Montag, 14. August 2023

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Steico: Energiewendegewinner mit Problemen

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 9/2023 vom 25.07.2023

▶ In dieser Ausgabe: Exceet, Steico, DRAG, VIB Vermögen, Kontron, ATOSS, Boss, Villeroy & Boch, Viscom


Steico: Energiewendegewinner mit Problemen

Im Kampf gegen die globale Erderwärmung mischt Steico mit seinen Produkten ganz vorne mit. In den letzten Jahren konnte man die steigende Nachfrage kaum bedienen und freute sich zusätzlich über steigende Margen und Gewinne. Dem Ausbau der Fertigungskapazitäten steht inzwischen allerdings ein Angebotsüberhang aufgrund nachlassender Baukonjunktur und prallgefüllter Lager gegenüber, die Steico empfindlich treffen. Und der Aktienkurs zeichnet die neue missliche Lage deutlich nach.

Das 1986 gegründete Unternehmen entwickelt, produziert und verkauft Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem aus Holz. Man ist Euroopas führender modularer Systemanbieter für den ökologischen Hausbau und vertreibt Bauprodukte rund um die Gebäudehülle aus nachwachsenden Rohstoffen. Dabei ist Steico branchenweit der einzige Hersteller eines integrierten Holzbausystems

Die ökologischen und als nachhaltig zertifizierten Bauelemente des Unternehmens werden sowohl im Neubau als auch der Sanierung von Gebäuden verwendet. Die Elemente an Dach, Wand, Decke, Boden oder Fassade ergänzen sich zu einem integrierten Holzbausystem aus Dämmstoff und konstruktiven Bauelementen.

Darüber hinaus betätigt sich Steico auch im Holzhandel, wo Unternehmen aus der Holzbau- und Baustoffhandelsbranche, der Fertighausindustrie sowie Architekten zum Kundenkreis zählen.

Nachfrage sinkt, Produktion steigt

Steico erhöht seit Jahren seine Produktionskapazitäten, vor allem in Polen, wo man inzwischen 95 % der konzernweiten Wertschöpfung generiert. Daneben gibt es einen Produktionsstandort in Frankreich, während die operative Steuerung am Unternehmenssitz in Feldkirchen bei München erfolgt.

In Polen verfügt Steico am Standort Czarnków über ein ca. 100 ha umfassendes Gelände und das größte Euroopäische Werk zur Herstellung von ökologischen, holzfaserbasierten Dämmstoffen. Am zweiten polnischen Standort Czarna Woda hat das Unternehmen im Jahr 2016 eine Anlage zur Herstellung von Furnierschichtholz/LVL mit einer Produktionskapazität von rund 80.000 Kubikmeter pro Jahr in Betrieb genommen.

Aufgrund der hohen Nachfrage wurde der Bau einer zusätzlichen Anlage noch im selben Jahr beschlossen und mit der Aufnahme der Produktion im Jahr 2018 die Produktionskapazität auf rund 160.000 Kubikmeter verdoppelt. Und diese Investitionen haben sich rentiert, denn die Nachfrage war so hoch, dass die Kapazitäten bereits wieder an ihre Grenzen stießen.

Steico nutzt bei seinen polnischen Standorten geschickt deren Status als Sonderwirtschaftszonen mit entsprechenden Steuerbefreiungen. Darüber hinaus hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren immer wieder bei Insolvenzen von Wettbewerbern zugeschlagen und dort relativ günstig gebrauchte Maschinen erworben.

Im französischen Casteljaloux produziert Steico seit 2008 auf einem Gesamtgelände von 34 ha überwiegend leichte, flexible Dämmstoffmatten für Frankreich und angrenzende Länder.

Holzfaserdämmstoffe dominieren

Steico beschäftigt mehr als 2.000 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2022 Umsatzerlöse von rund 455 Mio. Euro bei einem EBIT von 65,2 Mio. Euro. Die EBIT-Marge lag damit bei 14,7 % nach 17,1 % in 2021.

Steicos Schwerpunkt liegt bei Holzfaserdämmstoffen und Einblasdämmungen, die für rund zwei Drittel des Konzernumsatzes stehen. Hinzu kommen Stegträger, die als tragende Bauteile eine wirtschaftliche und energetische Alternative zu konventionellen Konstruktionsprodukten darstellen. Furnierschichtholz ist ein besonders fester und leistungsfähiger Holzwerkstoff, der im Baubereich sowie bei industriellen Anwendungen eingesetzt wird.

