Donnerstag, 20. Juni 2019

Rocket Internet nähert sich seinem Börsenende. Wirklich? Und was springt dabei heraus?

Rocket Internet ist eine Startup-Schmiede und ein Venture Capital-Investor. Und auch ein bisschen Beteiligungsgesellschaft, Asset Manager und Vermögensverwaltung. Je nachdem, auf welches Geschäftsfeld man schaut und wie sich CEO, Gründer und Großaktionär Oliver Samwer gerade mal äußert. Denn in seiner noch recht kurzen Lebensgeschichte hat das Unternehmen schon einige Wechsel in der Geschäftspolitik er- und überlebt. Und nun könnte eine weitere Rochade anstehen, denn nach Berichten des Manager Magazins, das sich auf mit der Sache vertraute Personen beruft, verdichten sich die Anzeichen, dass Oli Samwer bei Rocket Internet wieder die Mehrheit erlangen möchte und das Unternehmen von der Börse nehmen will. Sollten sich diese Pläne konkretisieren, stellen sich für die übrigen Aktionäre einige Fragen; vor allem nach einem fairen Preis der Anteile und wie sie das Beste für sich selbst herausholen können...


Aktionärsstruktur


Größter Aktionär ist die Global Founders Capital Management GmbH mit 40,6%, in der die Samwer-Brüder ihre Aktienanteile gebündelt haben. Oliver Samwer selbst hält weitere 3,08% direkt, so dass ihm zusammen rund 44% zuzurechnen sind. United Internet hält 9%, Baillie Gifford & Co. 3,47% und die Union Investment Privatfonds GmbH 2,46%.

Rocket Internet wird bei 26 Euro mit knapp 4 Mrd. Euro bewertet, so dass die ausstehenden 56% 2,24 Mrd. Euro erfordern würde - sofern sie zu diesem Kurs zu bekommen wären. Ob Oliver Samwer und/oder seine Global Founders Capital Management eine solche Summe aufbringen können, ist fraglich. Rocket Internet selbst sitzt nach den vielen Exits von Beteiligungen der letzten anderthalb Jahre auf liquiden Mitteln von mehr als 3,5 Mrd. Euro (inkl. 500 Mio. Euro, die RI an börsennotierten führenden US-High Tech-Unternehmen hält). Und nach Aussage von Oliver Samwer auf der letzten Rocket Internet-Hauptversammlung hätte RI "viel mehr Geld als Ideen" und er habe nun erkannt, dass das Börsenlisting für RI keine/wenig Vorteile bringe. Er wolle lieber wieder als Venture Capital-Geber opportunistisch agieren können.

Die Spekulationen gehen dem entsprechend auch und vor allem in die Richtung, dass Rocket Internets liquide Mittel für den Rückkauf eigener Aktien genutzt werden könnten, wobei Oliver Samwer dann selbst keine Aktien abgibt. Auf diese Weise würde sein Anteil automatisch ansteigen. Wobei nach Aussage des Manager Magazins, das Ziel von mindestens 75% angestrebt würde.


(Rosaroter) Ausblick

Bisher ist Rocket Internet eine absolute Erfolgsgeschichte. Seine viereinhalb jährige Börsengeschichte hingegen ist ein Flop. Denn nach einem holprigen Start aufs Börsenparkett und einem vorübergehenden deutlichen Anziehen des Kurses über den Emissionskurs startete eine bis heute anhaltende Talfahrt, die den Aktienkurs zeitweise deutlich unter die Hälfte des IPO-Preises drückte. Und auch nach dem heutigen kleinen Freudensprung des Aktienkurses liegen Erstzeichner noch immer knapp 40% im Minus.

