Dienstag, 4. August 2015

Steuern die Versicherer auf massive Kapitalerhöhungen zu?

Seit einiger Zeit schon stehe ich den Versicherungsaktien skeptisch gegenüber und warne vor den sich immer mehr zuspitzenden Problemen der Assekuranzen. Dabei geht es vor allem um die Lebensversicherungen, aber auch um die Rückversicherer, denen beiden das Geschäftsmodell weggebrochen ist aufgrund des dauerhaft niedrigen Zinsniveaus.

Vordergründig "locken" die Aktien mit niedrigen KGVs und hohen Dividendenrenditen, aber es sind zunehmend offensichtlich Value Traps. Nachdem zuletzt die Ratingagentur Moody's gewarnt hat, die deutsche Lebensversicherungsbranche sei die riskanteste der Welt, weil in kaum einem anderen Land die Garantiezusagen zu hoch und der Anlagenmix so ungünstig sei. Auch Sandard & Poors wies darauf hin, dass die Profitabilität der Lebensversicherer stärker und nachhaltiger leide als bisher in den Jahresabschlüssen erkennbar sei. Je mehr Altverträge die Anbieter in ihren Beständen hätten, um so größer sei die Gefahr für die Unternehmen.

Nun hat der Ausschuss der Europäischen Zentralbank für Systemrisiken (ESRB, European Systemic Risk Board) eine EU-weite Auffanglösung für Lebensversicherer gefordert, denn die Probleme seien nicht nur auf deutsche Lebensversicherer beschränkt. Man fürchtet, dass viele Lebensversicherte ihre Verträge wegen der schwachen Renditen vorzeitig kündigen könnten und die Lebensversicherer dann in großem Umfang Anleihen an der Börse verkaufen müssten. Das würde zu hohen Kursverlusten führen und mitunter sogar zu einer Panik, da Anleihen bei vielen Investoren eigentlich als sicherer Hafen gelten...

Neben dem Niedrigstzinsniveau machen auch die neuen Regelwerke ("Solvency II") den Versicherern zu schaffen. Künftig müssen Versicherungen nämlich ihre Kapitalanlagen stärker mit Eigenkapital unterfüttern, also ähnlich wie bei den Banken ("Basel III"). Wie schwer sich die Assekuranzen damit tun, zeigt eine Erhebung der Finanzaufsicht BaFin, nach der fast die Hälfte der 87 Unternehmen aus der Branche Ende des vergangenen Jahres an den von 2016 an geltenden „Solvency II“-Vorschriften gescheitert wäre.

Damoklesschwert Zinszusatzreserve
Des Weiteren müssen Versicherer seit 2011 eine sog. Zinszusatzreserve aufbauen. Um die Garantien laufender Lebens- und Rentenversicherungsverträge abzudecken, müssten die Unternehmen diese Zinszusatzreserve bis zum Jahr 2024 von bislang gut 21 Milliarden Euro im schlimmsten Fall auf rund 150 Milliarden Euro aufstocken. Doch schon heute zehrt die Zinszusatzreserve an den ohnehin sinkenden Überschussbeteiligungen der Lebens- und Rentenversicherungen und für die Kunden würde die Rendite immer unattraktiver werden.

Konsequenzen
Wenn man sich diese Szenarien anschaut, bleiben eigentlich nur zwei Auswege übrig - und eine daraus resultierende zwangsläufige Folge. Einerseits werden die Versicherungskonzerne ihre Dividenden senken müssen, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Und darüber hinaus werden sie nicht umhin kommen, ihr Eigenkapital deutlich zu erhöhen. Sie werden also gezwungen sein, umfangreiche Kapitalerhöhungen durchzuziehen. Die Folge hieraus wird sein, dass die Aktienkurse der Versicherungsunternehmen stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Man braucht sich nur die Kursentwicklungen der Aktien von Commerzbank oder Deutsche Bank in den letzten Jahren anzusehen, die von immer neuen Kapitalerhöhungen gezeichnet sind und Anlegern die Tränen in die Augen treiben.

Ich bleibe dabei: Versicherungsaktien sind eine Value Trap und Anleger sollten die noch hohen Aktienkurse dazu nutzen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Es ist kaum etwas anderes vorstellbar, als dass die Aktienkurse der Versicherungen ein ähnliches Schicksal nehmen wie die der großen Energieversorger Eon und RWE. Einzig ein schneller und nachhaltiger massiver Zinsanstieg in der Eurozone könnte die Versicherungen vor diesem Schicksal bewahren. Doch wer will auf so etwas Aussichtsloses schon wetten? Eben. Und deshalb ist jeder in Versicherungsaktien angelegte Euro unter Chance-Risiko-Aspekten einer zu viel.



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4 Kommentare:

  1. Danke für den aufschlussreichen Artikel. Sollte man auf jeden Fall im Auge behalten.
    Mit welchem Zeithorizont rechnest du hier?
    Wenn ich mir die Quartalszahlen anschauen, gibts offensichtlich noch keine derartigen Probleme.
    Gruß
    Alex

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    1. Die Prämisse ist, dass sich das Zinsniveau in der Eurozone nicht erhöht. Der Zeithorizont ist dann ab sofort mit zunehmender Tendenz. Denn die volle Wucht des Problems trifft die Branche ja nach und nach, sie hat ja mittel- und langfristige Anlagen, die vergleichsweise hohe Zinsen abwerfen. Diese laufen aber aus, manche heute, andere erst in Zukunft. Aber anstatt der mittel und hohen einstelligen Renditen bekommen die Versicherungen dann bei der Wiederanlage der Gelder nur magere Zinsen unterhalb von 1% (10-jährige Bundesanleihen). Sie haben ihren Kunden aber langfristige Mindestrenditen versprochen, die teilweise bei über 5% liegen und die müssen dann von immer weniger alten Hochprozentern erwirtschaftet werden, weil die neuen Geldanlagen in Anleihen fast nichts mehr abwerfen. Es sei denn, die Versicherer erhöhen das Risikoprofil ihrer Anlagen, nehmen also Mittelstandsanleihen ins Depot mit dem entsprechend höheren Ausfallrisiken. Oder suchen sich ganz neue Geschäftsfelder, wie die Allianz, die Tank&Rast übernimmt.

      Mit jedem neuen Quartalsbericht wird dieses Problem zunehmen, zumal ja die Aufsicht selbst immer höhere Reserven einfordert, was die Versicherungen zusätzliche Rendite kostet, da dieses Geld ja nicht für Anlagen und Renditeerzielung zur Verfügung steht. Die Versicherungen sind also von zwei Seiten unter Druck und der Druck nimmt ständig zu, je länger die Niedrigzinsphase anhält. Wie bei einem Flaschenhals...

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  2. Ja Tanj&Rast war auch grad mein Gedanke. Also muss das Geld umgeschichtet werden in rentierlichere Assets. Darauf sollte also bei den Bilanzen ein Auge geworfen werden.
    Danke dir für den Hinweis.
    Gruß
    Alex

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    1. Richtig. Die zusätzliche Schwierigkeit für die Versicherer ergibt sich allerdings aus den neuen Solvency II-Regeln, weil sie für verschiedene Assetklassen dann mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Was wiederum die Rendite insgesamt schmälert.

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