Donnerstag, 11. September 2025

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Deutz: Wandel vom traditionellen Motorenbauer zum breit aufgestellten Systemanbieter

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 17/2025 vom 10.09.2025

Aktien in dieser Ausgabe: Deutz, PVA Tepla, Tonies

Deutz: Wandel vom traditionellen Motorenbauer zum breit aufgestellten Systemanbieter

Die Deutz AG gehört zu den ältesten Motorenbauern der Welt. Das Unternehmen wurde 1864 in Köln gegründet und ist bis heute auf die Entwicklung und Herstellung von Motoren spezialisiert, wobei lange Zeit stand das klassische Dieselgeschäft im Mittelpunkt stand. Doch inzwischen verfolgt Deutz eine deutlich breiter aufgestellte Strategie und machte zuletzt mit einer Übernahme im Rüstungssektor von sich reden.

Deutz ist auf die Produktion von Diesel-, Gas-, Wasserstoff- und elektrifizierten Motoren spezialisiert und fokussiert sich hier insbesondere auf den Leistungsbereich von 10 kW bis 620 kW für den Off-Highway-Markt, wie Landmaschinen, Baugeräte, Stapler oder stationäre Anwendungen.

Das Geschäftsmodell gliedert sich in die zwei großen Bereiche Deutz Classic und Deutz Green. Während Classic für das traditionelle Motorengeschäft mit Diesel- und Gasmotoren bis 16 Liter Hubraum steht, umfasst Green alle Aktivitäten im Bereich alternativer Antriebe. Dazu zählen vor allem Elektromodule, Wasserstoffmotoren und Batteriesysteme. Auf diese Weise möchte sich Deutz vom reinen Komponentenlieferanten zu einem umfassenden Systemanbieter weiterentwickeln, der nicht nur Motoren anbietet, sondern integrierte Lösungen für Off-Highway-Märkte.

Wandel als Strategie

In den letzten Jahren hat das Unternehmen einige tiefgreifende Veränderungen vollzogen. So verkaufte Deutz Anfang 2024 seine Tochter Torqeedo, die Elektroantriebe für Boote herstellt, an Yamaha. Der Schritt war notwendig, weil sich Torqeedo trotz hoher Erwartungen nicht wie erhofft entwickelt hatte und teilweise Probleme mit der Produktqualität aufgetreten waren. Deutz zog damit einen Schlussstrich und konzentrierte die Mittel auf zukunftsträchtigere Bereiche.

Parallel dazu wurde eine Kooperation mit Daimler Truck zur gemeinsamen Entwicklung von Wasserstoffmotoren geschlossen. Diese Partnerschaft zeigt, dass sich Deutz auch im schweren Antriebssegment technologische Kompetenz sichert und den eigenen Übergang in eine CO₂-freie Zukunft vorantreibt. Erste stationäre Motoren auf Wasserstoffbasis wurden bereits entwickelt und auch der Einsatz in Zügen wird erprobt.

Strategisch setzt Deutz seit 2022 auf die sogenannte „Dual+“-Strategie. Sie verbindet den weiteren Ausbau des klassischen Motorengeschäfts mit Investitionen in alternative Antriebe und einer gezielten Diversifikation in neue Geschäftsfelder. Und genau an diesem Punkt wird der Eintritt in den Verteidigungsmarkt sichtbar, der momentan die Fantasie anregt.

Anfang 2025 kündigte Deutz die Gründung einer eigenen Defence-Einheit an, die durch Übernahmen gestärkt werden sollte. Besonders hervorzuheben ist die erst vor wenigen Tagen bekanntgegebene Übernahme der Sobek Group, eines Spezialisten für elektrische Hochleistungsantriebe und Steuerungselektronik. Sobek entwickelt vor allem Komponenten für Drohnen, liefert aber auch Lösungen für Motorsport, Luft- und Raumfahrt sowie Medizintechnik. Das Unternehmen beschäftigt rund 70 Mitarbeitende an mehreren Standorten in Baden-Württemberg und Hessen und erwirtschaftet im Jahr einen Umsatz im unteren bis mittleren zweistelligen Millionenbereich bei zweistelligen Gewinnmargen.

Mit dieser Übernahme verschafft sich Deutz Zugang zu einem hochattraktiven Wachstumsmarkt. Drohnen sind in den letzten Jahren zu einem zentralen Bestandteil moderner Verteidigungsstrategien geworden. Die Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten steigen, und mit ihnen wächst der Bedarf an leistungsfähigen, zuverlässigen und möglichst unabhängigen Antriebssystemen. Sobek liefert genau solche Lösungen und ergänzt die technologische Basis von Deutz. Die Integration bedeutet zugleich einen Schritt weg von der Rolle des klassischen Motorenherstellers hin zu einem Anbieter kompletter Systeme, die Mechanik, Elektronik und Software verbinden. Damit steigt auch die Chance, in weiteren zukunftsträchtigen Segmenten wie Robotik, zivile Drohnentechnologie oder Medizintechnik Fuß zu fassen.

