Samstag, 14. März 2020

Altersarmut dank Immobilienfinanzierung über Lebensversicherung. Wirklich? Wirklich!

Dass ich nicht viel vom Produkt Kapitallebensversicherung halte und dass es für die Versicherten eine Entreicherungsanlageform ist, habe ich in den letzten Jahren wiederholt geschrieben. Die Niedrigzinsphase hat den Assekuranzen kräftig zugesetzt, weil sie selbst keine auskömmlichen Geldanlagen mehr finden und inzwischen müssen sie sogar eine Zinszusatzreserve aufbauen, um die üppigen Garantieverzinsungen aus der Vergangenheit gewährleisten zu können. Doch die Zinszusatzreserve geht zulasten der Rendite der Versicherten und senkt deren heutigen Ablaufleistungen weiter. Des Weiteren mussten die Assekuranzen ihre Garantieverzinsung immer mehr absenken und der Staat strich die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven oder Schlussüberschüssen der Versicherungen, was die Rendite weiter abschmolz. Die Folge dieser Gemengelage ist, dass inzwischen die Überschussbeteiligungen fast komplett ausfallen. Dabei waren doch gerade sie in der Vergangenheit das ziehende Verkaufsargument für "der Deutschen liebste Anlageform".

Nun ja, wird mancher sagen, da bekommen nun Leute nach 25 Jahren eben weniger Zinsen ausgezahlt und dem entsprechend fällt die Ablaufleistung geringer aus. Pech gehabt. passiert eben. Und so oberflächlich betrachtet, kann man das fast so stehen lassen. Jeder ist für sein Geld und auch seine Absicherung im Alter selbst verantwortlich. Und doch...

In den 1980er und 1990er Jahren waren Kapitallebensversicherungen das bevorzugte vermittelte Produkt der Versicherungen, insbesondere der Strukturvertriebe von Bonnfinanz, AWD, OVB, HMI, MLP und wie sie alle hießen - und heißen. Nicht nur zur reinen Kapitalanlage, sondern sie wurden reihenweise zur Finanzierung von Eigenheimen verkauft. Ups...

Genau. Die deutlich gesunkenen Ablaufleistungen der Lebensversicherungen haben katastrophale Folgen für eine ganze Generation von Eigenheimbesitzern. Denn diesen ahnungslosen Kunden (aus heutiger Sicht muss man wohl sagen Opfern) wurden damals Kapitallebensversicherungen angedreht, die sofort die benötigte Gesamtsumme für den Kauf des Einfamilienhauses oder der Eigentumswohnung bereitstellten, und zwar in Form eines Darlehens. Dieses wurde nur verzinst, nicht aber getilgt. Anstelle der Tilgungsrate zahlt der Kunde die Beiträge an die Kapitallebensversicherung. Die Tilgung der Darlehens erfolgt dann endfällig, wenn die Lebensversicherung ausgezahlt wird.

Guter Grundgedanke ist, dass im Falle des Ablebens die Lebensversicherung einspringt und das Eigenheim bezahlt. Ob für den Ehepartner oder die Erben, ist ja egal. Allerdings wurden früher schier utopische Überschussberechnungen angestellt. Nicht nur, dass Garantieverzinsungen von mehr als 5 Prozent versprochen wurden, sondern es wurden darüber hinaus fiktive Fortschreibungen aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert und so Überschussrendite bis in den zweistelligen Bereich vorgegaukelt. Die nichts mit der harten Realität zu tun haben, wo die Ablaufleistungen mitunter nur noch die Hälfte der ursprünglich versprochenen Beträge erreichen.

Die Folgen sind verheerend! Wer die Kapitallebensversicherung als Rentenversicherung gewählt hat, bekommt nun eine deutlich geringere monatliche Auszahlung. Wer also mit 500 Euro im Monat kalkuliert hat, bekommt nun als Rentner 250 Euro. Die Differenz dürfte für die meisten schmerzhaft sein.

