Donnerstag, 2. März 2023

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Berentzen: Knackiger Getränkespaß gibt wieder Gas

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 1/2023 vom 26.01.2023

Aktienbesprechungen in dieser Ausgabe:
  • Delignit
  • Berentzen
  • Kontron
  • Deutsche Rohstoff AG
  • ABO Wind
  • DIC Asset
  • Deutsche Beteiligungs AG
  • Elmos Semiconductor

Berentzen: Knackiger Getränkespaß gibt wieder Gas

Berentzen ist auf die Herstellung und der Vertrieb von Spirituosen, alkoholfreien Getränken sowie Frischsaftsystemen spezialisiert. Die Gruppe beschäftigt rund 500 Mitarbeiter an Standorten in Deutschland sowie in Österreich und der Türkei. Nach 250 Jahren im Familienbesitz gehörte das Unternehmen von 2008 bis 2016 mehrheitlich dem Finanzinvestor Aurelius, der es neu ausrichtete und von seinem etwas altbacken-angestaubten Image befreite. Seit dem Jahr 2016 befindet sich der Großteil der Aktien in Streubesitz.

Mit Spirituosen, alkoholischen Getränken und Wasser ist die Berentzen-Gruppe breit aufgestellt und verfügt über ein Portfolio bekannter Getränkemarken. Die bekanntesten alkoholhaltigen Kernmarken des Konzerns sind Berentzen und Puschkin, es gehören aber auch Bommerlunder, Doornkaat (Korn), Tres Paìses (Rum), Strothmann (Korn und Kräuterlikör), Echt Stonsdorfer (Kräuterlikör), Hansen (Rum und Rum-Verschnitt), Dirty Harry (Lakritzlikör), Polar (Limes) und Springer Urvater (Spirituose mit Weinbrandgeschmack) zum Sortiment. 

Die Fruchtspirituosen der Marke Berentzen werden aus Weizenkorn gewonnen und haben einen Alkoholgehalt zwischen 15 % und 20 %. Sie werden in verschiedenen Geschmacksrichtungen produziert, darunter Apfel, Saurer Apfel, Wildkirsch, Maracuja, Waldfrucht und Waldmeister. Weitere Produkte sind Berentzen Traditionskorn, Berentzen Doppelkorn und der in Eichenfässern gereifte Berentzen Edelkorn Vom alten Fass.

Bei den Mineralwässern führt man Emsland-Quelle, Märkisch Kristall, St. Ansgari und darüber hinaus Sportgetränke der Marke Vivaris, den Energy-Drink Quixx, das In-Getränk Mio Mio sowie Sinalco, für die Berentzen seit 2015 die Abfüllung und den Vertrieb in die Gastronomie in Konzession übernimmt.

Darüber hinaus bietet das österreichische Tochterunternehmen Citrocasa sogenannte Frischsaftsysteme unter der Marke Citrocasa an. Dazu gehören Fruchtsaftpressen, Flaschen und Orangen.

Vertrieb

Neben der Vermarktung eigener Spirituosen füllt Berentzen auch Getränke für Drittanbieter ab; der langlaufenden Vertrag mit Pepsi ist allerdings schon seit dem 1. Quartal 2021 ausgelaufen und das war für Berentzen eine erhebliche Umstellung, da eine sehr sichere Umsatzquelle wegfiel. Der Vertrieb erfolgt an Großmärkte und den Getränkeeinzelhandel. Über Onlineshops und einen eigenen Shop am Firmensitz werden Getränke direkt an Endverbraucher vertrieben.

Seit 2018 sind auch Getränke wie Gin, Cider und Rum im Programm, womit Berentzen auf gestiegene Konsumentenbedürfnisse reagiert und versucht, sich stärker als Premiumanbieter zu positionieren. Dies gelingt mit Hilfe von Influencern, Veranstaltungen und Sponsorings.

Burggraben

Einen ökonomischen Burggraben könnten Marken und Kundentreue darstellen. Jägermeister hat es vorgemacht und aus einer angestaubten Altmännermarke der 1970er eine angesagte Hipstermarke kreiert. Von solchen Erfolgen ist Berentzen allerdings noch weit entfernt und dürfte auch vor größeren Hürden stehen, da es ja mehr als eine Marke höherwertig zu positionieren hat.

Als strategische Wachstumsfelder hat die Unternehmensgruppe die Liköre der Marken Berentzen und Puschkin bei den Markenspirituosen, Premiumproduktkonzepte bei Handelsmarkenspirituosen, die Marke Mio Mio im Segment „Alkoholfreie Getränke“ sowie die wesentlichen Kernabsatzmärkte im Segment Frischsaftsysteme definiert.

Die Erfolge bei Mio Mio zeigen, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist, um nicht ausschließlich über den Preis konkurrieren zu müssen.

Starkes Wachstum

Die Geschäftszahlen der ersten 9 Monate 2022 zeigen ein Anstieg beim Konzernumsatz um 20,1 % auf 127,1 Mio. Euro. Das Wachstum wurde von allen 4 Kernsegmenten getragen: Das Segment Frischsaftsysteme wuchs um 28,1 %, Alkoholfreie Getränke (Mio Mio) um 23,1 %, Fokusmarken (Liköroffensive Berentzen, Puschkin) um 20,8 % und das Private-Label Geschäft mit Premiumspirituosen um 11,0 %.

Ein eher opportunitätsgetriebenes starkes Umsatzwachstum von mehr als 100 % ergab sich im Konzessionsgeschäft im Segment Alkoholfreie Getränke aus Kooperationsgeschäften mit prominenten Künstlern in Höhe von 5,8 Mio. Euro. Die erfolgreiche Strategie zeigt sich auch in den Ertragskennzahlen, z.B. bei der EBIT-Marge mit einem Anstieg auf 5,4 % nach 4,9% im Vorjahreszeitraum.

Im Rahmen der Vorlage der Halbjahreszahlen hatte die Berentzen-Gruppe ihre Jahresprognosen angehoben und erwartet nun für das Geschäftsjahr 2022 ein normalisiertes Konzern-EBIT in einer Bandbreite von 6,0 bis 8,0 Mio. Euro (ursprüngliche Prognose 2022: 5,0 bis 8,0 Mio. Euro; 2021: 6,7 Mio.), ein normalisiertes Konzern-EBITDA in einer Bandbreite von 15,0 bis 17,0 Mio. Euro (ursprüngliche Prognose 2022: 14,0 bis 17,0 Mio. Euro; 2021: 15,4 Mio.) sowie Konzernumsatzerlöse in einer Bandbreite von 158,0 bis 165,0 Mio. Euro (ursprüngliche Prognose 2022: 154,0 bis 162,0 Mio. Euro; 2021: 146,1 Mio.).

Ende der Zurückhaltung

Nach Jahren mit niedrigen Investitionen und Fokus auf Kostensenkungen agierte Berentzen zuletzt wieder offensiver und hat verstärkt Mittel in den Personalausbau, den Vertrieb und das Marketing gesteckt.

Und auch die Aktionäre sollen wieder stärker belohnt werden. Berentzen hat hierzu die Dividende deutlich angehoben und im Mai 2022 je Aktie 0,22 Euro ausgeschüttet nach 0,13 Euro im Vorjahr. Das war seine Steigerung um satte 69 %, die zu einer Dividendenrendite von 3,4 % geführt hat und für die Aktionäre angesichts des enttäuschen Kursverlaufs zumindest eine kleine Widergutmachung war.

Aktionärsstruktur

Einen bestimmenden Großaktionär gibt es nicht (mehr): MainFirst hält 8,5 % der Anteile, Marchmain Invest NV seit Kurzem 5,51 %, Lazard Frères Gestion 5,07 %, Aevum Fondation de Prévoyance 5,01 %, Berentzen selbst 2,17 %. Damit werden 73,74 % dem Streubesitz zugerechnet.

Kursentwicklung

Bis Ende August hatte sich der Aktienkurs von Berentzen um die 6,50 Euro stabil gehalten, danach erfolgte bis Ende September ein heftiger Einbruch auf beinahe 5,00 Euro. Seitdem klettert der Aktienkurs kontinuierlich aus dem Tal heraus und hat sich bereits fast wieder an die Marke von 6,00 Euro herangearbeitet.

Bewertung

Das Kurs-Umsatz-Verhältnis fällt mit 0,3 recht niedrig aus, aber es passt zur Umsatzschwäche. Denn die starken Zuwächse in 2022 sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Berentzen seit Jahren keine Umsatzzuwächse zu vermelden hat und das bei gesunkenen Margen, und gewinnen. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 15 ist für das 2022er Wachstum angemessen, doch die Wachstumsrate der nächsten Jahre dürfte wieder deutlich niedriger anfallen; der Aktienkurs preist trotz des starken Einbruchs also schon einige Vorschusslorbeeren ein.

Bullcase vs. Bearcase

Berentzen hat zwei herausfordernde Jahre hinter sich und gehört zu den großen Profiteuren, wenn wir die Corona-Pandemie endlich hinter uns lassen können und wieder ein Stück Normalität in unser Leben einzieht. Der Umsatz in der Gastronomie, auf Festivals und bei Veranstaltungen fehlte einfach und damit auch ein nicht unwesentlicher Skalierungsfaktor.

Auf der anderen Seite schlagen die deutlichen Preissteigerungen auf der Beschaffungsseite kostenseitig inzwischen voll durch. Berentzen versucht, seine Produkte höherpreisig zu positionieren, aber ist hier vom seinem Ziel noch deutlich entfernt. Dem entsprechend sind Preisanhebungen nicht ohne Kundenverluste zu realisieren. Hier wird man sehr darauf schauen, wie sich die unmittelbaren Wettbewerber verhalten, die ja vor dem gleichen Dilemma stehen.

Vor dem Berentzen-Management liegt noch viel Arbeit, aber die jüngsten Erfolge stimmen durchaus zuversichtlich.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Berentzen wissen muss

  1. Berentzen ist in der Herstellung und dem Vertrieb von Spirituosen, alkoholfreien Getränken sowie Frischsaftsystemen tätig.
  2. Der Getränkehersteller verfügt über ein breites Spektrum an Marken.
  3. Ein dauerhaftes Ende der Corona-Einschränkungen und wieder ungehemmte Feierlaune in Freizeit und Gastronomie würden Berentzens Geschäfte sehr zugute kommen.
  4. Nach zwei Jahren der Zurückhaltung will Berentzen wieder stärker investieren und auch seine Aktionäre über eine attraktive Dividende am Erfolg teilhaben lassen.
Disclaimer: Habe keine der genannten Aktien auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

*) Dieser Artikel wurde nach Hinweisen der Berentzen-IR an der einen oder anderen Stelle umformuliert/ berichtigt/ konkretisiert.

6 Kommentare:

  1. Dann lieber Coca Cola oder Diageo. Sind zwar alles keine Wachstumsraketen, aber dann sollte es so solide wie möglich sein.

    Henrik

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  2. Antworten
    1. ...ich denke auch, dass Pepsi hier unter den Vorgenannten in den nächsten Jahren die beste Performance erzielen wird...

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    2. Kräuterbraut ist eine Limonade und kein Kräuterlikör.

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  3. Ein paar Berentzen im Depot sind mir bis jetzt gut bekommen (+30%). Prost weiterhin.

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  4. wenn die Gewinnschätzungen der Analysten bei Berentzen halbwegs so eintreffen, also im nächsten Jahr 0,63 EPS und 2024 0,77 EPS dann sollte doch noch einiges an Potential vorhanden sein, Pepsi wächst ja kaum noch

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