Mittwoch, 17. September 2014

Sind deutsche Autozulieferer wieder kaufenswert?

Manch einer reibt sich verwundert die Augen, denn viele deutsche Autozulieferer notieren zwischen 25 und 30 Prozent unter ihren Jahreshöchstständen und sind auf den ersten Blick günstig bewertet mit einstelligen KGVs und attraktiven Dividendenrenditen. Trotzdem kennen die Kurse seit Wochen nur eine Richtung, nach unten. Es stellt sich die Frage, ob man als Value-Investor hier nicht zugreifen sollte, obwohl die alte Börsenregel "Greife nie in ein fallendes Messer" eine der wichtigsten und richtigsten ist.

Schauen wir uns kurz einige Werte näher an (die Kurzportraits  stammen von finanzen.net):

Grammer AG
Die Grammer AG ist ein deutsches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen für die Pkw-Innenausstattung sowie von Fahrer- und Passagiersitzen für Offroad-Fahrzeuge, Lkws, Busse und Bahnen spezialisiert hat. In Europa gehört das Unternehmen zu den Marktführern im Bereich der Herstellung von Offroad-Sitzsystemen. In den Wachstumsmärkten Asien und auf dem amerikanischen Kontinent arbeitet die Gesellschaft an der Etablierung des Portfolios. Zu den Kunden der Grammer AG gehören neben Automobil- und Fahrzeugherstellern unterschiedlicher Branchen auch Reparaturwerkstätten oder Großhändler, die über ein direktes Vertriebsnetz beliefert werden. Der Konzern beliefert seine Industrie- und Gewerbekunden mit Komplettausstattungen und -Systemen und verkauft außerdem einzelne Ersatzteile oder Sonderanfertigungen. Unter dem Dach der Grammer AG sind die Aktivitäten zahlreicher Tochter- und Beteiligungsunternehmen vereint. Mit ihnen ist der Konzern an mehreren internationalen Standorten vertreten, darunter China, Spanien, Slowenien, Japan, Großbritannien, Brasilien und die USA.

Aktienkurs: 33,65 EUR
Streubesitz: 97,14%
EPS 14/15e: 2,98/3,67
KGV 14/15e: 11,41/9,27
Dividende 14/15e: 0,79/0,94 EUR
Div.-Rendite 14/15e: 2,31%/2,78%

Leoni AG
Die LEONI AG ist ein weltweit tätiger System- und Entwicklungslieferant von Drähten, Kabeln und Bordnetz-Systemen. Das Angebotsspektrum umfasst Drähte und Litzen, Standard- und Spezialkabel, Lichtwellenleiter sowie komplette Kabelsysteme und Dienstleistungen für unterschiedlichste industrielle Anwendungen. Im Bereich Wiring Systems werden Kabelsätze und komplette Bordnetz-Systeme sowie Komponenten für die internationale Fahrzeugindustrie entwickelt, produziert und vertrieben. Die beiden Segmente bilden eine aufeinander aufbauende Wertschöpfungskette: Drähte, Litzen und Glasfaser sind die Grundlage für isolierte Kupferleitungen und -kabel bzw. Lichtwellenleiter. Diese werden konfektioniert, zu Kabelsätzen, Kabelsystemen sowie Bordnetz-Systemen weiterverarbeitet und als Komplettpaket inklusive ergänzender Services angeboten. Neben Produkten für die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie umfasst das LEONI-Leistungsspektrum Spezialkabel nach Kundenspezifikation, montagefertige Kabelsysteme, verkabelte Module, Datenleitungen und Netzwerk-Komponenten, isolierte Starkstromleitungen, Steuerleitungen, Koaxial- und Instrumentenkabel, Netzanschlussleitungen, Kupferdrähte und -litzen sowie die Strahlenvernetzung von Kabeln und Rohren.

