Mittwoch, 27. August 2025

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Evotec: Mit Kostensenkungen und struktureller Neupositionierung auf dem Weg zurück in die Erfolgsspur?!

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 16/2025 vom 27.08.2025

Aktien in dieser Ausgabe: Evotec, Hugo Boss, Puma

Evotec: Mit Kostensenkungen und struktureller Neupositionierung auf dem Weg zurück in die Erfolgsspur?!

Die Evotec SE mit Sitz in Hamburg gehört zu den bekanntesten und bedeutendsten Unternehmen der europäischen Biotechnologiebranche. Mit fast 5.000 Mitarbeitenden an über 20 Standorten in Europa, Nordamerika und Asien ist Evotec ein internationaler Player, der auf die Entdeckung, Entwicklung und teilweise auch Herstellung innovativer Medikamente spezialisiert ist. Doch in den letzten Monaten ging es weniger um Forschungserfolge als um finanzielle Herausforderungen, Gerüchte, Vorstandswechsel – und Übernahmespekulationen.

Evotec wurde 1993 als Ausgründung aus dem Max-Planck-Institut gegründet. Ziel war es zunächst, neuartige Technologien zur Hochdurchsatz-Screening von Substanzen in der Arzneimittelforschung zu entwickeln. Ein entscheidender Meilenstein war der Börsengang im Jahr 1999, der Evotec die finanzielle Basis für Expansion und Zukäufe verschaffte. Damit hat das Unternehmen die Höhen und Tiefen des Biotechbooms, des Neuen Markts und eine lange Phase der finanziellen Engpässe miterlebt, in der es viele Umbrüche im Unternehmen gab samt Firmenübernahmen, Spartenverkäufen und wegweisender Kooperationen. Die Globale Finanzkrise und auch die Corona-Pandemie erwiesen sich als ebenso leidvolle Prüfungen, die das Unternehmen aber überwinden konnte. Heute agiert Evotec als Brücke zwischen akademischer Forschung und industrieller Umsetzung und versteht sich weltweit als Partner für Pharma-, Biotech- und Gesundheitsorganisationen. Das Unternehmen ist seit 2009 im TecDAX gelistet und seit 2018 auch im MDAX vertreten.

Geschäftsmodell mit zwei starken Säulen

Das Geschäftsmodell von Evotec basiert auf zwei Säulen. Zum einen bietet man die Unterstützung von Partnern bei der Wirkstoffforschung und präklinischen Entwicklung,

Der Bereich Discovery & Preclinical Development ist das klassische Standbein von Evotec. Das Unternehmen bietet Partnern eine komplette Plattform, um Wirkstoffe von der Idee bis zur präklinischen Entwicklung zu begleiten. Dazu gehören die Target-Identifizierung und Validierung, das Screening von Substanzen (mit automatisierten Hochdurchsatzsystemen), die Optimierung von Leitstrukturen sowie präklinische Tests zur Wirksamkeit und Sicherheit. Zu den Kunden zählen nahezu alle großen Pharmaunternehmen, darunter Bayer, Bristol Myers Squibb, Sanofi und Novo Nordisk, für die Evotec dabei oft die Rolle des "verlängerten Forschungsarms" übernimmt.

Mit der Übernahme von Just Biotherapeutics stieg Evotec zudem in die Entwicklung und Herstellung von Biologika ein. Evotec setzt dabei auf kontinuierliche Herstellungsverfahren, die effizienter, skalierbarer und kostengünstiger sind als klassische Chargenprozesse. Dies macht Just zu einem attraktiven Partner für Unternehmen, die Antikörper oder andere Biopharmazeutika entwickeln und herstellen wollen.

Evotec schließt allerdings nicht nur Auftragsforschungsverträge ab, sondern geht oft strategische Allianzen ein. Dabei teilt man sich die Kosten und Risiken der Wirkstoffentwicklung mit Partnern, erhält aber im Erfolgsfall Meilensteinzahlungen und Lizenzgebühren. Herausragende Beispiele sind Allianzen mit Bayer (z. B. im Bereich Endometriose und Nierenerkrankungen) oder mit Bristol Myers Squibb (in Immunologie und Onkologie). Diese "Co-Ownership"-Strategie erlaubte es Evotec, am potenziellen Erfolg neuer Wirkstoffe zu partizipieren.

