Montag, 27. Januar 2020

Kissigs Kloogschieterei: Auf das Corona-Virus folgt die Börsengrippe. Oder etwa nicht?

Das Corona-Virus, das die Lungenkrankheit COVID-19 auslöst und China in Atem hält, verbreitet sich nun auch nach Amerika und Europa. Und mit ihm die Angst, sich anzustecken und zu sterben. Und Angst ist seit jeher ein Grund, Börsenkurse taumeln zu lassen - jedenfalls kurzfristig. In den USA gab es bereits am Freitag entsprechende Kurseinbrüche, in Asien heute morgen und so auch in Europa. Dabei ist noch gar nicht klar, wie lange das Virus sich weiter ausbreitet und eine Gefahr darstellt, was aber für die Unternehmen und damit für die Aktienkurse der entscheidende Faktor ist. Und selbst wenn das Virus uns länger in Atem hält, sind nicht alle Branchen gleich stark betroffen. Manche dürften sogar profitieren...

Die Chinesen haben die Millionen-Metropole Wuhan und die dazu gehörige Provinz abgeriegelt und weltweit gehen die Reiseaktivitäten zurück, vor allem von und nach China. Klar, das Virus ist ansteckend und noch immer gibt es zu wenig Informationen über die Art der Infizierung und Behandlungsmethoden. Das sorgt für Verunsicherung und dazu tragen auch die Medien bei, die möglichst in Echtzeit jede irgendwo aufgeschnappte Zahl von Infizierten und Toden in den Äther hauen, auch wenn diese kaum verifiziert sind. Und da heben wir schon den ersten Profiteur der Seuche: die Medien.

Doch blicken wir zunächst auf die Branchen, die belastet werden dürften. Hier liegt die Reise- und Touristikbranche vorn, also Unternehmen wie TUI oder Lufthansa, die vom sinkenden Reiseaufkommen getroffen werden. Ebenso die Hotels in Europa und Amerika, weil die Chinesen ausbleiben. Und auch die Luxusgüterhersteller und -verkäufer, denen die chinesischen Käufer in den letzten Jahren steigende Umsätze und Gewinne beschert hatten, wie Tiffany, LVMH oder Richèmont.

Wenn nun die Chinesen und im im weiteren Verlauf vielleicht auch Amerikaner und Europäer - zumindest vorübergehend - lieber zuhause bleiben, als außer Haus zu gehen, dann werden sie von dort aus konsumieren. Profitieren dürften also Online-Shopping und -Food-Anbieter, wie Amazon, Delivery Hero, Hello Fresh, Alibaba und auch Streaming-Anbieter wie Amazon Prime oder Netflix, doch während Walt Disney über Disney+ profitieren dürfte, werden die Umsätze in den Disney Parks eher zurückgehen. Aber auch Online-Gaming wird einen zusätzlichen Boost erleben, beim Online-Dating sehe ich die Auswirkungen eher zwiespältig. Tinder könnte eher vorübergehend ausgebremst werden, wenn persönliche Interaktion runtergefahren wird, während MATCH und andere Plattformen, wo es eher Richtung Beziehung geht, eine Zeit lang vom Small Talk profitieren dürften; der persönliche Kontakt ist das Ziel, nicht der Weg.

Wenig bis gar nicht negativ beeinträchtigt werden dürften Cloud-Firmen wie Amazons AWS, Microsofts Azure oder Google Cloud, und auch Facebook mit den Töchtern WhatsApp und Instagram dürfte zu den Profiteuren gehören. Und die Paymentanbieter MasterCard, VISA, PayPal & Co. profitieren vom Online-Shopping und weniger persönliche Einkaufsgänge bedeuten weniger Bargeldzahlungen, an denen sie nichts verdienen; die eingeschränkten Reiseaktivitäten bedeuten allerdings im Gegenzug nicht nur weniger Flugticket-Buchungen, sondern auch reduzierte Shopping-Touren, so dass der Impact zwar spürbar sein, sich unterm Strich jedoch in Grenzen halten dürfte. Mittel- und langfristig wird sich positiv auswirken, dass das Bargeld von Seiten der Regierungen unter Beschuss geraten wird, da es seit jeher als Bazillenschleuder sein Unwesen treibt.

Des Weiteren werden Telekom-Firmen eher profitieren, ebenso tendenziell American Tower und Crown Castle, weil ein erhöhtes Netzaufkommen ein (noch) höheres Erfordernis für den Ausbau des neuen 5G-Netzes bedeutet und somit die Nachfrage anheizt.

Und dann wären da noch Unternehmen, die von der Fertigung in China abhängen, wie Foxconn und in deren Folge Apple, wobei Apple mit seinen Apple Stores auch direkt im Feuer steht. Und auch Starbucks weht mächtig Gegenwind ins Gesicht, den China ist inzwischen der zweitgrößte Markt und der mit den höchsten Wachstumsraten.

Ganz anders verhält es sich mit Pharma- und Biotech-Unternehmen, die auch nur im entferntesten mit Virus-Bekämpfung zu tun haben; die geraten nun als potenzielle "Erlöser" in den Fokus und ihre Chancen dürften eher zu positiv wahrgenommen werden, während die Risiken und Hemmnisse auf dem Weg zu neuen Impf- und Wirkstoffen eher ausgeblendet werden dürften.

