Mittwoch, 2. August 2023

Kissigs Aktien Report: Anleihen als ultimative Alternative zu Aktien. Wirklich!?

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 142 vom 28.07.2023

Anleihen als ultimative Alternative zu Aktien. Wirklich!?

Über viele Jahre hinweg haben die Notenbanken die Zinsen auf ein Niveau nahe der Nulllinie gesenkt und teilweise sogar darunter. Negative Zinsen waren zuvor undenkbar und doch wurden sie zur Realität: man bekam noch Zinsen oben drauf, wenn man sich Geld geliehen hat. Eigentlich eine Paradoxon und doch auch erklärlich.

Denn Zinsen sind der Preis für das Ausfallrisiko einer Zinsanlage. Es geht also um die Bonität des Schuldners und um die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung. Während die Notenbanken die Geldschleusen weit geöffnet hatten und die Märkte mit frischem Geld geradezu überschwemmten, war jeder liquide, war jeder solvent. Selbst die Pleitekandidaten und notorischen Insolvenzaspiranten bekamen das Geld hinterhergeschmissen und damit reduzierte sich das Risiko. Also auch der Zinssatz.

"Null Prozent Zinsen sind wie Sand am Meer - sie kommen einfach überall hin."

Früher war das anders, da waren die größten Schuldner die Herrscher, die Könige. Die lebten fast immer über ihre Verhältnisse und brauchten ständig Kredit. Doch das war sehr risikobehaftet, denn wie trieb man als Bankier oder Kaufmann eine Schuld ein bei jemandem, der über eine große Armee verfügt? Das ist keine Kleinigkeit. Viele Herrscher gingen einfach Bankrott oder erklärten per Gesetz die ihnen gewährten Kredite für gegenstandslos. Oft traf es dabei die Juden und da diese als Geldwucherer verschrien waren, hielt sich das Mitleid ihrer Mitmenschen in engen Grenzen.

Aber auch andere Geldverleiher traten auf den Plan, insbesondere zur Zeit der Renaissance. Ob in Deutschland die Fugger oder in Italien die Medici, sie gaben großzügig Kredit und finanzierten damit auch die Kriege der Herrschenden. Die daraus entstehende Abhängigkeit war allerdings beidseitig.

"Wenn Sie der Bank 100 Dollar schulden ist das Ihr Problem. Wenn Sie der Bank 100 Millionen Dollar schulden ist es das Problem der Bank."
(Jean Paul Getty)

Blickt man auf die Zinsentwicklung über viele Jahrhunderte hinweg, zeigt sich ein klarer Trend: die Zinsen sind seit 700 Jahren ständig gefallen. Natürlich gab es große Schwankungen, aber grundsätzlich sanken die Zinsen. Weil auch das Ausfallrisiko tendenziell immer weiter abgenommen hat aufgrund allgemein steigenden Wohlstands.

Quelle: www.visualcapitalist.com

Anleihen und Aktien sind Konkurrenten

Wir schauen uns heute Anleihen an als Form der Kapitalanlage. Hierbei leihen Anleger dem Schuldner für eine festgelegte Zeit Geld, das sie am Ende zurückerhalten. In der Zwischenzeit bekommen sie dafür Zinsen. Sofern der Schuldner nicht Pleite geht und das Geld nicht zurückzahlt, lässt sich bei Anleihen also ziemlich einfach die Rendite ermitteln. Man muss eigentlich 'nur' noch die Inflation mit berücksichtigen, weil diese ja den Geldwert schmälert.

Eine hohe Inflation bedeutet, dass das Geld weniger wert wird und je länger man in die Zukunft blickt, desto geringer ist dort sein Restwert. Deswegen kommt der 'Realrendite' so große Bedeutung zu. Erzielt man einen Zinssatz von 5 %, aber die Inflation liegt bei 10 %, dann hat man unterm Strich am Ende zwar 5 % mehr Geld, aber dieses hat 10 % an Kaufkraft verloren – die Realrendite beträgt also überschlägig minus 5 %. Kein einträgliches Geschäft und auf Dauer verliert man so sein Vermögen.

