Dienstag, 22. August 2023

Im Fokus: Spezialversicherer Kinsale Capital hängt sogar Buffetts Berkshire Hathaway ab

Die Kinsale Capital Group ist hierzulande weitgehend unbekannt. Das ist nicht verwunderlich, denn schließlich ist der US-amerikanische Spezialversicherer im Bereich Exzedenten- und Überschussversicherungen (E&S) für kleine Unternehmen tätig und damit in einem Segment, mit dem die meisten Menschen nicht in Berührung kommen. Und er ist auch keiner der ganz großen Player. Dennoch kann das Unternehmen seit Jahren mit seinen Erfolgen und branchenweit herausragenden Schaden-Kosten-Quoten beeindrucken und spätestens an dieser Stelle dürfte sich ein genauerer Blick auf diese Nebenwert lohnen...

Die Kinsale Capital Group ist eine Holding, unter deren Dach die beiden operativ tätigen Töchter aktiv sind. Der Branchenschwerpunkt der Gruppe liegt auf Bau- und Unfallsektor. Die IT-Systeme von Kinsale ermöglichen es dem Unternehmen, beinahe schon ein Drittel der eingehenden Schadenmeldungen innerhalb der ersten Stunde zu bearbeiten. Das stellt einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil dar und resultiert in weiter steigenden Marktanteilen, wobei der E&S-Markt ohnehin seit über 10 Jahren mit prozentual zweistelligen Wachstumsraten auffällt.

Kinsale Insurance Company, Inc.

Die Kinsale Insurance Company ist eine  Versicherungsgesellschaft für Exzedenten- und Spezialversicherungen; sie ist auf schwer zu vermittelnde Schaden-, Unfall- und Spezialrisiken spezialisiert. Alle Produkte werden über ein Netz unabhängiger Versicherungsmakler als Hauptvertriebskanal vertrieben und das Unternehmen verkauft Versicherungsprodukte in rund 50 Bundesstaaten, dem District of Columbia, Puerto Rico und den United States Virgin Islands. Es bietet eine breite Palette von Versicherungspolicen an, überwiegend gewerbliche Sachversicherungen, Haftpflichtversicherungen für kleine Unternehmen, Bauversicherungen, Haftpflichtversicherungen mit Selbstbeteiligung. Bei Privatversicherungen wird auch Versicherungsschutz für eine überschaubare Anzahl von Hausbesitzern geboten.

Exzedentenversicherungen sind vor allem im gewerblichen Bereich interessant, insbesondere für Freiberufler wie Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Anwälte. Diese müssen sich über eine Berufshaftpflichtversicherung absichern, die allerdings lediglich bis zu einem überschaubaren Betrag die Risiken abdeckt. Für die Risiken/Summen, die über die üblichen 1,5 oder 2 Mio. hinausgehen (bei Vermögensschäden aufgrund von Fehlberatung kann das schnell passieren), wird eine Zusatz- oder Aufstockungsversicherung benötigt: eine Exzedentenversicherung. Es geht dem Versicherten nicht in erster Linie darum, seine Mandanten besserzustellen, sondern im Schadensfall nicht seine Existenz zu verlieren.

Spezialversicherungen sind Versicherungen, die Unternehmen gegen einzigartige Risiken absichern, wie z.B. Hochwasser- oder Pandemieversicherungen. Diese sind kaum bei gewöhnlichen Versicherungen zu erwerben, zumal sich die "Generalversicherer" immer öfter aus diesem Segment zurückziehen. Treten Schäden auf, sind die Versicherungsleistungen enorm und belasten die betroffenen Versicherer kräftig. Aber wie Warren Buffett schon erläuterte, würden bereits am nächsten Tag die Geschäfte noch besser laufen, weil die Versicherungen ihre Prämien anheben und aufgrund der Katastrophe mehr Menschen eine Versicherung abschließen würden. Und da Großschadenereignisse zwar regelmäßig, aber nicht ständig passieren, können die Versicherungen mit dem "Float" aus Versicherungsprämien bis zur nächsten Schadenbegleichung ordentlich Geld verdienen.

Aspera Insurance Services, Inc.

