Ich hatte kürzlich offengelegt, dass ich mich wieder mit einem signifikanten Depotanteil bei PayPal engagiert habe. Dabei habe ich meine Einschätzung verkürzt auf "das vielleicht beste Value-Investment", und damit einige Nachfragen von Blog-Lesern provoziert. Ich greife dies gerne auf und ergänze meine Ausführungen. Vor allem, weshalb ich die (nicht vorhandene) Dividendenausschüttung begrüße und welche Gefahren - und Chancen - ich in der KI-Entwicklung für PayPal sehe...
Beginnen wir mit einer ursprünglichen Aussage: "Zurück in meinem Depot ist PayPal. Der Markt missversteht die Entwicklungen dort komplett und hat die Aktie nach Vorlage der jüngsten Zahlen deutlich abgestraft. Zu Unrecht! Ich musste einfach wieder zugreifen, denn... PayPal könnte "die perfekte Value-Aktie" sein. Steigende Gewinne bei steigender Profitabilität und einer weiter steigenden Kundenzahl von über 400 Mio. aktiven Nutzern. Hinzu kommt ein Free Cashflow von 6 Mrd. USD pro Jahr, der komplett in Aktienrückkäufe gesteckt wird. Dadurch wurde allein in den letzten 12 Monaten die Zahl der ausstehenden Aktien um 7 % reduziert - die unverschämt niedrigen Kurse sind also zusätzlich wertsteigernd für die Aktionäre. Mohnish Pabrai investiert besonders gerne in solche "Cannibals". Das alles heißt natürlich nicht, dass der Kurs ab sofort und dauerhaft steigen wird - diese Entwicklungen finden bereits seit einem Jahr statt. Es bedeutet allerdings, dass das Unternehmen wertvoller wird und damit vor allem der Wert je Aktie deutlich zulegt. Und ich bin davon überzeugt, dass der Kurs irgendwann folgen wird. Ob morgen, nächsten Monat oder nächstes Jahr ist dabei ziemlich egal.. Naja, fast. Ich mag nämlich Kursgewinne und fette Renditen..."
"Erfolgreiches Investieren bedeutet, dass andere deine Meinung teilen – später."(James Grant)
Damit habe ich (auch) Widerspruch geerntet, weil ein üppiger Free Cashflow natürlich auch für Dividendenzahlungen genutzt werden kann und viele Anleger hierauf besonders hohen Wert legen. Daher würde auch die Nachfrage nach der Aktie zusätzlich stimuliert
Ich hab mich mit den Argumenten auseinandergesetzt und sie einem Realitätscheck unterzogen.
PayPal zahlt keine Dividende - und das ist gut so!
Durch eine Dividendenausschüttung fließt Geld real aus dem Unternehmen ab - es wird also weniger wert! Bei Aktienrückkäufen wird Geld in Stammkapital getauscht und wenn maximal der Buchwert bezahlt werden muss für eine Aktie, tauscht man 1 Dollar Geld gegen 1,x Dollar Kapital. Das Geld vermehrt sich also!!!
Die Schlussfolgerung, durch die Aufnahme von Dividendenzahlungen würde der Kurs steigen, ist also nicht fundiert. Sie basiert alleine darauf, dass man eine erhöhte Nachfrage durch Dividendenfans und/oder Dividenden-ETFs nach der Aktie annimmt. Und das ist reine Spekulation, für die es keinen Beweis gibt (für das Gegenteil auch nicht). Zumal man Anleger vergraulen könnte/dürfte, die keine Dividenden haben möchten.
Aus meiner Sicht gibt es für ein Unternehmen vier Möglichkeiten, den (Free) Cash Flow sinnvoll einzusetzen:
- Ins operative Geschäft stecken, wenn nötig und sinnvoll.
- In Firmenkäufe stecken, wenn sinnvoll und wertstiftend.
- In Aktienrückkäufe investieren, wenn die Aktien fair bewertet sind.