Mein Fazit

Ja, ich habe eine gewisse Angst vor einer Ansteckung, aber keine große, die Wahrscheinlichkeit ist verschwindend gering. Da ich nicht besonders viel reise muss ich mein Verhalten nicht großartig ändern; das sieht bei anderen Leuten ggf. anders aus.

Für die Unternehmen, die ich im Depot habe, dürften sich die Auswirkungen des Corona-Virus in Grenzen halten. Und es ist vermutlich so, dass nach einer kurzen Schwächephase auch die Börsenkurse die Angst eingepreist haben werden. Bei den letzten vergleichbaren Epidemien wurden die Börsen einige Wochen lang in Mitleidenschaft gezogen, nachdem die Massenmedien erstmals das Thema aufgegriffen hatten. Angesichts des starken Jahresauftakts ist hier noch nicht viel angebrannt und zieht man ins Kalkül, dass diese kurzfristigen Kursabschläge bei früheren Epedemien zumeist innerhalb weniger Wochen wieder aufgeholt waren und im Anschluss jeweils eine kleine Erleichterungskursrallye eingesetzt hat, dürften nicht wenige das gesunkene Kursniveau schon bald als Einstiegs- oder Nachkaufgelegenheit wahrnehmen. Auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass Chinas Bedeutung für den Welthandel und in der "internationalen Fertigungskette" heute deutlich stärker ist als noch vor zehn Jahren.

Was den Nachfrageeinbruch angeht, sollte man sich die Frage stellen, ob es sich eher um aufgeschobene Käufe handelt oder um ausgesetzte. Werden die Autos, die Luxusuhren, die Parfüms, die Windeln, Dosensuppen nach einigen Wochen doch noch angeschafft, die Umsätze für die betreffenden Unternehmen also nur verschoben, oder handelt es sich um einen wirkliche (wenn auch vorübergehende) Umsatzdelle? Und kann diese ggf. das Unternehmen existenziell gefährden.

Dennoch, auf mittlere und lange Sicht wird man den Einbruch bei den Umsätzen und Gewinnen vermutlich gar nicht mehr wahrnehmen können im Chartverlauf. Und in vielen Unternehmensbilanzen auch nicht.
»Der Aktienmarkt ist der einzige Markt, vor dem die Leute weglaufen, wenn dort ein Ausverkauf stattfindet.«
(Martin D. Sass)
Ein Grund für panikartige Verkäufe sehe ich daher nicht. Gut möglich zwar, dass man mittels Markettiming ein paar Prozente verdienen kann in den nächsten Tagen und Wochen, aber die Gefahr, das Ende des Kursabschwungs und damit den richtigen Wiedereintritt in den Markt zu verpassen, ist mir zu hoch. Ich bin und bleibe an Erfolgsunternehmen beteiligt und die werden auch mit dieser Krise gut klar kommen. Diese Qualitätsunternehmen mit ihrem breiten ökonomischen Burggraben passen sich an und... die meisten fahren ja umfangreiche Aktienrückkaufprogramme, so dass vorübergehende Kursschwächen eine erhöhte Anzahl zurückgekaufter Aktien bedeutet. Wovon ich als Aktionär zusätzlich profitiere.

Also halte ich es mit Charlie Munger: haste die richtigen Unternehmen im Depot, dann warte geduldig ab und bleib auf Deinem Hintern sitzen. So erzielt man mit Sicherheit (mehr) Rendite.

Disclaimer: Alphabet, Amazon, American Tower, Facebook, MasterCard, MATCH Group, PayPal, VISA, Walt Disney befinden sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

4 Kommentare:

  1. ... wenn man die Experten liest und hört, ist die jährliche Grippe gefährlicher und tödlicher als Corona, zumind was man bislang weiß. Gefährlich ist sie bisla für ältere und Immungeschwächte....

    Finde Panikmache fehl am Platz, das gilt auch für die Börse... Also jetzt kaufen:-)

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    1. Die Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen macht den Virus so gefährlich. Aus Investor-Sicht sollte man abwarten, wenn die großen Nachrichtenportale in den USA und Europe Ausbrüche in der Fläche vermelden. Dann gibt es bestimmt gute Rabatte an den Märkten.

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  2. Ich, ich wette.mal darauf, dass es weder in den USA noch in Europa keine"Flächen"-Ausbreitung (ab wann ist was eine Flächenausbreitung?) geben wird. An Grippe sterben in Deutschland mehr als 20.000(!!!) Menschen... Und trotz Impfung imoft sich kaum jemand... Nicht, weil die Impfung nichts bringt, sondern...? Eine Impfung mildert die echte Grippe zumindest ab.

    Das ist alles Hysterie - ich behaupte ja nicht, dass die Börse vor Hysterie geschützt ist.

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  3. da passt absolut ein Zitat von Andre Kostolany:
    "Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo ich auf einem Quadratmeter mehr Dummköpfe treffe als bei der Börse."

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