Neben Forschung und Produktion baut Evotec zunehmend digitale Plattformen auf, die Daten aus unzähligen Projekten sammeln. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) sollen so Trefferquoten in der Medikamentenentwicklung verbessert werden. Dieser datenbasierte Ansatz gilt als einer der Zukunftspfeiler von Evotec.

Erfolge und Rückschläge im Wechselspiel

Die letzten Jahre waren für Evotec geprägt von einer Mischung aus Wachstum, Transformation und Rückschlägen. Ein echter Meilenstein war die Übernahme von Just Biotherapeutics im Jahr 2019. Mit diesem Schritt erschloss sich Evotec den Markt für Biologika, also biotechnologisch hergestellte Medikamente wie Antikörper oder Enzyme, und positionierte sich mit der Einheit "Just – Evotec Biologics" im wachsenden Segment der Biopharmazeutika.

In den letzten Jahren expandierte Evotec stark in die USA, eröffnete neue Standorte in Seattle, Princeton und Toulouse und ging zahlreiche Kooperationen mit internationalen Pharmafirmen ein. Im Jahr 2023 geriet nach einer Cyberattacke unter Druck. Das Geschäft wuchs zwar, aber die Profitabilität blieb hinter Erwartungen zurück. Als Folge wurde in 2024 das Programm „Priority Reset“ gestartet mit dem Ziel, Kosten zu straffen und der Fokussierung auf margenträchtige Bereiche durch den Verkauf nicht-strategischer Beteiligungen. Pro Jahr sollen so mehr als 40 Mio. Euro eingespart werden.

Zuletzt schloss Evotec mit der Sandoz AG ein nicht-bindendes Term Sheet über den geplanten Verkauf von Just – Evotec Biologics EU in Toulouse an Sandoz. Im Rahmen der Vereinbarung würde Evotec ihre Ressourcen zur Herstellung von Biosimilars übertragen, um Sandoz die Produktion von Biosimilar-Arzneimitteln unter Verwendung der fortschrittlichen kontinuierlichen Herstellungstechnologie von Just – Evotec Biologics zu ermöglichen. Die Vertragsbedingungen sehen eine Gegenleistung für den Standort in Höhe von rund 300 Mio. USD in bar vor, zuzüglich weiterer technologiebezogener Gegenleistungen, künftiger Entwicklungsumsätze, Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen.

Die geplante Transaktion ist ein wichtiger Bestandteil von Evotecs Strategie, ein weniger kapitalintensives Geschäftsmodell zu schaffen, das sich auf margenstarke Angebote stützt, wobei Just – Evotec Biologics weiterhin ein Kerngeschäft von Evotec bleibt. Die Transaktion dürfte unmittelbar zu einer Verbesserung des kurz-, mittel- und langfristigen Umsatzmix, der Gewinnmargen und der Kapitaleffizienz von Evotec führen.

Auch 2025 bringt große Herausforderungen

Die Finanzzahlen spiegeln die Herausforderungen der letzten Jahre wider. 2024 lag der Umsatz bei knapp 800 Mio. Euro, doch die operative Marge war rückläufig. Kernprobleme waren das schrumpfende Discovery-Geschäft sowie hohe Investitionen in den Ausbau von Just. Zudem gab es erhebliche Belastungen durch Währungseffekte und steigende Kosten.

Das erste Halbjahr 2025 brachte keine Besserung, sondern weitere Umsatzrückgänge im Discovery-Segment, während Just zweistellig zulegte. Der Konzernumsatz ging um 5,0 % auf 371,2 Mio. Euro zurück. Dabei fiel der Umsatz im Segment D&PD um 11,0 % auf 269,0 Mio. Euro, was das schwache Marktumfeld für Wirkstoffforschung und die zeitliche Staffelung der Umsätze mit Pharmapartnern widerspiegelt. Das Management hofft auf eine Erholung im Marktsegment D&PD für 2026.Die Umsatzerlöse von Just – Evotec Biologics stiegen um 16 % auf 102,2 Mio. Euro, insbesondere durch ein starkes Wachstum mit Kunden außerhalb der Sandoz-Koopartionen und dem Department of Defense. Das operative Ergebnis (EBITDA) rutschte ins Minus auf -1,9 Mio. Euro und entsprach damit den Erwartungen aufgrund der starken Kostenkontrolle im gesamten Unternehmen.