"Wer gut essen will, kauft Aktien. Wer gut schlafen will, kauft Anleihen."
(André Kostolany)

Der süffisante Spruch von Börsenaltmeister André Kostolany ist also mit Vorsicht zu genießen. Doch in einem Aspekt trifft er zu: den Kursverlauf. Den bringt man vor allem mit Aktien in Verbindung, denn die teilweise wild herumzackenden Chartbilder von Aktien hat wohl jeder schon mal gesehen. Bei Anleihen findet man so etwas nur, wenn sie an der Börse notiert sind. Und das sind gar nicht so wenige.

Grundsätzlich gilt, dass man sich um die Anleihekurse keine großen Gedanken zu machen braucht, wenn man nur an den Zinseinnahmen interessiert ist. Anleihen werden bei Fälligkeit zu 100 % zurückgezahlt; wo ihr Kurs in der Zwischenzeit steht, ist damit nicht relevant. Außer beim Kauf der Anleihe. Denn hier ist der Kurs durchaus ein Renditefaktor.

Hat eine Anleihe einen Nominalzins von 5 %, aber einen Kurs von 102 %, dann senkt dies die Rendite entsprechend. Denn man kauft etwas, das 100 Euro wert ist für 102 Euro – und diese 2 Euro Aufschlag fehlen am Ende, wenn man nur 100 Euro zurückerhält. Gehen wir einfach mal von einer Laufzeit von einem Jahr aus, dann bekommt man 100 Euro zzgl. 5 Euro Zinsen. Von diesen 105 Euro müssen wir die 2 Euro Aufschlag abziehen und stehen bei 103 Euro - macht eine Rendite von 3 %.

Der Kurseffekt wirkt auch anders herum: Wenn die Anleihe eine Nominalverzinsung von 5 % aufweist, vergleichbare Anleihen aber 6 % bieten, dann liegt ihr Kurs wohl unter 100 % und am Ende der Laufzeit würde man trotzdem 100 Euro zurückerhalten. Die Rendite liegt also entsprechend über 5 %.

Dabei ist der Kurseffekt umso stärker, je kürzer die Restlaufzeit der Anleihe ist, denn man bezahlt ihn ja nur einmal. In unserem Beispiel mit einem Jahr wirken sich die 2 Euro erheblich aus, wenn die Laufzeit 10 Jahre beträgt, dann verteilen sich die 2 % Kursaufschlag auch auf 10 Jahre.

Es gibt natürlich auch Anleger, die nicht auf die Zinseinnahmen bei Anleihen setzen, sondern vor allem die Kursschwankungen im Blick haben. Sie wollen die Anleihen nicht bis zum Ende der Laufzeit halten, wenn sie 100 % zurückerhalten, sondern über den günstigen An- und Verkauf von Änderungen des Zinsniveaus profitieren. Eine Anleihe bei einem Kurs von 100 Euro zu kaufen und dann bei 103 Euro zu verkaufen, ist letztlich nichts anderes, als dies mit einer Aktie zu tun.

Allerdings schwanken Anleihekurse meistens weniger stark als Aktienkurse, denn das Zinsniveau ändert sich grundsätzlich nicht so schnell wie die Entwicklung der Unternehmensgewinne, die letztlich die Basis für die Steigerung der Aktienkurse sind.

Aber diesmal ist alles anders. Ich weiß, ich weiß, Sir John Templeton nannte diese fünf Worte die teuersten der Geldanlage. Weil sie fast nie zutreffen. Es gibt selten ganz neue, bahnbrechende Entwicklungen, die die Welt aus den Angeln heben. Und doch… die massive Ausweitung der Geldmenge durch die Notenbanken hat es in dieser Form noch nie gegeben. Und auch nicht eine Zinswende, die innerhalb weniger Monate das Zinsniveau um 5 % anhebt.

