Mittwoch, 14. Juni 2017

Villeroy & Boch: Tradition trifft Zukunft. Und den Geist der Zeit...

Wenn es auf dem deutschen Kurszettel ein Traditionsunternehmen gibt, dann dürfte dies Villeroy & Boch sein. Die Marke ist jedem ein Begriff, nicht nur der Großmutter, die noch der Idee nachhängt, dass gute Geschirrset müsse von Generation zu Generation weitervererbt werden, um dann beim Sonntagskaffee im großen Familienkreis aufgetischt zu werden.

Doch die Zeiten der großen Familien und häufigen Zusammenkünfte sind längst vorbei und auch der Stellenwert der Aussteuer samt Omas hochwertigem Kaffeeservice ist deutlich gesunken. Anhand des Kursverlaufs der Villeroy & Boch-Aktie kann man dies gut ablesen. Denn schaut man weit in die Vergangenheit zurück, dann findet man Anfang der 1990er Jahre Kurse von über 35 Euro. Das ist beinahe doppelt so hoch wie heute und doch liegen die aktuellen 19 Euro, die man für jetzt einen Anteil an der Börse bezahlen muss, um das Fünffache höher, als zum Tiefstkurs während der Finanzkrise, als man eine Aktie für gerade mal 3,10 Euro bekam.

Dieses Auf- und Ab der Kurse spiegelt die Geschichte des Unternehmens gut wider und zeigt, wie schwer es Traditionsunternehmen mitunter haben, sich aus ihren traditionellen Geschäftsfeldern zu lösen und sich neu zu erfinden. Villeroy & Boch ist dies seit seiner Gründung im Jahr 1748 mehrfach gelungen. Obwohl man weiterhin vor allem für das hochwertige Porzellangeschirr bekannt ist, bieten die Saarländer heute ein weitaus breiteres Angebotsspektrum an. So ist man inzwischen zu einem Einrichtungs- und Ausstatterhaus geworden, das Architekten, Planern und Bauherren Einzel- und Komplettangebote bietet zum Thema Inneneinrichtung, Bad und Armaturen, Wohnkultur. Ganz wesentliches Element der Firmenphilosophie ist dabei der Qualitätsanspruch.


Villeroy & Boch beschäftigt weltweit rund 7.000 Mitarbeiter und fertigt an 14 Produktionsstätten in Europa, Mexiko und Thailand komplette Einrichtungen für Bad und Küche mit Komponenten, wie Waschbecken, WCs, Bidets, Urinale, Duschwannen, Armaturen, Dusch- und Badewannen aus hochwertigem Kunststoff, keramische Küchenspülen, Bad- und Küchenmöbel, Bad-Accessoires. Durch eigene Vertriebsgesellschaften und Importeure ist das Unternehmen in 125 Ländern der Erde vertreten und es gelingt dem Unternehmen, seinen guten Namen als Porzellanmanufaktur in die neuen Bereiche zu transferieren und sich hier als hochwertiger Life-Style-Anbieter zu positionieren. Darüber hinaus betreibt Villeroy & Boch inzwischen in 20 Ländern eigene Online-Shops und bietet seine Produkte über 5.250 Verkaufsstellen weltweit an. Mit 29 Prozent Umsatzanteil bleibt dabei Deutschland der wichtigste Markt, gefolgt vom restlichen Westeuropa mit 30 Prozent, Nordeuropa mit weiteren 13 Prozent und Osteuropa mit 10 Prozent. Die Region Asien/Australien/Afrika steuert 12 Prozent bei, und „die Amerikas“ 6 Prozent.

Der Erfolg von Villeroy & Boch liegt in der starken Marke, doch auch eine solche muss gepflegt und weiter entwickelt werden. Dabei ist es dem Unternehmen in den letzten Jahren gelungen, seine Produkte aus unterschiedlichen Bereichen stärker in Richtung Lifestyle zu positionieren und das etwas angestaubte Image moderner und trendiger aufzustellen. Und das ist inzwischen so gut gelungen, dass Villeroy & Boch im letzten Geschäftsjahr mit neuen Problemen zu kämpfen hatte: mit Lieferengpässen.

 Villeroy & Boch (Quelle: finanzen.net
2016 konnte das Unternehmen seinen Umsatz um 2 Prozent steigern, wobei man unter Währungseinflüssen zu leiden hatte. Insbesondere der Mexikanische Peso, der Rubel und das Britische Pfund in Folge des Brexit-Votums haben deutlich an Wert verloren und damit auch den Umsatz negativ belastet. Um die Währungseffekte bereinigt, hätte der Umsatz sogar um weitere 3,3 Prozent höher gelegen. Der inzwischen größte Bereich Bad & Wellness legte insgesamt um 5,5 Prozent zu und hier kann das Unternehmen vor allem mit Badmöbeln punkten. Dagegen durchläuft der Traditionsbereich Tischkultur eine Neustrukturierung und die Entscheidung, sich auf margenstärkere Handelskanäle zu konzentrieren, kostete Umsatzanteile. Ebenso der restriktivere Umgang mit Rabattaktionen, sowie die Übertragung des Zweitmarkengeschäfts in das Lizenzgeschäft.

Auch wenn einige Entscheidungen Umsatz kosten, folgen sie doch einem höheren Zweck. Denn sie steigern die Rentabilität und hieran hatte Villeroy & Boch viele Jahre zu knabbern. Auch deshalb hat man sich schon vor längerer Zeit entschieden, einige traditionelle Produktionsstandorte aufzugeben. Eine positive Randerscheinung dabei ist, dass man nun teilweise in besten Citylagen von Ballungszentren über großflächige Grundstücke verfügt. Und der globale Trend zur Urbanisierung findet nicht nur in Deutschland statt, wo die Immobilienpreise in den Metropolen in die Höhe schießen und Bauland immer mehr zur Mangelware wird. So hat man vor einigen Jahren sein Grundstück in Lübeck verkauft und im schwedischen Gustavsberg ist man inzwischen mitten in der Projektabwicklung. So wurden in den Jahren 2013 bis 2016 Sondererträge von knapp 15 Mio. Euro realisiert. Hier stehen noch restliche Zahlungen aus, doch interessanter ist natürlich der Blick nach vorne. Und der führt uns nach Luxemburg.

Beim dortigen ehemaligen Werksgelände im „Rollingergrund“ wurde im Dezember die erste von zwei Teilflächen an die Stadt Luxemburg verkauft. Ein Großteil des hierfür angefallenen Verkaufserlöses wurde allerdings durch Rückstellungen für Abriss-, Rückbau- und Sanierungsarbeiten, zu denen sich Villeroy & Boch verpflichtet hat, aufgezehrt. Das Risiko ist also in der Bilanz bereits verarbeitet, während die Chancen erst noch kommen. So erhöhen laut Geschäftsbericht die gemeinsam mit der Stadt Luxemburg erzielten Fortschritte bei der Baurechtsschaffung den aktuellen Verkehrswert der zweiten Teilfläche des Entwicklungsgebietes um 12,2 Mio. Euro. Es bleibt abzuwarten, welche Sondererträge Villeroy & Boch am Ende insgesamt aus dem Luxemburger Gelände ziehen kann, allerdings gehen Experten aktuell davon aus, dass nach kompletter Vermarktung bei Villeroy & Boch zwischen 30 und 35 Mio. Euro hängen bleiben werden. Und die dürfte in den kommenden zwei bis drei Jahren erfolgen.

Nun sind diese hohen Sondererträge allerdings nur ein schönes Zubrot, das Hauptaugenmerk sollten Anleger weiterhin auf das Brot-und-Butter-Geschäft richten. So hat sich im Geschäftsjahr 2016 der operative Cashflow auf knapp 78 Mio. Euro mehr als verdoppelt und die Nettoliquidität vervierfachte sich sogar auf 60,7 Mio. Euro. Das ist vor allem auf das Umsatzwachstum zurückzuführen bei einem gleichzeitigen Abbau von Vorräten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Darüber hinaus hat das Unternehmen vorübergehend seine Investitionen etwas zurückgefahren, wobei im Bereich Tischkultur insbesondere in den Ausbau und die Optimierung des Einzelhandelsnetzes investiert wurde.

Für 2017 erwartet der Vorstand bei einer fortgesetzt mäßigen weltwirtschaftlichen Dynamik einen Anstieg des Konzernumsatzes um 3 bis 5 Prozent sowie eine Steigerung des operativen EBIT um 5 bis 10 Prozent. Das Investitionsvolumen soll auf 35 Mio. Euro anwachsen und ganz überwiegend in den größten Bereich Bad & Wellness fließen. Hier will man die Kapazitäten erweitern, um die im letzten Jahr aufgetretenen Lieferengpässe bei Produktneuheiten zu beheben. Vor allem die neuen spülrandlosen WCs scheinen ein echter Kassenschlager zu sein.

Im Hinblick auf die mit 200 Mio. Euro recht hohen Pensionsverpflichtungen geht das Unternehmen davon aus, hier auf der sicheren Seite zu sein. Man diskontiert aktuell mit 1,25 Prozent und führt den Rückstellungen weniger zu, als man entnehmen muss. Die Pensionsverpflichtungen reduzieren sich also tendenziell. Und sollte das Zinsniveau sich in Zukunft wieder normalisieren, also erhöhen, würde dies sogar ergebniswirksame Reduzierungen der Rückstellungen nach sich ziehen. Also perspektivisch weitere Sondererträge.

Während Villeroy & Boch auch künftig rund die Hälfte des operativen Jahresergebnisses als Dividenden auskehren will, gilt dies nicht für die genannten Sondererträge. Hier gibt es weder Pläne für Extradividenden noch für Aktienrückkäufe. Daher dürften sich Anleger auf absehbare Zeit auf die normale Dividende einstellen, die aktuell immerhin rund 3 Prozent bietet. Also viel mehr als das Sparbuch.

Villeroy & Boch ist ein klassisches Langfristinvestment mit einem gewaltigen Schuss Tradition. Gleichzeitig fährt das Management einen Modernisierungskurs, ohne das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Kunden zu überfordern. Und das kommt nicht von ungefähr, denn die Gründerfamilien halten weiter das Heft in der Hand. Sie sind sowohl im Aufsichtsrat als auch im Vorstand aktiv und an der Börse sind nur die stimmrechtslosen Vorzugsaktien notiert. Damit dürfte der Blick weniger auf die 270 Jahre Unternehmensgeschichte gerichtet sein, als vielmehr auf die langfristige Zukunft. Villeroy & Boch ist ein klassisches Buy & Hold-Investment, bei dem sich die Aktien hervorragend zum Vererben eignen. Wie das dazu passende Kaffeeservice der Großmutter.

Villeroy & Boch befindet sich auf meiner Empfehlungsliste.

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