- Dividenden ausschütten.
Und zwar in dieser Reihenfolge!
Der Free Cash Flow ist nämlich bereits vom Unternehmen versteuerter Gewinn. Sie hat also bereits Körperschaftssteuer (15 %) entrichtet und darauf Solidaritätszuschlag (5,5 %), also zusammen 15,825 %, sowie ggf. noch oben drauf Gewerbesteuer.
Und bei einer Dividendenausschüttung wird dieser bereits versteuerte Gewinn auf Seite des Aktionärs nochmals versteuert mit Kapitalertragsteuer und ggf. Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag.
Eine Dividende wird also zweimal versteuert, bevor sie beim Anleger ankommt, beim Aktienrückkauf wurde nur einmal Steuer fällig. Wer nun an den Zinseszinseffekt denkt, denkt richtig: denn je weniger Steuern man zahlt und je später, desto mehr Geld kann "compounden" und weitere Erträge erwirtschaften.
Es kann objektiv gesehen also eigentlich keine zwei Meinungen geben, ob Aktienrückkäufe (zu fairen Aktienkursen) oder Dividenden wertschöpfender sind. Subjektiv kann es unterschiedliche Vorlieben geben, weil Anleger verschiedene Anlageziele verfolgen. Völlig legitim.
Ich bin jedenfalls begeistert, dass PayPal zu den gegenwärtigen Ausverkaufskursen massiv eigene Aktien zurückkauft und keinen Gedanken an Dividenden verschwendet. Das kann man später immer noch angehen, wenn der Aktienkurs so weit gestiegen ist, dass Aktienrückkäufe nicht mehr so attraktiv sind. Früher lieber nicht.
Aktienrückkäufe lohnen sich - (nur) bei niedrigen Aktienkursen!
Dabei stimme ich zu, dass die vor einigen Jahren erfolgten Rückkäufe bei Kursen über 200 und 300 Dollar nicht wertschöpfend und ein Fehler waren. Dazu muss man allerdings anmerken, dass damals noch Dan Schulman der CEO war, der PayPal eher verwaltet hat als auf Innovation zu setzen. Der Niedergang des Aktienkurses ist eine direkte Folge seiner schlechten Managemententscheidungen und sein Nachfolger ist Alex Chriss ist noch nicht ganz zwei Jahre im Amt. In dieser Zeit hat er das gesamte Führungsteam ausgetauscht, unprofitables Geschäft abgestoßen bzw. zurückgeschraubt und technologische Innovationen eingeführt. Mit dem Ergebnis, dass PayPal bei den profitablen Umsätzen wieder wächst und mit seinen neuen Produkten punktet. Das wird sich zunehmend auszahlen. Momentan übersieht der Markt die großen Fortschritte noch allzu gerne und starrt einseitig auf die Umsätze, wo unprofitables Geschäft (überwiegend bei den White Label-Lösungen von Braintree) runtergefahren wird, während das margenstarke Business ausgebaut wird. Aber auch die alten unprofitablen Verträge bei Braintree sind irgendwann alle zu Ende und entweder ausgelaufen oder zu attraktiven Konditionen verlängert worden. Dann "fehlt" dieser Umsatzrückgang im Zahlenwerk und legt den wahren Erfolg offen. Ab welchem Quartal sich dieser "Augenöffner" einstellt, weiß ich nicht genau. Aber allzu lange kann es nicht mehr dauern...
Die Entwicklungen im KI-Bereich sind ein Risiko - und eine Chance!
Eine weitere Sorge ist, dass die Entwicklungen im Bereich KI seitens Apple, Google oder Microsoft eine Gefahr für das Business Model von PayPal sein könnten, weil das Technologieunternehmen PayPal sein Geld nicht ins operative Geschäft steckt, da es hier anscheinend weder nötig und/oder sinnvoll scheint - und das, obwohl so viele starke und aktive Player am Markt sind.