Spielen wird das Szenario mal durch, dass Oli Samwer 75% der Anteile kontrollieren möchte und dies über einen Aktienrückkauf erfolgen soll. Rocket Internet ist Mitglied im MDAX und als deutsches Unternehmen darf es nicht mehr als 10% der eigenen Aktien besitzen. In einem Schritt wäre es also nicht möglich, auf die gewünschte Beteiligungshöhe zu kommen. Also müsste Rocket Internet ein Aktienrückkaufprogramm auflegen für max. 10% der eigenen Anteile und das müsste mit einem so attraktiven Preis/Kurs versehen sein, dass Aktionäre bereit sind, sich von ihren Anteilen zu trennen. Sollte RI die 10% eingesammelt haben, könnte es diese Aktien vernichten/einziehen, also sein Eigenkapital entsprechend heruntersetzen, und ein weiteres Aktienrückkaufprogramm von max. 10% starten. Und noch eins und noch eins...

Rocket Internet (Quelle: wallstreet-online.de)
Der Haken an der Sache ist (aus Sicht von Oliver Samwer und Rocket Internet als Käufer), dass bei diesem Verfahren ja jeder Aktionär von vornherein weiß, dass es mehrere aufeinander folgende Aktienrückkaufprogramme geben wird. Und dass bei jedem folgenden ein höherer Preis geboten werden muss, um an weitere Anteile zu kommen. Jedenfalls ist davon auszugehen, denn die verkaufswilligen freien Aktionäre würden wohl bereits ganz am Anfang aussteigen, während die "hartgesottenen Endspieler" einfach an Bord bleiben und nicht verkaufen. Und auch United Internet dürfte kaum geneigt sein, zu aktuellen Kursen zu verkaufen, denn man hat für seinen Anteil wesentlich mehr bezahlt (noch vor dem IPO hat man 435 Mio. Euro auf den Tisch geblättert, was heute rund 36 Euro je Aktie entspricht). Daher dürfte es schon in der ersten Runde schwierig sein, an viele Aktien zu kommen, da ja jeder/viele mit künftig höheren Preisangeboten rechnen. Und diese Aussicht könnte sogar noch Abfindungs-Profis auf den Plan rufen wie Scherzer & Co. oder die Deutsche Balaton oder die Shareholder Value AG. Es dürfte also ein zähes, langwieriges Geduldsspiel werden, um die nötigen Aktien zusammenzubekommen. Und dem entsprechend teuer.

Da die Aktien aktuell einen NAV von etwas über 30 Euro aufweisen, wird kein verstandbeseelter Anleger die Aktien Rocket Internet zu unter 30 Euro verkaufen. Insofern sollte schon der erste Aufschlag eines Aktienrückkaufangebots genau das beinhalten: einen Aufschlag. Und schon bei einer nur 15-prozentigen Prämie auf den NAV läge der Angebotspreis bei knapp 35 Euro. Gegenüber einen aktuellen Aktienkurs von 26 Euro bedeutet dies ein Kurspotenzial von knapp 35%.


Alternative 1: Delistingerwerbsangebot?

Rocket Internet könnte natürlich auch versuchen, alles in einem Abwasch zu erledigen durch ein Delistingerwerbsangebot. Delisting bedeutet, die Aktien sind nicht mehr zum Börsenhandel zugelassen oder bei einem Downgrading erfolgt der Abschied aus dem regulierten Markt in den Freiverkehr. Die Entscheidung zu einem Delisting/Downgrading trifft das Unternehmen, also der Vorstand ggf. zusammen mit dem Aufsichtsrat. Eine Delisting-Ankündigung muss mit einem Erwerbsangebot an die Aktionäre seitens des Unternehmens einhergehen.