Stegträger und Furnierschichtholz waren zuletzt auch die Investitionsschwerpunkte, weil Steico auf diese Weise ehemals fremderzeugte und zugekaufte Vorprodukte in das eigene Produktionsspektrum einbezog und so seine Angebotspalette erweiterte. Hierdurch machte Steico sich nicht nur unabhängiger von Zulieferern, sondern konnte auch seine Margen teilweise deutlich ausweiten.

Wärmedämmung liegt voll im Trend

Mit seinen ökologischen Bauprodukten ist Steico in einer stetig an Bedeutung gewinnenden Nische stark positioniert und profitiert von der zunehmenden Dynamik bei der Energiewende. Das wachsende Umweltbewusstsein und der verstärkte Wunsch nach Energieeinsparungen haben längst auch den privaten Wohnraum erreicht. Die Beheizung von Wohnraum einer der größten Energieverbraucher. Zement gehört mit 8 % des CO2-Ausstoßes zu den größten Emittenten und in einigen Ländern wird Holz bereits als klimaneutraler Baustoff präferiert.

Wärmedämmung und ökologische Baustoffe sind heute noch wichtiger, um der Energiekrise und dem globalen Klimawandel entgegenzutreten. Dabei haben die Steico-Dämmstoffe eine negative Energiebilanz, denn sie speichern mehr CO2, als bei ihrer Produktion anfällt. Darüber hinaus wächst eine ökologisch-orientierte Graswurzelbewegung heran, die nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten auf Nachhaltigkeit setzt. Steico liegt hier mit seinen Produkten also voll im Trend.

Auf Rückenwind folgt Gegenwind

2021 stand auch für Steico unter dem Eindruck von Corona, wurde jedoch erfolgreich gemeistert. Darüber hinaus war und ist der Brexit eine Herausforderung für Steico, da man in Großbritannien bisher gute Geschäfte gemacht hat. Das Unternehmen hatte aber jahrelang Zeit, sich auf den Brexit vorzubereiten und der Umsatzanteil von 10 % hält das Risiko in überschaubarem Rahmen.

Infolge mehrfach durchgeführter Preiserhöhungen konnten die teilweise spürbar gestiegenen Beschaffungskosten, wie zum Beispiel chemische Zuschlagstoffe, und Betriebskosten wie Strom in allen Märkten nahezu kompensiert werden, sodass die Ergebnisdynamik weiterhin anhielt – bis zur Zinswende in der zweiten Jahreshälfte 2022.

Denn seit die EZB die Zinsen massiv anhebt, haben sich Immobilienfinanzierungen deutlich verteuert und die Nachfrage nach Neubauten ist spürbar eingebrochen. Zudem wird die Konjunktur erheblich gebremst und die weiterhin hohen Preise lassen die Bürger und Unternehmen zurückhaltend agieren bei ihren Einkäufe und Investitionen. Das trifft im Immobiliensektor inzwischen neben Neubauvorhaben auch Instandhaltungsmaßnahmen und Renovierungen.

Sehr schwaches Auftaktquartal

Steico hatte eine nachlassende Nachfrage bereits eingeplant und entsprechend zurückhaltende Prognosen abgegeben. Aber nun legte man die Geschäftszahlen zum 1. Quartal vor und musste daraufhin die ohnehin niedrigen Erwartungen nochmals deutlich runterschrauben.

Der Umsatz lag im 1. Quartal 2023 um 16,7 % unterhalb des Vorjahreswerts und bisher war Steico von einer Erholung im Jahresverlauf ausgegangen, weil der schwächelnde Neubau durch eine erhöhte Nachfrage aus Renovierungstätigkeiten kompensiert werden sollte. Auch deshalb hatte Steico an seiner Mittelfristplanung festgehalten, die bis 2026 ein Umsatzniveau von 750 Mio. Euro vorsah. Doch daraus wird wohl nichts.