Und diese Sorgen sind natürlich nicht unbegründet. Doch sie werden von PayPal adressiert. So nutzt PayPal ja selbst KI zur Verbesserung seiner Angebote und für neue Produkte. Aktuell monetarisiert PayPal seinen riesigen Kundenbestand besser, schafft aber auch neue Modelle/Wege, wie zum Beispiel mit PayPal World. Nutzer sollen mit ihrer gewohnten Wallet oder lokalen Bezahlsystem (zum Start sind das UPI in Indien, Mercado Pago in Lateinamerika, Venmo in den USA) künftig weltweit bei Millionen von Händlern bezahlen können. Egal, ob online, stationär oder demnächst im Rahmen KI-gestützter Kaufassistenten (die Google und Amazon ja zunehmend Probleme bereiten). Für Händler bietet PayPal World den Zugang zu Milliarden Konsumenten, ohne dass sie technische Zusatzintegrationen leisten müssen; bestehende PayPal- oder Venmo-Checkouts werden automatisch kompatibel mit weiteren Wallets, die kompatibel zu PayPal World sind.
Nun der zweite Clou: Händler erhalten mit PayPal World sofort Zugriff auf nahezu zwei Milliarden potenzielle Kunden weltweit und sobald weitere Partner dem Netzwerk beitreten auch auf diese. Je mehr Wallets integriert werden, desto attraktiver wird PayPal World für alle - hier schlummert also ein enormer Netzwerkeffekt und auf Seiten von PayPal bietet sich hier eine starke Skalierbarkeit mit leicht ausbaufähigen Margen (und damit Gewinnen!).
PayPal wird zumeist als Opfer dargestellt, dem Mastercard/VISA und die neuen Player Apple, Google usw. die Kunden und/oder das Businessmodell streitig machen. Mit PayPal World hat PayPal den Spieß umgedreht und will sich als Infrastrukturprovider für grenzüberschreitenden digitalen Handel etablieren. VISA und Mastercard verdienen hier gewaltige Margen und die stehen von allen Seiten und seit Jahr(zehnt)en in der Kritik. Und nun schafft PayPal World eine vergleichsweise und sofort verfügbare Alternative.
"Deine Marge ist meine Chance."(Amazon-Gründer Jeff Bezos)
Mit PayPal entsteht eine neue Supermacht im Digitalen Zahlungsmarkt - aus einem kleinen Riesen wird ein riesengroßer...
Meine Einschätzung
Unter seinem (nicht mehr ganz) neuen CEO Alex Chriss macht PayPal (fast) alles richtig. Man setzt wieder auf Innovation, fokussiert sich auf Profitabilität statt auf unwirtschaftliches Umsatzwachstum und man stärkt seine Stärken, während man die Schwächen behebt.
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Quelle: wallstreet-online.de |
Die Börse neigt zu Übertreibungen, doch langfristig kehrt sie immer zum fairen Mittelwert zurück. Im Corona-Hype wurde PayPal massiv hochgejubelt, anschließend zum siechenden Todesaspiranten niedergeknüppelt. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, aber der Kurs spielt noch die Todesblues. Doch PayPals Herz schlägt und wirkt kerngesund. Die Wiederauferstehung ist also nur eine Frage der Zeit. Und Zeit (bzw. Geduld) ist einer der Kernfaktoren für den langfristigen und überdurchschnittlichen Börsenerfolg.
Disclaimer: Habe Amazon, Mastercard, Microsoft, PayPal auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
Oft kommen ja auch noch kleine Dinge ins Spiel, wie z.B. derzeit das Datenleck, was dann kursrelevant sein kann. Ob Aktienrückkäufe oder alternativ Dividenden ausschütten, da bin ich auf Deiner Seite. Allerdings werden die (hoffentlich) erzielten Kursgewinne beim Verkauf der Aktien steuerlich leider auch relevant.
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