Ein Delistingerwerbsangebot scheint mir eher unwahrscheinlich, da Samwer ja nur 44% kontrolliert und Rocket Internet ggf. auf Schlag 56% erwerben müsste. Eigentlich müsste Rocket Internet sogar in der Lage sein, alle 100% zu übernehmen, denn theoretisch könnte ja auch Oliver Samwer auf das Angebot eingehen. Das würde das Unternehmen natürlich völlig lähmen für die Zukunft und hoffnungslos überschulden. Außerdem würde man sich mit einer Reihe namhafter Investoren anlegen und wenn dann die Börse Hamburg auch noch die Aktien weiter im Freiverkehr listen würde, würde Samwer niemals an eine große Stückzahl kommen - und sein Ziel soll ja sein, mehr als 75% zu kontrollieren vor/beim Börsenabgang. Angesehen davon, dass sein Ruf in Wirtschaftskreisen dann ernsthaft und dauerhaft ruiniert oder zumindest massiv ramponiert wäre, was ihm die Geschäfte in Zukunft nicht leichter machen würde. Deshalb schätze ich die Wahrscheinlichkeit dieses vermeintlich leichten und schnellen Wegs als eher unwahrscheinlich ein...


Alternative 2: Übernahme des Aktienpakets von United Internet

Vielleicht verfolgt Samwer auch eine Kombinationsstrategie. Er könnte "einfach" United Internet ihr neunprozentiges Aktienpaket abkaufen. UI bzw. seine Tochter 1&1 Drillisch braucht händeringend  Geld wegen des 5G-Netzausbaus, der Milliarden verschlingen wird. Gut möglich, dass Ralph Dommermuth daher neuerdings empfänglich sein könnte für ein Angebot zu einem akzeptablen Preis. Seine ursprünglich bezahlten 36 Euro wären eine wohl gesichtswahrende Preisgrenze. Auf diese Weise käme Samwer auf über 50% und müsste zum gleichen Kurs allen anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen. Das wäre dann im ersten Schritt ein einfacher Weg - allerdings nicht mit dem Geld von Rocket Internet, sondern mit seinem privaten Geld. Im nächsten Schritt könnte RI dann die Aktienrückkaufprogramme von jeweils max. 10% starten und so Samwers Anteil nach oben treiben in Richtung der gewünschten 75% plus X...

Und dann wäre auch ein Delisting irgendwann einmal eine gangbare Option. Wenn auch zu deutlich höheren Kursen als heute.


Meine Einschätzung

Die Geschäfte bei Rocket Internet laufen rund und mit der Global Fashion Group steht das IPO einer weiteren Tochter unmittelbar bevor. RI wird hierbei keine Anteile abgeben und die Mittel aus dem Börsengang werden komplett in die GFG fließen, doch sinkt so der Kapitalbedarf der GFG und somit das "Risiko" von RI, hier weiteres Geld nachschießen zu müssen. Und wie wir bei anderen Beteiligungen gesehen haben, hat RI keine Probleme damit, seine Aktien nach der Lock-up-Frist in den Markt abzugeben; auch höhere Anteilspakete.

Ich sehe aus den Spekulationen heraus keine Nachteile für mich als Rocket Internet-Aktionär. Im Gegenteil: sollte es auf ein bzw. mehrere Aktienrückkaufprogramme hinauslaufen, dürfte dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die stillen Reserven (also der Abschlag des Aktienkurses auf den NAV) gehoben würden und sich der Aktienkurs dem entsprechend positiv entwickelt. Die zusätzliche Nachfrage durch die Aktienrückkäufe löst dabei nicht nur eine positive Verschiebung im Angebots-Nachfrage-Spektrum aus, sondern mit jeder zurückgekauften (und eingezogenen Aktie) erhöht sich nicht nur Oliver Samwers Anteil an Rocket Internet, sondern auch meiner. Und wird dadurch mehr wert je Aktie.

Ich bleibe also gelassen und warte mal ab, was Oliver Samwer und Rocket Internet demnächst konkret präsentieren. Ralph Dommermuth und seine United Internet haben 36 Euro je Aktie gezahlt und das ist aus heutiger Sicht der absolute Mindestpreis, der aufzurufen wäre. Und für mich nur ein Zwischenziel auf dem Weg zu deutlich höheren Kursen...