Für 2023 plant Steico nun mit einem 15%igen Umsatzrückgang, nachdem es bisher auf Vorjahresniveau liegen sollte. Dies liegt vor allem an einem sich verschärfendem Wettbewerb im Segment der Holzfaser-Dämmstoffe und auch an einer anhaltenden Kaufzurückhaltung auf Kundenseite. Der 'Käuferstreik' lässt sich gut an der sehr schwachen Entwicklung der Konjunkturfrühindikatoren für den deutschen Wohnungsbau ablesen, wo im 1. Quartal die Auftragseingänge 36 % gegenüber Vorjahr gesunken sind.

Zugleich hat sich der Einbruch der Wohnungsbaugenehmigungen in den letzten Wochen noch weiter verschärft, so dass für das Gesamtjahr wenig Hoffnung besteht. Alleine im April lag das Minus bei 31,9 %, bei Einfamilienhäusern bei -33,5 %.

Steico trifft diese Entwicklung gleich doppelt, denn die Kapazitätsausweitungen werden bald an den Start gehen. So sollen Ende 2023 die Dämmstoffkapazitäten um ein Viertel erhöht werden und eine Vollauslastung ist angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbsumfelds kaum zu erwarten, obwohl der grundsätzliche Trend zu energetische Sanierung und ökologischem Bauen weiter intakt ist.

Das Unternehmen erwartet für 2023 nun nur noch eine EBIT-Marge zwischen 8 und 10 % nachdem es bisher zwischen 10 und 15 % angepeilt hatte. Und diese reduzierte Marge wird auch nur dann erreicht, wenn die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Kostensenkung und Liquiditätssicherung greifen.

Ergänzung vom 14.08.2023: Halbjahreszahlen ohne Trendwende
Steico meldete am 24. Juli Zahlen zum 2. Quartal bzw. 1. Halbjahr 2023. Wie schon im 1. Quartal waren auch die Monate April und Mai durch Zurückhaltung bei den Händlern und ein weiteres Zurückfahren der Lagerbestände geprägt. Hinzu kam ein verschärfter Wettbewerb im Segment der Holzfaser-Dämmstoffe sowie die allgemein schwache Baukonjunktur. Im Juni zeigte sich zwar eine Belebung der Nachfrage, deren Dynamik jedoch unterhalb der ursprünglichen Erwartungen lag.

Der Umsatz im ersten Halbjahr 2023 belief sich auf 190,0 Mio. Euro und lag damit um 20,0 % unter Vorjahr. Das EBITDA betrug 30,1 Mio. Euro, das entspricht einem Minus von 40,3 % gegenüber Vorjahr, beim EBIT konnten 16,0 Mio. Euro erwirtschaftet werden, was einen Rückgang von 58,3 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Die EBITDA-Marge im 1. Halbjahr beträgt 16,0 %, die EBIT-Marge 8,5 %.

Trotz des herausfordernden Umfelds geht das Management von einer Nachfragebelebung im 2. Halbjahr aus. Für das Gesamtjahr 2023 erwartet das Direktorium einen Umsatz von 15 % unterhalb des Vorjahres sowie ein EBIT von 8 bis 10 % (im Verhältnis zur Gesamtleistung).
 

Heftige Kursreaktion

Quelle: wallstreet-online.de
Der Aktienkurs von Steico hatte über längere Zeit hinweg viel von den positiven Erwartungen vorweggenommen und sich 2021 bis auf ein neues Allzeithoch über 120 Euro hochgearbeitet. Seitdem geht es unter Schwankungen abwärts. Der Markt hat bereits eine schwächere Entwicklung eingepreist und der Kurs sich von der Spitze gesehen mehr als halbiert; seit Herbst letzten Jahres schwankte er zwischen 40 und 60 Euro. Die neue Hiobsbotschaft erwischte ihn bei rund 44 Euro und es folgte ein weiterer massiver Einbruch, der den Kurs deutlich unter die 30 Euro-Marke drückte. So tief hatte er zuletzt im Jahr 2020 notiert und nachdem das Unternehmen bereits mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet worden war, stehen nun nur noch 420 Mio. Euro zu Buche.

Hauptversammlung

Am 26. Juni fand die Hauptversammlung statt und es wurde die lange angekündigte Dividende von 0,40 Euro je Aktie ausgeschüttet. Für das Geschäftsjahr 2021 hatte es noch 0,10 Euro gegeben und angesichts der herausfordernden Lage wäre eine deutliche Dividendenkürzung vermutlich durchaus sinnvoll gewesen.

