fakten, die auf eine Erholung hindeuten, und bloßen Wünschen und Vermutungen, mit denen manche sich die Aktien schön reden. Letztere kosten Geld, erste bringen Geld.
"Nur weil eine Aktie fällt heißt das nicht, dass sie nicht noch weiter fallen kann."
Und leider bleibt am Ende die Erkenntnis, dass die meisten Turnarounds nicht klappen. Jedenfalls nicht für die Aktionäre, denn selbst wenn das Unternehmen am Ende gerettet ist, bleibt seinen Aktionären nicht selten nur der Totalverlust ihres Geldes. So wie bei Pfleiderer oder jetzt aktuell bei der Deutschen Forfait, wo letztlich Anleihegläubiger ihr Fremdkapital in neues Eigenkapital umgewandelt bekommen, während die Altaktionäre zuvor einen Kapitalschnitt hinnehmen mussten. Die neuen Eigentümer sind am Ende die ehemaligen Fremdkapitalgeber, während die alten Eigentümer enteignet sind. Auch das ist ein Risiko, das mit Aktien einhergeht, denn man ist Miteigentümer und damit voll im Risiko.
"Die meisten Anleger glauben, Qualität und nicht etwa der Preis sei der Maßstab dafür, ob eine
Geldanlage riskant ist. Doch qualitativ hochwertige Aktiva können riskant und Vermögenswerte
niedriger Qualität können sicher sein. Es ist alleine eine Frage des Preises, den man für sie bezahlt."
Das Entscheidende bei einer Turnaround-Spekulation ist also nicht der Preis der Aktien, sondern ihr Wert. Denn nur weil eine Aktie um 50 oder 80 Prozent gefallen ist, ist sie noch keine günstige Kaufgelegenheit. Denn wer nach einem 80-prozentigen Kurssturz von 100 auf 20 EUR kauft, erleidet bei einem weiteren Abrutschen auf 10 EUR einen Verlust von 50 Prozent - auch wenn dieser Rückgang aus Sicht der 100 EUR "nur" weitere 10 Prozent ausmacht. Um also nicht nur zocken zu müssen und darauf zu hoffen, dass sich die Aktie schon irgendwie und irgendwann wieder erholen würde, sollte man auf ihren Wert achten. Denn wenn unsere 20 EUR-Aktie zum Zeitpunkt des Kaufs 30 EUR Wert ist, ist die Aussicht mit ihr Geld zu verdienen wesentlich größer, als wenn ihr Wert nur 10 EUR ausmacht. Klingt wie eine Binsenweisheit, aber da sie (zu) selten beachtet wird und Anleger deshalb sehr viel Geld verlieren, ist sie durchaus ein weiteres Mal erwähnenswert. Und vor allem beachtenswert!
Werfen wir also mal ein Blick auf die Werte, die ich vor zwei Jahren vorgestellt habe: BlackBerry, IBM und TwinTec.
BlackBerry
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BlackBerry (Quelle: comdirect.de) |
Noch immer kämpft der einstige Handy-Pionier mit operativen Problemen, seine Handys haben inzwischen nur noch einen Marktanteil von weniger als 1 Prozent. Man hatte den Trend hin zu Touchscreens völlig verschlafen und ist als Anbieter inzwischen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.
Der neue CEO Chen richtet das Unternehmen zunehmend auf Software und Sicherheitstechnik aus und immerhin verbrennt BlackBerry kein Geld mehr. Zuletzt wagte man sich sogar wieder an die Handy-Produktion und da man nun auch auf Android setzt als Betriebssystem, dürfte man mit seinem innovativen Konzept - die Telefone haben optional eine ausfahrbare Tastatur - insbesondere im Businessbereich punkten können. Der Turnaround ist also noch im Gang, inzwischen jedoch auf einer unternehmerischen soliden Basis.
IBM
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IBM (Quelle: comdirect.de) |
Der Großkonzern zieht sich immer mehr aus dem Bereich Hardware zurück und setzt zunehmend auf Software und cloudbasierte Anwendungen. Hinzu kommt
das kognitive System Watson, mit dem viele Hoffnungen verbunden sind.
