Freitag, 24. Oktober 2025

Kissigs Börsengeschichte(n): Der "Schwarze Donnerstag" am 24. Oktober 1929 killte die Goldenen Zwanziger und führte direkt in die Weltwirtschaftskrise

Der 24. Oktober 1929 ging als "Schwarzer Donnerstag" in die Finanzgeschichte ein. An ihm begann an der New Yorker Börse eine Panik, die in wenigen Tagen das Fundament des modernen Kapitalismus erschütterte.

Was als Korrektur an einem überhitzten Aktienmarkt begann, entwickelte sich zum größten Börsencrash der Geschichte – und leitete die Weltwirtschaftskrise ein, die Millionen Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit stürzte.

Die "Roaring Twenties" – Aufschwung, Spekulation und Illusionen

Die 1920er-Jahre, oft als "Roaring Twenties" bezeichnet, waren eine Zeit beispiellosen Wachstums und Optimismus. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebten die USA einen industriellen Boom: neue Technologien, steigende Produktivität und eine expansive Geldpolitik schufen die Grundlage für Wohlstand. Das Auto, das Radio und der elektrische Haushalt hielten Einzug in den Alltag, und die Börse wurde zum Symbol grenzenloser Möglichkeiten.

Zwischen 1921 und 1929 vervielfachte sich der Dow Jones Index von rund 63 auf über 380 Punkte. Millionen Amerikaner, vom Fabrikarbeiter bis zum Lehrer, investierten ihr Erspartes in Aktien. Doch viele taten dies nicht mit eigenem Geld, sondern auf Kredit. Dieses sogenannte "Margin Buying" erlaubte es Anlegern, mit nur 10 Prozent Eigenkapital große Positionen zu kaufen, während die restlichen 90 Prozent geliehen wurden. Solange die Kurse stiegen, schien das System unfehlbar. Doch es war ein Kartenhaus aus Schulden und Spekulation.

Zugleich wuchsen strukturelle Probleme: Überproduktion in der Industrie, sinkende Agrarpreise, eine zunehmende Einkommensungleichheit und wachsende internationale Handelsspannungen belasteten die Realwirtschaft. Die Federal Reserve hatte bereits 1928 versucht, die Spekulation durch Zinserhöhungen einzudämmen, doch diese Maßnahme kam zu spät und traf vor allem die Industrieproduktion.

Der 24. Oktober 1929 – Und es werde... Panik

Am Donnerstag, den 24. Oktober 1929, öffnete die New York Stock Exchange unter dramatischen Vorzeichen. Schon kurz nach Handelsbeginn gerieten die Kurse ins Rutschen. In wenigen Stunden wurden über 12 Millionen Aktien gehandelt – ein bis dahin beispielloses Volumen. Anleger stürmten zu ihren Brokern, um Verkaufsaufträge zu erteilen, doch die Telefone waren überlastet, die Ticker liefen Stunden hinterher.

Viele Investoren, die Aktien auf Kredit gekauft hatten, erhielten sogenannte Margin Calls, also die Aufforderung, zusätzliche Sicherheiten zu hinterlegen, um ihre Kredite zu decken. Wer das nicht konnte, musste seine Aktien zwangsverkaufen, wodurch das Verkaufsvolumen weiter stieg und die Preise noch stärker fielen – ein Teufelskreis.
Am Nachmittag versuchten einige der mächtigsten Banker New Yorks, die Panik zu stoppen. Ein Konsortium unter Führung von Thomas Lamont (J.P. Morgan), Charles Mitchell (National City Bank) und anderen finanzierte Stützungskäufe, um Vertrauen zu schaffen. Tatsächlich erholten sich die Kurse kurzzeitig, und die Zeitungen verkündeten am nächsten Tag, die Panik sei überwunden. Doch das war ein Trugschluss.

Am darauffolgenden Montag und Dienstag, dem Black Monday (28. Oktober) und Black Tuesday (29. Oktober), brachen die Kurse erneut ein. Der Dow Jones verlor innerhalb von zwei Tagen fast 25 Prozent seines Werts. Am Ende der Woche war die größte Blase der modernen Finanzgeschichte geplatzt.

