Mittwoch, 24. Januar 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Energiekontor: Wendet sich nun das Blatt beim Energiewendeprofiteur?

Im Magazin "Der Nebenwerte Investor" von Traderfox finden sich regelmäßig Analysen von mir zu deutschen Nebenwerten. Das Magazin ist kostenpflichtig und wer dieses oder eine der weiteren Börsenzeitschriften von Traderfox bestellen möchte, gelangt ▶ hier zur Übersicht. Mehrwert für die Leser meines Blogs: Nach Erscheinen des Magazins darf ich meine Nebenwerte-Analysen dann auch hier veröffentlichen.


Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 2/2024 vom 24.01.2024

▶ In dieser Ausgabe: Energiekontor, Grenke, Deutsche Beteiligung, Hypoport, Evotec, Encavis, Jenoptik, Deutz


Energiekontor: Wendet sich nun das Blatt beim Energiewendeprofiteur?

Die in Bremen ansässige Energiekontor AG ist einer Pioniere der Energiewende und das bereits seit 30 Jahren, als dieser Begriff noch nicht einmal erfunden war. Energiekontor ist auf die Projektierung und den Verkauf von Wind- und Solarparks spezialisiert, wobei man neben dem Schwerpunkt Deutschland auch im europäischen Ausland und den USA aktiv ist. Die Ursprünge liegen im Windparkbereich, zunehmend rücken auch Solarparks in den Fokus. Wobei von den fertiggestellten Energieparks rund die Hälfte nicht veräußert wird, sondern in den Eigenbestand übergeht und damit Energiekontor auch immer stärker zum Energieerzeuger wird. Damit stehen alle Weichen auf Erfolg. Eigentlich…

Der Energiehunger der Welt nimmt immer weiter zu, was nicht nur an einer steigenden Weltbevölkerung liegt, sondern auch am steigenden Lebensstandrad, vor allem in Asien, Südamerika und inzwischen auch Afrika. Die globale Erwärmung und der Klimawandel sind nicht regional aufzuhalten und schon gar nicht alleine von und in Deutschland, aber ein erheblicher Teil der Pionierarbeit für Solar- und Windenergie stammt von hier. Und wenn es nach Energiekontor geht, soll das auch so bleiben.

Das Erfolgsgeschäftsmodell

Energiekontor wurde im Jahr 1990 gegründet und ging im Jahr 2000 an die Börse. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 220 Mitarbeitende und kürzlich wurde das SDAX-Mitglied auch in den TecDAX aufgenommen. Der Erneuerbaren Energien-Spezialist deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette ab, von der Akquise der Grundstücke bis zur Inbetriebnahme und Verkauf der Anlagen sowie dem Repowering. Bisher kann man auf mehr als 150 realisierte EE-Projekte zurückblicken, die insgesamt eine Stromerzeugungskapazität von 1,3 Gigawatt leisten.

Mehr als 40 von diesen Wind- und Solarparks hat Energiekontor in den Eigenbestand überführt und kommt so auf eine Gesamtnennleistung von mehr als 390 Megawatt (MW) bei der Stromerzeugung. Die hieraus resultierenden relativ stetigen Einnahmen glätten die Ergebnisse zunehmend, während das Projektgeschäft teilweise deutliche Schwankungen aufweist; insbesondere zum Quartals- oder Jahresende hin können wenige Tage einer früheren oder späteren Fertigstellung oder Inbetriebnahme deutlich Auswirkungen auf das jeweilige Zahlenwerk haben .

Erhebliche Marktverzerrungen

Der Energiesektor zählte früher zu den sogenannten Witwen- und Waisensektoren, weil Umsätze und Gewinne jedes Jahr stetig in die Höhe schraubten. Langsam aber solide, einfach langweilig. Warren Buffett prägte daher mal das Bonmot: "Mit Energieversorgern wird man nicht reich, aber man bleibt es".