Nachdem IBM das vierzehnte Quartal infolge Umsatzrückgänge zu verzeichnen hatte und beim Gewinn sogar die pessimistischte aller Analystenprognosen unterboten hatte, scheint sich hier wenig zum Besseren zu wenden. Allerdings verdient IBM noch immer kräftig und kauft eigene Aktien zurück, so dass sich der Gewinn je Aktie sowie die Dividenden ständig erhöhen. IBM wird daher von vielen Value-Anlegern, ganz vorne mit dabei Warren Buffett, als tolles Investment angesehen, auch wenn der Kurs seit Jahren nur eine Richtung kennt: nach unten. Immerhin... IBM war im Jahr 2015 nicht mehr der schlechteste Dow Jones-Wert, einen Titel, den man 2013 und 2014 unangefochten "erobert" hatte. Der Turnaroud ist hier vielmehr eine tiefgreifende Veränderung des Geschäftsmodells und es scheint nur wenig Gefahr zu bestehen, dass IBM grundlegend straucheln wird. Denn immerhin bedient man fast alle der Top 100-Unternehmen der USA und hat somit eine solide Basis. Ob IBM sich irgendwann doch noch als gutes Investment erweisen wird, bleibt abzuwarten. Und ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass man sich mit einem Einstieg noch Zeit lassen kann, bis die Wandlung auch wirklich Früchte trägt.
TwinTec
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TwinTec (Quelle: comdirect.de) |
Dass es TwinTec noch gibt, ist schon ein Erfolg, denn man stand nur Tage vor dem Exitus. Seitdem gab es zwei Eigentümerwechsel und man hat einen neue CEO, der von der übernommenen Tochter Beaumot stammt und man kann durchaus Erfolge vorweisen. So sind die neuen Abgasreinigungssysteme ziemlich überzeugend und man setzt künftig nicht mehr nur auf Landwirtschaftliche und Industriefahrzeuge, sondern möchte auch im Pkw-Bereich Tritt fassen. Und zwar nicht nur bei der Nachrüstung, sondern möchte auch Erstausrüster für die Abgasnachbehandlung werden. Sich immer weiter verschärfende Abgasnormen, der stärkere Fokus auf der Feinstaubproblematik, auch in China, und natürlich der VW-Abgasskandal bzgl. der Dieselmotoren bieten hier enorme Chancen. Auf der Risikoseite bleibt, dass TwinTec nach wie vor rote Zahlen schreibt, wenn man dem positiven Bereich auch stetig näher kommt. Bisher ist jeder Kurserholungsversuch nach kurzer Zeit wieder abverkauft worden, so dass die Marke von 1 EUR kaum länger als für ein paar Wochen überschritten werden konnte. Nur für Anleger mit erhöhter Risikobereitschaft und langem Atem.
"Value-Investoren sollten bei den hässlichen, versteckten und unbeliebten Aktien suchen."
Doch nicht nur zurück möchte ich blicken, sondern auch verprügelte Unternehmen der Gegenwart mal einer kurzen Betrachtung unterziehen. Denn auch hier finden sich recht interessante Werte.
Drägerwerk Vz.
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Drägerwerk Vz. (Quelle: comdirect.de) |
Drägerwerk ist Marktführer in einem lukrativen und wachsenden Markt, der Schutz- und Sicherheitstechnik. Ob Rettungswesten, Atemmasken, medizinische Geräte oder Anwendungen für den Bergbau, die Lübecker sind mit ihren 13.000 Mitarbeitern immer vorne mit dabei. Und doch gelang es dem TecDax-Unternehmen im letzten Jahr nicht (mehr), Umsatz und Ergebnisse auf die Schiene zu bringen. Insbesondere die aussichtsreichen Auslandsmärkte USA, China und Brasilien machten Probleme, so dass sich unterm Strich der Jahresgewinn auf etwa 2,36 EUR je Aktie knapp halbierte. Als wenn das nicht schon schlecht genug wäre, verschreckte man die Anleger mit immer wieder neuem Verfehlen der eigene Prognosen und verspielte so zusätzlich Vertrauen an der Börse. Neben den Bekundungen, man wolle wieder profitabel(er) werden, lässt man allerdings auch Taten sprechen. So will man die Produktivität deutlich steigern, indem Verwaltung und Produktion gestrafft werden und so soll denn in 2016 ein Gewinn von 4,74 und 2017 von 5,73 EUR je Aktie erreicht werden. Da an Drägerwerk-Produkten eigentlich kaum ein Weg vorbeiführt, können Anleger auf einen erfolgreichen Turnaround setzen und sich ein paar Aktien ins Depot legen. Eine schnelle Rückkehr zu Kursen von über 120 EUR, wie sie im Frühjahr 2015 noch aufgerufen wurden, sollte man jedoch nicht erwarten. So schnell und so hoch dürften die Bäumen nicht (wieder) in den Himmel wachsen.
