Samstag, 12. März 2022

Kissigs Kloogschieterei: Kurze Gedankenspiele über Inflation, Lieferengpässe, Zinsen, Krieg, Sanktionen, Energiepreise und Rezessionsängste

Die Börsen taumeln und kassieren einen Wirkungstreffer nach dem anderen, seit Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat. Dies hat eine Reihe von schwerwiegenden Ereignissen mit teilweise gravierenden Folgen losgetreten, aber auch bereits bestehende Problemfelder zementiert. Die Auswirkungen sind bisher kaum abzuschätzen, weder die kurzfristigen, noch die mittel- und langfristigen.

Dennoch muss man sich als Anleger entsprechende Gedanken darüber machen, auch wenn sich die Nachrichten- und/oder Faktenlage schnell wieder ändern kann und dem entsprechend alte Einschätzungen über Bord geworfen und neue Überlegungen angestellt werden müssen. Zumal die Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft nicht zwangsläufig auch die selben sind wie auf die Börsenkurse...
 
Ich skizziere mal meine Gedanken zu einigen Teilaspekten, wie die Lage sich vor Kriegsausbruch darstellte, wie sich verändert hat und wie die Auswirkungen auf kurze, mittlere und lange Sicht sein werden. Dabei ist natürlich klar, dass meine Überlegungen unschärfer werden, je weiter sie in die Zukunft blicken.

"Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung."
(John Maynard Keynes)

Ein wirklich starkes Zitat. Allerdings kommt es natürlich auch auf die Relevanz der Veränderungen an. Fakten ändern sich ständig, man muss darauf nicht laufend reagieren. Wenn sich der Wind dreht, ist das ein Faktum und es herrscht eine neue Lage vor. Aber die Relevanz ist unterschiedlich einzustufen, je nachdem, ob nur ein laues Lüftchen weht oder ein Sturm aufzieht.

Die Relevanz der Veränderungen versuche ich daher in meine Überlegungen mit einzubeziehen. Das ist leichter gesagt als getan, weil sich zurzeit so viele Parameter im Fluss befinden, dass man schnell den Überblick verlieren kann. Und ich gehöre auch nicht zu den "Perma-Bären", zu den Crash-Propheten, die aus jeder negativen Entwicklung gleich ein Weltuntergangsszenario erspinnen. Ich bleibe grundsätzlich positiv eingestellt. Doch wie heißt so schön: "Ein Realist ist ein Optimist, der nachgedacht hat". Daher möchte ich mir über die "neue Realität" klar werden.

Dabei erhebe ich keinen Anspruch darauf, mit meinen kurzfristigen Überlegungen richtig zu liegen oder alle Aspekte auf dem Schirm zu haben. Dazu ist zu viel in Bewegung. Ich erhoffe mir vielmehr einen Gedankenaustausch mit euch, um für mich zu besseren und fundierteren Ansichten zu gelangen. Denn ich bin mir über die Auswirkungen noch keinesfalls im Klaren. Auch das ist Teil meiner Schlussfolgerungen, die am Ende stehen (müssen).

!!! Des Weiteren möchte ich noch eine Einschränkung machen: ich konzentriere mich bei meinen Ausführungen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen; dadurch kommt der menschliche Aspekt, die Grausamkeit und das Leid des Krieges bestimmt zu kurz. Ich bin dafür nicht blind und auch nicht gleichgültig. Aber an dieser Stelle sind sie nicht "mein Thema" und ich werde sie nicht immer erwähnen; auch an den Stellen nicht, wo es eigentlich angebracht wäre. !!!

1. Inflation

Die Inflation hat uns eingeholt. Lange Zeit haben die Notenbanken den Geldhahn bis zum Anschlag aufgedreht und die Wirtschaft und die Börsen mit Liquidität geflutet. Wir erlebten keine "normale" Inflation, sondern eine Inflation der Assetpreise. Immobilien und Aktienkurse haussierten, die Preise für Waren und Dienstleistungen blieben eher stabil. Der Coronaeinbruch der Wirtschaft hat sich in vielen Bereichen sogar zu einem Wachstumsimpuls entwickelt, während einige Branchen (Tourismus, Events, Gastronomie, Reisen, Fliegen) seit zwei Jahren am Boden liegen.

Doch vor einem Jahr begannen die Preise für Rohstoffe und Baumaterial kräftig zu klettern infolge gestörter globaler Lieferketten und weil in der Coronaanfangszeit die Produktion vielerorts massiv heruntergefahren worden war. Der Chipmangel mit den sich hieran anschließenden Produktionsausfällen, wie bei Hardwareherstellern und Autoproduzenten, ist nur ein Sinnbild für die vielen Engpässe.

2. Störungen der globalen Lieferketten

Damit sind wir gleich beim zweiten Problemfeld. Die Störungen sind hartnäckig und dauern schon lange an. Ursachen gibt es viele. In den Häfen (vor allem in China) gab es immer wieder starke Coronaausbrüche und die Häfen wurden daraufhin geschlossen. Daher stauten sich davor die Containerschiffe; sie wurden nicht ent- und wieder beladen. Dadurch verlängerten sich die Zeiten, die für eine Lieferung nötig ist, und damit sank die Verfügbarkeit für Container und Schiffe, während gleichzeitig die Kosten in die Höhe schnellten (die Frachtraten).

Da es immer öfter zu Produktionsausfällen in Fabriken kam und auch an Land Logistikstörungen auftraten (Lkws, Bahn), konnten entladene Container nicht mehr wie üblich voll beladen werden. Die durchschnittlich transportierten Mengen sanken also. Teilweise blieben Container komplett leer und wurden in den Häfen gestapelt - sie fehlten also für den Transport.

Darüber hinaus sind die Coronaeinschränkungen für die Seeleute eine enorme Belastung. Sie sind monatelang von ihren Familien getrennt und dürfen oft in den Häfen nicht an Land. Teilweise werden sie nicht bezahlt. Viele von ihnen verlängern ihre Verträge daher nicht und somit gab und gibt es erhebliche Personalengpässe.

Experten sehen Entspannung an der Lieferfront und gehen davon aus, dass sich die Lage im zweiten Halbjahr 2022 deutlich entspannt. Aber...

