Freitag, 5. Februar 2016

Einstieg von DIC Asset bei WCM: ein Bewertungs- und Erklärungsversuch

Aufregung bei der WCM AG. Es war schon eine Hammernachricht, als die DIC Asset verkündete, dass sie klammheimlich 20,15 Prozent an der WCM AG übernommen hat. Seitdem wird eifrig spekuliert, was es mit dem Einstieg auf sich hat, welche Ziele der neue Großaktionär verfolgt und natürlich auch, wie er so schnell diese große Zahl an Aktien zusammenbekam. Und wer verkauft hat. Auch ich spekuliere über die Gründe und möchte meine Gedanken und meine Schlussfolgerungen gerne mit euch teilen.

Aktienkauf ohne Meldepflicht
Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) legt bestimmte Meldeschwellen fest, die es beim Ankauf von Aktienanteilen zu berücksichtigen gilt. Beim Über- oder Unterschreiten dieser Schwellen wird eine Meldepflicht ausgelöst, die sog. Stimmrechtsmitteilung. Und diese Meldungen hat DIC Asset vorgenommen per 26. und 27. Januar. Allerdings hat man wohl kaum 20 Prozent der WCM-Aktien innerhalb weniger Tage und dann auch noch über die Börse zusammengekauft - der Aktienkurs wäre bei so einem hohen Nachfrage-Überhang geradezu durch die Decke geschossen. Bei früheren "heimlichen Übernahmeversuchen" bediente man sich einer unfeinen Art, dem juristischen Schlupfloch namens Swap oder auch CfD ("Contract for Difference").

Wtf ist ein Swap?
Swaps sind, vereinfacht gesagt, Kurssicherungsgeschäfte, mit denen sich ein Investor das Recht einräumen lässt, in der Zukunft zu einem bestimmten Kurs Aktien eines Unternehmens zu erwerben. Diese Umgehung der Bestimmungen des WpHG ermöglichte es also Investoren, sich einen Anteil und ggf. auch die Mehrheit an einem Unternehmen zu sichern, ohne dass der Kapitalmarkt, die übrigen Aktionäre oder die Zielgesellschaft selbst dies mitbekommen würden. Bis sie durch die Stimmrechtsmitteilungen dann vor vollendet Tatsachen gestellt werden.

Bevor es zum Anteilserwerb kommen kann, muss sich Swap-Geber jedoch selbst erst einmal die entsprechenden Aktien sichern, denn er muss ja ggf. liefern können. Das bedeutet, dass der Investor mit verschiedenen Adressen, zumeist wohl Banken, derartige Swap-Geschäfte abschließt und diese kaufen dann über einen bestimmten Zeitpunkt die Aktien oder verwenden hierfür solche, die sie bereits im Depot haben. Der Investor muss also auf diese Art nur darauf achten, dass keiner seiner Partner hierbei über eine der Meldeschwellen kommt, er also mit der A-Bank und der B-Bank nur Swap-Geschäfte über max. 2,99 Prozent abschließt. Dem entsprechend benötigt er mehrere Partner für seinen Übernahmeversuch. Oder einen abgabebereiten Großaktionär, von dem bereits eine größere Beteiligung bekannt ist.

Das Ziel dieser Aktion ist, keine Trittbrettfahrer aufspringen zu lassen, die auf eine satte Prämie bei der Übernahme wetten wollen. So kann eine Übernahme unter dem Strich viel günstiger erfolgen, als wenn die Aktien des Übernahmeobjektes "im Spiel" sind und so der Kurs immer weiter in die Höhe getrieben wird.

Bekannte Swap-Übernahmeziele: VW und Continental
In den letzten Jahren gab es mehrere solcher Übernahmeversuche durch derartige Swap-Geschäfte und die Süddeutsche Zeitung nannte sie ein "Anschleichen durch die Hintertür". Nicht immer enden sie für den Aggressor mit dem gewünschten Ziel. So hatte der Sportwagenhersteller Porsche versucht, sich den viel größeren VW-Konzern einzuverleiben - und verschluckte sich derart, dass Porsche am Ende eine Marke im VW-Konzern wurde. Der Fall beschäftigt bis heute die Gerichte. Und dann gab es die Schaeffler-Gruppe, die den viel größeren Continental-Konzern übernehmen wollte. Direkt vor der Finanzkrise, was Schaeffler selbst an den Rand des Ruins trieb. Nur durch die "Mildtätigkeit" der Banken, konnte die Familie sich retten und ist heute Großaktionär von Conti - und Schaeffler mittlerweile selbst ein börsennotiertes Unternehmen.