Eon
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Eon (Quelle: comdirect.de) |
Warren Buffett sagte einmal, mit Energieversorgern würde man nicht reich, aber man bleibe es. Nun, da hatte er noch nicht von der deutschen Energiewende gehört, die zum Großteil für den desaströsen Kursverlauf der Eon-Aktie verantwortlich ist. Der deutsche Energieversorger bietet so ziemlich alles, was momentan nicht angesagt ist: Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke, Öl- und Gaskraftwerke und dazu noch die Beteiligung kommunaler Körperschaften, von Städten und Gemeinden, sowie eine immer stärker zunehmende staatliche Regulierung bei Preisen, Investitionen und Kosten. Einerseits werden die Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur diktatorisch festgeschrieben und dann für einen 5-Jahreszeitraum inkl. linearer Abschmelzung festgeschrieben, andererseits macht der Vorrang erneuerbarer Energien samt subventionierter Festpreise fossile Kraftwerke immer unrentabler, so dass Stilllegen billiger als Betreiben ist - trotz hoher Milliardenabschreibungen. Ein Markt zum Weglaufen! Und das haben die Anleger seit 2008, als die Eon-Papier noch über 50 EUR kosteten, scharenweise getan. Und die Aussichten sind bei aktuell 8 EUR auch nicht rosiger geworden, denn die Gaskraftwerke (selbst die modernsten Europas!) können nicht wirtschaftlich betrieben werden, obwohl der Gaspreis auf Rekordtief notiert. Und der Atomausstieg wird Eon (und EnBW, RWE und Vattenfall) Milliarden kosten - hierfür haben die vier insgesamt 39 Milliarden EUR an Rückstellungen gebildet, die aber pessimistischen Gutachten zufolge evtl. nicht ausreichen werden. Und dann liegen sie auch nicht in Cashform vor, sondern sind in Form von Kraftwerken und Anlagen kapitalgebunden, so dass diese erst verkauft werden müssten, um sie zu monetarisieren. Es können durchaus Zweifel angebracht sein, ob sich er Papierwert dann auch wirklich erzielen lässt und sich hier nicht eine weitere Lücke auftut.
Eon selbst möchte sich aufspalten und hat hierzu zum Jahreswechsel seine konventionellen Parts in die neue Tochter "Uniper" eingebracht und hier noch als Aufhübschung die Wasserkraftsparte sowie den Gasgroßhandel hinzugefügt. Die "alte" Eon soll die neue Ausrichtung zeigen, das Zukunftsgeschäft. Also die erneuerbaren Energien, sie Stromnetze, den Vertrieb. Und auf Druck der Politik auch die Atomsparte. In diesem Jahr soll Uniper als Spin-off abgespalten werden und Eon stünde dann weitgehend "sauber" da.