Disclaimer
Rocket Internet, Scherzer & Co. Shareholder Value befinden sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

5 Kommentare:

  1. Hallo Michael. Ausnahmsweise muss ich mal widersprechen: denn die Rückkäufe muss RI doch bezahlen. Der Wert Deines Anteils erhöht sich also nur dann durch das Rückkaufprogramm, wenn zu Kursen unter dem NAV zurück gekauft wird. Wird zu Kursen über dem NAV zurück gekauft, verliert die Firma Wert - zu Gunsten der scheidenden und zu Lasten der bleibenden Aktionäre. Insofern fände ich es eher logisch, bei einem ersten Rückkaufangebot über dem NAV selbst zu verkaufen und bei ersten Rückkaufangeboten unter NAV an Bord zu bleiben.

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    1. Jein. Du hättest Recht, wenn der Aktienrückkauf innerhalb weniger Wochen über die Bühne gehen würde/könnte. Dann würde quasi Geld in Aktien getauscht und solange RI weniger Geld ausgibt, als die Aktien (NAV wert sind, erzielt man damit noch Rendite. Ab "pari" dann nicht mehr.
      Aber... ich gehe ja davon aus, dass der Aktienrückkauf länger braucht. Und RI hat knapp 200 junge Unternehmen im Köcher, die noch nicht reif sind für einen Verkauf - da könnte noch was heranwachsen. Und man hat die Venture Capital Fonds aufgelegt, wo man nicht nur beteiligt ist, sondern auch für das Management der Fonds Provisionen/Gebühren erzielt. Dadurch fließen RI weitere Gelder zu. Darüber hinaus hat man noch den Jumia-Anteil und auch Traveloka in der Pipeline und ich behaupte mal, dass RI beim Aktienrückkauf zuerst auf freie Liquidität zurückgreift und nicht auf sein 500 Mio-Aktienpaket - hier schlummern also weitere Kursgewinne und damit NAV-Erhöhungen (sofern kein Crash kommt, aber dann könnte RI seine eigenen Aktien ja noch deutlicher unter Wert zurückkaufen, was diesen Effekt wohl kompensieren dürfte).

      In Kurzform: ich gehe davon aus, dass Rocket Internet seinen NAV stetig steigern kann und wird. Und je länger der Aktienrückkauf dauert und ich meine Aktien behalten kann, desto höher wird der NAV steigen und der Preis/Wert meiner Aktien.

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    2. Hallo Michael, danke für die Klarstellung - und ja, das scheint plausibel. Wenn ein Rückkauf von 10% der Aktien tatsächlich zu einem Preisaufschlag von 15% auf den NAV erfolgt, dann mindert das den NAV der dabei bleibenden Aktien auch nur um ca. 1.66% - das kann wohl schnell durch erfolgreiche Exits aufgeholt werden. Bin selbst schon eine Weile bei RI investiert und warte einfach mal ab, was kommt. Gruß Andreas

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  2. tolle Analyse ...weiter so

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  3. Sehr gute Analyse. Allerdings fehlen hier aus meiner Sicht noch folgende Punkte:

    1. Die liechtensteinische Stiftung von Oli Samwer, in welcher sich sowohl Anteile von Rocket als auch einiges an Cash befinden dürfte, welches wahrscheinlich bei den nächsten Kursrückgängen in Rocket-Aktien fließen dürfte.

    2. Völlig außer Acht gelassen wurde das Thema Optionen. Die Samwers und ihre nicht börsennotierten Gesellschaften dürften sich hier in den letzten beiden Jahren zu äußerst günstigen Konditionen eingedeckt haben, bei denen die Ausübungspreise bei 15-25 Euro liegen dürften, wodurch für einen Kauf entsprechend weniger Finanzmittel aufgewendet werden müssten.

    Insgesamt bin ich mir ziemlich sicher, dass eine große Überraschung auf die Altaktionäre zukommen wird und Oli sicher kein Geld verliert. Auch glaube ich nicht, dass die Befindlichkeiten von irgendwelchen Altinvestoren im Vordergrund stehen werden. Das hat Rocket bei einigen Entscheidungen schon des Öfteren bewiesen.

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