Schuldendienst statt mietfrei wohnen im Alter

Noch schlimmer steht es um die Eigenheimbesitzer. Denn wer vor 20 oder 30 Jahren die Verträge unterschrieb, ging davon aus, im Ruhestand schuldenfrei in seinem Häuschen leben zu können. Dieses Ziel war das meistgenannte der Kunden der Strukturvertriebe und genau hierauf waren die Konstrukte ausgerichtet. Nun hat Max Minus 1994 seine Finanzierung über die Kapitallebensversicherung abgeschlossen und sollte heute im Jahr 2019 sein für 200.000 Euro erworbenes Haus schuldenfrei abbezahlt haben. Doch die Ablaufleistung seiner Lebensversicherung liegt nicht bei den versprochenen 200.000 Euro, sondern nur bei 100.000 Euro. Das Darlehen für die Hausfinanzierung, das er bei der Versicherung aufgenommen hatte, beträgt aber 200.000 Euro. Aus der LV wird nun getilgt, es verbleibt ein offener Rest von 100.000 Euro. Statt schuldenfrei im Alter steht man als Rentner nun mit hohen Schulden da!

Nun muss man also nicht nur die offenen 100.000 Euro aufbringen und dafür andere Vermögensgegenstände verkaufen oder seinen Notgroschen abräumen, oder aber man muss die 100.000 Euro in Raten abstottern, was die monatliche Rente/Pension arg drückt. Hinzu kommt, dass das Haus natürlich auch schon 25 Jahre alt ist und immer häufiger Reparaturen und Instandhaltungen anfallen, die ebenfalls ins Geld gehen. Anstelle des sorgenfreien Ruhestands hat man ein erheblich verringertes Einkommen und dazu noch sechsstellige Schulden am Hals, die man wohl bis ans Lebensende wird abstottern müssen.

Was viele Ruheständler nicht können werden. Sie haben nicht große Summen an Vermögen aufgebaut zusätzlich zu ihrer Immobilie, denn die sollte ja die Hauptabsicherung für den Lebensabend sein. Nicht viele haben ein Wertpapierdepot, das sie mal eben auflösen können, um ihre Schulden zu begleichen. Oder eine so üppige Rente/Pension, dass sie die monatlichen Raten für das Darlehen dauerhaft zusätzlich zu ihrem Lebensunterhalt bestreiten können. Die Konsequenz ist, dass diese Menschen ihre Häuser verkaufen müssen, um ihre Schulden zu begleichen. Anstatt sorgen- und schuldenfrei den Lebensabend im Eigenheim genießen zu können, verlieren sie ihr Zuhause, um die Schulden abzahlen zu können. Und müssen im Anschluss auch noch Miete zahlen, anstatt mietfrei im Eigenheim zu wohnen.

Eine ungeheuerliche Ungerechtigkeit, die leider durch die Politik auch noch unterstützt wurde. Denn als es den Versicherungen schlecht(er) ging, änderte der Bundestag einfach die Spielregeln. Die Versicherungen konnten die Garantiezinsen und die Ablaufleistungen einfach herunter drehen zulasten ihrer Kunden. Nutznießer sind die Vorstände in den Versicherungen, die weiter fette Boni kassieren. Ebenso profitieren die Aktionäre, denn das Abwälzen der Risiken und drohenden Verluste auf die Kunden führt zu Gewinnen bei den Assekuranzen und somit zu fetten Dividenden für die Aktionäre.

Und dass immer mehr Versicherungen ihre Altbestände an Kapitallebensversicherungen an Abwicklungsgesellschaften verkaufen, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Die werden nämlich ganz sicher nicht mehr auszahlen, als das gesetzlich vorgeschriebene und/oder vertraglich fixierte Minimum an Rendite. Der früher übliche "Bonus" auf die Garantieverzinsung, den kann sich der Kunde abschminken. Und damit den wesentlichen Teil des Zugewinns und der Ablaufleistung!

Auch Sparer sind nicht (viel) besser dran!

Immer wieder wird über die armen Sparar berichtet, die von der EZB und den niedrigen Zinsen enteignet würden. Das halte ich für übertrieben, denn es gibt ja durchaus Alternativen zu Sparbüchern oder Festgeldkonten. Auch wenn das jüngste Urteil des BGH schon ernüchternd ist: denn dieser erklärte die Kündigung einer Sparkasse für rechtens, die einen Sparvertrag ohne Laufzeitbegrenzung unter Hinweis auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld einseitig beendete.

Die aktuelle Corona-Pandemie sorgt dafür, dass sich weltweit das konjunkturelle Umfeld deutlich eintrübt und die Notenbanken zu massiven Schritten greifen (müssen): sie öffnen die Geldschleusen, starten oder erhöhen ihre Anleihe-Rückkaufprogramme und senken die Zinsen massiv. Mit drastischen Folgen für die Zinssätze für Sparer, aber auch für die Inhaber von Kapital-Lebensversicherungsverträgen. Viele Verträge (wie u.a. Riester-Verträge zur Altersabsicherung) haben Sicherungsklauseln, die bei hochschießender Volatilität (Schwankungsbreite) zu einer automatischen Senkung der Aktienquote führen. Die fatale Folge ist nicht nur, dass diese Produkte den Kursrutsch noch zusätzlich verstärken, sondern dass das Geld ja alternativ in Anleihen und/oder Sparprodukte fließen muss, um Rendite für die Versicherten zu erwirtschaften. Also in Produkte, wo es Negativzinsen gibt! Was die Leistung am Ende der Vertragslaufzeit nochmals weiter absinken lässt und so die Versorgungslücke weiter aufreißt!

Sparer können sich, im Gegensatz zu den Versicherungsnehmern, dennoch wehren! Sie können andere Anlageformen wählen, wie Aktien, um Rendite zu erwirtschaften. Durchschnittlich bringen Aktien 7% Rendite ein - pro Jahr. Und nach einer Anlagedauer von mehr als 12 Jahren ist das Risiko dabei statistisch gesehen gleich Null (auch wenn das niemand glauben mag angesichts der momentanen Verwerfungen an den Börsen). Wer sich nicht so gut auskennt mit Aktien und Unternehmensbewertungen, muss ja nicht auf Stock-Picking setzen, sondern kann ganz einfach einen Indexfonds kaufen.

Doch die geprellten Kunden der Lebensversicherungen stehen vor einem Scherbenhaufen. Und wer berichtet darüber, über diese Schicksale? Niemand. Die vergessene oder besser verdrängte Generation.

Wer sich aus moralischen oder ethischen Gründen heraus scheut, in Ölwerte, Tabakkonzerne oder Rüstungsfirmen zu investieren, sollte sich mal Gedanken über seinen Wertekompass machen, wenn die nächste fette Dividende von der Allianz eintrudelt. Moralisch unbelastet sind deren Gewinne nämliche ebenso wenig.

Ich habe schon vor Jahren meine Lebensversicherungen gekündigt und lege ja bekanntermaßen mein Geld ausschließlich in Aktien an. Allerdings halte ich weiterhin nichts von Investments in die Versicherungsbranche! Auch wenn ich natürlich weiß, dass Warren Buffetts Berkshire Hathaway diverse Versicherungen im Portfolio hat und ich so indirekt auch Anteile an diesen halte. Ein Kompromiss, den ich notgedrungen eingehen muss, der mir aber dennoch nicht gerade zusagt...



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2 Kommentare:

  1. Eigentlich sind alle erfolgreichen Firmen in unserer kapitalistischen Welt moralisch verwerflich. Aber so sind nun mal die Gegebenheiten und die werden sich so schnell wohl nicht ändern. Daher muss man sich selbst halt ändern und endlich anfangen das zu tun was die Reichen tun. Also endlich Aktionär werden und stetig die eigene finanzielle Bildung vorantreiben.

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  2. Naja, es gibt jedes Jahr vom Versicherer eine sogenannte Standmitteilung. Die Zinsen sinken seit 2001 weltweit. Wer in den letzten 19 Jahren nicht reagiert hat, kann die Schuld nicht immer nur bei den anderen suchen.

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