Doch diese Zeiten sind vorbei. In Deutschland gibt es seit mehr als 20 Jahren einen sogenannten liberalisierten Markt, bei dem die vormaligen Monopolgesellschaften in überwiegend staatlicher Hand in marktwirtschaftliche Strukturen geschubst wurden. Das Ergebnis ist aber weder Fleisch noch Fisch, denn den marktwirtschaftlichen Elementen werden starke Regulierungsgrenzen auferlegt, so dass zentrale staatliche Planung weiterhin eine maßgebliche Rolle spielt. Und zumeist keine rühmliche, wie insbesondere die letzten Jahre zeigen.

Neben dem Klimawandel und der daraus resultierenden gewünschten Abkehr von fossilen Energieträgern sorgte Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine für eine Sanktions- und Embargowelle des Westens gegen Russland und Deutschland und die EU kehrten Russlands Gas- und Öllieferungen weitgehend den Rücken. Was sich als schwierig erweist, denn man war zum Heizen auf russisches Erdgas angewiesen und hatte sich jahrzehntelang auf die günstige Versorgung durch die russischen Pipelines verlassen.

Nun soll Gas als LNG mit Schiffen zu uns kommen aus den USA, aus Katar, aus Asien. Dazu wird eine neue Infrastruktur benötigt. Und auch bei der Stromproduktion hat sich vieles verändert, denn die deutschen Atomkraftwerke sind inzwischen endgültig vom Netz gegangen und die Gaskraftwerke sollen eigentlich ebenfalls an Bedeutung verlieren.

Die politische Lösung des Energiedilemmas liegt im Strom. Wirtschaft und Gesellschaft sollen elektrifiziert werden und der enorm wachsende Strombedarf soll möglichst vollständig aus regenerativen Energien erzeugt werden. Neben Wasserkraft, die in Deutschland nur begrenzt forcierbar ist, sind dies vor allem Wind- und Solarkraft. Doch der neue Flaschenhals sind die Netze und Speicher. Beide sind in zu geringem Maße vorhanden, als dass Stromverbraucher und –erzeuger in ausreichendem Maße angeschlossen werden können. Und so stocken vielerorts Ausbauprojekte oder ganze Windparks in der Nordsee stehen bei regem Windaufkommen still, weil ihr produzierter Strom an Land nicht in die stromhungrigen Regionen im Ruhrgebiet und Süddeutschland transportiert werden kann. Der Staat greift daher immer häufiger regulierend ein und setzt politisch gewollte Ziele- Bisweilen gibt es dafür große Förderbeträge, was den Anreiz erhöhen soll. Doch leider werden die Vorgaben nicht selten relativ kurzfristig wieder umgeworfen oder verändert und das läuft den auf 20 und mehr Jahre konzipierten Investitionen zuwider. Die deshalb oft ausbleiben.

Quelle: wallstreet-online.de
Leidtragende sind auch die eigentlichen Profiteure der Energiewende, so wie Energiekontor. Das kann man leicht am Aktienkurs nachvollziehen. Dem starken Strompreisanstieg in 2022 folgend spurtete er bis zum Frühjahr 2022 auf über 100 Euro und notierte damit mehr als fünfmal so hoch wie zwei Jahre zuvor. Nur 12 Monate später war er auf knapp 60 Euro eingebrochen, nachdem allerorten Probleme aufgetaucht waren: die 'Übergewinnsteuer' hatte die Euphorie gebremst, die Störungen in den Lieferketten den Ausbau behindert und die Preise massiv in die Höhe getrieben und die Rekord-Zinsanhebungen der Notenbanken sorgten für deutliche Verteuerungen der Projekte. Und dann begannen die Energiepreise wieder zu fallen, was aus dem Rundumsorglos-Szenario eines mit vielen Brandherden machte. Und diese Brände sind bis heute nicht alle gelöscht, auch wenn sich die lieferketten entspannt, die Preis und die Inflation stabilisiert und die Zinsen ihren Aufwärtstrend beendet haben. Der Aktienkurs hat sich ebenfalls von seinem Schock erholt und notiert mit 75 Euro etwa 25 % unter dem Allzeithoch und befindet sich auf Richtungssuche. Dabei dürfte ein Blick auf die Geschäftszahlen helfen.