Aspera Insurance Services fungiert als Underwriting Manager für gewerbliche Unfall- und Personenschäden. Underwriting bedeutet, dass das Unternehmen selbst die Risiken einschätzt. Durch die Risikoeinschätzung ist es möglich, einen Preis für die Versicherung zu bestimmen. Kinsale Capital übernimmt das Underwriting speziell bei schwierig einzuschätzenden Geschäftsfeldern.

Alle Produkte von Aspera Insurance Services werden über spezielle Makler vertrieben. Dabei konzentriert sich Commercial Casualty auf bauliche und raumbezogene Risiken mit dem Schwerpunkt 'Quick Submission Turnaround'. Personal Lines wiederum ist auf Fertighäuser spezialisiert, die über das firmeneigene WEB-Portal von Aspera erstellt wurden. Aspera Commercial schreibt Handelsgeschäfte, während Aspera Personal Lines Geschäfte in den südlichen US-Küstenstaaten abwickelt.

Das Versicherungsmodell

Das Geschäftsmodell einer Versicherung ist grundsätzlich recht einfach zu verstehen. Entweder es ist ein Umlagesystem, wie unsere gesetzliche Rentenversicherung. Was heute an Beiträgen von der Versicherten eingezahlt wird, und wodurch sie künftige Ansprüche erwerben, wird heute an die Begünstigten, die früher Ansprüche erworben haben, ausgezahlt. Es wird allenfalls eine geringe Sicherheitsrücklage aufgebaut.

Die andere Methode ist das Prämiensystem. Hierbei kalkuliert der Versicherer ein Risiko, also Schadenhöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit, und errechnet daraus einen Versicherungsbeitrag. Hat er gut kalkuliert, belaufen sich die Summen der auszuzahlenden Schäden langfristig auf niedrigere Werte als er an Prämien eingenommen hat (sog. Schaden-Kosten-Quote). Der Kalkulation kommt also eine herausragende Bedeutung zu, weil kein Versicherungsunternehmen auf Dauer mehr auszahlen als einnehmen kann. Mit (zu) niedrigen Prämien auf Kundenfang zu gehen, kann also immer nur eine auf kurze Sicht ausgelegte Strategie zur Kundengewinnung sein.

Kinsales Schaden-Kosten-Quote

Kinsale Capital ist hier konservativ unterwegs und legt hohen Wert auf eine solide Bilanz und ein einträgliches operatives Versicherungsbusiness. Dieser Fokus auf konservative Schadenreservenschätzungen hat zu einer günstigen Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) geführt. Eine Combined Ratio unter 100% bedeutet, dass ein Unternehmen beim Underwriting einen Gewinn erzielt.

Kinsale Capital weist für 2022 eine Schaden-Kosten-Quoten von 77,9 % auf, ist also sehr profitabel. Zwischen 2017 und 2019, also vor der Corona-Pandemie, waren es noch 84 % und 85 %, während sie in 2020 deutlich nach oben schoss wegen der überdurchschnittlich hohen Katastrophenschäden durch die Hurrikans 'Laura' und 'Sally' sowie die heftigen Waldbrände in Kalifornien. Doch selbst im so gebeutelten 3. Quartal 2020 erreichte sie 'nur' einen Spitzenwert von 97 %, so dass Kinsale selbst da noch im positiven Bereich agierte. Im letzten Quartal, also von April bis Juni 2023, sank sie auf 76,7 % und die zuletzt größeren Befürchtungen wegen der Auswirkungen des Hurrikans 'Hillary' in Kalifornien scheinen sich nicht zu konkretisieren.

Dennoch bleibt festzustellen, dass die Häufigkeit von Großschadenereignissen zunimmt. Lagen in den 1980er Jahren noch durchschnittlich 75 Tage zwischen Großschadenereignissen in den USA, die die Höhe von 1 Mrd. USD übertrafen, sind es in den 2020er Jahren bisher nur noch 18 Tage - natürlich inflationsbereinigt. Die Nachfrage nach entsprechenden Versicherungspolicen bleibt also weiterhin hoch und dürfte weiter ansteigen, da der Klimawandel mit zunehmenden Dürreperioden, Überflutungen und Wirbelstürmen diesen Trend leider weiter verschärft.