Sobek-Übernahme als Game-Changer?

Die Chancen dieser Neuausrichtung sind vielversprechend. Mit Sobek erweitert Deutz sein Portfolio in einen margenstarken Bereich, während das traditionelle Motorengeschäft eher zyklisch und wettbewerbsintensiv bleibt. Darüber hinaus stärkt die Erweiterung in Richtung Defence das Image von Deutz als innovatives Technologieunternehmen, das auf die Märkte von morgen setzt. Der Einstieg in den Verteidigungsmarkt kann zudem für stabile, langfristige Aufträge sorgen, da staatliche Budgets gerade in diesem Bereich häufig über Jahre hinweg gesichert sind. Auch die Positionierung als europäischer Partner für sicherheitsrelevante Technologien bietet Vorteile, da hier die Nachfrage nach unabhängigen Lösungen gegenüber außereuropäischen Anbietern wächst.

Allerdings sind mit diesem Schritt auch erhebliche Risiken verbunden. Deutz verfügt bislang über wenig Erfahrung im Verteidigungssektor. Die Integration eines vergleichsweise kleinen Spezialisten wie Sobek in ein Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden stellt eine organisatorische Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass das Defence-Geschäft hoch reguliert ist.

Exportgenehmigungen, politische Rahmenbedingungen und internationale Spannungen können Projekte verzögern oder sogar ganz verhindern. Zudem bleibt das Risiko einer Abhängigkeit von staatlichen Budgets, die trotz derzeitiger Steigerungen in Zukunft wieder unter Druck geraten könnten.

Zudem bestehen finanzielle Risiken, denn die Übernahme von Sobek wurde durch Kreditlinien finanziert, ergänzt um eine mögliche Kapitalerhöhung. Damit setzt Deutz auf zukünftige Erträge, deren Realisierung noch bewiesen werden muss. Parallel dazu darf das klassische Geschäft nicht vernachlässigt werden, auch wenn die Nachfrage nach Diesel- und Gasmotoren langfristig sinkt.

Der Übernahmepreis für die Sobek-Gruppe wird etwa das 11-fache des EBITDA des Geschäftsjahres 2025 betragen. Dies führt zu einem Transaktionswert von rund 120 Mio. Euro. Angesichts der jüngsten Transaktionen in der Rüstungsindustrie ist das ein eher moderater Preis, insbesondere angesichts des enormen Wachstumspotenzials in den nächsten Jahren.

Starke Halbjahreszahlen

Mit seinen Zahlen zum ersten Halbjahr 2025 musste sich Deutz nicht verstecken. Trotz eines weiterhin anspruchsvollen Marktumfelds erzielte man deutliche Zuwächse bei Auftragseingang und Umsatz.

Infolge der breiteren Geschäftsaufstellung erhöhte sich der Auftragseingang des Deutz-Konzerns im ersten Halbjahr gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr deutlich um 30,7 % auf 1.034,1 Mio. Euro und der Auftragsbestand summierte sich zum 30. Juni 2025 auf 490,9 Mio. Euro nach 365,9 Mio. im Vorjahr.

Bei einem Absatzrückgang im ersten Halbjahr 2025 gegenüber der ersten Jahreshälfte 2024 um -9,1 % auf 67.440 Einheiten erzielte Deutz im gleichen Zeitraum ein deutliches Umsatzplus von 15,0 % auf 1.007,1 Mio. Euro. Diese gegenläufige Entwicklung ist insbesondere auf durchschnittlich höhere Preise je abgesetzter Einheit infolge der erfolgreichen Portfoliotransformation zurückzuführen. Daneben wirkte sich auch der Umsatzbeitrag von der im Juni erworbenen HJS Emission Technology positiv aus und auch das margenstarke Servicegeschäft blieb mit einem Umsatzplus von 8,7 % auf 274,9 Mio. Euro im ersten Halbjahr ein wichtiger Wachstumstreiber.

Das bereinigte Ergebnis (EBIT vor Sondereffekten) belief sich im ersten Halbjahr 2025 insbesondere bedingt durch ein geringeres Absatz- und Produktionsvolumen und damit einhergehende negativen Skaleneffekten auf 47,1 Mio. Euro (H1/2024: 50,1 Mio.). Dabei wirkten sich der Erwerb von Blue Star Power Systems und die Übernahme der Vertriebs- und Serviceaktivitäten von Rolls-Royce Power Systems in der zweiten Jahreshälfte 2024 positiv auf die Ergebnisentwicklung aus. Geringere, um Sondereffekte bereinigte Forschungs- und Entwicklungskosten, Kosteneinsparungen u.a. durch das Kostenprogramm Future Fit, mit dem die Kostenbasis bis Ende 2026 nachhaltig um jährlich 50 Mio. Euro gesenkt werden soll, konnten die volumenbedingten Ergebnisbelastungen zusätzlich abmildern.