Die Folgen sind teilweise dramatisch. Auf einmal kostet Geld wieder Zinsen und wer sich welches leiht, sieht seine monatlichen Finanzspielräume schnell schrumpfen. Bei Immobilienfinanzierungen wirkt sich das besonders stark aus, weil es hier für den Einzelnen um große Beträge geht. Wer 500.000 Euro an Krediten aufgenommen hat und nach Ablaufen seiner Zinsbindung nun statt 1 % auf einmal 6 % bezahlen muss, hat eine jährliche Zinsbelastung von 30.000 statt 5.000 Euro. 25.000 Euro Mehrbelastung sind über 2.000 Euro mehr im Monat. Das ist für ein normales Nettoeinkommen kaum zu stemmen.

In den USA ist das ein besonders starkes Problem, weil die meisten viele Menschen variable Zinsvereinbarungen abschließen. Zinsanpassungen durch die Bank treffen sie also kurzfristig – in beide Richtungen. Über die letzten 15 Jahre war das angenehm bei tendenziell sinkenden Zinsen, aber seit einem Jahr haben die Zinsen massiv angezogen. Dem entsprechend eng(er) wird es für viele Schuldner.

Die gestiegenen Zinssätze treffen auch die Unternehmen. Denn auch die finanzieren sich ja nicht nur über Eigenkapital, sondern oft auch über Fremdkapital, für das sie Zinsen zu bezahlen haben. Auch sie müssen hier nun mit einem höheren Zinsaufwand rechnen und das belastet ihre Gewinne. Und damit auch den Aktienkurs.



Aber ich will auf einen anderen Aspekt hinaus: Mit Aktien erzielen Anleger auf lange Sicht und unter Einbeziehung jeden Börsencrashs rund 7 bis 8 % Rendite. Diese erkauft man sich mit dem Risiko, dass das Unternehmen Pleite gehen kann und man dann seinen Kapitaleinsatz verliert. Anleihen hingegen gelten als risikolos(er) und daher bringen sie grundsätzlich eine niedrigere Rendite ein. Doch nun liegt das Zinsniveau bei 5 % und damit ist der Abstand zwischen den Aktien- und Anleiherenditen kräftig geschrumpft. Im Mittel 2,5 % Renditeaufschlag für ein signifikant höheres Ausfallrisiko klingen weniger attraktiv als 7% Renditeaufschlag.

Deshalb gilt die Grundregel, dass Anleihen ab einem Zinsniveau von 4 bis 5 % zur echten Alternative für Anleger werden. Und an dem Punkt sind wir nun!

Daher mehren sich die Stimmen, die vor einem Umschichten von Aktien in Anleihen warnen und dem entsprechend vor einem Einbruch bei den Aktienkursen. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage wirkt auch über verschiedene Asset-Klassen hinweg.

Je höher das Zinsniveau, desto niedriger die Anleihekurse. Der Zinserhöhungszyklus der Notenbanken hat diesen Trend befeuert. Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock wies Mitte Juli darauf hin, dass Anleger Geldmarktprodukte im Umfang mehrerer Billionen Dollar gekauft hätten, um von steigenden Zinsen zu profitieren. Sobald der Zinserhöhungszyklus am Ende sei und die Zinsen wieder zu sinken beginnen, dürfte ein erheblicher Teil dieser Geldmarktgelder in Anleihen fließen, weil diese über Kurssteigerungen von sinkenden Zinsen profitieren würden. BlackRocks Präsident Rob Kapito sieht deshalb eine 'Once-in-a-Lifetime-Opportunity' am Anleihemarkt und BlackRock positioniert sich entsprechend. Denn die Umkehr des aktuellen Zinserhöhungszyklus der Fed wird für 2024 erwartet.

Ob das Geld aus den Geldmarktfonds wirklich überwiegend in Anleihen fließen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist jedenfalls, dass es momentan weder im Anleihen- noch im Aktienmarkt steckt. Wenn sich die Börsenstimmung weiterhin aufhellt, befeuert durch Zinssenkungen der Fed, könnte dies auch zur Initialzündung für neue Aktienengagements werden.