Für das Gesamtjahr werden Konzernumsatzerlöse in Höhe von 760 bis 800 Mio. Euro erwartet nach 797,0 Mio. in 2024. Der Aufwand für Forschung und Entwicklung soll voraussichtlich zwischen 40 und 50 Mio. Euro und damit unterhalb der 50,9 Mio. aus 2024. Das bereinigte Konzern-EBITDA wird zwischen 30 und 50 Mio. Euro erwartet, nachdem 2024 mit 22,6 Mio. abgeschlossen hatte.

Evotec befindet sich also in einer Phase des strategischen Umbruchs mit reduzierten Eigeninvestitionen in Infrastruktur und einer stärkeren Fokussierung auf Partnerschaften und Lizenzen. Bedeutende Fortschritte gibt bei der strategischen Zusammenarbeit mit BMS im Bereich Proteinabbau, die zu leistungs- und programmbezogenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 75 Mio. USD führten. Zudem gab es wichtige Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit BMS im Bereich Neurologie, die eine Forschungszahlung in Höhe von 20 Mio. USD auslösten. Darüber hinaus erhielt Evotec einen Zuschuss von der Gates Foundation zur Unterstützung der Entwicklung von Therapieansätzen der nächsten Generation für Tuberkulose.

Srategische Neuausrichtung ("Priority Reset")

Insgesamt werden Verkäufe von bis zu 30 Prozent der Beteiligungen abgestrebt mit dem Ziel der Fokussierung auf margenstarke Services und Biologika. So soll die operative Effizienz gesteigert werden und Evotec strebt an, bis 2028 eine EBITDA-Marge von über 20 % und ein jährliches Umsatzwachstum von 8 bis 12 % zu erzielen.

Angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit sind das durchaus ambitionierte Zielsetzungen. Denn Evotec ist Teil eines hochkompetitiven Marktes. Im Segment der Auftragsforschung (CROs – Contract Research Organizations) konkurriert das Unternehmen mit globalen Größen wie IQVIA, Charles River Laboratories oder WuXi AppTec. Im Biologika-Bereich steht Evotec zudem im Wettbewerb mit spezialisierten CDMOs (Contract Development and Manufacturing Organizations) wie Lonza oder Samsung Biologics.

Dennoch hebt sich Evotec durch seine Kombination aus Forschungsplattform und Biologika-Kompetenz ab. Während viele Wettbewerber nur Teile der Wertschöpfungskette abdecken, bietet Evotec Partnern einen integrierten One-Stop-Shop.

Evotec weckt Interesse

Zum 30. Juli 2025 betrug die Gesamtzahl der Stimmrechte 177.766.541. Es gibt drei kannte Großaktionäre: Triton GP HoldCo SARL hält mehr als 10 % der Anteile, Novo Holdings A/S rund 8 % und Mubadala Investment Company etwa 7 %.

Interessant ist dabei, dass Triton Partners erst im November 2024 eingestiegen ist und damals in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC offenbarte, man prüfe Möglichkeiten, das Unternehmen teilweise oder ganz zu erwerben. Dabei habe man sich bei Evotec im Vorfeld einer Übernahme positioniert – was auch andere Kaufinteressenten nicht ausschloss.

Nur kurze Zeit später folgte dann ein Übernahmeangebot von Halozyme, einem 1998 gegründeten Unternehmen aus Kalifornien, das in der Wirkstoffforschung tätig ist mit Schwerpunkt auf Krebsmedikamenten. Doch dieser Übernahmeversuch wurde bereits nach kurzer Zeit wieder abgeblasen, denn die avisierten 11 Euro erschienen dem Evotec-Management als zu niedrig und zudem betonte man die Vorzüge der Eigenständigkeit.