Steht Steico jetzt zum Verkauf?

Von größtem Interesse für die Aktionäre dürften auch kürzlich aufgekommene Verkaufsabsichten des Gründers und Mehrheitsaktionärs sein; Udo Schramek hält hielt immerhin 61,1 % der Aktien. Steico wies in einer Stellungnahme Mitte Mai darauf hin, dass auch ein mehrheitlicher Verkauf der Aktien an der Steico SE nicht zur Notwendigkeit eines Übernahmeangebots bezüglich der übrigen Aktien der führe, da die Steico-Aktien lediglich im Freiverkehr gehandelt würden und daher die Bestimmungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) keine Anwendung fänden.

Eine Abfindungsspekulation ist damit natürlich nicht ausgeschlossen, denn ein potenzieller Käufer könnte ja durchaus daran interessiert sein, mehr als die 61,1 % von Udo Schramek zu erwerben. Zumal der Kaufpreis jetzt ja deutlich niedriger ist als in den Monaten und Jahren zuvor.

Ergänzung vom 14.08.2023: Kingspan erwirbt 51 % an Steico
Udo Schramek hat mit dem irischen Branchenwettbewerber Kingspan eine Vereinbarung über den Verkauf von 51 % der Aktien an Steico unterzeichnet. Die restlichen 10,1 % verbleiben zunächst bei Schramek. Der Kauf soll voraussichtlich Anfang 2024 abgeschlossen sein. Der Kaufpreis für die Steico-Aktien soll bei 35 Euro gelegen haben, könnte sich durch vereinbarte 'operative Meilensteine' am Ende in der Spitze aber noch verdoppeln.

Bullcase vs. Bearcase

Die Nachrichten- und Stimmungslage sah Steico schon länger als Verlierer der aktuellen Entwicklungen seitens der Wirtschafts- und Baukonjunktur und nun hat sich auch die Faktenlage entsprechend angepasst. Die in den Vorjahren immer strategisch sinnvollen Erweiterungen erweisen sich aktuell als Bumerang und als dauerhafte Belastung auf der Kostenseite. In der Vergangenheit konnte Steico Kostensteigerungen immer gut an seine Kunden weitergeben, doch der Nachfrageeinbruch im Zusammenspiel mit den Kapazitätsausweitungen von Steico selbst und von Wettbewerbern sprechen eher für zunehmenden Margendruck.

Die Aussichten auf eine zeitnahe Erholung sind also eher trüb. Andererseits hat der Aktienkurs vom Hoch auch schon mehr als zwei Drittel korrigiert, so dass sich hier eine neue Basis finden lassen sollte. Denn die grundlegenden Trends zu ökologischem Bauen und Wärmedämmung bleiben voll intakt und auch die Wettbewerber haben mit Margendruck und Überkapazitäten zu kämpfen. In solchen Phasen konnte Steico sich in der Vergangenheit immer behaupten und sogar von Pleiten der Konkurrenz profitieren. Und die Eigenkapitalquote ist zwar zuletzt gesunken, steht mit 50 % aber noch immer sehr solide dar.

Aus dem unbekannten Hidden Champion ist inzwischen ein europäischer Marktführer geworden, der im internationalen Maßstab jedoch noch immer ein Nebenwert ist. Durch die Kooperation mit Kingspan erwartet der führende Anbieter von Dämmstoffen auf Holzbasis nachhaltige Synergieeffekte bei der Marktentwicklung sowie wesentliche Impulse für das weitere Wachstum. Die gezahlten 35 Euro klingen nicht viel, angesichts des Allzeithochs vor zwei Jahren bei über 120 Euro, doch Ende Juni lag der Kurs auch schon deutlich unter 30 Euro und kann sich auch jetzt nur knapp darüber halten. Die 'Flucht in die Größe' dürfte für Steico eine Chance darstellen, denn die Überkapazitäten in der Branche bei gleichzeitig weiterhin zurückhaltender Bautätigkeit werden wohl noch längere Zeit das Geschäft belasten. Die vereinbarten Preisaufschläge zeigen allerdings auch, dass mittelfristig von einer deutlichen Erholung auszugehen ist und die Kombination aus Kingspan und Steico sollte einiges an Synergieeffekten heben können. Zumal die britischen Inseln für Steico ja kein unbekanntes Terrain sind.