Der Ukrainekrieg ist ein neuer Störfaktor. Europas Logistikrouten hängen oft von der Ukraine ab, da wird es Umwege, Verzögerungen und Kostenexplosionen geben. Die Häfen der Ukraine sind dicht, das betrifft nicht nur die Getreideexporte. Des Weiteren wurden vom Westen Sanktionen gegen Russland und russische Unternehmen verhängt. Unser Luftraum ist für russische Flugzeuge gesperrt, das sorgt ebenfalls für Unwuchten in den globalen Lieferketten.

Und dann erleben wir die größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem zweiten Weltkrieg. In der Ukraine leben 40 Mio. Menschen und einige Millionen von ihnen fliehen in Richtung Westen. Viele der Lkw-Fahrer auf unseren Straßen sind Ukrainer und die fehlen nun. Weil sie zu den Flüchtlingen gehören oder weil sie ihr Land verteidigen.

3. Sanktionen

Der Westen hat beispiellose Sanktionen gegen Russland, russische Unternehmen, Putin und Putins Oligarchenfreunde verhängt. Die Vermögenswerte der russischen Zentralbank wurden eingefroren (Gold, Dollar, Euros) und sie damit um knapp 80% ihrer verfügbaren Reserven gebracht, die sie zur Stützung des Rubels hätte einsetzen können. Des Weiteren wurden die wichtigsten russischen Banken vom Swift-System abgekoppelt, so dass sie keinen Zugang zum (westlich dominierten) Weltfinanzsystem mehr haben. In der Folge beenden viele westliche Konzerne ihr Engagement in Russland. Sie schließen ihre Filialen und stellen die Geschäfte ein. Microsoft, Apple, Starbucks sind nur einige der bekanntesten.

Die USA haben einen Bann über russische Energie verhängt und den Import russischen Öls und Gases eingestellt/ verboten. In Europa und vor allem in Deutschland tut man sich damit deutlich schwerer, weil Europa von russischem Gas (und Diesel) anhängig ist. In Deutschland hat russisches Gas einen Marktanteil von 40%.

Die Gegenmaßnahmen Putins sind das Verbot, ausländische Währung aus Russland ausführen und auch Produkte und Lebensmittel dürfen nicht mehr exportiert werden. Energie ist davon weitgehend ausgenommen, aber die westlichen Konzerne kaufen dennoch kein russisches Öl mehr.

Und die Sanktionsspirale dreht sich weiter.

4. Energiepreise

Die Energiepreise waren bereits seit Sommer 2021 kräftig gestiegen und die Gasspeicher in Deutschland weitgehend geleert. Russland kam seinen Lieferverpflichtungen nach, erhöhte die Lieferungen aber auch nicht. Wegen des Coronaausbruchs und des Einbruchs der Wirtschaft waren die Energiebestellungen Deutschlands und Europas deutlich zu niedrig. Dumm gelaufen/ gemacht.

Die Öl- und Gaslieferungen nach Europa waren Putins Drohkulisse, um den Westen milde zu stimmen. Aber nun läuft es anders als bei der Annektion der Krim vor einigen Jahren. Der Westen rückt zusammen und zeigt Putin die Zähne. Mit einem Lieferstopp für russisches Erdgas würden beide Seiten verlieren. Europa, weil es von Erdgas abhängig ist und nicht ohne weiteres woanders die benötigten Mengen herbekommt, selbst zu viel höheren Preisen nicht. Und Russland, weil die Gaslieferungen die einzige Möglichkeit sind, überhaupt noch an Devisen heranzukommen.

Europa muss sich also auf längere Zeit hohe Energiepreise einstellen. Die USA sind hier in einer günstigeren Lage, weil sie inzwischen der größte Ölproduzent der Welt sind und auch zu den größten Gasproduzenten zählen. Dank des Frackingbooms. Sie wollten schon lange Europa und vor allem Deutschland ihr LNG als Ersatz für russisches Erdgas aufschwatzen, aber das war bisher unwirtschaftlich teuer. Jetzt nicht mehr. In den USA werden an der Westküste neue LNG-Terminals gebaut, weitere LNG-Transportschiffe werden geordert und Deutschland hat nach Jahren des Zögerns über Nacht beschlossen, nun gleich zwei LNG-Terminals zu erreichten.

Der Gaspreis ist extrem gestiegen in Europa, während er in den USA vergleichsweise nur moderat zugelegt hat. Daraus ergibt sich natürlich ein dauerhafter erheblicher Wettbewerbsvorteil für heimische US-Unternehmen auf dem Weltmarkt.

5. Rezessionsgefahr

Europa steht vor einer Flüchtlingskrise und vor einem Preisschock, der die Inflation nicht nur kräftig antreibt, sondern wohl längere Zeit auf hohem Niveau halten wird. Die USA sind hier wieder deutlich geringer betroffen.

Viele Unternehmen beenden ihr Russlandengagement, was zu erheblichen (einmaligen) Abschreibungen führt. Uniper ist so ein "Paradebeispiel", aber eben auch kein Einzelfall. Hier sind die global aktiven Unternehmen besonders betroffen. Und natürlich der Finanzsektor; die Banken haben Kredite in Russland und an russische Unternehmen vergeben und diese können/ müssen sie nun abschreiben. Aber auch indirekt sind sie betroffen.

Nehmen wir Oligarch Roman Abramowitsch. Er unterliegt den westlichen Sanktionen, seine Vermögenswerte sind eingefroren oder werden eingezogen. Er ist Eigentümer des Champions League-Siegers FC Chelsea. Obwohl Abramowitsch den Club zum Verkauf gestellt hat, ist der FC Chelsea von den Sanktionen betroffen. Sie dürfen zwar spielen, aber nicht auf dem Transfermarkt tätig werden. Sie dürfen keine Tickets für Heimspiele verkaufen, mussten ihren Fanshop schließen usw. Ein krasser Wettbewerbsnachteil, der den Wert des Clubs mächtig sinken lässt. Und damit die kreditgebenden Banken unter zusätzlichen Stress bringt.

Der FC Chelsea und Fußball sind nur ein Beispiel, wo die Sanktionen gegen russische Oligarchen Unternehmen und Banken in der zweiten Reihe treffen. Das gleiche gilt für Basketball, Football usw.

Es werden zur Zeit also viele Werte "gerupft", es wird vieles umgeschichtet und viele Unternehmen werden Bereinigungen in ihren Bilanzen vornehmen müssen. Neben den einmaligen Abschreibungen kommen dann auch die fehlenden laufenden Einnahmen hinzu. McDonald's schließt alle seine 850 Filialen in Russland. Das geht nicht spurlos an der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung vorüber. Und wird die Aktionäre, wenn denn die konkreten Auswirkungen in den Quartalsberichten aufschlagen, überhaupt nicht froh stimmen.