Jahresprognosen bestätigt

"Wir kommen gut voran und erwarten, im laufenden Geschäftsjahr bereits über 25 Mio. € durch unser Future-Fit-Programm einzusparen. Damit steigern wir unsere Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig und schaffen die Voraussetzung für weiteres Wachstum - auch durch Zukäufe", erklärte Deutz-Finanzchef Oliver Neu.

Für das Gesamtjahr 2025 bestätigt Deutz seine bisherige Prognose und erwartet weiterhin einen Umsatz zwischen 2,1 und 2,3 Mrd. Euro sowie eine bereinigte EBIT-Rendite zwischen 5,0 % und 6,0 %. Der Free Cashflow vor M&A soll unverändert im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich liegen.

Diesen Prognosen liegt die Annahme einer leichten Markterholung im zweiten Halbjahr zugrunde, und dass mit Wegfall der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Zollkonflikt durch die Einigung zwischen der EU und den USA insbesondere die im US-amerikanischen Endmarkt bislang vorherrschende Kaufzurückhaltung entfällt. Eine gehörige Portion Unsicherheit geht also mit auf die Reise.

Bullcase vs. Bearcase

Die positive Entwicklung ging auch am Kurs nicht vorbei und dieser markierte zuletzt ein Sechsjahreshoch. Reißt die Erfolgsserie nicht, könnte schon bald die Aufnahme in den MDAX winken.

Quelle: wallstreet-online.de
Die Bewertung erscheint weiterhin attraktiv, denn Deutz notiert trotz der Kurszuwächse unter dem Bewertungsniveau seiner Peergroup. Der Markt nimmt wohl noch immer eine vorsichtige Haltung gegenüber der Margenentwicklung von Deutz ein und preist die neuen Chancen im Bereich Defence noch nicht adäquat ein.

Dabei gehen die vergleichsweise niedrigeren Margen von Deutz und auf die hohen und margenvermindernden F&E-Ausgaben für neue Antriebstechnologien, insbesondere Elektro- und Wasserstoffantriebe zurück. Zudem belasten die in den letzten Monaten deutlich verstärkten Aktivitäten im M&A-Bereich, doch aus beiden Faktoren speist sich mittel- und langfristig Zukunftspotenzial.

Fazit

Deutz befindet sich in einem spannenden Transformationsprozess und nutzt seine industrielle Stärke, um neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Übernahme des Stromgeneratorenherstellers Blue Star Power Systems, die Integration ausgewählter Daimler-Truck-Motoren von Rolls-Royce Power Systems sowie die Übernahmen des Abgasnachbehandlungsspezialisten HJS Emission Technology und von Urban Mobility Systems, einem niederländischen Innovationsführer im Bereich batterieelektrischer Antriebe für Off-Highway-Anwendungen, stärken das Portfolio und eröffnen neue Marktpotenziale.

Mit der Übernahme von Sobek wagt Deutz nun den Schritt in einen Markt, der nicht nur wirtschaftlich attraktiv, sondern auch strategisch hochrelevant ist. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es Deutz gelingt, das traditionelle Motorengeschäft mit den Chancen neuer Technologien zu verbinden und sich dauerhaft als vielseitiger Systemanbieter zu etablieren. Gelingt dieser Spagat, könnte Deutz von einem soliden Motorenbauer zu einem zentralen Player in der veränderten Mobilitäts- und Sicherheitswelt aufsteigen.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Deutz wissen muss

  1. Das Unternehmen verfolgt mit "Deutz Classic" (Diesel- und Gasmotoren) und "Deutz Green" (alternative Antriebe wie Wasserstoff und Elektro) eine Zwei-Säulen-Strategie.
  2. Mit der "Dual+"-Strategie setzt Deutz neben dem klassischen Geschäft und alternativen Antrieben auch auf Diversifikation, etwa in den Defence-Sektor.
  3. Die Übernahme der Sobek Group markiert den Einstieg in den Drohnen- und Verteidigungsmarkt und soll das Unternehmen profitabler und zukunftssicherer machen.
  4. Die Aktie notiert im Peergroup-Vergleich mit einem Risikoanschlag, doch die jüngsten Geschäftszahlen rechtfertigen die Skepsis nicht. Das bietet zusätzliches Potenzial.
Disclaimer: Habe Deutz weder auf meiner Beobachtungsliste noch im Depot/Wiki.

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