Steico ist ein Qualitätsunternehmen des Deutschen Mittelstands und die reduzierte Bewertungsebene macht die Aktie durchaus wieder interessant – sofern sich Baukonjunktur und Ausblick wieder erholen könnte Steico mittelfristig zu einer attraktiven Turnaround-Spekulation heranwachsen.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Steico wissen muss

  1. Energetische Sanierung und ökologisches Bauen sind Megatrends. Holz rückt als nachhaltiger Baustoff in den Fokus und könnte zum bevorzugten Baustoff werden.
  2. Steico ist der europäische Marktführer bei Holzfaserdämmstoffen und weitet seine Fertigungstiefe durch die Eigenproduktion von Vorprodukten, wie Stegträgern, weiter aus.
  3. Durch langfristige Lieferverträge und die Nähe zum Polnischen Staatsforst ist Steico relativ unabhängig von Preissteigerungen.
  4. Überkapazitäten und hohe Lagerbestände bei den Kunden ließen die Nachfrage deutlich sinken und erzeugen erheblichen Kostendruck mit fallenden Umsätzen und Gewinnen.
Disclaimer: Habe Steico auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

10 Kommentare:

  1. Am Wochenende kam ein Interview mit Ronald Slabke von Hypoport bei "Alles auf Aktien". Dieser zeigte sich pessimistisch, was die Neubau und Fertigstellung von Wohnungseigentum in den Jahren 2024 - 2026 angeht. Für 2024 sieht er etwa 200.000 Fertigstellungen und für 2025 unter 160.000 Stück als realistisch an. Wenn die Politik keine Maßnahmen ergreift, sieht er für 2026 auch keine Besserung. Die Sendung ist unter dem reißerischen Titel "Mieten oder kaufen? Der Immobilien-Insider hat die klare Antwort" zu finden und seine Aussagen ab etwa der 18. Minute.

    Natürlich lobbyiert er für mehr Wohnungsbau und skizziert entsprechend schlechte Szenarien. Wenn es aber zutrifft, dass die Bautätigkeit deutlich zurückgehen wird, wären weitere Tiefststände u. a. bei Steico doch recht wahrscheinlich. Inwiefern diese Aussagen aber valide sind, fällt mir schwer zu beurteilen. Ich gehe aber mal davon aus, dass die Geschäftsführung bei Steico einen solch pessimistischen Ausblick nicht verkünden würde, selbst wenn sie ihn teilt. Gibt es Meinungen dazu?

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    1. MichaelAUX15.08.23, 08:37

      Der Halbjahresbericht der auf der IR-Seite von Steico veröffentlicht wurde verheißt in der Tat nichts Gutes,man geht von 15% Umsatzrückgang für das Gesamtjahr aus. Eigentlich ist das Geschäftsmodell von Steico absolut zukunftsorientiert und fortschrittlich angelegt aber die allgemeine Wirtschaftslage wird noch länger außerordentlich schwierig bleiben. Gerade in Deutschland wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel aber durch die polnischen Betriebsteile sieht es für Steico nicht gänzlich mau aus,nur ob und wann der Immobiliensektor wieder richtig Fahrt aufnimmt kann seriös niemand beantworten. Viel zu viele Faktoren spielen da hinein und solange da keine Klarheit erkennbar ist sollte Steico lieber auf der Watchlist als im Depot landen.

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    2. Ich halte ja recht viel von Ronald Slabke, seine Überlegungen/Visionen zu Unternehmensentwicklung und Marktchancen sind schon erfolgreich. Aber seine Prognosen bzgl. des Immobilienmarkts sind nicht annähernd so treffsicher. Wie auch die der meisten anderen Leute.

      Ich denke, dass die Regierung zu einem erheblichen Teil für das Problem der Bauzurückhaltung verantwortlich ist, vor allem Robert Habeck und sein Ministerium. Ja, die Zinsen spielen auch eine Rolle, aber diese ständigen gesetzlichen Schnellschüsse im Rahmen der 'Energiewende' sorgen für maximale Verunsicherung bei allen Betroffenen. Ob es nun Bauherren sind, Bauträger, Bürger, Unternehmen, Energieversorger. Ständig wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben aber eben bei Themen, die Investitionen für 40 oder 50 Jahre auslösen. Da braucht man stabile Rahmenbedingungen und die gibt die Regierung nicht mehr vor.