Nach dem Coronaboom sind in 2021 die Zuwachsraten wieder auf Normalniveau geschrumpft. Das war absehbar, das war bekannt. Und trotzdem haben die Anleger dies vor allem bei den High-Growth-Aktien als Wachstumsschwäche interpretiert. Seit einem Jahr befinden sich viele dieser ehemaligen Börsenhighflyer auf Kurssturzflug und haben oft mehr als 50%, manchmal sogar über 75% eingebüßt. Es ist daher durchaus möglich, dass es auch bei Standardwerten zu deutlichen Kurseinbrüchen kommen wird, wenn die Auswirkungen konkret in den Unternehmenszahlen niederschlagen.

Gerade in den USA hängt vieles (fast alles) vom privaten Konsum ab. Die starken Kursgewinne an der Börse haben viele Amerikaner mit Geld versorgt. Das läuft aber schon länger nicht mehr. Und die Amerikaner setzen bei der Altersvorsorge stark auf Aktien. Wenn die Kurse weiter taumeln und das nicht nur bei High-Growth-Aktien, kann dies zu Konsumzurückhaltung führen. Das wäre zwar preisdämpfend, aber eben auch konjunkturschädlich.

6. Zinsen und das Dilemma der Notenbanken

Die Notenbanken sehen als eines ihrer Hauptziele Preisstabilität an und die hohen und steigenden Inflationsraten rücken damit immer stärker in den Fokus. Es war ausgemachte Sache, dass die Fed im März mit der Zinswende beginnt und die Zinsen in nächster zeit merklich anhebt. Die EZB hinkt hier etwas hinterher; hier rechnet man mit einem ersten Zinsschritt gegen Ende 2022.

Der Kriegsausbruch und die sich merklich abkühlende Konjunktur wird nun zum zusätzlichen Problem. Die Inflation ist heute hoch, Zinsveränderungen der Notenbanken erzielen nach rund 18 Monaten ihre Wirkung. Wer also heute die Zinsen anhebt, erzeugt im Herbst 2023 Veränderungen in der Wirtschaft.

Insofern kommen Zinsanpassungen der Notenbanken immer (!) zu spät. Und sie bekämpfen nicht das eigentliche Problem, sondern sie schaffen durch den Zeitverzug neue - in der Zukunft. Daher sind sie eher psychologischer Natur. Und Börse (und Wirtschaft) besteht nun mal zu 90 % aus Psychologie.

Stoppen die Notenbanken ihre Anleihekäufe, entziehen sie dem Markt Liquidität. Damit erhöhen sie das Zinsniveau am Anleihemarkt und senken die Nachfrage nach Aktien. Erhöhen die Notenbanken die Zinsen, signalisieren sie damit, dass es ein Problem gibt. Sie machen die Kreditaufnahme für Unternehmen, Bürger und Staaten (!) teurer. Und das passt überhaupt nicht zum Ausgabenboom der öffentlichen Hand: mehr Geld für Rüstung, mehr Geld für Infrastruktur, mehr Geld für Energiewende, mehr Geld zur Abfederung sozialer Härten (vor allem wegen des Energiepreisschubs), mehr Geld für Flüchtlinge (in Europa).

Ich bin hier ratlos, wie die Notenbanken ihr Dilemma lösen (wollen). Sie müssen die Zinsen deutlich erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Aber sie können die Zinsen nicht deutlich erhöhen, weil sie damit die Konjunktur abwürgen. Und weil sie die überall erforderlichen Investitionen in neue Energiequellen und -infrastruktur und Verteidigung verteuern.

Meine Schlussfolgerungen

Ich habe viele Problemfelder angerissen und kurz beschrieben. Dabei sind meine Ausführungen keinesfalls abschließend!

Die Sanktionen gegen Russland treffen das Land hart. Die Wirtschaft wird in 2022 zweistellig abstürzen, der Rubel fällt ins Bodenlose, der Krieg in der Ukraine verschlingt Milliarden, die Regale in den Läden sind leer.

Hilfe wird von China kommen. China kauft russisches Öl, russisches Gas. Die Pipeline dazu gibt es schon. China kauft mit Rabatt, weil Russland unbedingt liefern muss. Mit der chinesischen Währung kann man international bezahlen. Des Weiteren wird China die von den westlichen Konzernen abgestoßenen russischen Unternehmen und Joint Ventures günstig kaufen. Die Verflechtungen zwischen Russland und China werden also enger. China ist der lachende Dritte beim Konflikt zwischen Russland und dem Westen.

Wenn China seinen Energiehunger aber stärker in Russland stillt, sinkt seine Nachfrage andernorts. Dort kann der Westen, vor allem die Europäer, dann kaufen. Doch diese Umstrukturierung wird einige zeit benötigen und die Energiepreise auch nicht schnell wieder auf Vor-Kriegsniveau drücken. Selbst wenn der Iran und auch Venezuela wieder mehr Erdöl auf den Weltmarkt werfen, wird dies erstmal nicht viel bringen an der preisfront.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat aber auch das Thema Verteidigung eine ganz neue Priorität verschafft. Europa hat sich hier jahrelang hinter den USA versteckt und seine Rüstungsausgaben immer weiter reduziert. Damit ist nun Schluss, die Rüstungsausgaben werden deutlich hochgefahren und das dauerhaft. So dürfte künftig das eigentlich innerhalb der NATO vereinbarte Ziel von 2% des BIP für Rüstungsausgaben zum neuen Normal werden. Darüber hinaus erfährt auch Cybersecurity einen weiteren Schub, denn die digitale Infrastruktur wird zunehmend zum Zeil von Angriffen von Terroristen, Kriminellen, Staaten und Militär.


Branchenrotation

Eine Rezession in Europa ist wahrscheinlich und in den USA nicht mehr ausgeschlossen. Das dürfte die Aktienkurse weiter unter Druck setzen, weil dies bisher noch nicht wirklich eingepreist ist. Allerdings ist nach einer kurzen "Schockphase" dann auch schnell mit einer Erholung zu rechnen - bei den Aktienkursen, nicht bei der Wirtschaft. Doch die Börsen laufen der Wirtschaft um 12 bis 18 Monate voraus und auch nach der Finanzkrise 2009 oder dem Coronaeinbruch Anfang 2020 gab es starke Kurserholungen, obwohl die Katastrophenmeldungen aus der Wirtschaft gerade erst ihren Höhepunkt erreichten.

In Rezessionen und Inflationszeiten sind Aktien erste Wahl. Jedenfalls die Aktien von Unternehmen mit Preissetzungsmacht und Produkten, die in jeder Wirtschafts- und Lebenslage benötigt werden. Angesagte Branchen sind dann Verteidigung, defensive Konsumgüter, (profitable) Technologiefirmen, Gesundheitswerte, Telekomfirmen. Weniger attraktiv sind Energiefirmen, zyklische Konsumwerte, Industrieunternehmen, Finanzwerte.

Allerdings gibt es einige Besonderheiten. Der Megatrend hin zu GreenEnergy und der Drang, sich vom russischen Öl- und Gas zu befreien, wird die entsprechenden Unternehmen und Aktien befeuern. US-Öl- und Gasproduzenten, weil Nordamerika zur Energiequelle der westlichen Welt wird. Und Wind- und Solartechnik wird ebenso noch stärker boomen. Energiekontor und PNE sind meine Favoriten im Sektor, denn sie sind sowohl als Energieparkprojektierer aktiv wie auch als Bestandshalter. Sie profitieren damit von den hohen Strompreisen und von der nochmals zulegenden Nachfrage nach Wind- und Solarparks - die steigenden Preise für Rohstoffe und Material können daher an ihre Kunden weitergeben; es ist ein Verkäufermarkt!

Bei den Finanzwerten dürften aufstrebende Fintechs in den USA profitieren, die Konsumenten niedrigere Kreditzinsen versprechen. LendingClub, Upstart, SoFi Technologies bieten Konsumentenkredite, Autofinanzierungen und demnächst auch Hypothekenfinanzierungen über ihre Portale und mittels Künstlicher Intelligenz an. Die Kunden können so bis zu 5% an Zinsen pro Jahr sparen. Die Nachfrage der US-Konsumenten dürfte spürbar zunehmen.

Auf der anderen Seite dürften es zu Abwertungen der Beteiligungen bei Asset Managern kommen und damit auch zu niedrigeren Provisionseinnahmen (bei den Performance Fees). Ihr Vorteil liegt in ihren hohen Beständen an Investorengeldern, die sie dann einsetzen können für Zukäufe. Aber das wird sich erst zeitverzögert in den Geschäftszahlen auswirken, daher gehören sie in aufziehenden Konjunkturstürmen zu den ersten Kursverlieren bzw. Underperformern.

Auf Sanierungsspezialisten wie Mutares oder Aurelius kommen hingegen noch bessere Zeiten zu. Ihr Gewinn liegt im billigen Einkauf und in Wirtschaftsflauten und Konjunktureinbrüchen können sie aus dem Vollen schöpfen. 

Auch die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene wird noch stärker vorangetrieben werden. US-Eisenbahnen dürften profitieren. Gleichzeitig darf Corona nicht vergessen werden. Die weltweiten Lockerungen sorgen für frische Impulse in zuletzt drangsalierten Branchen. Berkshire Hathaway ist in dieser Situation ein bestens positioniertes und breit diversifizierte Unternehmen - und damit ein sicherer Hafen. Auch dank seines hohen Apple-Anteils und rund $146 Mrd. an Cash. Auch Microsoft dürfte weiterhin glänzend verdienen, da ein hoher Anteil seiner Erlöse aus wiederkehrenden Umsätzen stammt.

Bei den defensiven Konsumwerten besticht Costco. Vor der Coronakrise, während der Coronakrise, nach der Coronakrise. Die Leute kaufen dort immer mehr ein, weil sie immer die niedrigsten Preise bekommen. Costco verdient sein Geld mit seiner Clubkarte - und wird dort wohl nach fünf Jahren wieder die Mitgliedsbeiträge anheben. Kriselt die Wirtschaft, kaufen noch mehr Leute bei Costco ein. Hoch bewertetes Unternehmen, erstklassiges Geschäftsmodell, enorme und steigende Cashflows. Top Unternehmen, top Aktie und bei Kursschwäche immer einen Kauf wert.

Am Ende

So, das war mein Gedankenabriss zur aktuellen und künftigen Lage. Aufgrund meiner Überlegungen habe ich in den letzten Tagen einige Umschichtungen in meinem Depot vorgenommen, die ihr in meinen nächsten Investor-Update per 31. März sehen werdet. In meinen Wikis sind die Veränderungen natürlich "life" nachzuvollziehen und mich haben dazu einige Nachfragen erreicht. Auch deshalb habe ich diesen ausführlichen Artikel geschrieben, um die dahinterstehenden Gedankenspiele mit euch zu teilen.

Ein Lieblingszitat meiner Mutter war dieses von Hugo von Hofmannsthal: "Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen". Das trifft auch auf das Investieren zu; man ist niemals "fertig" mit seinen Überlegungen und muss ständig seine Erkenntnisse aufs Neue überprüfen.

Nun bin ich gespannt auf eure Kommentare, eure Sicht der Dinge, eure Kritik. Und natürlich auch auf eure Aktienfavoriten...

Disclaimer: Habe Apple, Berkshire Hathaway, Costco, Energiekontor, Microsoft, Mutares, PNE auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

16 Kommentare:

  1. Hallo Michael,

    vielen Dank für deine Einschätzung der gerade brisanten Lage. Ich bin schon einige Jahre an der Börse aktiv und muss sagen das die letzten beiden Jahre zwar sehr erfolgreich und lehrreich, dafür aber auch umso nervenaufreibender waren. Und gerade jetzt, wo sich die Corona-Lage langsam zu entspannen schien, da kommt das nächste Ungemach. Und ich muss zugeben das es mich auf dem falschen Fuß erwischt hat. Ich hätte mit einem Einmarsch nicht gerechnet. Ich habe nach dem ersten Abverkauf einiger meiner sehr gut gelaufenen Positionen ( z.B. Steico und Hypoport ) reduziert und somit Cash aufgebaut. Die Cashquote ist aktuell ca. 10%. Ich weiß das du eher der Meinung bist das man dadurch an Rendite einbüßt, allerdings fühle ich mich mit mehr Cash einfach sicherer und ich bin handlungsfähig.