Kurzfristig könnte es für Anleihekurse aber schon nach oben gehen, weil die Quote von Short-Engagements, die auf steigende Zinsen und damit fallende Anleihekurse setzen, gerade neue Höchststände erreicht hat. Wenn der Markt hier dreht, kann es durchaus zu einem 'Short-Squeeze' kommen, einem panikartig anmutenden Run, um diese Positionen einzudecken. Als Nebeneffekt der dadurch deutlich steigenden Anleihekurse würde allerdings ihre Verzinsung fallen, wodurch Aktien relativ betrachtet attraktiver würden. Keine Asset-Klasse lebt auf einer Insel…

Mein Fazit

Viele spricht aktuell für den Kauf börsennotierter Anleihen. Doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass deshalb Aktieninvestments nicht oder weniger attraktiv sind.

Die möglichen Kursgewinne bei Anleihen sind nur kurzfristig zu erzielen solange die Zinsen fallen und die Anleihen noch genügend Restlaufzeit aufweisen. Je näher sie ihrem Fälligkeitsdatum kommen, desto stärker nähert sich ihr Kurs dem Nominalwert von 100 % an. Egal, was die Zinsen dann gerade machen.

Aktien hingegen sind „endlose“ Anlagen, weil sie Eigenkapital der Unternehmen darstellen, das grundsätzlich nicht zurückgezahlt wird bzw. werden muss. Aktionäre nehmen an der Wertschöpfung im Unternehmen teil und diese ist nach oben hin nicht begrenzt. Anleihen mit fester Laufzeit und festem Zins limitieren die Rendite nach oben (sofern man nicht auf Kursveränderungen mit ihnen spekulieren will).

Es gibt daher viele gute Gründe, weshalb Anleger auf Aktien setzen sollten. Je länger der Anlagehorizont dabei ist, desto stärker werden die Argumente für Aktien. Auf kurze Sicht stellen Aktienanlagen ein deutliches Risiko dar, aber mit jedem Jahr Haltedauer sinkt dieses ab. Generell betrachtet. Wenn man sich das falsche Unternehmen aussucht und dieses Pleite geht, hat man das maximale Risiko erwischt und erleidet ggf. einen Totalverlust. Doch das kann einem bei Anleihen auch passieren, denn Gläubiger sind zwar bei einer Insolvenz bevorzugt zu bedienen ggü. Eigentümern (Aktionären), aber die Insolvenzquoten liegen selten über 10 %. Und 90 % Verlust sind kaum besser als ein Totalverlust.

Anleihen können eine interessante Depotbeimischung sein, aber ich bevorzuge Aktien. Ich verstehe mich hier im Sinne Buffetts und Mungers als 'Business-Picker', nicht als 'Stock-Picker'. Ich werde daher weiterhin auf ausgesuchte Qualitätsunternehmen setzen mit großer Preissetzungsmacht und mich von ihnen reich machen lassen. Kurseinbrüche sind dabei Kaufgelegenheiten, denn wenn man 80 statt 100 Euro für dieselbe Aktie bezahlt, fährt man eine umso höhere Rendite ein, wenn die Aktien später auf 200 oder 500 oder 1.000 Euro steigen.

Und mit dieser Einschätzung bin ich nicht allein und lege euch  zu der Frage, ob man lieber in Anleihen oder in Aktien investieren sollte, einige Gedanken der weltbesten Investoren ans Herz:

"Bevorzuge Aktien vor Anleihen, denn Anleihen limitieren das Gewinnpotenzial und die Inflation beeinträchtigt die Kaufkraft des Kapitals."

"Aktien erwirtschaften im Allgemeinen höhere Renditen als Anleihen und diese Differenz in der Performance macht sich über die Zeit bemerkbar."
 