      Man (die Regierung) will Wärmepumpen, aber die kommunalen Kälte-Wärme-Pläne werden gerade erst erstellt. Die Kommunen sollen/müssen festlegen, wo und in welchem Zeitraum sie Nahwärmenetze ausbauen - da sollen/dürfen dann keine individuellen Wärmepumpen verbaut werden, weil sich solche zig Millionen teuren Netze nur lohnen, wenn (fast) alle angeschlossen werden. Sonst kann sich den Ausbau und den Betrieb keiner leisten. Also hängen momentan alle in der Warteschleife, während sie eigentlich schon ihre Gasheizungen rausreißen sollen. Aber ohne Heizung geht es auch nicht. Und die Planer wachsen auch nicht auf den Bäumen; die sind gerade bundesweit gesucht und haben ja nicht endlose Kapazitäten. Also wurde hier der nächste Flaschenhals geschaffen, durch den nicht alle gleichzeitig durchpassen. Aber die Regierung macht Vorgaben, als würde die real existierenden Probleme nicht existieren. Das sorgt für Frust und Stress.

      Und dann... haben die Preissteigerungen bei Material, Energie, Personal zusammen mit den energetischen Verschärfungen dazu geführt, dass Neubauvorhaben nicht mehr unter 18 Euro je qm herstellbar sind. Aber wer soll das bezahlen (können)? Da finden sich keine Mieter mehr, also wird nicht gebaut zu diesen Kosten und das bedeutet, dass der vorhandene Bestand weiter genutzt wird. Da hier dennoch Abgänge zu verzeichnen sind (falsche Lage, Alter, Substanzverzehr), sinkt das Angebot unterm Strich, während die Nachfrage (auch durch Zuwanderung) weiter steigt. Also steigen die Mieten weiter an, was auch Bestandsmieter immer stärker trifft.

      Der Neubau dürfte noch länger am Stock gehen, aber 'gebrauchte' Immobilien werden weiterhin ge- und verkauft werden. Und dafür benötigen die meisten Menschen einen Kredit. Hypoport dürfte weiter Marktanteile gewinnen, weil die Banken Kosten sparen müssen. Aber so richtig beleben wird sich das Geschäft wohl nicht in absehbarer Zeit. Es ist also ein langfristiges Investment in den Marktanteile gewinnenden Marktführer.

      Und Steico sollte auch bald wieder besser laufen, weil auch der Bestand mehr Wärmedämmung benötigt. Und die in Zeiten der stotternden Lieferketten aufgebauten großen Lagerbestände irgendwann auch abverkauft sind.

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    3. @MichaelAUX
      Bzgl. der Umsätze aus dem Vorjahr, insbesondere im 2. Halbjahr, muss man aber auch immer berücksichtigen, dass damals sehr hohe Preissteigerungen stattfanden, so dass die Umsätze 2H22 aufgebläht waren - und damit vergleichen wir heute. Umsatzrückränge sollte man daher nicht isoliert betrachten, sondern dann auch auf die zugrundeliegenden Mengenveränderungen schauen, damit ein Rückgang ggf. nicht überdramatisiert wird.

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  2. Hallo Michael,
    Die Problematik der aktuellen Faktenlage bei Wohnung, Heizung, Energiepreise und die nun anstehenden Änderungen sowie Auswirkungen auf den Immobilienbestand hast Du sicherlich korrekt beschrieben. Aber dafür nun die aktuelle Regierung und speziell Wirtschaftsminister Habeck dafür verantwortlich zu machen, ist aus meiner Sicht nicht richtig. Da haben wir als Gesellschaft und insbesondere die "verlorenen" Merkel-Jahre schon einen beträchtlichen Anteil. Dass jetzt alles ganz schnell und gleichzeitig gehen muss, wenn wir die Ziele zur CO2-Reduktion einhalten wollen, ist nicht dieser Regierung, die nun endlich Dinge anpackt, anzulasten. Klar, man sollte klarere Aussagen fordern. Wie stark umstritten aber die Gesellschaft bei den anstehenden Verteilungskämpfen ist, zeigt sich schon innerhalb der Regierung. Die ist ja nur ein Abbild der Gesellschaft.
    Diese verlorene Zeit fällt uns nun - wie ja auch beim Investieren generell - vor die Füße. Ein echter Mist.
    Beste Grüße Holger