Überraschender Erfolg und Prognoseanhebung

Mitte Dezember 2023 vermeldete Energiekontor den Verkauf eines weiteren schottischen Windparkprojekts an Capital Dynamics und zwar das Projekt Garbet in der Nähe der Stadt Dufftown im Nordosten des Hochlandes von Schottland. Der Windpark soll planmäßig bis Ende 2026 den kommerziellen Betrieb aufnehmen und wird über eine Gesamterzeugungsleistung von bis zu 46 Megawatt verfügen. Ab Inbetriebnahme wird er von der langjährigen Betriebsführungserfahrung und Optimierungsunterstützung von Energiekontor profitieren.

Bereits im September hatte Energiekontor mit dem Projekt erfolgreich an der fünften Ausschreibungsrunde des britischen Department for Energy Security and Net Zero (DESNZ) für die Zuteilung eines Differenzkontraktes (CFD) teilgenommen und den Zuschlag für einen attraktiven inflationsindexierten Einspeisetarif erhalten, von dem der Windpark ab Inbetriebnahme profitieren wird. Das betrifft zukünftig auch weitere schottische Windparkprojekte von Energiekontor, die in derselben Ausschreibungsrunde ebenfalls einen Zuschlag erhalten hatten.

Dass die Schottische Projektpipeline solche Schätze birgt, damit hatte bisher niemand gerechnet. Vor dem Hintergrund des positiven Projektgeschäfts hat Energiekontor dann auch gleich die Prognosen für das Geschäftsjahr 2023 angehoben. Die Zielbandbreite für das Konzern-EBT sah vor, das Konzernergebnis vor Steuern (EBT) des Vorjahres im Geschäftsjahr 2023 um 10 bis 20 % zu steigern, doch nun sollen es statt der im Geschäftsjahr 2022 erzielten 62,9 Mio. Euro zwischen 80 und 100 Mio. Das entspräche einer Steigerung von rund 30 bis 60 % im Vergleich zum Vorjahr.

Der Aktienkurs sprang erstmal in die Höhe, aber die größte Freude ist bereits wieder verpufft. Möglicherweise liegt das auch daran, dass Energiekontor seine eigentlich für 2023 geplanten Inbetriebnahme des Windparks Pullheim auf Januar 2024 verschoben hat und diese Zahlen demnach im Ergebnis für das Geschäftsjahr 2023 fehlen werden.

Hier zeigt sich ein Dilemma, denn der Anteil des Projektgeschäfts ist bei Energiekontor noch immer sehr hoch und die stichtagsbezogene Abrechnung zum Jahreswechsel kann hier immer für Überraschungen sorgen – in beide Richtungen. Für den Geschäftsverlauf ist es dabei eigentlich egal, ob eine Anlage am 15.12. oder am 15.01. abgerechnet wird, aber Anleger und Analysten legen hierauf großen Wert. Energiekontor versucht diese Effekte zu glätten, indem man sich Projektfortschritte bezahlen lässt und durch eine Steigerung der wiederkehrende Erlöse.

Dabei zeigt das Geschäftssegment 'Betriebsentwicklung, Innovation & Sonstiges' weniger Fortschritte als erhofft und wird 2023 unter Vorjahr liegen. Während die Betriebsführung für Energieparks weiter wachsen sollte, dürften sich insbesondere die Hoffnungen, die auf Rotorblattverlängerungen liegen, bisher kaum realisiert haben.

Auch im Segment 'Stromerzeugung' wird das 2022er Rekordergebnis nicht ganz erreicht werden, was nicht an den produzierten Strommengen liegt, sondern an den Rekordpreisen in der 2. Jahreshälfte des Vorjahres, die sich wieder deutlich abgeschwächt haben. Das Segment 'Projektierung & Verkauf' wird sehr stark zulegen, was in Summe zu der angepeilten Steigerung des Betriebsergebnisses zwischen 30 und 60 % führen soll.