Einem Bericht von Allied Market Research zufolge wird der globale Markt für Spezialversicherungen bis 2031 voraussichtlich 279 Mrd. USD erreichen und mit durchschnittlich 10,6 % pro Jahr (CAGR) wachsen, angetrieben durch steigende Risiken in Verbindung mit aufstrebenden Branchen und technologischen Fortschritten. Dabei haben die USA einen bedeutenden Anteil am globalen Versicherungssektor und liegen nach  Prämienvolumen, der Zahl der Beschäftigten und den Unternehmensergebnissen  weltweit an der Spitze. Da Kinsale auf spezifische Kundenbedürfnisse und Nischen abzielt, dürfte das Unternehmen auch künftig in diesem expandierenden Markt überdurchschnittlich stark wachsen.

Kinsales Marktanteil

Hohe Profitabilität lockt allerdings immer auch Wettbewerber an, die sich ebenfalls die hohen Margen einstecken wollen. Wie erwähnt, ist Kinsale Capital Group in einem speziellen Segment unterwegs, dem Markt für Exzedenten- und Spezialversicherungen (E&S-Markt) und kann hier auf eine Erfahrung von mehr als 25 Jahren verweisen.

Kinsale ist jedoch ein kleiner Player im E&S-Markt und erzielte 2022 lediglich einen Marktanteil von 1%. Dominant sind hier Lloyd's Market (24%,) AIG (7%), Markel (5%) und Warren Buffetts  Berkshire Hathaway (4%).

Umsatz, Gewinne, Bilanz

Es sind also keine Leichtgewichte, mit denen Kinsale im Wettbewerb steht. Umso beeindruckender ist die Erfolgsbilanz: Der Umsatz kletterte im 2. Quartal 2023 um 60,8 % auf 296 Mio. USD und der Gewinn je Aktie erreichte 2,88 USD (Non-GAAP). Die Bruttoprämieneinnahmen aus neu abgeschlossenen Verträgen legten dabei um 58 % zu nach 46 % im vorangegangenen Quartal und beide Werte lagen oberhalb des langjährigen Durchschnitts.

Das operative Nettoergebnis betrug 67, 2 Mio. USD (2,88 je Aktie) nach 44,4 Mio. USD (1,92 je Aktie) im 2. Quartal 2022. Im 1. Halbjahr lag es bei 123,9 Mio. USD (5,32 je Aktie) verglichen mit 82,1 Mio. (3,56 je Aktie) in der 1. Hälfte 2022.

Unterm Strich blieb ein Nettoergebnis von 72,8 Mio. bzw. 3,12 USD je Aktie nach 27,1 Mio. bzw. 1,17 USD im entsprechenden Vorjahresquartal. Für die 1. Jahreshälfte erzielte man bei Nettoergebnis 128,6 Mio. bzw. 5,52 USD je Aktie nach 58,9 Mio. bzw. 2,55 USD je Aktie im Vorjahr.

Die Nettokapitalerträge stiegen im Vergleich zum 2. Quartal 2022 um 128,2 % auf 24,2 Mio. USD. Diese Zuwächse sind auf das Wachstum des Anlageportfolios des Unternehmens zurückzuführen, das hauptsächlich durch die Anlage des starken operativen Cashflows und höhere Zinssätze im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen erzielt wurde. Die annualisierte operative Eigenkapitalrendite lag in den 6 Monaten bis zum 30. Juni 2023 bei 30,6 %. Im 1. Quartal waren es noch 28,6 % gewesen.

Meine Einschätzung

Quelle: wallstreet-online.de
Kinsale Capital agiert konservativ und das führt zu überdurchschnittlichen Margen aufgrund der niedrigen Schaden-Kosten-Quote. Das Management will seinen Fokus noch stärker auf kleine und mittlere Unternehmen legen und so das Wachstum weiter forcieren. Der Trend geht auch bei Versicherungen in Richtung Digitalisierung und Kinsale setzt hier mit seiner eigenen Technologie-Plattform bereits Akzente. Die damit einhergehende Vereinfachung der Unternehmenskommunikation, das Sammeln von Kundendaten und die Erhebung statistischer Daten wird die operative Effizienz weiter steigern.

Kinsale Capital ist als Spezialversicherer in seiner Nische aussichtsreich positioniert und agiert sehr erfolgreich. Aus diesen Gründen stufe ich das Unternehmen als attraktive Depotbeimischung ein, auch wenn das starke, profitable Wachstum mit einer entsprechend höheren Bewertung erkauft werden muss.

Disclaimer: Habe Berkshire Hathaway, Kinsale Capital auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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