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    1. Moin Holger,
      ich war seit 2001 in der Kommunalpolitik in Schleswig-Holstein aktiv (2003-2023 im Stadtrat und 2008-2023 im Kreistag) und habe somit diverse Kanzler/Regierungskoalitionen und Landesregierungen der unterschiedlichsten Zusammensetzung "live" erlebt in ihrem Wirken. Insofern kann ich durchaus beurteilen, wie schlecht Gesetze in der Umsetzung für die unteren Ebenen ausgefallen sind und ihre teilweise massiven Kollateralschäden. Zudem bis ich seit 2006 auch im Aufsichtsrat eine kommunalen Energieversorgers aktiv und dieses Themenfeld ist ja ebenfalls stark durch staatliche Eingriffe und/oder Regulierung beeinträchtigt. Insbesondere die Einführung der Netzregulierung habe ich von Anfang an begleitet und miterleben müssen.

      So schlimm, wie das unter Robert Habeck als Energiewürgeminister läuft, war es unter keinem anderen. Und da waren schon einige Pfeifen dabei, sowohl im Wirtschafts- als auch im Energieressort (und leider nicht nur da). Ich mache das nicht an seinem Parteibuch fest, nicht an seiner Herkunft (SH) und auch nicht an seinen Sympathiewerten (er gehört ja zu den sympathischsten Zeitgenossen im Politbusiness).

      Und wenn heute gerne von "verlorenen Jahren" unter Merkel gesprochen wird, finde ich das ziemlich daneben. Denn sie wurde 2005 Kanzlerin als Deutschland in Europa als "der kranke Mann" bezeichnet wurde und auf die 5 Mio. Arbeitslose zusteuerte. Sie hatte als Kanzlerin die Atomkatastrophe von Fukushima, die Globale Finanzkrise, die Flüchtlingskrise und die Corona-Pandemie durchzustehen. Das hat sie durchaus nicht alles schlecht gemanagt. Die letzten Jahre ging aber nicht mehr viel - nur wer war denn seit 2018 Vizekanzler in einer ungewollten großen Koalition (die der FDP-Verweigerung zu einer Jamaika-Koalition geschuldet war)? Richtig, "Prinz Valium" Olaf Scholz war Vizekanzler und nun ist er seit 2022 Bundesskanzler und in der Ampel-Koalition ist Siechtum eingekehrt, nichts bewegt sich mehr mit halbwegs normaler Geschwindigkeit.

      Ich finde es nicht angebracht, dies Merkel anzulasten (und ich bin nun wahrlich nicht ihr größter Fan). Sie hat nach Fukushima eine abrupte Kehrtwende in der Atompolitik durchgezogen (die ich für falsch hielt und halte) und sie hat in der Flüchtlingskrise schnell und konsequent gehandelt (was ich ebenfalls für keine gute Entscheidung hielt und halte).

      In Bezug auf den Ausbau der reg. Energien von verlorener Zeit zu sprechen, ist hingegen richtig. Merkel hat mit Altmeier da die Sau zum Metzger gemacht. Aber... der Bund alleine kann da gar nichts machen. Bayern steht hier voll auf der Bremse, seit Jahren schon. Und... Schlusslicht beim Windkraftausbau ist Baden-Württemberg - seit 12 Jahren von dem Grünen Kretschmann regiert.

      Ja, man das Beklagen, aber es alleine Merkel anzulasten und auch noch Prinz Valium aus der Verantwortung zu entlassen, halte ich für daneben gegriffen. Das Wirtschaftsministerium wird leider grundsätzlich mit Nullen besetzt, weil jeder meint, das könne ja wohl jeder. Der letzte wirklich fähige Wirtschaftsminister war Wolfgang Clement (SPD, 1. Merkel GroKo) und auch vor ihm gab es da kaum positive Ausnahmeerscheinungen. Die Personalkatastrophen werden fast nur noch vom Verteidigungsministerium getoppt, wo Peter Struck (SPD) in der letzten Schröder-Regierung einen guten Job gemacht hat. Und auch Pistorius (SPD) hat mehr auf dem Kasten als alle Amtsvorgänger der letzten 18 Jahre. Und ja, mir ist durchaus bewusst, dass ich hier keinen meiner Parteifreunde aus der CDU (oder CSU) genannt habe. Leider sticht hiervon niemand positiv heraus.