Seit 2012 besteht auch in Deutschland Meldepflicht
Im Jahr 2012 wurde der §25 des WpHG weiter gefasst und die BaFin hatte eine Liste der unter diesen Paragraphen fallenden Geschäfte veröffentlicht. Er schließt nun u.a. auch Options- und Termingeschäfte mit Barausgleich, Swap-Geschäfte, Contracts for Difference, und Gesellschaftervereinbarungen in Bezug auf den Erwerb von mit Stimmrechten verbundene Aktien (Vorkaufsrechte) ein. Damit wäre ein Vorgehen wie bei Conti oder VW für die DIC Asset im Fall WCM nicht möglich gewesen.

Ich gehe daher davon aus, dass DIC Assets sich die Aktien an WCM auf anderem Weg besorgt hat, dennoch heimlich. Bei der riesigen Kapitalerhöhung im letzten Sommer, als das Eigenkapital der WCM mal eben verdoppelt wurde, fanden nicht alle Aktien einen endgültigen Abnehmer - die emittierende Bank hatte wie üblich eine Garantie abgegeben, die nicht abgenommenen Aktien notfalls selbst in den Bestand zu nehmen. Der Überhang hatte damals monatelang den Aktienkurs belastet. Im Anschluss daran legte der Kurs der WCM-Aktien stark zu und angesichts der aktuellen Börsenturbulenzen und Mittelabzüge bei Aktienfonds durch Privatanleger war vielleicht der eine oder andere von ihnen froh, Aktien marktschonend außerbörslich an einen Interessenten abgeben zu können - und das mit einem fetten Gewinn. So hätte DIC Asset bei mehreren institutionellen Anlegern unterschiedlich große Pakete einsammeln können, auch in relativ kurzer Zeit, und es verblieben dem Unternehmen ja immerhin einige tage, bis es die Stimmrechtsmitteilungen herausgeben musste. Dieser Coup wäre dann zumindest im Vorfeld mit strategischer präzision vorbereitet gewesen.

 WCM (Quelle: comdirect.de) 
Was macht WCM so interessant für die DIC?
Nach dem Wie bleibt noch das Weshalb, die Frage, worin der Reiz der WCM für den Konkurrenten DIC Asset liegt. DIC Asset hat letztes Jahr einen Strategieschwenk vollzogen und ihr operatives Geschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem US-Finanzinvestor KKR & Co. eingebracht, die German Estate Group (GEG). Diese soll sich als Investment-Plattform auf den deutschen Büro- und Einzelhandelsmarkt fokussieren und dabei auch riskantere Deals wie Projektentwicklungen angehen. Dem gegenüber will sich die börsennotierte DIC Asset AG eher wieder auf Bestandsimmobilien mit wenig Risiko konzentrieren.

Ein Manko der DIC Asset ist ihre vergleichsweise hohe Verschuldung und die damit einhergehenden hohen Zinsbelastungen. Denn die Kredite wurde überwiegend zu Zeiten abgeschlossen, als das Zinsniveau mehrere Prozentpunkte höher lag als heute. Dem gegenüber weist die WCM bei ihren Projektfinanzierung einen Finanzierungsgrad von 60 Prozent aus, hinterlegt die Geschäfte also mit 40 Prozent eigenem Geld. Und der durchschnittliche Zinssatz wird von WCM per Ende 2015 mit 2,1 Prozent ausgewiesen bei einer durchschnittlichen Restlaufzeit von 6 Jahren.

Und hier sehe ich den Grund für den Einstieg von DIC Asset. Man möchte nach Jahren des Abverkaufs von Immobilien zur Schuldensenkung wieder wachsen. Durch den 20-prozentigen Einstieg bei WCM sichert man sich auf einen Schlag ein attraktives Immobilienportfolio, das deutlich günstiger - und bilanziell solider - finanziert ist als der eigene Bestand. Und man kann nun die Jungs von WCM für sich Werte schaffen lassen und profitiert von deren Expertise und der hervorragenden Vernetzung von CEO Stavros Efremidis, dem ehemaligen Chef der Kommunale Wohnen AG, von CFO Frank Roseen, der von GE Capital Real Estate kam, und natürlich von "Mr. WCM", Karl Ehlerding.

Fazit
Es ist eine klasse Aktion für die DIC Asset, muss man mal so sagen. Und die Verantwortlichen wären dumm, wenn sie Efremidis und sein Team behindern würden, denn WCM ist nun ihr wohl bestes Pferd im Stall. Das ist aber kein Selbstgänger, und sich Ehlerding & Co. zum Feind zu machen, wäre ja auch mehr als kontraproduktiv, so dass man hier eher auf Verständigung denn auf Konfliktkurs setzen wird. Daher glaube ich, dass WCM nun einen weiteren Ankerinvestor hat, der am Erfolg des Unternehmens sehr interessiert ist. Und ggf. auch Kapitalmaßnahmen mitgeht, weil er für sein Geld keine besseren Investitionsmöglichkeiten finden wird. So gesehen ist der Einstieg demnach auch eine gute Sache für WCM, wenn auch die Art und Weise - zumindest vorübergehend - für Irritationen sorgt und für Gesprächsbedarf zwischen den Beteiligten.