Die Ursachen des Zusammenbruchs

Der Schwarze Donnerstag war kein isoliertes Ereignis, sondern das Ergebnis jahrelanger Fehlentwicklungen. Dabei kamen gleich mehrere Faktoren zu einer toxischen Mischung zusammen.

  • Übermäßige Spekulation und Verschuldung
    Der Aktienboom war weitgehend kreditfinanziert. Rund 40 Prozent aller Aktienkäufe erfolgten auf Kreditbasis und als die Kurse fielen, führten Zwangsverkäufe zu einer Lawine aus Panik und Liquidationsdruck.
     
  • Mangelnde Regulierung
    In den 1920er-Jahren gab es in den USA kaum Vorschriften für den Wertpapierhandel. Unternehmen konnten Aktien ausgeben, ohne über ihre Finanzen Rechenschaft ablegen zu müssen. Manipulationen, Insiderhandel und irreführende Werbung waren an der Tagesordnung.
     
  • Verflechtung zwischen Banken und Börse
    Viele Banken spekulierten selbst an der Börse oder vergaben riskante Kredite an Investoren. Als die Kurse fielen, verloren sie sowohl ihr Eigenkapital als auch die Kreditsicherheiten und diese doppelte Belastung führte zu einer Welle von Bankenzusammenbrüchen.
     
  • Überproduktion und Nachfrageschwäche
    Die US-Wirtschaft hatte massive Überkapazitäten aufgebaut, insbesondere in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe. Die Einkommen der Arbeiter hielten nicht mit der Produktivität Schritt, sodass die Nachfrage stagnierte, während die Produktionsmenge weiter wuchs.
     
  • Fehler der Geldpolitik
    Die Notenbank reagierte zunächst zögerlich und erhöhte sogar die Zinsen, um den Kapitalabfluss ins Ausland zu verhindern. So verschärfte sie die Kreditklemme und verschlimmerte die Krise zusätzlich.

Von der Finanzpanik zur Weltwirtschaftskrise

Der Börsencrash war der Auslöser, aber nicht die alleinige Ursache der folgenden Weltwirtschaftskrise. Zwischen 1929 und 1933 brach die amerikanische Wirtschaftsleistung um etwa 30 Prozent ein. Über 9.000 Banken schlossen ihre Türen, Millionen Menschen verloren ihre Ersparnisse. Die Arbeitslosenquote stieg auf über 25 Prozent, die Industrieproduktion halbierte sich.

Die Auswirkungen erfassten bald die gesamte Welt. Als die USA ihre Kredite an europäische Länder stoppten, gerieten auch dort Banken und Unternehmen in Not. Der Welthandel brach ein, und durch protektionistische Maßnahmen wie den Smoot-Hawley-Tarif von 1930 verschärfte sich die Lage weiter. Auch Deutschland wurde schwer getroffen: Die Abhängigkeit von US-Krediten und der Druck der Reparationszahlungen führten zu einer wirtschaftlichen Katastrophe, die politische Extreme begünstigte.

Die Lehren aus der Katastrophe – Neue Gesetze und Institutionen

Der Zusammenbruch von 1929 führte zu einem Umdenken in der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Unter Präsident Franklin D. Roosevelt begann ab 1933 der New Deal, ein umfassendes Reformprogramm, um den Kapitalmarkt neu zu strukturieren und das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen.
  • Der Securities Act von 1933
    Dieses Gesetz war das erste große Regelwerk zur Kontrolle des Wertpapiermarkts. Es verpflichtete Unternehmen, bei der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen umfassende Informationen über ihre Geschäftslage zu veröffentlichen. Ziel war es, Anleger vor Betrug zu schützen und Transparenz zu schaffen.
     