Aktienkurs: 46,10 EUR
Streubesitz: 87,10%
EPS 14/15e: 4,21/5,36
KGV 14/15e: 11,07/8,70
Dividende 14/15e: 1,36/1,71 EUR
Div.-Rendite 14/15e: 2,91%/3,68%

SAF Holland SA
SAF-HOLLAND S.A. ist ein führender globaler Anbieter von Bauteilen und Systemen für die Anhänger-, Auflieger-, Lastkraftwagen-, Sattelzugmaschinen-, Bus- und Wohnmobil-Industrie. Das Produktangebot umfasst Achs- und Fahrwerksysteme, Sattelkupplungen, Königszapfen, Anhängerkupplungen und Stützwinden. Zu den Kunden zählen neben Original Equipment Manufacturers (OEMs) und Original Equipment Suppliers (OESs) auch Endverbraucher und Service-Zentren. Zusätzlich verfügt das Unternehmen über eigene Forschungs-, Entwicklungs- und Testabteilungen.

Aktienkurs: 10,00 EUR
Streubesitz: 86,23%
EPS 14/15e: 0,86/1,10
KGV 14/15e: 11,79/9,19
Dividende 14/15e: 0,37/0,49 EUR
Div.-Rendite 14/15e: 3,66%/4,89%

SHW AG
Die SHW AG - 1365 gegründet und damit einer der ältesten Industriebetriebe Deutschlands - zählt heute zu den führenden Automobilzulieferern in Deutschland. Das Unternehmen entwickelt und fertigt sowohl Pumpen und Motorkomponenten wie auch Bremsscheiben und beliefert Lieferanten der Fahrzeugindustrie, Nutzfahrzeughersteller sowie namhafte Automobilhersteller in Europa und Nordamerika. Das Produktsortiment ist in den einzelnen Bereichen breitgefächert und enthält verschiedenartige Öl-, Wasser-, Vakuum- oder elektrische Pumpen sowie Sinterteile, Pumpenräder und unterschiedliche Bremsscheiben. Erklärtes Unternehmensziel ist insbesondere die Fertigung von Produkten, die zur Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emisionen beitragen. Darüber hinaus arbeitet der Konzern an neuen Technologien und Lösungen, um den Anforderungen des Automobilmarktes gerecht zu werden. Im Bereich Forschung & Entwicklung werden daher verschiedene Produkte zur Lösung von komplexen Problemen im Fahrzeugbau entwickelt. Im Vordergrund stehen dabei Materialien und Herstellungsverfahren für Leichtbauteile auf dem neuesten Stand der Technik. Insgesamt verfügt die SHW AG über vier Produktionsstandorte in Deutschland sowie über weitere in Kanada und Mexico.

Aktienkurs: 34,25 EUR
Streubesitz: 53,34%
EPS 14/15e: 2,73/3,43
KGV 14/15e: 12,57/9,99
Dividende 14/15e: 1,21/1,15 EUR
Div.-Rendite 14/15e: 3,52%/3,35%

Einschätzung
Von den Kennzahlen her sehen alle Unternehmen attraktiv aus und sie sind allesamt in ihren Bereichen gut bis hervorragend aufgestellt. Einige haben jüngst sogar ihre Jahresprognosen bestätigt, andere liegen nahe dran. Was könnte also die Skepsis gegenüber derart niedrig bewerteten Aktien nähren? Ich denke, es sind die Kunden, denn die Automobilindustrie ist eine stark zyklische und konjunktursensible Branche. Und die Zulieferer hängen zu einem erheblichen Teil von den Autokonzernen ab. Schaut man nun auf die Meldungen der vergangenen Monate, dann sieht man, dass sich der Automobilzyklus längst abkühlt: laut dem europäischen Autoverband ACEA lag der Zuwachs im August mit 2,1 Prozent zum Vormonat deutlich unter dem des Juli. In den großen Absatzmärkten wie Deutschland und Frankreich wurden sogar weniger Wagen verkauft. Dazu kommt zunehmende Zurückhaltung in China und die Russlandsanktionen treffen die Hersteller mit voller Wucht. Die Konsequenz wird sein, dass sie bei geringeren Absatzzahlen einerseits weniger Teile von ihren Zulieferern beziehen werden und darüber hinaus auch wieder auf Kostenoptimierungspotenziale schielen werden. Und auch hier fällt schnell der Fokus auf die Zulieferer und deren Margen.