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    2. Übrigens... es war die britische Wirtschaftszeitung "The Economist", die vor 24 Jahren Deutschland auf ihrem Cover als "The Sick Man of Europe" bezeichnete. Und auf dem Cover der aktuellen Ausgabe fragt sie nun "Is Germany once again the Sick Man of Europe?".

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  3. Moin Michael,
    Danke für die lange Antwort. Ich will hier nichts vermischen. Meine Aussage auf die verloren Merkeljahre bezogen sich auf die Energiepolitik. (Bei Flüchtlingskrise und Außenpolitik bin ich überwiegend, bis auf Russland, bei dir). Mit Prinz Valium und seine wenig rühmliche Rolle die letzten Jahre ist auch alles gesagt. Aber lass uns bei der Energiepolitik bleiben. Bei der Fukushima-Entscheidung haben wir verschiedene Ansichten, das kann so stehen bleiben, weil der Brei ist gegessen und es wird kein neuer gekocht werden. Die Südländer sind tatsächlich eine sehr ärgerliche Bremsergruppe was den Ausbau der EE angeht, ganz unabhängig von Parteibuch - das ärgert mich als Süddeutschen besonders. Fadenscheinige Begründungen und dann "darf" der Norden auch noch höhere Netzentgelte zahlen. Gaga...
    Wie wird es besser? Sicherlich bessere Gesetze fordern und dann hoffe ich auf die Macht des Faktischen, denn keine Energie ist billiger als die Erneuerbaren Wind und Sonne (Agrargas schließe ich bewusst aus).
    BG Holger

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  4. Hallo Herr Kissig,
    Ihr Artikel zu Steico beinhaltet einige interessante Aspekte (inkl Kommentare), von daher vielen Dank dafür.
    Die Liste "Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Steico wissen muß", würde ich aus Investorenperspektive jedoch unbedingt ergänzen um den Punkt, daß das Unternehmen bis dato notorisch FCF-negativ gewesen ist (2003-23LTM kumulativ über EUR 175m) und entsprechend regelmäßig externes Kapital aufgenommen hat (2003-23LTM kumulativ ca EUR 300m davon ca EUR 175m netto als Darlehen und ca EUR 125m als Eigenkapital). Zudem halte ich es für bedenklich, wenn ein Unternehmen Dividenden nicht aus dem FCF ausschüttet, sondern faktisch durch die Aufnahme von Eigenkapital finanziert (Stichwort: linke Tasche/ rechte Tasche). Obgleich Wärmedämmung vor allem auch in Deutschland unbestritten voll im (politisch gewollten) Trend liegt und Steico 2003-22 sehr kontinuierlich und stark gewachsen ist (Umsatz), erscheint es mir daher mindestens sehr fraglich, ob und wenn ja zu welchem Preis man das Eigenkapital des Unternehmens kaufen sollte. Für mich jedenfalls ist notorisch negativer FCF über einen derart langen Zeitraum wie bei Steico ein K.O.-Kriterium, und das Unternehmen hat es deswegen und trotz der interessanten Produkte, die ich als Konsument überzeugend finde und auch bereits verwendet habe, nicht auf meine Watchlist geschafft. Umgekehrt kann ich sehr gut verstehen, daß Herr Schramek den Großteil seiner Anteile zu dem genannten Preis verkaufen möchte.
    Beste Grüße
    J. Jessen

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    1. Ja, der negative Free Cashflow ist schon so eine Sache... Andererseits hat Steico in den letzten Jahren immer wieder massiv in den Kapazitätsausbau investiert, was ja viel Kapital bindet. Bis vor einem/anderthalb Jahr/en hat das Modell ja auch durchaus gut funktioniert, bis der Absatzmarkt implodiert ist. Das hat niemand kommen sehen, jedenfalls nicht von Anfang an und nicht in diesem Ausmaß.

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