    Ich glaube nicht dass wir die Tiefststände schon gesehen haben und lasse auf jeden Fall immer etwas Pulver trocken. Meine Sparpläne werden weiter ausgeführt, wie gehabt. Gerade der europäische Markt ( inklusive GB ) wird wohl am Meisten mit der aktuellen Lage zu kämpfen haben, wie du schon in deinem Artikel erwähnt hast.

    Unternehmen die ich im Auge habe für ein Investment/Aufstockung: Bechtle, Steico, DIC Asset. Doch bald steigende Zinsen und dann immer noch hohe Inflation sind eigentlich Gift für die Wirtschaft. Irgendjemand muss das ja auch bezahlen können. Viele Bürger werden generell Probleme haben die hohen Nebenkosten für ihre Wohnungen oder hoch finanzierten Häuser bezahlen zu können. Die Inflation wird ja auch noch zusätzlich durch einen höheren Mindestlohn gepusht.

    Was ich halt nicht einschätzen kann ist wie schlimm die Lage noch in der Ukraine wird und welche weitreichenden Folgen dies haben wird. Und was passiert wenn Putin “gewinnt”? Wird sich China ein Beispiel nehmen und sich Taiwan einverleiben?

    Alles nicht so einfach. Aber bis jetzt wurde jede Krise überwunden und ich bin mir sicher das es dieses Mal auch so wird.

    MfG Maik

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    1. Moin Maik,
      danke für Deine Gedanken. Steico ist ein Idealbeispiel dafür, wie unberechenbar die Lage gerade ist. Das Unternehmen profitiert vom Trend zum ökologischen Dämmen und immer neuen Verschärfungen der Förderrichtlinien in diesem Bereich. Und ihre neuen Anlagen gehen demnächst an den Start, was die Umsätze, Gewinne und Margen pushen wird. Die Preiserhöhungen konnte man bisher sehr gut an die Kunden weitergeben. Aber die hohen Energiepreise und die Verknappung bei Holz trüben das Bild. Auch liegt die Produktion in Polen und damit viel näher dran am Kriegsgeschehen - Polen ist zudem zumindest verbal auch eines der Ziele Putins. Das sind nicht unerhebliche Belastungsfaktoren und zwischen beiden Seiten schwanken die Anleger. Die Aktie ist in den letzten Jahren sehr gut gelaufen und nicht gerade billig bewertet.

      Dass sich der Krieg auf die NATO ausweiten wird, blende ich als Szenario aus. Darauf kann man sich nicht vorbereiten, ohne alle Aktien zu verkaufen. Auch einen Zugriff Chinas auf Taiwan halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. China sieht Taiwan seit jeher als Teil Chinas an und die Sanktionen des Westens (USA und EU) gegen Russland zeigen ja, wie negativ die Konsequenzen sind. Das wird China nicht riskieren. Denn ihren früheren ideologischen Führungsanspruch als Kommunisten haben sie verloren, heute basiert die Herrschaft der KP darauf, dass sie dem Volk zunehmenden Wohlstand und Frieden bringen. Eine Sanktionswelle des Westens gegen China würde dort das gesamte Staatsgefüge ins Wanken bringen können, auch die KP. Außerdem kann China aktuell zum großen Profiteuer der Lage werden, da werden sie lieber das Maximum herausholen. Die "Taiwan-Karte" läuft China nicht weg. Die Chinesen denken ja ohnehin in Jahrzehnten und Jahrhunderten; solange niemand die (aus ihrer Sicht) Spaltung Taiwans durch Anerkennung usw. vorantreibt, dürften sie eher die Füße still halten.

      Aber grundsätzlich poppen nun natürlich weltweit ungeklärte Gebietsfragen wieder hoch, nachdem Putin die seinen auf die Ukraine und ganz Osteuropa so schwachbrüstig begründet hat, aber mit Gewalt einfach durchsetzt (Erfolg ist noch offen). Japan und Russland haben da ungeklärte Frage, GB und Spanien und der gesamte Nahe Osten ist voller Gebietsunklarheiten und potenzieller Kriegsherde.

      Dass Du eine höhere Cashquote halten willst, kann ich aus psychologischen Gründen nachvollziehen. Mein Ding ist das nicht, weil ich davon überzeugt bin, dass man damit auf lange Sicht Rendite verschenkt. Und 5% Inflation sind bei 0% Zinsen eben auch -5% Rendite pro Jahr. Ich schichte daher bei Handlungsbedarf innerhalb des Depots um. Was natürlich nicht bedeutet, dass meine Entscheidungen alleine durch das Cashmanagement besser oder schlechter werden. Wenn die Börse stark fällt, fällt die Cash nicht mit. Aber es steigt eben auch nicht, wenn die Börsen wieder drehen. Und da die Börsen langfristig immer steigen und auch an zwei Dritteln aller Börsentage, ist eigentlich klar, wie die Rechnung auf lange Sicht ausgeht...

      Mein Ziel ist, auf Unternehmen zu setzen, die diese kritische und unklare Lage am besten durchstehen. Die sie überleben werden, vielleicht sogar sich bietende Chancen nutzen können. Aktien, die nicht das größte Risiko aufweisen, damit aber auch nicht das größte Kurspotenzial aufweisen, wenn die Börse wieder "richtig" dreht. Eben "entspannt" Rendite einfahren, soweit das in der jetzigen Zeit irgendwie möglich ist. Ein paar Branchen und Aktien habe ich im Artikel ja genannt.

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  2. Hallo Michael, mich hat die Erwähnung von Aurelius und die nicht Erwähnung von MBB überrascht. Die erstere, weil Du sie aufgrund des Managements vor einiger Zeit aus der Beobachtungsliste genommen hast. Die letztere, weil sie eben viel Cash und ein gutes Management haben soll. Siehst Du MBB nicht gut positioniert?

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    1. Mutares und Aurelius sind beide im selben Business aktiv und beide erfolgreich. Was mir an Aurelius überhaupt nicht gefällt ist, dass man als Aktionär heute nur noch an einem kleinen Teil des Unternehmens beteiligt ist und z.B. der Part, wo die ganzen "internen" Provisionen eingesackt werden, nicht dazu gehört. Mit der Aurelius-Aktie kauft man sich nur den Investmentarm. Bei Mutares erwirbt man die Mutter, die Holding. Dort laufen die Gewinne der Töchter auf und die ganzen Gebühren, Provisionen, Zinsen, die die Töchter an die Mutter zu bezahlen haben für Beratung, für Sanierungsexperten, für Overhead-Dienstleistungen usw.