"Ich erkenne sofort an, dass Aktien an jedem folgenden Tag, in jeder Woche oder sogar in einem Jahr deutlich riskanter sein werden als kurzfristige US-Anleihen. Mit zunehmendem Anlagehorizont eines Anlegers wird ein diversifiziertes Portfolio aus US-Aktien jedoch zunehmend weniger risikoreich als Anleihen, sofern die Aktien zu einem vernünftigen Vielfachen der Gewinne im Verhältnis zu den vorherrschenden Zinssätzen gekauft werden."

"Aktien erhalten langfristig die Kaufkraft besser als Anleihen. (…) In einem Zeitraum von 20 Jahren haben Sie nie Geld mit Aktien verloren, aber Sie haben mit Anleihen die Hälfte Ihres Portfolios vernichtet, nach Inflation. Welches ist also die riskantere Anlage?"

"Mit Ausnahme von sehr kurzfristigen Anleihen und Rentenfonds können auch Anleihen riskant sein. Hier zwingen Sie steigende Zinsen zu einer von zwei unangenehmen Entscheidungen: Sie müssen sich mit der niedrigen Rendite abfinden, bis die Anleihen fällig werden, oder die Anleihen mit einem erheblichen Abschlag auf den Nennwert verkaufen. Wenn Sie wirklich risikoscheu sind, dann sind Geldmarktfonds oder die Bank der richtige Ort für Sie. Andernfalls gibt es Risiken, wohin Sie sich auch wenden."

"Während Unternehmen ihre Aktionäre routinemäßig mit höheren Dividenden belohnen, hat kein Unternehmen in der Geschichte der Finanzwirtschaft, die bis zu den Medicis zurückreicht, seine Anleihegläubiger je mit einer Erhöhung des Zinssatzes für eine Anleihe belohnt."
(Peter Lynch)

Das sollte die Entscheidung doch relativ einfach machen, oder nicht? ツ

Disclaimer: Habe BlackRock auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

6 Kommentare:

  1. Sehr hilfreich! Vielen Dank für den detaillierten Artikel! Marc

    AntwortenLöschen
  2. Schöner Artikel!
    Du hast bei deinen Ausführungen zur Realrendite etwas vereinfacht, es aber nicht wirklich kenntlich gemacht. Bei deinem Beispiel mit 5 % Zinsen und 10 % Inflation landet man nicht bei -5% Realrendite, sondern bei etwa -4,6%. Das ist die Gedankenvermittlung nicht weiter wild. Du solltest es aber zumindest erwähnen, dass deine Berechnung über den Daumen gepeilt ist – deine Follower werden das sicher kapieren.
    Deutlich wird es, wenn man mal nur die Inflation betrachtet: Wenn ich mein Auto heute für 100€ volltanke, im nächsten Jahr die Vollfüllung aber 150€ kostet (50% Inflation), dann kann ich den Tank nur zu 2/3 voll machen. Das ist, übertragen in die Geldanlage, eine Realrendite von -33% aufs Geld. Wenn man den Tank nicht leergefahren hat, sondern den Sprit absaugt und weiterverkauft, dann kann man sich über 50% Rendite freuen :D

    Du schreibst weiter:
    „Dabei ist der Kurseffekt umso stärker, je kürzer die Restlaufzeit der Anleihe ist, denn man bezahlt ihn ja nur einmal. In unserem Beispiel mit einem Jahr wirken sich die 2 Euro erheblich aus, wenn die Laufzeit 10 Jahre beträgt, dann verteilen sich die 2 % Kursaufschlag auch auf 10 Jahre.“

    Und später im Fazit-Text:
    „Je näher sie ihrem Fälligkeitsdatum kommen, desto stärker nähert sich ihr Kurs dem Nominalwert von 100 % an. Egal, was die Zinsen dann gerade machen.“

    Das widerspricht sich doch, oder es ist nur verwirrend aufgeschrieben? Die 2% wirken sich bei 10 Jahren Laufzeit jährlich aus, nicht einmalig. Das führt dann doch auch zu größeren Abweichungen vom Nennwert der Anleihe.