  • Der Securities Exchange Act von 1934 und die Gründung der SEC
    Ein Jahr später folgte der Securities Exchange Act, der den Handel mit Wertpapieren auf dem Sekundärmarkt regulierte und die Securities and Exchange Commission (SEC) gründete. Diese Behörde überwacht seither Börsen, Broker und Emittenten und ist befugt, gegen Marktmanipulationen und Insiderhandel vorzugehen.
     
  • Der Glass-Steagall Act (Banking Act von 1933)
    Ebenfalls zentral war die Reform des Bankensystems. Der Glass-Steagall Act trennte das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft strikt vom Investmentbanking, um zu verhindern, dass Banken mit Kundeneinlagen spekulieren. Außerdem wurde die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) geschaffen, die Bankeinlagen bis zu einer bestimmten Summe absichert – ein entscheidender Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens in das Bankensystem.
Diese Maßnahmen markierten den Beginn einer neuen Ära: Der Staat übernahm eine aktive Rolle in der Regulierung der Finanzmärkte.
 

Langfristige Folgen und Bedeutung

Der Schwarze Donnerstag von 1929 bleibt bis heute ein Mahnmal für die Gefahren unkontrollierter Spekulation. Er zeigte, dass Finanzmärkte keine selbstheilenden Systeme sind, sondern anfällig für menschliche Gier, Übertreibung und kollektive Panik.

Die Reformen der 1930er-Jahre legten den Grundstein für das moderne Finanzsystem der USA. Sie schufen Transparenz, begrenzten Risiken und sorgten für institutionelle Aufsicht. Jahrzehntelang verhinderten diese Regeln eine Wiederholung einer solchen Katastrophe - bis zur Deregulierung der 1980er- und 1990er-Jahre, die wiederum neue Krisen begünstigte.
Auch fast ein Jahrhundert später sind die Parallelen verblüffend: Kreditexzesse, Überbewertung von Vermögenswerten und blinder Optimismus führten etwa 2008 erneut zu einem weltweiten Finanzbeben, der "Globalen Finanzkrise". Die Geschichte von 1929 erinnert daran, dass Vertrauen das wertvollste Kapital einer Wirtschaft ist – und dass Märkte, so frei sie auch sein mögen, Regeln brauchen, um stabil zu bleiben.

Mein Fazit

Der Schwarze Donnerstag war mehr als ein Tag des Börsenabsturzes. Er war der Wendepunkt, an dem die Illusion grenzenlosen Wachstums zusammenbrach. Der Crash offenbarte die Schwächen eines Systems, das auf Gier, Kredit und Hoffnung gebaut war, und führte zu einem Jahrzehnt der Entbehrungen, aber auch zu den tiefgreifendsten Finanzreformen der Moderne.

Er machte deutlich, dass wirtschaftlicher Fortschritt und finanzielle Stabilität nicht allein aus Freiheit entstehen, sondern aus Verantwortung, Regulierung und Vertrauen – Lehren, die bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
"Ich bin sicher, dass der Börsenkrach von 1929 noch einmal passieren wird. Alles, was man für einen neuen Zusammenbruch braucht, ist dass die Erinnerung an diesen Wahnsinn schwächer wird."
(John Kenneth Galbraight)
Und doch wird es immer wieder zu solchen Übertreibungen kommen, weil die Psychologie die Börsen bestimmt, weil Angst und Gier der Menschen die Vernunft überstimmt. Der Grund ist einfach: die Menschen wollen schnell reich werden und wenn sie das Risiko nicht (er)kennen, werden sie immer sorgloser. Wie Warren Buffett einst süffisant anmerkte: Ein Lemming allein hat noch nie eine schlechte Kritik erhalten, aber als Gruppe scheinen sie immer gezielt die nächste Klippe anzusteuern.
Daher sollten Anleger stets auf der Hut bleiben und nicht jede Spekulationswelle bis zum Exzess mitreiten. Es zahlt sich auf lange Sicht mehr aus, seinen Investmentgrundsätzen treu zu bleiben, als der Herde hinterherzulaufen. Denn da frisst man am Ende nur Staub...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen