Freitag, 12. Juli 2019

Funkwerk steigt bei Euromicron ein. Ein Deal mit Chancen und Nebenwirkungen...

Soso, "meine Neue" Funkwerk zieht also bei "meiner Ex" Euromicron ein. Als die Meldung über die Ticker geisterte, musste ich erstmal schlucken. Funkwerk ist meine erfolgreichste Turnaround-Spekulation und hat sich in den vergangenen Jahren dank neuem Management und neuer Strategie aus einem tiefen Tal der Tränen zurück auf den Erfolgsgipfel heraufgearbeitet. Und Euromicron steht für das genaue Gegenteil: ständige Zukäufe, Neuausrichtungen, Personalwechsel sind das Muster, nachdem das Unternehmen seit 20 Jahren zugrunde dilettiert wird.

Dabei hatte alles so verheißungsvoll angefangen, damals 1998 beim Börsengang an den Neuen Markt. Die Zukunft sah rosig aus und ich war dabei, als Erstzeichner und dann eine zeitlang als Aktionär. Und habe gut daran verdient - einer der wenigen wohl, denn Euromicron ging mit dem Neuen Markt baden und hat seitdem irgendwie nie richtig die Kurve gekriegt, trotz vieler Neustartversuche. Aber nun soll es klappen. Mit der Hilfe des neuen Ankeraktionärs Funkwerk. Ob das was wird...?


Mit Euromicron habe ich mal schönes Geld verdient - zu Zeiten des Neuen Marktes. Seitdem bin ich nicht mehr investiert und Euromicron konnte seit damals auch keine wirklichen unternehmerischen Erfolge vorweisen. Wenn mir der Wert mal unter die Augen kam, dann eigentlich immer nur mit negativen Meldungen über neue Umsteuerversuche.

Nun kauft sich Funkwerk massiv bei Euromicron ein: beide Unternehmen haben eine Investorenvereinbarung zur Zeichnung von bis zu rund 28% der Aktien an der Euromicron AG geschlossen. Die Ausgabe der Aktien soll in Form von Barkapitalerhöhungen in zwei Tranchen erfolgen. Der Bezugspreis wurde bei 3,40 Euro je Aktie festgelegt. Die erste Tranche soll unter Ausschluss der Aktionäre im Rahmen einer Privatplatzierung an die Funkwerk AG in Höhe von 10% des bisherigen Grundkapitals erfolgen. Die zweite Tranche soll zum einen durch Ausübung von Bezugsrechten und zum anderen durch die Zeichnung derjenigen Aktien erworben werden, die nicht von den bisherigen Aktionären der Euromicron AG gezeichnet werden. Der Abschluss des Erwerbs der Aktien aus der zweiten Tranche erfolgt nach der fusionskontrollrechtlichen Freigabe in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich, die für etwa Mitte August 2019 erwartet wird. Die Gesamtkosten der Transaktion für Funkwerk liegen bei maximal rund 10,3 Mio. Euro.


Risiken und Chancen

Euromicron ist ein Sammelsurium an unterschiedlichen Firmen.; inwieweit die Produkte/Angebote/Dienstleistungen zusammenpassen, bin ich mir noch immer nicht wirklich sicher. Aber das ist auch nicht mein Job als Aktionär, sondern das muss der Funkwerk-Vorstand einschätzen können! Schaue ich mir dessen Erfolge bei Funkwerk selbst an, sind diese weit größer, als wohl selbst die Optimisten unter uns je vermutet hätten. "Not", sich gerade bei Euromicron einzukaufen, bestand jedenfalls nicht, daher wird Funkwerk hier eine große Chance wittern. Und wenn man hier dem Vorstand (und dem Großaktionär Hörmann im Funkwerk-Rücken) vertraut und Kompetenz zubilligt, dann bleibt nur eine Frage: "Wann, wenn nicht gerade jetzt"? Denn Euromicron liegt noch am Boden und versucht sich gerade zu berappeln durch Eindampfen der Angebote. Klingt nach Funkwerk vor 5 Jahren. Und zumindest da wissen wir alle, wie es bis heute abgelaufen ist. Wenn Euromicron mit Funkwerks Hilfe auch nur annähernd so eine Erfolgsgeschichte wird, wäre das 'ne echt große Nummer. Der Funkwerk-Vorstand scheint jedenfalls davon auszugehen, denn er hat Euromicron sicherlich auf Herz und Nieren geprüft, bevor er seinen großen Zeh ins Wasser gesteckt hat.

Das finanzielle Engagement ist für Funkwerk kein kleines, aber dennoch überschaubar und kann aus dem Cash-Bestand gezahlt werden. Sollte das Ganze so positiv anlaufen, wie geplant, würde es mich nicht wundern, wenn Funkwerk sich weitere Anteile an Euromicron einverleibt.

Bei der zweiten Kapitalerhöhung sollen die jungen Aktien nämlich zunächst nicht zum Börsenhandel zugelassen werden, was die Nachfrage der Altaktionäre nach den Aktien vermutlich bremsen dürfte. Da Funkwerk diese zweite Kapitalerhöhung garantiert, stehen die Chancen daher nicht schlecht, dass sie ein gutes Stück vom Kuchen abbekommen und daher recht nahe an die 28% herankommen könnten.

Hohe Verschuldung

Die Verschuldung bei Euromicron ist seit längerem Thema und auch ein nicht unerhebliches Risiko. Andererseits bietet gerade hier der Einstieg von Funkwerk als Ankerinvestor und Eigenkapitalgeber doppelt Chancen: eine verbesserte EK-Quote sorgt für bessere Zinskonditionen bei Neu- und Anschlussfinanzierungen und damit hat man hier einen schönen Hebel in nächster Zeit. Und die Bonität dürfte sich auch verbessern, weil Euromicron eben nicht alleine rumwurstelt, sondern nun einen erfahrenen und erprobten Sanierungsspezialisten an Bord hat. Auch das dürfte sich zusätzlich positiv auf die Bonität auswirken und damit positiv auf das Zinsniveau und das Finanzergebnis.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass nach den beiden EK-Maßnahmen als "dritte Stufe" ggf. das Ablösen einer der anderen Fremdfinanzierungen durch eine Wandelanleihe zugunsten von Funkwerk auf der Agenda auftauchen wird. So würde man Funkwerk gemächlich in die Rolle eines Mehrheitsaktionärs führen können, nachdem Euromicron bisher ja 95% Streubesitz aufgewiesen hat.


Funkwerk-Übernahme durch Hörmann

Die neue Entwicklung hat auch Auswirkungen auf meine Überlegungen hinsichtlich einer Komplettübernahme der Funkwerk AG durch Mehrheitsaktionär Hörman. Hier bin ich nun eher der Meinung, dass seitens Hörmann (erstmal) kein Übernahmeangebot für Funkwerk kommen wird. Vielmehr scheint Hörmann die Funkwerk AG ja in der Rolle eines aktiven Konsolidierers zu gefallen und da kann eine eigene Börsennotierung mit der Möglichkeit, Funkwerk-Aktien als Akquisitionswährung einzusetzen, durchaus eine interessante Option sein oder werden.

Diese Überlegungen stellen für mich kein Problem dar, weil die Übernahme für mich immer nur eine Add-on-Option bei meinem Investmentcase war. Und diese Option läuft ja nicht weg, auch wenn ich sie in nächster Zeit für nicht mehr aktuell halte.

»Die Börse ist nur der Marktplatz. Die Wertschöpfung findet im Unternehmen statt.«
(Warren Buffett)

Funkwerk (Quelle: wallstreet-online.de)
Andererseits freut mich diese Aussicht auch, weil Funkwerk eine tolle Entwicklung genommen hat die letzten Jahre und ich gerne hier Aktionär bin. Und bleiben möchte. Denn die Wertschöpfung bei Funkwerk ist unter CEO Schreiber sensationell und ich bemängele ja schon länger die äußerst zurückhaltenden Prognosen, die stets ein- bis zweimal im Jahr angehoben werden müssen und am Ende dann doch noch wieder übererfüllt werden. Bitte nicht falsch verstehen, besser so, als umgekehrt, und mit Gewinnwarnungen hausieren gehen zu müssen! Und der Kursentwicklung hat diese Zurückhaltung auf Sicht ja auch nicht geschadet. Von daher bin ich sehr zufrieden mit der Entwicklung und denke (nun), dass ich es auch noch länger bleiben kann. Als Funkwerk-Aktionär.

Der Investmentcase bei meinem Nebenwertefavoriten für 2019 ist weiterhin intakt. Durch das Euromicron-Engagement steigen die Risiken überschaubar an, die Chancen aber mindestens im gleichen Maß, so dass Funkwerk weiterhin ein sehr attraktives Chance-Risiko-Verhältnis bietet. Besser kann es also kaum laufen.

Nachdem ich neulich am Tag vor der Hauptversammlung bei dem kurzzeitigen "Flash-Crash" unvermittelt noch einige Aktien zu 16 Euro abstauben und am nächsten Tag die attraktive Dividenden kassieren konnte, die der Kurs zwischenzeitlich schon wieder mehr als wettgemacht hat, rangiert Funkwerk als eine der größten Positionen in meinem Depot unter den sechs größten Werten. Und nachdem kürzlich auf der Hauptversammlung die aktuellen Fünfmonatszahlen präsentiert wurden

  • Auftragseingang: 43,8 Mio. Euro (34,9) + 25,5%
  • Auftragsbestand: 81,0 Mio. Euro (65,9) +23%
  • Umsatzerlöse: 33,0 Mio. (27,3) +21%
  • EBIT 4,1 Mio (2,2 Mio) +86,5%

halte ich Kurse von unter 25 Euro für unbegreiflich. Kriegt Euromicron mit Funkwerks Hilfe die Kurve, würde dies zu einem zweiten Turbo für Funkwerk werden können. Auch beim Aktienkurs. Und dann sind auch noch deutlich mehr drin als 25 Euro. Darauf wette ich...

Disclaimer
Funkwerk befindet sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

4 Kommentare:

  1. Hallo,

    und wie sieht es aus mit Euromicron kaufen?

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    1. Für mich ist die Aktie von Euromicron nichts. Ich hatte kein Vertrauen in das alte Management und die ständigen Strategiewechsel und Umstrukturierungen haben nie den gewünschten Erfolg gebracht. Funkwerk hat da eine andere und bessere Einschätzung von aktuellen Management und auch ganze andere Einsichten und Einflussmöglichkeiten. Wenn der Turnaround bei Euromicron klappt, bin ich über Funkwerk mit an Bord, das reicht mir.

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  2. Hallo Michael und danke für die schöne Zusammenstellung zur aktuellen Funkwerk/Euromicron-Thematik.

    Siehst du bei Funkwerk aktuell gute Einstiegskurse oder könntest du dir vorstellen, dass viele Anleger skeptisch bezüglich des Einstiegs bei Euromicron sind und der Funkwerk-Kurs dadurch möglicherweise eine gewisse Zeit nicht vom Fleck kommt oder volatiler wird?

    Als wie wahrscheinlich erachtest du die Idee, dass Euromicron durch die Hörmann bzw. Funkwerk-Beteiligung in konstruktivere Fahrwasser kommen könnte und möglicherweise einen Turnaround schafft?

    Gruß und guten Wochenstart!

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    1. Ohne den Euromicron-Deal habe ich den fairen Wert je Funkwerk-Aktie bei etwa 25 Euro taxiert, daher sind die Aktien auf dem gegenwärtigen Niveau von/um 19 Euro aus meiner Sicht weiterhin attraktiv. Zumal ich von einer Prognoseanhebung im Jahresverlauf ausgehe und einer Übererfüllung der Prognosen.

      Den Euromicron-Deal bewerte ich momentan neutral. Für Euromicron kann es nur gut sein, wenn sie nun Expertise von erfolgreichen Sanierern bekommen und man scheint einige Synergiepotenziale zu sehen zwischen den beiden Firmen. Das wird auf jeden Fall nicht schaden. Daher sehe ich die Euromicron-Beteiligung nicht als Bremsklotz. Und sollte sich bei Euromicron wirklich ein Turnaround einstellen und Funkwerk seine Beteiligung wie geplant - und evtl. sogar noch darüber hinaus - ausbauen, entstünde hier zusätzliches Potenzial.

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