Samstag, 22. Mai 2021

Benjamin Graham warnt Anleger vor Selbstüberschätzung. Denn der schlimmste Feind des Investors sei wahrscheinlich er selbst...

Menschen neigen dazu, sich selbst zu überschätzen, im Straßenverkehr wie an der Börse. So meinen 70 Prozent der Autofahrer, sie würden überdurchschnittlich gut fahren. Was die eigenen Erfolgsaussichten an der Börse angeht, liegt die Selbstein- und überschätzung noch höher. Gefühlt scheint jeder "den Markt" schlagen zu können. Dabei versagen sogar die meisten Fondsmanager und schneiden schlechter als ihr Vergleichsindex ab. So fand die amerikanische Investmentgesellschaft Vanguard in einer Studie heraus, dass 85 % der aktiv verwalteten Anlagefonds im Zeitraum zwischen 1999 und 2013 ihrem Vergleichsindex hinterherhinkten. In einer aktuelleren Erhebung von Lyxor für das Jahr 2018 gelang nur 24 %der europäischen Fondsmanager eine Überperformance.
»Der schlimmste Feind des Investors ist wahrscheinlich er selbst.«
Die meisten Fehler an der Börse entstehen, weil Anleger zu wenig Geduld mitbringen und glauben, durch ein gutes Timing schlauer zu sein als die übrigen Anleger. Meistens schauen sie sich dazu Charts an und rückblickend betrachtet liegt klar auf der Hand, wann man kaufen und verkaufen hätte müssen. Und diese "Erkenntnis" wird dann gerne in die Zukunft fortgeschrieben. Aber das funktioniert eben nur selten bis gar nicht. Wenn es so einfach wäre, könnte es ja jeder und jeder würde an der Börse ein Vermögen verdienen. Und das möchte man nur zu gerne glauben...

Was uns Anlegern gerne dazwischenfunkt, sind unsere Emotionen. Denn wir Menschen sind Herdentiere und so neigen wir dazu, bei steigenden Kursen mit dabei sein zu wollen und Aktien zu kaufen und bei fallenden Kursen zu verkaufen. Doch wer mit der Herde investiert, verliert. Niemand schafft es, immer zum Tiefstpunkt einzusteigen und beim Höchstkurs auszusteigen. Niemand.
»Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten oder mehr Idioten als Aktien.«
Wenn man diese einfache Wahrheit zu akzeptieren gelernt hat, ist man schon einen großen Schritt weiter. Der nächste nötige Erkenntnisprozess ist, dass man Kursschwankungen als etwas Normales akzeptiert. Sie ändern den Preis der Aktien, nicht deren Wert! Ob der Aktienkurs bei 50 oder bei 60 Euro steht, ändert nichts an dem Wert des Unternehmens. Lediglich der Preis für eine seiner Aktien hat sich verändert. Trotzdem ändert die Kursveränderung bei den meisten Anlegern ihre Sicht auf ihr Aktienengagement: Unternehmen mit steigenden Aktienkursen werden als erfolgreich eingestuft, jene mit sinkenden Aktienkursen als Verlierer. Dabei resultiert der Aktienkurs schlicht auf Angebot und Nachfrage nach den Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt. Und es ist ein Irrtum zu glauben, andere Marktteilnehmer wüssten mehr, nur weil sie Aktien kaufen oder verkaufen.
»Denke nicht in Kursbewegungen, denke in Geschäftsergebnissen.«
Wer langfristig an der Börse erfolgreich sein will, muss also seine Emotionen von seinen Investmententscheidungen fernhalten. Doch das ist leichter gesagt als getan. Helfen dabei kann, seine Entscheidungsprozesse zu dokumentieren und zwar so, als würde man einem Freund in einem Brief erklären, weshalb man gerade diese Entscheidung getroffen hat. So setzt man sich intensiver und weniger spontan mit seiner Entscheidung auseinander und zwingt sich, den Fokus deutlicher auf die rationalen Beweggründe für den Kauf bzw. Verkauf zu lenken. Vor allem kann mit einem solchen Börsentagebuch auch später noch aus seinen Fehlern lernen, denn mit etwas Abstand betrachtet und dem Wissen um die Entwicklung nach der Orderaufgabe hat man die Möglichkeit, seine Anlageentscheidungen noch einmal zu reflektieren und zu überprüfen, ob die eigenen Argumente und Prognosen stichhaltig waren und eingetroffen sind. Und ggf. aus gemachten Fehlern Schlüsse ziehen. Dieses "Lehrgeld" ist noch immer das am besten investierte Geld!

Und darüber hinaus sollte man sich eine Anlagestrategie zulegen und diese konsequent durchziehen. Die Grundsätze des Value Investings sind kein Hexenwerk, sondern überwiegend leicht verständliche und simpel anzuwendende Ratschläge. Und "keep it simple" ist selten ein schlechter Rat, auch an der Börse...


Meine Lese-Tipps
▶ "Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse" von Benjamin Graham und David Dodd
▶ "Die Graham-Methode. Benjamin Grahams Value-Investing Schritt für Schritt" von Janet Lowe
▶ "Intelligent investieren" von Benjamin Graham

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