Das große Risiko bleibt allerdings der Atomausstieg, die Kosten sind schlicht nicht kalkulierbar. Nach der Rechtslage sind die Energieversorger für die Entsorgung zuständig und für Ende Februar ist der Abschlussbericht der Atomkommission vorgesehen, der Klarheit über die Finanzierbarkeit bringen soll. Es scheint ausgeschlossen, dass die Energieversorger über die 39 Mrd. EUR an Rückstellungen hinaus zur Kasse gebeten werden, denn wenn man sich die Eigentümerstruktur von Eon und RWE ansieht, stehen hinter ihnen eben auch zahlreiche deutsche Kommunen und Städte. Und anders als der Bund, der mit Milliardenüberschüssen rechnen kann, stehen die Kommunen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Und das nicht seit der unbezahlbaren Flüchtlingswelle. Die Kommunen sind schlichtweg auf die Dividendenzahlungen der Energieversorger angewiesen, weil sie ansonsten Kindergärten, Bibliotheken und Schwimmbäder schließen müssen. Es dürfte also auf einen Kompromiss hinauslaufen, der den Energieversorgern eine Überlebenschance bietet. Und genau dies ist die Chance für mutige und risikobereite Anleger. Sie legen sich jetzt einige Eon-Aktien ins Depot und setzen darauf, dass die Neuausrichtung gelingt, die Abschreibungen auf Kraftwerke sich künftig reduzieren und sich mit den neuen Geschäftsfeldern wieder gutes Geld verdienen lassen wird.
Hierbei ist Eon seinem Rivalen
RWE vorzuziehen, denn der geht dem umgekehrten Weg bei der Aufspaltung: RWE bleibt das Schmuddelkind, während die Zukunftsgeschäftsfelder mittels einer Kapitalerhöhung an die Börse gebracht werden sollen.
H&R
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H&R (Quelle: comdirect.de) |
Die Spezialchemiefirma erzeugt chemisch-pharmazeutische Spezialprodukte auf Rohölbasis, wie Weichmacher, Weißöle, Paraffine, Druckfarbenöle und Bindemittel und betreibt in Deutschland zwei Raffinerien. Und damit ließ sich in den vergangenen Jahren immer weniger verdienen, vor allem der starke Einbruch beim Ölpreis hatte für zusätzlichen hohen Abwertungsbedarf gesorgt. Doch inzwischen zeichnet sich eine Wende beim operativen Geschäft ab und H&R und obwohl aufgrund der niedrigeren Rohölpreise der Umsatz deutlich zurückging, erzielt das Unternehmen wieder satte Gewinne; die um Sondereffekte bereinigte EBITDA-Marge schnellte wieder auf 8 Prozent hoch und Unternehmenslenker Hansen deutete an, dass H&R das Jahr am oberen Ende der eigenen Prognosen abschließen könne. Evtl. könne die Ergebniserwartung sogar um bis zu 15 Prozent übertroffen werden.
In den nächsten Jahren will Hansen den Internationalisierungskurs mit Fokus auf das stark wachsende Spezialitätengeschäft in Asien deutlich vorantreiben. Zu diesem Zweck hatte der Konzern Ende 2014 bereits 51 Prozent der chinesischen Geschäftsaktivitäten der Hansen & Rosenthal Gruppe übernommen und baute damit sein margenstärkeres Spezialitätengeschäft in Asien ausgebaut. Der Kurs Richtung Asien bringt zwar einerseits Konkurrenz und Margendruck, andererseits aber große Wachstumsmöglichkeiten, so dass der Konzern unterm Strich auf dem richtigen Weg sein dürfte und ab 2017 die Gewinne noch stärker ansteigen sollten.
Einschätzung
Von den drei genannten Werten dürfte H&R die sicherste Spekulation auf einen nachhaltigen Turnaround sein, weil er schon weiter fortgeschritten ist und sichtbare Erfolge zeigt. Eon bietet langfristig das größte Erholungspotenzial, wenn die genannten Entwicklungen denn auch so eintreffen. Auch das Risiko ist bei Eon vergleichsweise hoch. Und bei Drägerwerk bleibt abzuwarten, ob es dem Management gelingt, die (eigenen) Erwartungen wieder zu erfüllen. Dann winken neben starken operativen Verbesserungen auch hier Kursgewinne.
Bei allen positiven Lichtblicken und Hoffnungsschimmern, die man am Horizont erblicken mag, bleibt jedoch immer der Blick auf das Risiko die grundlegendste Tugend. Erst danach sollte man sich den Chancen zuwenden.
"Ein Kurs kann auch auf Null fallen."