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    2. MBB hat Zahlen vorgelegt und die waren nicht schlecht. Aber anders als die meisten Kommentatoren fand ich sie auch nicht herausragend und vor allem der Ausblick klingt echt trübe. Irgendwie findet das nirgendwo Erwähnung und das könnte großes negatives Überraschungspotenzial bergen.

      Konkret: 2021 erreichte MBB das obere Ende seiner Prognose. Aber es gab unterm Strich in 2021 trotzdem einen Umsatz- und einen Gewinnrückgang. Das ist negativ. Positiv ist hingegen, dass für 2022 ein ordentliches Wachstum und eine Gewinnsteigerung um 10% erwartet wird.

      DTS sollte boomen. In der Meldung sagt MBB nun: "Nachdem der IT-Security Anbieter DTS im ersten Halbjahr 2021 deutlich zweistellig gewachsen ist, gelang es dem Unternehmen im weiteren Jahresverlauf auf Grund des Chipmangels nicht, die Marknachfrage vollständig zu erfüllen." Der Chipmangel bremst DTS also und der Ukrainekrieg wird diese Lage nochmals deutlich verschärfen. Der hohe Auftragsbestand hilft aber nicht, wenn man die Aufträge nicht abarbeiten kann.

      Delignit und Aumann leiden beide unter den Produktionsausfällen der Autoindustrie. Q4/21 war schlimm, nun stehen noch mehr Bänder still. Der Chipmangel bremst auch die E-Auto-Produktion (siehe Porsche) und damit den Wachstumsbereich von Aumann.

      Hanke Tissue leidet unter hohen Materialkosten. EDEKA und andere Handelsriesen liefern sich einen Krieg um die Preise und dabei fliegen auch schon mal ganze Produktreihen aus den Regalen. Hanke Tissue war hiervon als Produzent von Klopapier bereits betroffen. Und das Unternehmen sitzt in Polen, also näher dran an der Ukraine. Die Hoffnung liegt hier bei einer Erholung im Gastronomiesektor, wenn die Coronabeschränkungen zunehmend fallen.

      Das gilt auch für CT Formpolster, die Matratzen herstellen und bei einer Normalisierung bei Möbelhäusern profitieren sollten. Die Energiekostensteigerungen treffen das Unternehmen allerdings hart und ob man in der Lage ist, höhere Preise durchzusetzen, kann zumindest angezweifelt werden.

      Größte Tochter ist Friedrich Vorwerk. Die Energiewende bringt viel Potenzial für Energieleitungen und -netze. Auch der Wasserstoffanteil wird deutlich steigen. Allerdings handelt es sich um große Projekte mit langen zeitlichen Vorläufen (inkl. öffentlicher Ausschreibungen). Die Bundesregierung will nun künftig vieles anders machen und vor allem vom Gas wegkommen. Daher dürften viele Überlegungen der letzten Jahre auf dem Prüfstand stehen. Mittel- und langfristig gut für Friedrich Vorwerk. Aber kurzfristig? In 2021 gab es die Verzögerung bei einem Großprojekt in Dänemark und das hat, neben dem eisigen Jahresstart, das Ergebnis verhagelt. Ich denke, das Risiko gestiegen ist, dass es bei einigen Großprojekten in Westeuropa nun zu Verzögerungen oder Verschiebungen kommt, weil sie vielleicht nicht mehr dem "neuen Bedarf" entsprechen. Und wenn sich bei solchen Projekten die Rahmenbedingungen ändern, kann das aufgrund der Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung nicht immer einfach so per "Handschlag" verändert werden. Im Zweifelsfall gab es unterlegende Bieter, die nur zu gerne die Vergabekammer anrufen - was erhebliche Zeitverzögerungen und Kosten mit sich bringt, auch wenn man am Ende Recht bekommt.

      MBB sitzt auf einem hohen Cashbestand und kauft stärker eigene Aktien zurück. Man hat potenzielle Übernahmekandidaten im Auge. Im Bestand könnten aber einige Unebenheiten lauern und daher sehe ich die unmittelbare Zukunft von MBB aktuell nicht als ausschließlich positiv an. Ich fürchte, der Markt sieht die Aussichten bei MBB momentan in einem zu positiven Licht.

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    3. Hallo Michael, die Holding der MBB hat aktuell ca. 400 Mio Nettoliquidität vs Kapitalisierung von ca 670 Mio. Bei allen Risiken der Tochterunternehmen, wäre das Risiko nach unten nicht überschaubar? Auf der anderen Seite hat MBB deutlich mehr Munition, als zB Mutares und somit mehr Potenzial, bei richtigem Einsatz des Geldes. MBB hat angeblich ja auch ein fähiges Management. Mich wundert allerdings, dass MBB so lange und so entspannt auf so viel Cash sitzen bleibt..

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  3. Hallo Michael,
    eine sehr gut Darstellung der aktuellen Lage und der möglichen wirtschaftlichen Folgen.
    Eine weitere Folge wird meiner Meinung nach auch sein dass die Globalisierung ein Stück weit zurückgedreht wird und die Unternehmen aufgrund der beschrieben Lieferproblematik vermehrt auf Lagerhaltung setzten und von Konzepten wie just-in-time abrücken.
    Hier dürfte eine Unternehmen wie Jungheinrich (Kion) profitieren oder denkst du dass eine mögliche Rezession dies zunichte macht?
    Mfg Rainer

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    1. Moin Rainer,
      ich sehe es wie Du: Jungheinrich und KION setzen mit Lagerlogistik auf einen Megatrend. Durch die Störungen der Lieferketten und zusätzlich noch durch den Ukraine-Krieg wird sich der Trend noch verstärken, Produktion zurück nach Deutschland/Europa zu holen. Je kürzer die Lieferkette, desto weniger störanfällig. Und heimische Produktion mag teurer sein, aber sie hat auch einen strategischen Wert. Fünf Jahre billiger produzieren zu können zahlt sich am Ende nicht aus, wenn man dann ein halbes Jahr gar nicht produzieren und seine Kunden nicht bedienen kann. Die suchen sich dann nämlich andere Lieferanten und kommen auch nicht so schnell wieder zurück.

      Eine Rezession sollte Kion und Jungheinrich nicht allzu sehr zusetzen, weil sie beide auch einen hohen Anteil an Wartung fahren. Wenn Kunden ihre Anlagen, Maschinen und Stapler länger nutzen, steigt der Wartungs- und Reparaturaufwand. Aber... die explodierenden Energiepreise machen Stahl schier unerschwinglich. Und Stahl ist ist ein ganz wesentlicher Faktor für die beiden Unternehmen. Ich befürchte, dass die Energiepreise (in Europa) dauerhaft höher sein werden als in den USA. Das ist für die Industrie ein latenter Standortnachteil und damit auch für die KION und Jungheinrich, die einen ihrer Schwerpunkt in Deutschland haben. Sollte es zur Kappung der Versorgung mit russischem Gas kommen, wäre das auch für die Industrie in Europa und vor allem in Deutschland der Super-GAU.

      Ich blicke daher etwas sorgenvoll auf die beiden Unternehmen und warte auf eine Klärung der Lage, so dass man die Zukunft wieder fundierter einschätzen kann.

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  4. Hallo Michael,

    vielen Dank für Deine Einschätzung der aktuellen Lage und den sich daraus ergebenden Szenarien. In der Tat erleben wir jetzt etwas das sich die Meisten von uns noch vor kurzem nie und nimmer hätten vorstellen können.

    Kriege haben weltweit gesehen ständig irgendwo stattgefunden,allerdings oftmals unter dem europäischen Radar weil weit weg und nicht in den täglichen Nachrichten. Nun ist nach dem Balkankrieg in den 90ern wieder "vor der Haustür" - in Europa - höchste Alarmstufe angesagt. Die Konsequenzen sind entsprechend.

    Es ist in diesen Zeiten sehr sehr schwer kühlen Kopf zu bewahren,die Lage halbwegs richtig einzuschätzen und vor allem die Nerven nicht zu verlieren. Ist meine Erwerbssituation sicher,wieviel Verzicht kommt im Falle eines Falles auf mich zu,kann ich meine Rücklagen halten,wie positioniere ich mich im Wertpapierbereich und und und.... Es wird nicht auf alle Fragen eine umfassende Antwort geben aber wer sein logisches Denken jetzt nicht komplett abschaltet wird es aus meiner Sicht schaffen heil durch diese Turbulenzen zu kommen.

    Kriege sind das Furchtbarste was der Welt passieren kann,egal wo und was der Anlass war. Darüber darf es keine 2 Meinungen geben. Trotzdem wird auch dieser jetzige zwischen Russland und der Ukraine sein Ende finden,unter welchen Bedingungen auch immer. Danach wird sich die Welt neu sortieren (müssen) und jede,wirklich jede Krise bietet Chancen. Solange die Welt besteht und Menschen auf ihr leben hat es Kriege und Krisen gegeben,das wird auch nie aufhören. Alles andere ist pure Illusion denn der Mensch ist nunmal wie er ist.

    Ich für meinen Teil halte aktuell ca. 30% Cash und bleibe mit dem anderen Teil investiert. Seit vielen Jahren bin ich großer Fan von Medizinaktien - allerdings nahezu ausschließlich in Medizintechnik,wenig bis gar nicht in Pharma. Mit jetzt 60 Jahren habe ich - hoffentlich - noch 2 Dekaden Anlagehorizont und werde mit etwas Glück (gehört für mich einfach dazu) auch aus diesen teils wirklich schlimmen Zeiten heil raus kommen.

    Soweit mein Beitrag zum Thema - und an dieser Stelle auch ein Dankeschön an meinen Namensvetter für seine großartige Arbeit die auf dieser Plattform für uns Investoren sichtbar ist. Schönen Sonntag Michael! ;-)

    MfG Michael

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    1. Moin Michael,
      Medizintechnik wird weiter sehr gefragt sein. Auch wenn der Corona-Boost nachlassen wird, wird weltweit sicherlich mehr Wert auf die Vorbereitung auf die nächste Pandemie gelegt werden. Eine globale Pandemie war bisher das Undenkbare, nun war/ist es Realität. Labore, Testkapazitäten, moderne Ausrüstung wird einen höheren Stellenwert erfahren, als das viele Jahre lang der Fall war. Meine beiden bevorzugten Werte in diesem Sektor sind Danaher und Thermo Fisher - beide niemals günstig, beide seit Jahren sehr erfolgreich, auch durch lukrative Zukäufe.

      Corona hat aber auch in anderen Bereichen der Gesundheitsbranche große Fortschritte gebracht. Man denke nur an die mRNA-Technologie, deren Wirksamkeit nun nicht mehr infrage steht. Die eigentlichen Anwendungsgebiete wie Krebs, HIV, Malaria uvm sind riesig und nun steht das erforderliche Geld für die Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Gleichzeitig wird generell mehr Wert auf Forschung und Entwicklung gelegt werden, auch wenn die Kostenfrage (was und wie viel zahlen die Länder und die Krankenkassen, wie deckelt man die Preise) weiter ein heißes Eisen bleiben wird. Evotec bleibt aussichtsreich, BioNTech und ihr Partner Pfizer. Aber auch einige andere Unternehmen im Sektor - zumal Gesundheitswerte in Konjunkturflauten regelmäßig besser Performen als der Gesamtmarkt.

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  5. Hallo Michael, vielen Dank für deine Einschätzung! Ich hatte ebenfalls vor ein paar Tagen mein Depot umgeschichtet, einen Großteil meiner deutschen Aktien verkauft und in US-Werte investiert. Dabei halte ich auch BDCs und REITS, wie Realty Income und Pennymac als aussichtsreich. Wie ist deine Meinung dazu?

    Viele Grüße
    Robert

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    1. Immobilien und damit auch REITs performen in Rezessionen tendenziell schlechter als der Markt. Es ist aber nicht ausgemacht, ob die USA in eine Rezession abdriften. Das hängt vor allem daran, ob und ggf. wie sehr die Fed die Inflation bekämpfen wird.

      Und es geht natürlich auch um die Branchen, in denen die REITs aktiv sind. Datacenter und Tower dürften weiterhin große Nachfrage verspüren, was auch die Aktien interessant hält.

      BDCs leiden, wenn die Wirtschaft schwächelt. Am besten ist für sie ein moderates Zinswachstum, geringe Inflation, ordentliches Wirtschaftswachstum. Von diesem Idealszenario entfernen wir uns ja momentan deutlich. Die Kurse nehmen die reale Entwicklung vorweg und preisen schon einiges ein. Gut möglich, dass wir in einigen Wochen schon die Trendwende bei Aktien und auch BDCs sehen, während die Wirtschaft noch mit Schockmeldungen "glänzt".

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  6. Mich beunruhight am meisten, dass in der Ukraine ein Land angegriffen wurde, ohne dass die Regierung wie in Syrien darum gebeten hat. Das ist neu, und passiert das das dann noch an anderen Laendern? Und China hat den Angriff kaum verurteilt und teilt in seinen Medien ueberwiegend die russische Propaganda, dass v.a. die Nato am Angriff schuld ist.
    https://www.youtube.com/watch?v=HnR1vZpdTfk

    Der Politikwissenschaftler John Mearsheimer erklaert es m.E. am besten es ist ein neuer kalter Krieg und Great States Power Policity und dass wir China als geostrategischen Rivalen fuerchten muessen. https://www.youtube.com/watch?v=DgD_H_ySc7Y
    Hier erklaert er es hinsichtlich des Ukraine Angriffs. https://www.youtube.com/watch?v=8bOFz_ppkis

    Dort erklaert der ex CIA Agent Raymond McGovern gut die Vorgeschichte des Ukraine Kriegs, dass Putin Ukraine und Georgien als Pufferstaaten will und deren Nato- und EU-Annaeherung/Aufnahme eine rote Linie fuer ihn ist, ab Minute 34,20: https://www.youtube.com/watch?v=ppD_bhWODDc

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  7. Bei den Energiepreisen scheint sich abzuzeichnen: Ja, sie sind in Europa gestiegen, aber größtenteils ist das nicht haltbar, denn es wird wohl kein Energieembargo geben, weder von russischer noch von europäischer Seite. Solche Szenarien sind aber in die Preisspekulationen bisher eingeflossen. Aktuell ist in der Welt noch kein Kubikmeter Gas und kein Barrel Öl weniger verkauft und geliefert worden, es wurde lediglich damit begonnen, woanders einzukaufen. Europa kauft weniger in Russland, dafür mehr im Nahen Osten, was China und Indien dazu veranlasst, weniger im Nahen Osten und mehr in Russland zu kaufen. Für die Preise hat das also letztlich nur geringe Auswirkungen. Der Ölpreis ist daher auch schon wieder auf das Vorkriegsniveau zurückgekehrt. Wenn dann noch Entspannung bzgl. Iran und Venezuela hinzukommen sollten, kann das schnell auch noch weiter runtergehen.
    Mittelfristig beschleunigt Europa seine Anstrenungen in Richtung Erneuerbarer Energien, was die Weltnachfrage nach Öl und Gas bremsen wird. Aus Klimagründen werden andere Länder diesen Rückgang m.E. nicht ausgleichen, so dass es auch netto weniger Nachfrage geben sollte, mit entsprechenden Folgen für die Preise.

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  8. Guten Tag Herr Kissig,

    Im Greensektor sind Sie mit PNE und Energiekontor investiert. Welche der beiden Unternehmen sehen Sie besser positioniert? EK ist gegenüber PNE in der MK angestiegen. Ist dies gerechtfertig? PNE hätte dies bezüglich noch einiges zu bieten. Ich investiere nicht wegen des Kurses, aber was man an PNE bemängeln könnte, dass es zu einer Übernahmen noch kommen könnte. Auf der anderen Seite könnte es auch gut für uns Aktionäre sein... in ihren Wiki haben Sie EK übergewichtet?! PNE wäre wiederum in den USA besser aufgestellt. Oder sehe ich das falsch?! Gruß Dirk

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    1. Moin Dirk,
      Energiekontor ist die "solidere" Wahl, denn das Unternehmen entwickelt sich seit im Grunde relativ linear und immer erfolgreicher. PNE hingegen hat sich mehrfach vergaloppiert, hat mehrere Vorstandswechsel hinter sich, mehrfach neue Mehrheitsgesellschafter und den einen oder anderen Strategiewechsel. Heute laufen beide Unternehmen weitgehend auf parallelen Spuren, aber PNE hängt im Vergleich der Entwicklungen viele Jahre hinterher. Vor allem im Bereich des Eigenbestands ist man ja erst seiner dem Einstieg von MSIP wirklich stark aktiv.

      Das zeigt sich auch in den Zahlen. Energiekontor schafft es, durch die höheren Einnahmen aus seinem wachsenden Eigenbestand seine laufenden Kosten zu decken. PNE will da auch mal hinkommen. Bei PNE sind durch die Überführung des Windparkfortfolio 2020 in den Eigenbestand ein erheblicher Teil der erhofften Gewinnen ausgeblieben (dafür generieren die Windparks nun Einnahmen aus den Stromproduktion). Das betrifft ähnlich auch Energiekontor, nur war es dort kein abruptes Ereignis, sondern erfolgt schon seit Jahren. Daher sieht EKT bilanziell und von der Bewertung her immer attraktiver aus.

      Bei PNE kommt nun aber noch ein Schuss Übernahmefantasie hinzu, da MSIP wohl seinen 40%-Anteil veräußern will. Das dürfte kaum zu einem Preis von unter €10 erfolgen, sondern eher zu deutlich über €15. Das ist ein zusätzlicher Trigger für die PNE-Aktie.

      Insgesamt ist aus meiner Sicht EKT im Sektor am besten aufgestellt und die erste Wahl. PNE hat immer die "Schatten der Vergangenheit" im Gepäck; das belastet den Kurs. Auch haben einige Anleger bestimmt noch den Delisting-Versuch seitens MSIP im Hinterkopf, der den Aktienkurs zunächst einmal gedrückt/belastet hat. Auch wenn MSIP kaum Aktien angedient wurden und sie am Ende zurückstecken mussten. Aber sowas ist nicht jedermanns Sache.

      Daher habe ich EKT im Depot und im Wiki deutlich höher gewichtet als PNE. Dennoch ist auch PNE sehr aussichtsreich positioniert.

      P.S.: EKT ist erst seit 2017 in den USA aktiv, PNE bereits seit 2008. gerissen haben da beide noch nicht viel. PNE konnte allerdings zuletzt einen ersten Achtungserfolg verbuchen und ein Projekt veräußern. Es läuft also (langsam) an...

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