Mittwoch, 30. Dezember 2015

Bing: Wird Microsofts vergessenes Business zur Cash-Cow?

Der Softwaregigant Microsoft ist bekannt für sein Windows-Betriebssystem, seine Office-Bürosoftware und seine Spielekonsole X-Box. Und natürlich seit der NOKIA-Übernahme auch noch für seine Handysparte mit den Lumia-Geräten. Daneben betreibt man noch etwas namens "bing", das niemand wirklich auf der Rechnung hat, dank seiner chronischen Erfolglosigkeit. Ein Suchmaschinen-David, der gegen Goliath Google niemals bestehen kann. Und doch...

Es war ein verzweifelter Versuch Microsofts, verloren gegangenen Boden gutzumachen, als man seine Suchmaschine bing 2009 zunächst als Beta-Version an den Markt brachte. Denn man hatte der Trend hin zum Internet völlig verschlafen und wollte hier Google den Milliardenmarkt der Online-Anzeigen nicht kampflos überlassen. Technisch war bing von Anfang an annähernd auf Augenhöhe, doch selbst die Kooperation mit Yahoo, die ihren eigenen Algorithmus zugunsten von bing aufgaben (und das natürlich für einen großen monatlichen Scheck von Microsoft), konnte Googles Dominanz kaum ankratzen. Im Jahr 2011 verbrannte bing pro Quartal 1 Milliarde Dollar! Inzwischen hat der chronisch erfolglose Internet-Dinosaurier Yahoo sich in Googles Arme geflüchtet und spätestens hier schien klar zu sein, dass Microsoft einen weiteren Kampf mit den übrigen Techgiganten verloren hatte...


 Microsoft (Quelle: comdirect.de) 
Allerdings ist alles anders in Redmont, seitdem Satya Nadella das Ruder bei Microsoft übernommen hat. Seine Strategie des "mobile first, cloud first" ist keine hohle Phrase, sondern inzwischen gelebte Firmenphilosophie. Und äußerst erfolgreich, wie die bereits mehr als 110 Millionen Mal installierte Version von Windows 10 belegt. Und genau hier liegt auch der Schlüssel für bings Zukunft, denn Microsoft hat seine Suchmaschine tief in Windows 10 verankert und dort zum Standard erhoben, verknüpft mit dem hervorragenden Sprachassistenten Cortana. Und beim neuen Internet-Browser Edge ist bing ebenfalls die Standardsuchmaschine und dank des zunehmenden Erfolgs der Lunima-Handys, die nun ebenfalls mit dem plattformunabhängigen Windows 10 betrieben werden, steigen die Suchanfragen via bing. In den USA konnte bing im Oktober immerhin 20,9% aller Suchanfragen verzeichnen, Platz 2 hinter Platzhirsch Google, der auf 63,9% kam - und wieder einmal etwas Federn lassen musste. Und auch wenn bing nur magere 0,1% zulegen konnte, vollzieht sich hinter den Kulissen ein dramatischer Wandel. Denn bing verbrennt kein Geld mehr, bing ist inzwischen profitabel. Und hat im letzten Quartal 1 Milliarde für Microsoft eingebracht. Das ist nicht weniger als ein Zeitenwandel, denn immer mehr Geräte werden auf Windows 10 upgedated und selbst die X-Box wird demnächst mit Windows 10 betrieben werden. Wir können also davon ausgehen, dass bings Marktanteil sich stetig weiter erhöhen wird zulasten von Google. Und da bing inzwischen profitabel ist und mehr Suchanfragen nicht zwangsläufig höhere Kosten verursachen, dürften die Margen und damit die Gewinne steigen. Damit ist Microsoft gelungen, was niemand für möglich gehalten hat: Googles Dominanz wankt, sein Geschäftsmodell ist nicht unangreifbar, sein ökonomischer Burggraben versandet.

Die Suchmaschine bing wird für Microsoft das "next big thing" und bringt dem Unternehmen eine weitere Geldquelle, die niemand auf dem Schirm hatte. Nadella schafft es, dass alle Sparten und Produkte stetig verbessert und profitabler werden und daher ist Microsoft trotz der sehr starken Performance des Aktienkurses im Jahr 2015 auch für die Zukunft meine erste Wahl unter den Tech-Giganten. Microsoft ist inzwischen kein verkanntes Value-Investment mehr, wie zu dem Zeitpunkt, als ich das Unternehmen auf meine Empfehlungsliste genommen habe. Es bleibt allerdings auch bei der inzwischen höheren Bewertung ein Value-Investment wert, denn die Gewinndynamik hat sich deutlich erhöht und das rechtfertigt ein höheres Bewertungsniveau.

4 Kommentare:

  1. Hallo Herr Kissig,
    auf jeden Fall ein interessanter Beitrag. Wenngleich die Zwangsupdaterei von MS in der Praxis nervt. Daher wäre doch auch interessant wie lange es dauern wird bis sich die Wettbewerbshüter in diese Vorgehensweise einschalten. Die Freiheit des Users bleibt dabei schon auf der Strecke.
    Vielen Dank für die gute Arbeit in 2015.
    Einen guten Rutsch und viel Erfolg für 2016.
    PAN

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    1. Ja, das nervt schon, andererseits wurde Microsoft immer wieder für Sicherheitslücken kritisiert, die aber nicht selten darauf beruhten, dass Sicherheitsupdates vom Nutzer nicht installiert wurden (oder er gleich eine völlig veraltete Software-Version nutzte, so wie aktuell noch immer viele Windows XP verwenden).

      Dieses ewige Update-Fenster für Windows 10 hat ja nun sogar die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auf den Plan gerufen, die Microsoft deshalb abgemahnt haben. Ist übrigens meine Cousine Cornelia, die sich da mit "meiner" Firma anlegt, aber das nur am Rande... ;-)

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  2. Klasse Artikel, gute Fakten. Und trotzdem....ich mag die Produkte einfach nicht. Und manchmal schadet es nicht in einem irrationalen Markt auch irrational zu Handeln. Guten Rutsch Dir und Deiner Familie und Deinen Lesern

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