Dienstag, 26. September 2017

"Höhere Finanzmathematik" - Kerschhofers Gedicht über Banken und Spekulanten

"Höhere Finanzmathematik" ist ein vor dem Hintergrund der Finanz-, Banken und nun Staatsschuldenkrise mehr als zeitgemäßes Gedicht. Es weist die eine oder andere zynische Zuspitzung auf, legt aber im Grunde den Finger gekonnt in die Wunde. Zumal die Selbstheilungskräfte des Marktes ja - wieder einmal - versagt haben und wir auch heute noch die Folgen der Finanzkrise verspüren in Form von Staatsschuldenkrise in Südeuropa und Niedrigzinsphase rund um den Globus.

Erstmals erschienen ist das Gedicht in der Druckausgabe der Preußischen Allgemeinen Zeitung vom 27. September 2008 und unterzeichnet sind die Verse mit Pannonicus, Richard G. Kerschofers journalistischem Pseudonym.


Höhere Finanzmathematik
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen – echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft’s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und – das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.

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