Fazit
Die Zulieferbetriebe scheinen auf den ersten Blick günstig bewertet zu sein, dennoch steht und fällt diese Einschätzung ja mit den zugrundeliegenden Kennzahlen. Und wenn man perspektivisch davon ausgehen muss, dass die Zulieferer weniger absetzen und ggf. zu niedrigeren Preisen, dann werden die bisher genannten Zahlen und Prognosen nicht zu halten sein. Die Folge der wohl zu erwartenden Reduzierungen wären höhere KGVs/Bewertungen - und der Kurs hätte letztlich nur die zu erwartenden Entwicklung vorweggenommen. Und dann wären die vermeintlichen Kaufkurse doch nur Zwischenstationen auf dem Weg zu wirklich attraktiven Einstiegskursen gewesen.

Unter Chance-Risiko-Aspekten drängen sich Neuengagements zurzeit eher nicht auf, auch wenn die aktuelle Kennzahlenlage anderes vermuten lässt. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Zulieferer die Börsenstars des Vorjahres waren und hohe Kurssteigerungen zu verzeichnen hatten. Diese korrigieren sie jetzt. Und "nur weil eine Aktie fällt, heißt das nicht, dass sie nicht noch weiter fallen kann", mahnte schon Peter Lynch.

10 Kommentare:

  1. Ich sehe keine einstelligen KGVs.
    "15e" Werte sind nicht wirklich ernst zu nehmen.

    Gruß
    Overmind

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    1. An der Börse wird die Zukunft gehandelt und das Jahr 2014 geht in das letzte Quartal. Selbstverständlich sind die Erwartungen für 2015 mit entscheidend dafür, ob ich heute eine Aktie kaufe oder nicht. In 2014 kann ein Management nicht mehr viel reißen, die Perspektiven für die Zukunft bestimmen doch den Wert, den ich einem Unternehmen zumesse - und damit den Kaufkurs, den ich zu zahlen bereit bin. Es sei denn, ich fokussiere mich auf seine Zerschlagungswerte, also den Buchwert.

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  2. Ich habe einen Beitrag zu SHW geschrieben - nach dem, vermutlich unbegründeten, Preissturz und der Unternehmensstrategie bzw. Produktpolitik halte ich SHW für einen interessanten Wert.

    Was meinst du?

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    1. Moin Chris,
      schöne Analyse, die Du verfasst hast. Ich habe mich in meinem Artikel vor exakt einem Jahr ja gegen ein Investment in den vier angerissenen Zuliefer-Unternehmen ausgesprochen und in der Zwischenzeit lagen alle mit ihren Aktienkursen höher. Allerdings in einer allgemeinen Hausse. Die Automobilbranche erfährt gerade ziemliche Bremsspuren und das wird etwas verspätet auch die Zulieferer treffen. Die Aussichten sind also erst einmal per se eingetrübt.

      Bei SHW habe ich immer mal ein Auge drauf, denn bisher klang die Story ziemlich gut: die haben sich fast zu Tode gesiegt, weil sie so starke Nachfrage nach ihren Produkten hatten, dass ihre Kapazitäten nicht ausreichten. Daher war meine Einschätzung grundsätzlich interessiert bis positiv, weil ich davon ausging, die würden in eine Kapazitätsausweitung investieren, mit einem doppelten positiven Effekt: die Nachfrage und damit die Auslastung ist bereits gegeben und aufgrund der wegfallenden außerordentlich hohen externen Kosten würden sich die Margen "automatisch" verbessern. Der erste Kursrückgang brachte SHW daher wieder in meinen Fokus.

      Allerdings drängen sich nun einige Fragen auf, die ein Investment riskant erscheinen lassen:

      - Weshalb hat man die Kapazitätsausweitung nicht längst in Angriff genommen bzw. abgeschlossen? Das scheint ein ziemliches Problem zu sein.

      - Wie kann es sein, dass ein Großkunde so einfach die Teile selbst herstellen will? Sind die SHW-Produkte nicht patentrechtlich geschützt? Steckt hier kein ausgefeiltes Know-How drin? Kann im Prinzip jeder, also auch weitere Kunden, SHW-Komponenten einfach so selbst produzieren?

      Ich habe keine Antworten auf diese beiden Fragenkomplexe, aber sie stellen für mich ein erhebliches Risikopotenzial dar. Und daher kann ich nicht einschätzen, ob SHW auf diesem deutlich reduzierten Kursniveau wirklich eine gute Investition ist.

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    2. Exane BNP behauptet in ihrem Analystenkommentar, ein wichtiger SHW-Kunde wolle bestimmte Teile für das Start/Stopp-System in seinen Fahrzeugen künftig selbst herstellen, womit für dieses Produkt zwei Drittel des Umsatzes wegfallen würden. Aufgrund dessen hat Exane BNP ihre Gewinnschätzungen für 2016 und 2017 um 30 Prozent auf 2,77 beziehungsweise 3,25 Euro je Aktie gekürzt und ebenso das Kursziel um 30 Prozent auf jetzt noch 33 EUR.

      Sollte sich diese "Meldung" bewahrheiten, wäre das schon heftig für SHW. Hinzu kommen die großen Unsicherheiten über die mögliche Abschwächung im Automobilsektor und damit auch der Absatzkapazitäten für die Zulieferer – verbunden mit einer möglichen weiteren Preiskürzungsinitiative der Autokonzerne. Zulieferer sind hier ja in einer schwierigen Position, wenn sie nicht über Alleinstellungsmerkmale mit ihren Produkten verfügen. Und die stehen bei SHW ja momentan im Zweifel.

      Auf der anderen Seite ist der heutige neuerliche Kurseinbruch um nochmals fast 10% wohl deutlich übertrieben. Denn sooo negativ sind die – unbestätigten – Vermutungen für SHW ja nun auch nicht, sie sind nicht existenzbedrohend und eine Kurshalbierung seit Ende August dürfte hier ein Großteil der nachher wirklich real eintretenden Probleme/Einbußen überkompensiert haben. Und auch wenn man ja nie in ein fallendes Messer greifen soll, könnte es sich bei SHW zu Kursen unter 23 EUR durchaus als günstiger Einstiegszeitpunkt erweisen auf mittel- und langfristige Sicht.

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    3. So, die erwartete Umsatz- und Gewinnwarnung für 2015 und 2016 ist nun da. Umsatz 2016 gute 10 Prozent runter, EBITDA gute 15 Prozent niedriger. Kurseinbruch bisher rund 37 Prozent und zwar seit der BNP-Analyse, vorher hat der SHW-Kurs ja bereits deutlich zweistellig abgegeben - kann man sich ja mal Gedanken machen,ob die Kursreaktion nicht doch übertrieben ist...

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    4. Ergänzend gibt es von der SHW-IR jetzt noch eine umfangreiche Pressemitteilung, wo auf aktuelle Entwicklungen im SHW-Konzern eingegangen wird und eben auch auf die Einbrüche aufgrund der avisierten Eigenfertigung eines Großkunden.

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  3. Hallo Michael,

    nachdem du den Kurssturz bei SHW für übertrieben hältst und hier investiert hast, drängt sich die Frage auf, ob der aktuelle Absturz von Leoni nicht ebenfalls übertrieben ist....

    Grüße Malte

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    1. Moin Malte,

      zufällig zeitgleich zu Deiner Frage habe ich einen eigenen Artikel zum Thema verfasst: "Kurzsturz bei Autozulieferern: Schnäppchen oder Value-Trap?".

      Leoni hat einen üblen Kursabsturz hinter sich, aber die Gewinnerwartungen für 2015 und 2016 haben sich auch vaporisiert - ich sehe aktuell auch nicht, wie sie ihr Problem in den Griff bekommen wollen, das ist bei SHW ganz anders...

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  4. Hi,
    ja was für ein Timing ^^...

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