Aufgrund der schwachen Finanzergebnisse und der erforderlichen Umstrukturierung könnten jederzeit weitere Interessenten auftauchen, die Evotec ganz oder teilweise übernehmen wollen. Während Novo Nordisk eher langfristig seine Kooperation absichern möchte, ist Triton bekanntermaßen an einem möglichst hohen finanziellen Erfolg seines Engagement s interessiert.

Bullcase vs. Bearcase

Quelle: wallstreet-online.de
Evotec musste sich – erneut – neu erfinden. Insbesondere die Steigende Nachfrage nach Medikamenten gegen Krebs, Infektionskrankheiten und seltene Erkrankungen eröffnet neue Marktchancen. Dabei sind Biopharmazeutika sind das am schnellsten wachsende Segment der Pharmaindustrie. Just – Evotec Biologics kann hier eine Vorreiterrolle übernehmen. Zudem bieten Digitale Plattformen & KI Potenziale, wo Evotec mit der Auswertung riesiger Datenmengen die Trefferquote in der Wirkstoffforschung verbessern kann und so einen Wettbewerbsvorteil erringt.

Auf der anderen Seite gibt es erhebliche Risiken. Ein wesentliches ist die Abhängigkeit von Partnern, denn fällt ein Großkunde weg, kann dies spürbare Lücken reißen. Auch das schrumpfende Discovery-Geschäft bereitet schon länger Sorgen, denn der Rückgang klassischer Forschungsaufträge gefährdet einen Teil der Einnahmen. Im Gegenzug sind hohe Forschungsaufwendungen nötig, was zu nicht unerheblichen Anfangsverlusten und damit Kapitalbedarf führt.

Des Weiteren können strenge Vorgaben bei Arzneimitteln Projekte verzögern oder ganz scheitern lassen, während die internationale Konkurrenz mit deutlich größerem Kapitalstock hier solider aufgestellt ist.

Fazit

Evotec hat in den vergangenen drei Jahrzehnten eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen: vom kleinen Screening-Spezialisten zu einem globalen Partner für Wirkstoffforschung und Biologika. Heute steht das Unternehmen an einem Wendepunkt. Das traditionelle Discovery-Geschäft schwächelt, doch die Biologika-Sparte wächst rasant. Mit dem Programm „Priority Reset“ hat Evotec die Weichen für eine fokussiertere, profitablere Zukunft gestellt. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, die Kostensenkungen durchzusetzen, neue Partnerschaften zu sichern und die Asset-light-Strategie erfolgreich umzusetzen. Dann könnte Evotec mittelfristig nicht nur finanziell stärker, sondern auch strategisch klarer positioniert aus der aktuellen Transformationsphase hervorgehen. Dabei sind die Chancen, insbesondere im Bereich Biologika und digital unterstützter Wirkstoffforschung, enorm.

Damit zählt Evotec zu den spannendsten Biotech-Unternehmen Europas und das könnte sich auch für risikoaffine Anleger auszahlen. Eine potenzielle Übernahme durch einen Wettbewerber oder einen Finanzinvestor sollte dabei aber nur als Sahnehäubchen angesehen werden und nicht die alleine Basis für ein Investment darstellen. Dieses sollte eher auf dem Glauben an eine erfolgreiche Neupositionierung und das Erreichen der finanziellen Mittelfristziele fußen.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Evotec wissen muss

  1. Evotec ist erfolgreich in Wirkstoffforschung und –entwicklung und bietet innovative Therapien durch seine moderne Technologieplattform.
  2. Über Partnerschaften bieten sich Evotec interessante Perspektiven und attraktive Verdienstmöglichkeiten beim Erreichen von zuvor definierten Meilensteinen.
  3. Das Programm „Priority Reset“ soll Kosten dämpfen und die Margen heben mit dem Ziel, wieder nachhaltig in die Gewinnzone zu kommen.
  4. Die Übernahmefantasie bietet ein zusätzliches Kurspotenzial für spekulative orientierte Anleger.
Disclaimer: Habe Evotec auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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