WCM befindet sich als Top-Pick im deutschen Immobiliensektor auf meiner Empfehlungsliste und in meinem Depot.

7 Kommentare:

  1. Hallo Michael,

    sehr gute Erkärung.Danke.
    Ich habe auch gelesen das z.B. wenn der Anteil von DIC über 25% steigen würde die Häfte der Verlustvorträge von WCM wegfallen würde. Also ein enormer finazieller Nachteil.
    Es ist also zunächst wohl wirklich nur als Beteiligung und nicht als Übernahmebeginn zu sehen ?

    Norbert

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    1. Moin Norbert,

      bei einer Beteiligung ab 50% verfallen die Verlustvorträge vollständig und unter 25% bleiben sie untangiert. Zwischen 25% und 50% reduzieren sie sich dann je nach Beteiligungshöhe, eine DIC-Beteiligung von 30% würde also die Verlustvorträge nicht komplett auslöschen, sondern "nur" ein Fünftel davon. Aber auch das wäre ja schon ein zu vermeidender Schaden für die WCM-Aktionäre und somit auch für DIC Asset. Daher gehe ich davon aus, dass das Management von DIC Asset dies schon besonders im Blick hat.

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  2. Marco Börnsen05.02.16, 18:21

    Gelungener Artikel, Michael, die Überlegungen kann ich gut nachvollziehen. Ich sehe es auch so, dass DIC hier einfach die Chance genutzt hat, sich frühzeitig an etwas Großartigem zu beteiligen. Werde meine WCM-Aktien auch nicht hergeben, die werden in den nächsten Jahren noch ganz andere Kursregionen erklimmen. Bin damals zur Kapitalerhöhung eingestiegen, als Du so ausführlich darüber berichtet hattest und habe es bisher noch keinen Tag bereut. Mach gerne weiter so.

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  3. Hallo Michael, danke für den interessanten Artikel. Ich muss ja zugeben, dass ich ja zuerst dachte, Du hättest hier Swap und Option verwechselt, da doch Swaps meist nur Zahlungsströme austauschen und kein physisches Settlement haben. Aber Du hast natürlich recht :-) Wen es interessiert, siehe diesem Text (Seite 8 und 9). Für mich überraschend ist ein Cash Settled Equity Swap tatsächlich für Übernahmen geeignet. Denn die Seite, die den Zahlungsstrom aus der Aktie leisten muss, kauft in der Regel die Aktie als Hedge und hat dann einen starken wirtschaftlichen Anreiz physisch und nicht, wie eigentlich vertraglich vereinbart, per Cash zu setteln. Spannend - und auch sonst finde ich Deinen Artikel schlüssig.

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  4. Hallo Michael,

    warum soll man denn WCM und Herrn Ehlerding plötztlich vertrauen?
    WCM war die letzten 15 Jahre von einem fast DAX Unternehmen zu einem Pennystock geworden und schliesslich von der Börse verschwunden. Ist jetzt ein anderes Geschäftsmodell dahinter oder ist das Geschäft weiterhin mit (hohen?) Risiken verbunden.
    Helmut

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    1. Moin Helmut,
      die "alte" WCM hatte zwei Standbeine, Wohnimmobilien und Unternehmensbeteiligungen und mit den Beteiligungen hat man eine Zeit lang sehr viel Geld verdient, sich dann aber an dem großen Brocken Commerzbank verhoben. Ich habe die Vorgeschichte in meinem ersten Artikel über WCM hier im Blog kurz beschrieben (WCM oder wie Milliardäre Milliarden machen). Ebenso habe ich dort das neue Geschäftsmodell vorgestellt, das weder Wohnimmobilien noch Unternehmensbeteiligungen beinhaltet, sondern sich auf Gewerbe- und Einzelhandelsimmobilien fokussiert. Hier sieht man in Deutschland noch erheblichen Nachholbedarf und weiterhin große Chancen.

      Vorteil für die heutigen WCM-Aktionäre ist die WCM-Pleite, weil das Unternehmen hieraus enorme Verlustvorträge hat bzgl. Gewerbe- und Körperschaftssteuer. Zusammen rund eine halbe Milliarde Euro. Und das bedeutet, dass man für eine ganze Zeit Unternehmensgewinne nicht versteuern muss.

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  5. herzlichen Dank für diese kompetente Antwort.
    Helmut

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