    Und zuletzt noch die Frage, ob du diese Aussage irgendwie belegen kannst:
    „In den USA ist das ein besonders starkes Problem, weil die meisten Menschen variable Zinsvereinbarungen abschließen. Zinsanpassungen durch die Bank treffen sie also kurzfristig – in beide Richtungen.“

    Ich bin hier etwas stutzig geworden, weil sich im US-Finaz-Podcast „Animal Spirits“ die Hosts einmal darüber gewundert haben, dass in Europa angeblich Zinsbindungen von 5-20 Jahren üblich sind und nicht „fixed rates“ über die gesamte Laufzeit vereinbart werden – wie in den USA typischerweise. Eine schnelle Google-Suche hat bei mir ergeben, dass der Anteil an AMR-Krediten („adjustable rate mortgage“; variabel verzinste Darlehen) in den USA bei um die 10% liegt.

    Freue mich auf deine Antwort

    Beste Grüße
    Florian

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für die Anregungen, Florian!

      Zur Realrendite.. da haste Recht, ich habe da überschlägig gerechnet und das im Artikel kenntlich gemacht.

      Der Widerspruch mit den 2 % ist keiner. Wenn man 102 % für eine Anleihe bezahlt, sind diese 2 % 'verloren'", denn man bekommt am Ende ja nur 100 % zurückgezahlt. Bei einem Jahr Laufzeit sind das 2 % 'Verlust', bei 10 Jahren Laufzeit verteilen sich diese 2 % auf 10 Jahre und mindern die Rendite auf die gesamte Laufzeit gesehen deutlich weniger.

      Grundsätzlich gilt bei Anleihen, dass man das Fälligkeitsdatum im Blick haben muss. Wenn man 102 % bezahlt oder 98 % und die Anleihe in 6 Monaten mit 100 % zurückgezahlt wird, erzielt man hier deutliche Kursverluste oder eben -gewinne. Es gibt zwar das Wechselspiel zwischen Rendite und Kurs, aber gegen Laufzeitende läuft der Anleihekurs dennoch gegen 100 %, egal, ob das Zinsniveau sich nun hebt oder senkt.

      Nach meiner Kenntnis nutzen viele Amerikaner noch variabel verzinste Kredite, aber die Quote der Festschreibungen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Deshalb sind viele von den deutlich gestiegenen Zinsen bei Immobilienkrediten noch gar nicht wirklich betroffen, solange ihre Zinsbindung nicht ausgelaufen ist.

      Löschen
  3. Lieber Michael,
    sehr guter Artikel - auch die Hinweise von Florian !
    Muss aber selber noch ein Kommentar „loswerden“:
    Obwohl Kostolany sich selbst als „Spekulant“ bezeichnete (s. seine vielen Bücher) hat er selbst den Großteil seines Vermögens mit Anleihen (weiß leider nicht welche und auch nicht in welcher Zeit) „erwirtschaftet“.
    Gruß, Reginald

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Moin Reginald,
      Kostolany hatte nach dem 2. Weltkrieg sehr viel Geld in russische Anleihen aus der Zarenzeit investiert, die damals notleidend waren. Die Sowjetunion hatte nach der Oktoberrevolution abgelehnt, für die Schulden des alten Regimes zu haften und deshalb waren die Anleihen nahezu wertlos. Kostolany war sich sicher, dass die Russen irgendwann Geld an den internationalen Finanzmärkten benötigen würden, Kommunismus hin oder her, und bevor das möglich wäre, müssten sie ihre Altverbindlichkeiten bedienen/bezahlen. Und genau so kam es dann auch, allerdings musste Kostolany viele Jahre darauf warten. Doch dann zahlte sich seine Russen-Anleihen-Spekulation voll aus und er hat seinen Einsatz verzigfacht.

      Löschen
  4. Vielen Dank für die ausführliche Darstellung!

    AntwortenLöschen