Sonntag, 23. August 2020

Sind Unternehmensanleihen eine Alternative zu Aktien? Oder vielleicht sogar mehr?

Oft bieten Unternehmensanleihen attraktive Zinskonditionen, jedenfalls verglichen mit den dürftigen Angeboten der öffentlichen Hand. Denn Bundesanleihen bringen inzwischen bisweilen sogar schon Negativrenditen und das Kapital wird durch die Inflation zusätzlich angeknabbert - eine negative Gesamtrendite ist die Folge.

Wer sich in ein Unternehmen einkauft, ist auch an dessen Gewinnen und Verlusten beteiligt. Am einfachsten geht dies bei börsennotierten Aktiengesellschaften über den Erwerb der entsprechenden Aktien an der Börse. Dabei muss sich die Aktienkursentwicklung nicht an der Entwicklung des Unternehmens orientieren, auf lange Sicht ist dies jedoch meistens der Fall. Und deshalb sollte man Geduld mitbringen und langfristig in ausgesuchte Top-Unternehmen investieren.

Doch auch bei der sorgfältigsten Auswahl kann es vorkommen, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät und vielleicht sogar Insolvenz anmelden muss; die Auswirkungen der Corona-Pandemie führen uns das ja gerade explizit vor Augen. Hier ist einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Aktien und Unternehmensanleihen zu verorten: Aktionäre sind Eigentümer, Anleihebesitzer sind Gläubiger. Im Insolvenzfall erhalten zunächst die Gläubiger ihr Geld - oftmals nur anteilig zur Insolvenzquote - und nur wenn die Gläubiger vollständig bedient werden konnten, wird der verbliebene Restwert auf die Eigentümer verteilt. Das Risiko für den Investor ist also bei Aktien größer als bei Anleihen.

Der zweite große Unterschied ist, dass Anleihen eine bestimmte Laufzeit haben und am Ende zum Nominalwert, also 100%, zurückgezahlt werden. In der Zwischenzeit erhält man als Anleger die jährlichen Zinsen gutgeschrieben, sofern es sich nicht um eine Anleihe mit Endfälligkeit handelt, denn dann bekommt man alle Zinsen erst am Ende der Laufzeit auf einen Schlag ausbezahlt. Für Anleger, die vom ersten bis zum letzten Tag die Anleihe besitzen, sind also keine Kursgewinne oder Kursverluste drin (außer im Insolvenzfall). In der Zwischenzeit können die Kurse aber durchaus beträchtlich schwanken, wenn die Anleihen zum Börsenhandel zugelassen sind. Dann errechnet sich die Rendite aus dem Zinskupon und dem Anleihekurs, der über oder unter pari notieren kann. Liegt er über 100%, reduziert sich die Rendite, liegt er darunter, erhöht sie sich. Zum Rückzahlungstermin erhält der Anleihegläubiger jedoch vom Emittenten genau 100%. Sind die Anleihen nicht börsennotiert, ist eine vorzeitige Veräußerung schwer zu realisieren und ggf. nur an den Emittenten möglich.

Risikobetrachtung geht vor Gewinnerwartung

Börsennotierte Unternehmensanleihen bieten also mehr Sicherheit, aber auch weniger Chancen als Aktien. Man darf aber nicht den Fehler machen, sie deshalb weniger gründlich auszuwählen. Denn ihre Qualität bemisst sich nicht an der Höhe des Zinskupons, sondern an der Bonität des Schuldners. Und die Auswahl des Unternehmens erfordert die gleiche Sorgfalt und Akribie, ob man nun dessen Aktien oder dessen Anleihen erwerben möchte. Man muss sich mit dem Unternehmen vertraut machen, seine Geschäftsberichte studieren, seine Aussichten einschätzen und die Risiken einschätzen. Erst dann - und nur dann! - sollte man sein Geld investieren!

Eine Sondersituation ergibt sich, wenn ein Unternehmen in finanzielle Schieflage gerät und man auf einen Turnaround setzen möchte. In diesem Fall notieren die börsennotierten Unternehmensanleihen zumeist auch weit unter dem Nominalwert und man kann hier größere Kursgewinne einfahren. Denn wenn ein Insolvenz gefährdetes Unternehmen die Kurve kriegt, dann zahlt es auch seine Anleihen zurück. Konnte man diese für 40% oder 60% des Nominalwertes einkaufen, erhält man am Ende der Laufzeit nicht nur die Zinsen, sondern eben auch 100% als Kurswert zurück.
»Die meisten Anleger glauben, Qualität und nicht etwa der Preis sei der Maßstab dafür, ob eine Geldanlage riskant ist. Doch qualitativ hochwertige Aktiva können riskant und Vermögenswerte niedriger Qualität können sicher sein. Es ist alleine eine Frage des Preises, den man für sie bezahlt.«
Der Vorteil gegenüber einer Turnaround-Spekulation in Aktien ist, dass man als Anleihegläubiger besser abgesichert ist als ein Aktionär. Allerdings nur, wenn die Insolvenzmasse überhaupt eine Quote hergibt. Generell gilt auch hier, dass man mit einem Totalverlust seines eingesetzten Kapitals rechnen muss. Daher muss vor einer Turnaround-Spekulation die Lage des Unternehmens sehr genau analysiert und seine Überlebenschancen bewertet werden. Unabhängig davon, ob man mittels Aktien oder Anleihen auf den Turnaround spekulieren möchte.

Unternehmensanleihen sind also keine Alternative zu Aktieninvestments, doch sie stellen eine gute Beimischung dar. Auch unter dem Gesichtspunkt der Risikostreuung haben sie einen berechtigten Platz in ein gut sortiertes Wertpapierdepot.

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