Wachsender Einfluss von PPA und Einspeisevergütung

Bei den Energieparkausschreibungen bekommt regelmäßig der Projektierer den Zuschlag, der die geringsten staatliche Förderungen einfordert. Die garantierte Einspeisevergütung stellt dabei immer die Untergrenze für den Energiepark dar, an Relevanz zulegen tut der Marktpreis, der über die Energiebörse zu erzielen ist. Dieser Preis schwankt in den letzten Jahren beträchtlich und was 2022 zu Rekordergebnissen führte, sorgte 2023 für lange Gesichter. Eine Abhilfe schaffen PPAs, also Power-Purchase-Agreements. Hierbei werden die Mengen einer Energieparks für eine festgelegte Dauer und festgeschriebene Konditionen vorab verkauft, zumeist an ein großes Unternehmen. Dieses sichert sich so gut kalkulierbare Energiepreise und der Energieerzeuger kann sicher mit den Einnahmen rechnen. Für beide eine interessante Option. Und nachdem das Interesse der Abnehmer an PPAs in der Rekordpreiszeit 2022 stark nachgelassen hatte, sorgt der Preisrückgang inzwischen wieder für anziehendes Interesse.

Bullcase vs. Bearcase

Energiewerte zählten 2023 zu den großen Verlierern an der Börse. Die Chancen stehen gut, dass dies in 2024 wieder anders wird. Die Bewertungen sind moderater, die Erwartungen deutlich niedriger und die Aussichten hellen sich auf. Der grundsätzliche Trend eines deutlich steigenden Strombedarfs besteht fort und die gesunkenen Bewertungen im Sektor führen wieder verstärkt zu Fusionen und Übernahmen.

Bei Energiekontor halten die Gründerfamilien Lammers und Wilkens mit zusammen 51 % die Zügel weiter fest in der Hand und weitere 5,2 % entfallen auf Union Investment, so dass die restlichen 43,6 % dem Streubesitz zuzurechnen sind. Eine Übernahme gegen die Gründer ist also nicht möglich, andererseits wäre mit ihrer Zustimmung vieles möglich ob nun Fusion oder Übernahme. Es wäre auch der Einstieg eines strategischen Minderheitsgesellschafters denkbar im Wege einer Kapitalerhöhung. Auch wenn der Anteil der Gründer dann unter 50 % fallen würde, sorgen die fortgesetzten Aktienrückkäufe doch dafür, dass ihr Einfluss stetig zunimmt. Ob und in welche Richtung hier mal Bewegung reinkommt, wird sicherlich nicht nur eine Frage des Preises sein. Aber auch. Und das wäre kaum ein Nachteil für die freien Aktionäre.

Bis dahin bleibt das größte Risiko fortbestehen und das sind staatliche Eingriffe in den Energiemarkt. Energieprojekte sind langfristige Investitionen und die benötigen vor allem Planungssicherheit. Die gab es in den letzten kaum und das sollte muss sich unbedingt wieder ändern! Dann stimmen viele Rahmenbedingungen und Energiekontor sollte wieder an die Erfolge früherer Jahre anknüpfen können. Neue Höchstkurse jenseits der 100 Euro-Marke sind also nur eine Frage der Zeit.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Energiekontor wissen muss

  1. Verlässliche Renditen führen zu einem zunehmenden Geldstrom in den Energiesektor und Energiekontor sollte hier weiterhin profitieren können.
  2. Das hybride Geschäftsmodell von Energiekontor hat sich bewährt und die steigende Eigenproduktion verstetigt Erlöse und Gewinne.
  3. In 2022 gab es einen Hype um die Projektpipelines im EE-Sektor, 2023 kollabierte dieser. Der jüngste Verkauf in Schottland zeigt die hier schlummernden Potenziale.
  4. Die Aktienmehrheit liegt bei den beiden Gründern, eine Übernahme ist kurzfristig nicht wahrscheinlich. Aber auch nicht unmöglich und bleibt daher ein spekulativer Bonus.
Disclaimer: Habe Energiekontor auf der Beobachtungliste und/oder im Depot/Wiki.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen