Mittwoch, 7. November 2018

Paradox: Börse missversteht Prognoseanhebung von Grenke als versteckte Gewinnwarnung...

Börsenkurse sind zu 90% Emotion und zu 10% Fakten - diese Börsenweisheit bestätigt sich aktuell am Beispiel Grenke aufs Neue. Und dass viele Anleger gar nicht wissen, was sie sich da ins Depot gelegt haben - Aktien werden viel zu oft mit Wettscheinen auf die Kursentwicklung verwechselt und allzu selten als das wertgeschätzt, was sie sind: ein Anteil an einem Unternehmen. Nochmal: Unternehmensbeteiligung und Lotterieschein - das ist nicht das Gleiche! Wer das nicht versteht oder anders sieht, braucht gar nicht weiterzulesen.

Das Familienunternehmen Grenke ist eine der Vorzeigestorys auf dem deutschen Kurszettel. Seit Jahren wächst das Geschäft bei Umsatz und Ergebnis mit deutlich zweistelligen Zuwachsraten. Und der Kurs zieht seit vielen Jahren mit. Doch nun gab es einen heftigen Kurseinbruch, ausgelöst durch einen Artikel bei Bloomberg. Dort war ein Interview mit Grenke-Vorstandsmitglied Sebastian Hirsch veröffentlicht worden, das Bloomberg mit "Grenke erwartet langfristig deutlich geringeres Leasing-Wachstum" auf den Markt losgelassen hat. Und der Markt hat emotional reagiert. Und aus meiner Sicht deutlich über...


Grenke hatte in seinem Geschäftsbericht 2017 ein "langfristiges Wachstum des Neugeschäfts - das ist die Summe der Anschaffungskosten neu erworbener Leasinggegenstände, Factoringvolumina und Existenzgründungsfinanzierungen (inkl. Mikrokreditgeschäft) - um jährlich mindestens 12 Prozent" angekündigt. Ende Oktober im Conference-Call hatte Grenke dieses nun konkretisiert auf ein "mittel- bis langfristiges Wachstum für das Leasingneugeschäft von 14 bis 16 Prozent". 14 bis 16 liegt nach Adam Riese oberhalb von 12!

Richtig ist (aber) auch, dass Grenke es in der Vergangenheit regelmäßig geschafft hat, mit rund 20% pro Jahr zu wachsen. Natürlich immer von einer deutlich niedrigen Basis aus, denn die jeweils neusten Zuwächse machen das Beibehalten der prozentualen Zuwachsraten von Jahr zu Jahr schwieriger. Klar, oder? Einen Umsatz oder Gewinn von 1 Million um 20% steigern fällt leichter, als einen von 1 Milliarde.
Grenke-Vorstand Hirsch hatte dennoch ein Wachstum von 20% nicht ausgeschlossen; allerdings hatte er geäußert, dass dafür "wirklich alles passen" müsste.

Grenke, logarithm. (Quelle: wallstreet-online.de)
Nächster Stopp: USA
Bisher hat Grenke den Vorteil, dass man über "Zellwachstum" wächst. Wann immer ein Standort zu große wird, wird er geteilt. So hat man sofort am neuen Standort Mitarbeiter und Kunden und die Nähe zum Kunden bleibt auch regelmäßig relativ kurz. Dieses Muster funktioniert auch im angrenzenden Ausland - bei größeren Entfernungen kann dies aber erst nach einer bestimmten Zeit nach dem Start umgesetzt werden. Und aktuell denkt Grenke gerade über einen Markteintritt in den USA nach. "Für einen möglichen Markteintritt in den USA planen wir eine Business Feasibility Study im ersten Halbjahr 2019", sagte Hirsch. "Wenn alles perfekt läuft, ist eine Gründung frühestens im dritten oder vierten Quartal nächsten Jahres denkbar.

Neue Geschäftsfelder
Doch in der Fläche will Grenke weiter wachsen, sondern auch beim Leasingangebot. Nachdem man vor zwei Jahren mit der Übernahme der Europa Leasing GmbH den Einstieg in den Bereich Medizintechnik gewagt hatte, denkt Grenke inzwischen über eine Ausweitung in Richtung "Roboter für kleinere Produktionsstraßen oder für medizinische Operationen; oder auch 3D-Drucker, die zuletzt deutlich kostengünstiger geworden sind" nach. Dies würde einen weiteren Wachstumsschub auch an den vielen bereits bestehenden Standorten bedeuten!

Meine Einschätzung
Erst vor vier Wochen hatte ich Grenke als "relativ krisenfestes Wachstumsunternehmen" bezeichnet. An meiner positiven Einschätzung hat sich nichts geändert. Die Grenke AG bietet viele gute Argumente: starke Wachstumsperspektiven bei einem überdurchschnittlich Krisen resistenten Geschäftsmodell, eine solide Bilanz mit hoher Eigenkapitalrendite und ein stetiges Umsatz- und Gewinnwachstum mit attraktiven Margen.

Den Bloomberg-Artikel begleitete die Herabstufung von Grenke durch die Commerzbank - die sehen Grenke weiterhin als Halteposition, allerdings mit einem um 10 Euro reduzierten Kursziel von 80 Euro. Wegen der (angeblich) verringerten Wachstumsaussichten. Erstaunlich, denn eigentlich hatte Grenke gerade zuvor seine Wachstumserwartungen von 12% auf 14 bis 16% angehoben. Wohl auch deshalb bestätigte u.a. die Deutsche Bank ihre unveränderte Kaufen-Einstufung mit einem Kursziel von 107 Euro.

Den schon lange eher pessimistischen Blick der Commerzbank auf Grenke habe ich noch nie geteilt und bin bzgl. meiner Erwartungen deutlich näher bei der Deutschen Bank. Folgerichtig habe ich die letzten beiden Tage Grenke bei Kursen deutlich unterhalb von 80 Euro aufgestockt. Und ich würde mich nicht wundern, wenn sich diese Kurse mittel- und langfristig als "Geschenk" erweisen werden. Und das scheinen auch die Aufsichtsräte Wolfgang Grenke, Tanja Dreilich und Prof. Dr. Ernst-Moritz Lipp sowie die Vorstände Mark Kindermann und Sebastian Hirsch so zu sehen, denn die haben die Ausverkaufskurse ebenfalls zum Aufstocken ihrer Aktienpositionen genutzt.

Disclaimer
Grenke befindet sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

2 Kommentare:

  1. Thema Krisenresistenz. Du schreibst hier:
    "Dem steht das Risiko gegenüber, dass in Krisenzeiten gerade auch kleinere, schwächer kapitalisierte Unternehmen besonders zu leiden haben und daher die Ausfallraten steigen. Doch dagegen hat sich Grenke mit der externen Grenke Bank AG und seinem Factoringgeschäft ja gewappnet."

    Fließt das Ergebnis der Grenke Bank AG nicht in das der Grenke ein?
    Factoring Ausfälle müssten ja dann die Bank belasten und damit auch Grenke selbst.
    Falls die Bank Ergebnisse nicht mit einfließen, dürftest du die Bank ja nicht als Teil des erfolgreichen Geschäftsmodells nennen.

    Danke im Voraus.

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    1. In einer Krise leiden alle Unternehmen, abgesehen von Insolvenzverwalter und Anwälten (Fachrichtung Arbeitsrecht und Unternehmensrecht). Also auch Banken, Factoring- und Leasingunternehmen. Absolut gesehen. Relativ betrachtet stellt sich doch die Frage, ob Grenke als Konzern mit diesen beiden Sparten/Töchtern besser durch eine Krise kommen wird. Zum einen könnte das Leasinggeschäft profitieren, weil Unternehmen weniger kaufen (u.a. weil die keine/weniger Kredite bekommen) und daher Leasen. Und dann bei der Grenke Bank: die hat Kredite vergeben und ist viel näher dran an den Kunden und kann diese ggf. schon frühzeitig beraten/unterstützen, bevor es zu einer ernsthaften Unternehmensschieflage kommt. Wäre also ein Vorteil. Und beim Factoring: auch die betreiben dieses Geschäft ja als Profis und sichern sich gegen Ausfälle ab.

      Auf der anderen Seite verdient Grenke zuvor in der "Nichtkrisenzeit" ja an der vollen Wertschöpfungskette. Daher bewerte ich das so, dass Grenke überproportional profitiert in normalen Zeiten und in Krisenzeiten kein signifikant erhöhtes Risiko hat - auf jeden Fall keinen Hebel, der das Unternehmen schneller in Schieflage bringen würde.

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